Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 20.06.1989, Az.: 10 L 76/89
Eigentumswohnung; Grundsteuervergünstigung; Kleinwohnung; Wohnungsgröße; Steuervergünstigung; Wohnflächenberechnung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 20.06.1989
- Aktenzeichen
- 10 L 76/89
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1989, 12800
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1989:0620.10L76.89.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Schleswig - 26.06.1986 - AZ: 7 A 91/86
- nachfolgend
- BVerwG - 09.11.1990 - AZ: BVerwG 8 C 81.89
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 7. Kammer - vom 26. Juni 1986 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner in ..., ..., gelegenen Eigentumswohnung als steuerbegünstigt. Die Wohnung befindet sich im Dachgeschoß eines Hauses, das 8 Wohnungen umfaßt, und trägt die Nr. 5.
Die von dem Kläger und seiner Ehefrau im August 1984 erworbene Wohnung hat nach der Wohn- und Nutzflächenberechnung der Firma ... Bau GmbH vom 1. Juli 1985, die Bestandteil der (endgültigen) dritten Nachtragsbaugenehmigung vom 11. Juli 1985 geworden ist, unter Berücksichtigung des 3 %igen Abzuges bei Rohbaumaßnahmen eine Wohnfläche von 48,65 qm und besteht aus der Raumeinheit Flur (10,97 qm), Bad (3,52 qm), Kochen (4,38 qm), Schlafen/Wohnen (15,47 qm) und einem Spitzboden (14,31 qm). Nach der ursprünglichen Baugenehmigung vom 6. September 1983 und dem Hinweis im Schlußabnahmeschein vom 11. Juli 1985 dürfen im Kellergeschoß und über dem ausgebauten Dachgeschoß (Spitzboden) keine Aufenthaltsräume errichtet werden. Der zur Wohnung des Klägers gehörende Spitzboden ist nach der Bauzeichnung über eine innerhalb der Wohnung befindliche Treppe zu erreichen.
Am 25. Juli 1984 erteilte der Beklagte der das Bauvorhaben betreuenden Gesellschaft für das gesamte Gebäude pauschal einen Anerkennungsbescheid zur Erlangung der Grundsteuervergünstigung. Nachdem der Beklagte von dem Erwerb der Wohnung Nr. 5 durch den Kläger und seine Ehefrau Kenntnis erlangt hatte, widerrief er mit Bescheid vom 10. September 1985 gemäß § 83 Abs. 5 II. WoBauG die zunächst gewährte Steuervergünstigung. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Bescheid vom 4. März 1986 zurück und führte zur Begründung aus: Die Wohnung sei zur Dauernutzung durch ein Ehepaar in tatsächlicher Hinsicht nicht geeignet.
Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg liege im steuerbegünstigten Wohnungsbau die Untergrenze für Kleinwohnungen für ein Ehepaar ohne Kinder bei einer Größe von etwa 38 qm. Die Wohnung des Klägers habe dagegen nur eine anrechenbare Wohnfläche von 34,34 qm. Der im Spitzboden gelegene Raum sei bei der Berechnung der Wohnfläche nicht zu berücksichtigen. Er sei nur als zu der Wohnung gehörender Abstellraum und nicht als Wohn- oder Schlafraum genehmigt worden. Die Entscheidung über die zulässige bauliche Nutzung sei für den Eigentümer in der Weise verbindlich, daß er eine andere als die genehmigte bauliche Nutzung nicht verwirklichen dürfe.
Der Kläger hat am 14. März 1986 Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen: Der Spitzboden sei als ein Abstellraum innerhalb der Wohnung zu qualifizieren und deshalb auf die Wohnfläche anzurechnen. Er hätte auch dann einen Anspruch auf die begehrte Steuervergünstigung, wenn der Spitzboden bei der Wohnflächenberechnung unberücksichtigt bliebe. Im Gegensatz zur Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts habe das Bundesverwaltungsgericht Eigentumswohnungen mit einer Größe von 34,95 bzw. 33,56 qm Wohnfläche noch als ausreichend groß angesehen.
