Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 09.10.2014, Az.: 10 A 374/11

Einbürgerung; Identität ungeklärt; Identitätsklärung; Leistungsbezug

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
09.10.2014
Aktenzeichen
10 A 374/11
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2014, 42641
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Keine einbürgerungshindernden Zweifel an der Identität eines Flüchtlings, der sich vor fast 20 Jahren mit einer zur Ausländerakte genommenen ID-Karte ausgewiesen hat, die heute unauffindbar ist.
Hinreichende Bemühungen zur Klärung der Identität durch Antrag auf Ausstellung einer neuen ID-Karte bei der irakischen Botschaft; Unzumutbarkeit einer eigenen Reise in den Irak (Provinz Ninive) wegen Besetzung durch IS-Milizen.

Tenor:

Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheides vom 6. Dezember 2010 verpflichtet, den Kläger in den deutschen Staatsverband einzubürgern, sofern sich aus § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG keine Einbürgerungshindernisse ergeben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v. H. des aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt seine Einbürgerung in den deutschen Staatsverband. Er ist irakischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit, (D.) geboren und am (E.) erstmals in das Bundesgebiet eingereist. Am (F.) wurde er als Asylberechtigter anerkannt. Die Anerkennung wurde mit Wirkung vom (G.) bestandskräftig widerrufen. Die mit der Anerkennung als Asylberechtigter ausgesprochene Feststellungen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG gilt fort. Seit dem (H.) ist der Kläger im Besitz einer unbefristet gültigen Aufenthaltserlaubnis, die seit dem (I.) als Niederlassungserlaubnis gem. § 26 Abs. 3 AufenthG fortgilt. Er ist außerdem im Besitz eines Reiseausweises nach Art. 28 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559), der für alle Staaten außer Irak gilt.

Der Kläger ist verheiratet mit Frau (J.) und hat mit ihr drei Kinder, die (K.), (L.) und (M.) geboren wurden.

Der Kläger hat im Irak keine weiterführende Schule besucht und ist Analphabet. Nach der Grundschule hat er als Fliesenleger gearbeitet und Militärdienst geleistet. In Deutschland besuchte er vom (N.) bis (O.) einen Alphabetisierungskurs in Vollzeit. Von Februar 2004 bis Juni 2004 besuchte er außerdem den Kurs „Deutsch für Ausländer III“ und von Februar bis Juni (P.) den Kurs „Deutsch als Fremdsprache – Grundstufe III“ im Umfang von jeweils 60 Unterrichtsstunden.

Seit dem (Q.) bezog der Kläger Leistungen nach dem SGB II. Das JobCenter teilte der Beklagten unter dem (R.) mit, dass der Vermittlung des Klägers in ein Arbeitsverhältnis unter anderem mangelnde Deutschkenntnisse entgegenstünden. Aufgrund beiderseitiger Gehörlosigkeit sei ihm die Teilnahme an einem Sprachkurs unmöglich. Wegen seiner anderen Erkrankungen sei er zwar mit erheblichen Einschränkungen als vollschichtig erwerbsfähig eingestuft worden; eine Vermittlung in eine leidensgerechte Beschäftigung sei aber wenig realistisch.

Im November (P.) wurden bei dem Kläger eine Arthroskopie des rechten Schultergelenks durchgeführt, bei der ein residualer Reizustand – Impingement – diagnostiziert und mittels einer subacromialen Dekompression behandelt worden ist. Auch mehrere Monate nach der Operation war er lt. ärztlichem Attest gehindert, Überkopftätigkeiten auszuüben oder schwere Lasten zu tragen. Atteste ähnlichen Inhalts wurden auch im Januar 2009, Juni 2009 und Dezember 2009 vorgelegt.

Im Juni 2009 wurde der Kläger hinsichtlich einer Taubheit im rechten Ohr und einer hochgradigen Schwerhörigkeit im linken Ohr audiologisch untersucht. Nach dem Untersuchungsergebnis habe der Kläger im linken Ohr mit Hörgeräten ein Hörvermögen von 35 v. H., das rechte Ohr sei nach oder trotz einer Ohroperation taub, aber rehabilitationsgeeignet. Dem Kläger wurde daraufhin im rechten Ohr ein Cochlea-Implantat eingesetzt.

Mit Bescheid vom (S.) hat das Nds. Landesamt für Soziales, Jugend und Familie dem Kläger aufgrund seiner Schwerhörigkeit, der Funktionsbehinderung des Schultergelenks und einer posttraumatischen Belastungsstörung mit Wirkung vom (T.) die Eigenschaft als Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung von 70 v. H. zuerkannt und einen Schwerbehindertenausweis mit den Merkzeichen RF ausgestellt. Dabei wurden die Schwerhörigkeit mit einem Einzel-GdB von 60 v. H. und die bei anderen Erkrankungen mit einem Einzel-GdB von jeweils 20 v. H. bewertet.

Auf Anfrage des JobCenter attestierte ein Facharzt für Innere Medizin am (U.) dem Kläger eine schwere Hypothyreose aufgrund einer Immunthyreopatie im Vollbild mit Müdigkeit, Antriebslosigkeit, Konzentrationsstörungen und Haarausfall. Der Kläger leide außerdem an schweren degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule und der lumbosakralen Bandscheiben, die seine Bewegungsfähigkeit erheblich einschränkten. Längeres Stehen oder Gehen sei ihm nicht möglich, schweres Heben nicht erlaubt. Regelmäßige Schmerzmedikation und Muskelrelaxation und physikalische Behandlung führten nur zur Linderung der Beschwerden, aber nicht zur Beschwerdefreiheit.