Der Kläger hat beantragt,
den Widerrufsbescheid vom 10. September 1985 und den Widerspruchsbescheid vom 4. März 1986 aufzuheben.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat er sich auf sein Vorbringen im Vorverfahren bezogen und ergänzend vorgetragen, der Spitzboden liege außerhalb der Wohnung, da er sich in einem anderen Stockwerk als die übrigen zur Wohnung gehörenden Räume befinde. Er sei auch deshalb bei der Berechnung der Wohnfläche nicht zu berücksichtigen.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 26. Juni 1986 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Der Beklagte habe den Anerkennungsbescheid zu Recht gemäß § 83 Abs. 5 II. WoBauG widerrufen, nachdem er erfahren habe, daß der Kläger zusammen mit seiner Ehefrau die Wohnung Nr. 5 erworben habe und die Eheleute die Zweckbestimmung getroffen hätten, diese als Zweitwohnung zu nutzen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg liege die Wohnungsuntergrenze für ein kinderloses Ehepaar bei etwa 38 qm. Dieser Rechtsprechung habe sich die Kammer angeschlossen. Ihre Anwendung auf die Wohnung Nr. 5 ergebe, daß diese für eine Dauernutzung durch einen Zwei-Personen-Haushalt zu klein sei. Einschließlich des innerhalb der Wohnung befindlichen Spitzbodens habe sie rein rechnerisch zwar eine Wohnungsgröße von 48,65 qm. Die steuerliche Förderung des Wohnungsbaus könne aber nicht von bauplanungsrechtlichen und bauordnungsrechtlichen Gesichtspunkten getrennt werden. Die Frage der Eignung der Wohnung zu Dauerwohnzwecken sei demnach an dem Umstand auszurichten, daß der im Spitzboden liegende Abstellraum zwar rechnerisch zur Wohn- und Nutzfläche zähle, jedoch nicht zum dauernden Wohnen genutzt werden dürfe. Die angesichts dessen hier allein berücksichtigungsfähige Wohn- und Nutzfläche von 34,34 qm sei zu klein, um ein dauerndes, den Maßstäben des II. WoBauG genügendes Wohnen durch 2 Personen zu ermöglichen. Die Richtigkeit der Nichtberücksichtigung der Nutzfläche des Abstellraumes im Spitzboden bei der Beantwortung der Frage, ob die Wohnung Nr. 5 tatsächlich zur Dauernutzung durch ein kinderloses Ehepaar geeignet sei, ergebe sich auch aus § 42 Abs. 4 Ziffer 3 II. Berechnungsverordnung. Danach gehöre zur Wohnfläche nicht die Grundfläche von Räumen, die den nach ihrer Nutzung zu stellenden Anforderungen des Bauordnungsrechts nicht genügten. Die Kammer sehe sich auch durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. März 1978 - Az.: 8 C 14.77 nicht veranlaßt, von der von ihr im Anschluß an die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg für ein kinderloses Ehepaar geforderten Mindestwohnfläche von 38 qm abzugehen. Die beiden Wohnungen, die Gegenstand der Beurteilung durch das Bundesverwaltungsgericht gewesen seien, hätten einen anderen Grundriß gehabt. Während sie aus mehreren Räumen bestanden hätten, handele es sich bei der Wohnung des Klägers praktisch um eine Einraumwohnung.
Der Kläger hat am 18. Juli 1986 Berufung eingelegt. Er trägt ergänzend vor: Es sei nicht zulässig, daß Nebenräume innerhalb der geschlossenen Wohnung zwar nach § 42 II. Berechnungsverordnung auf die Wohnfläche anzurechnen seien, diese Wohnfläche aber förderungsrechtlich nicht berücksichtigt werden könne, wenn die Gefahr bestehe, daß wegen der Größe der Abstellräume diese auch zu Aufenthaltszwecken benutzt würden. Es sei willkürlich, in die Berechnung der Wohnfläche zwar Flure, Aborte, Badezimmer, Treppenräume, die Hälfte von Loggien und Terrassen einzubeziehen, den zur Erfüllung des Wohnungsbegriffs baurechtlich gleichfalls notwendigen Abstellraum jedoch unberücksichtigt zu lassen. Im Gegensatz zur Auffassung des Verwaltungsgerichts zeige der Wohnungsgrundriß, daß gerade die großzügige Aufteilung des Wohn-/Schlafbereiches einschließlich Kochnische den Wohnkomfort zu steigern geeignet sei und modernen Ausstattungsgesichtspunkten Rechnung trage.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem Klagantrag zu erkennen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die Gründe des angefochtenen Urteils für zutreffend.
Die Verwaltungsvorgänge haben vorgelegen.
II.
Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.
Der Beklagte hat die Anerkennung der Eigentumswohnung des Klägers zu Recht widerrufen, nachdem er von dem Erwerb durch den Kläger und seine Ehefrau Kenntnis erlangt hatte. Denn die Wohnung ist für eine Dauernutzung durch den Kläger und seine Ehefrau tatsächlich nicht geeignet. Die angegriffenen Bescheide des Beklagten vom 10. September 1985 und vom 4. März 1986 sind deshalb im Ergebnis rechtlich nicht zu bestanden.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urt. v. 27. 4. 1977, Buchholz 454.4, § 82 II. WoBauG Nr. 17 = BBauBl. 1977, 406; Urt. v. 1. 3. 1978, aaO, Nr. 22 = BBauBl. 1980, 743) können zwar auch Zweitwohnungen als steuerbegünstigt anerkannt werden. Mit Rücksicht auf das Förderungsziel des II. WoBauG, Wohnungssuchende und ihre Familien auf Dauer angemessen unterzubringen, dürfen sie jedoch nicht zu klein sein. Dabei ist die tatsächliche Eignung am Maßstab der Dauernutzung zu beurteilen. Eine zeitliche beschränkte Nutzung auf die Wochenenden oder die Ferien darf nicht vorgenommen werden. Die Art der Dauernutzung richtet sich nach der Größe der Gemeinschaft, in der der Wohnungsbenutzer lebt. Dies ist bei Familien die gesamte Familie. Einzelne Familienmitglieder hiervon auszunehmen, ist grundsätzlich nicht möglich. Denn nach dem II. WoBauG sind Wohnungen nur dann förderungswürdig, wenn sie der Dauernutzung durch die jeweilige Gemeinschaft dienen können, in der die Benutzer leben (BVerwG, Urt. v. 1. 3. 1978, aaO).
Im Gegensatz zu Wohnungen mittlerer Größe, die generell für die Wohnungsversorgung ausreichend sind, muß die tatsächliche Eignung zur Dauernutzung bei Kleinwohnungen grundsätzlich mangels gesetzlich vorgeschriebener Mindestgrößen konkret bestimmt werden (BVerwG, Urt. v. 1. 3. 1978, aaO). Hiervon hat der früher zuständige 14. Senats des erkennenden Gerichts in ständiger Rechtsprechung abgesehen, wenn bestimmte Mindestgrößen nicht erreicht wurden. So hat er für ein Ehepaar mindestens 38 qm und für jedes Kind mindestens weitere 10 qm für erforderlich gehalten (vgl. Urt. v. 20. 11. 1986 - 14 OVG A 107/84 -; Urt. v. 20. 9. 1984 - 14 OVG A 2/83 -). Der nunmehr zuständige Senat teilt diese Auffassung (Urt. v. 30. 5. 1989 - 10 L 87/89 -; Urt. v. 13. 3. 1989 - 10 L 65/89 -). Werden diese Mindestgrößen geringfügig überschritten oder ist bei größeren Wohnungen der ausschließlich Wohnzwecken dienende Teil der Wohnung derart klein, daß eine Dauernutzung zweifelhaft erscheint, ist unter Berücksichtigung der konkreten Situation zu prüfen, ob die Wohnung tatsächlich zur dauernden Unterbringung der sie bewohnenden Benutzer geeignet ist. Eine Einzelfallprüfung wird im letztgenannten Fall z.B. dann notwendig sein, wenn im Verhältnis zur gesamten Wohnfläche überdimensonierte Nebenräume die zu Wohnzwecken nutzbare Wohnfläche derart verringern, daß diese sich den oben genannten Mindestgrößen nähert oder sie sogar unterschreitet. Dabei kann die Eignung zur Dauernutzung nicht nach den subjektiven Vorstellungen des jeweiligen Benutzers bestimmt werden. Sie muß vielmehr an einem objektiven Maßstab gemessen werden, der an einem sozial- und gesellschaftspolitisch sinnvollen Mindeststandard ausgerichtet sein muß (OVG Lüneburg, Urt. v. 30. 5. 1989, aaO). Dieser erfordert bei einer von einem Ehepaar genutzten Wohnung zwei getrennte zu Wohnzwecken nutzbare Räume und eine abgeschlossene Küche. Bei einem oder mehreren Kindern muß darüber hinaus zumindest noch ein weiterer separater Raum vorhanden sein. Nur wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, können Kleinwohnungen, die ohnehin nur in beschränkten Maße dem Förderungsziel des II. WoBauG entsprechen (vgl. BVerwG, Urt. v. 1. 3. 1978, aaO), als steuerbegünstigt anerkannt werden. Sogenannte Studio- oder Appartementwohnungen, die neben dem Bad lediglich aus einem Raum bestehen, in dem sich auch noch die notwendige Kochgelegenheit befindet, entsprechen deshalb mangels tatsächlicher Eignung zur Dauernutzung durch ein Ehepaar nicht dem in § 1 Abs. 2 II. WoBauG festgeschriebenen Förderungszweck und sind nicht als steuerbegünstigt anzuerkennen.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze erfüllt die Wohnung Nr. 5 nach dem Erwerb durch den Kläger und dessen Ehefrau nicht die Voraussetzungen für die Anerkennung als steuerbegünstigt. Nach der der dritten Nachtragsbaugenehmigung vom 11. Juli 1985 zugrunde liegenden Bauzeichnung hat die Wohnung, die unter Anrechnung des innerhalb der Wohnung befindlichen Abstellraumes (Spitzboden) eine Wohnfläche von 48,65 qm hat, neben dem Spitzboden und dem Bad lediglich einen 30,82 qm großen Raum (Flur, Kochen, Schlafen/Wohnen), in dem sämtliche übrigen Bedürfnisse, wie Kochen, Essen, Wohnen und Schlafen befriedigt werden müssen. Mangels eines zweiten zu Wohnzwecken nutzbaren Raumes und einer abgeschlossenen Küche ist die Wohnung deshalb bereits aus diesem Grunde zur Dauernutzung durch ein Ehepaar nicht geeignet.
Aber selbst man einen zweiten Raum und eine abgeschlossene Küche nicht für erforderlich hält, erfüllt die Wohnung Nr. 5 die Anerkennungsvoraussetzungen nicht. Sie liegt zwar mit insgesamt 48,65 qm deutlich über der vom Senat für die Dauernutzung durch ein Ehepaar für erforderlich gehaltenen Mindestgröße von 38 qm. Es ist aber zu berücksichtigen, daß der nicht zu Wohnzwecken nutzbare Spitzboden mit 14,31 qm im Verhältnis zur Gesamtwohnfläche völlig überdimensioniert ist und die zu Wohnzwecken nutzbare Wohnfläche mit 34,34 qm damit deutlich unter der Mindestgröße von 38 qm liegt, so daß die Wohnung Nr. 5 auch wegen der zu geringen zu Wohnzwecken nutzbaren Wohnfläche für die dauernde Unterbringung eines Ehepaares nicht geeignet ist.
Die Voraussetzungen für einen Widerruf der Anerkennung gemäß § 83 Abs. 5 II. WoBauG sind gegeben. Insoweit verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Gründe des verwaltungsgerichtlichen Urteils (Art. 2 § 6 EntlG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.
Die Revision ist zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Das Revisionsverfahren kann durch Klärung der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Kleinwohnung als steuerbegünstigt anerkannt werden kann, dazu dienen, die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Der Rechtssache liegt auch revisibles Recht zugrunde.
Dr. Jank
Dr. Heidelmann
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