Im Asylverfahren hat der Kläger eine irakische ID-Karte mit der Nummer (V.) vorgelegt, die einbehalten worden ist. Als die Beklagte im Laufe des Einbürgerungsverfahrens die ID-Karte bei der Zentralen Aufnahme- und Ausländerbehörde Niedersachsen anforderte, teilte diese mit, die ID-Karte sei dort nicht mehr vorhanden. Sie sei wahrscheinlich bei der Verteilung des Klägers mit dessen Akten an die Beklagte als Ausländerbehörde übersandt worden. Handschriftlich ist auf dem Schreiben vermerkt, dass sich im Tresor keine ID-Karte befinde. Diese sei wahrscheinlich ohne Quittung an den Kläger ausgehändigt oder anderweitig verloren worden.

Ein Bruder des Klägers wurde am (W.) eingebürgert, ohne dass aus den Akten hervorgeht, dass er seine Identität nachgewiesen hat.

Der Kläger nahm am (X.) einen Einbürgerungsantrag zurück, nachdem dieser wegen mangelnder Sprachkenntnisse und wirtschaftlicher Voraussetzungen zunächst zurückgestellt worden war und schließlich abgelehnt werden sollte.

Am (Y.) beantragte der Kläger bei der Beklagten erneut seine Einbürgerung. Unter dem (Z.) forderte die Beklagte den Kläger auf, eine ID-Karte und eine Staatsangehörigkeitsurkunde jeweils im Original mit Kopien vorzulegen. Der Kläger erklärte, er habe erfolglos die irakische Botschaft aufgesucht, um diese Unterlagen zu beschaffen. Er sei aber schon am Betreten des Botschaftsgeländes gehindert worden. Sein Reiseausweis sei dafür nicht ausreichend.

Die Beklagte stellte den Einbürgerungsantrag daraufhin erneut zurück. Der Kläger bat um einen rechtsmittelfähigen Bescheid, den die Beklagte unter dem 6. Dezember 2010 erließ.

Der Kläger hat am 8. Januar 2011 Klage erhoben. Er hält die Versagung der Einbürgerung für rechtswidrig. Er habe den Bezug von Leistungen nach dem SGB II nicht zu vertreten, weil er seit Jahren aus gesundheitlichen Gründen arbeitsunfähig sei. Die Einbürgerung setze nicht voraus, dass er die irakische Staatsangehörigkeit verliere oder aufgebe, weil er im Besitz eines Reiseausweises für Flüchtlinge sei.

Die Einbürgerung könne auch nicht davon abhängig gemacht werden, dass seine Identität geklärt sei. Das Staatsangehörigkeitsgesetz sehe diese Voraussetzung nicht vor. Im Übrigen habe er sich hinreichend bemüht, Unterlagen zur Klärung seiner Identität zu beschaffen. Dass er bei der Botschaft Iraks gar nicht erst vorgelassen worden sei, könne ihm nicht entgegengehalten werden.

Von dem Erfordernis hinreichender Sprachkenntnisse sei abzusehen, weil er aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage sei, die Sprache noch zu erlernen.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 6. Dezember 2010 zu verpflichten, ihn in den deutschen Staatsverband einzubürgern.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Klärung der Identität sei zwingend erforderliche Voraussetzung des Einbürgerungsanspruchs. Die Beklagte sei zudem aufgrund einer Weisung des Nds. Ministeriums für Inneres und Sport gehalten, die Identitätsnachweise irakischer Staatsangehöriger durch das Landeskriminalamt Hannover auf Echtheit prüfen zu lassen. Die irakische Botschaft habe auf Anfrage mitgeteilt, dass der Kläger mit der Kopie seiner IDKarte ohne weiteres Einlass finden werde und sein Ersuchen bearbeitet werde.

Mit Bescheid vom (AA.) wurde dem Kläger befristet eine Rente wegen voller Erwerbsminderung nach dem SGB XII bewilligt. Die Bewilligung wurde zuletzt mit Bescheid vom (AB.) bis zum (AC.) verlängert.

Die Beklagte hat geltend gemacht, die befristete Bewilligung der Rente lasse nicht erkennen, dass sich der Zustand des Klägers nicht wieder bessern werde. Der Kläger habe außerdem einen ergänzenden Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII und deren Bezug auch zu vertreten, weil ihn die Fernwirkungen früheren Fehlverhaltens träfen. Seine Identität sei zudem weiter ungeklärt.

Der Kläger hat erwidert, er habe am (AD.) mit einem Freund die irakische Botschaft in Berlin aufgesucht. Dort sei er eingelassen worden. Er habe die Kopie seiner ID-Karte und Passbilder vorgelegt und nach Formularen für die Ausstellung von Vollmachten gefragt. er sei dann aufgefordert worden, Originaldokumente vorzulegen. Nachdem er diese nicht vorweisen konnte, sei ihm gesagt worden, Anträge könnten nur aufgrund von Originaldokumenten bearbeitet werden. Er habe auch keinen Beleg für seine Vorsprache erhalten.

Die Beklagte meint, die Ungewissheit der Identität des Klägers gehe zu seinen Lasten. Es könne nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, dass das Original der ID-Karte des Klägers im Herrschaftsbereich der Beklagten verloren gegangen sei.

Kurz vor der mündlichen Verhandlung am 9. Oktober 2014 hat die Beklagte mitgeteilt, dass zwar das Original der von dem Kläger vorgelegten ID-Karte nach wie vor nicht auffindbar sei, die Beklagte jedoch in der Ausländerakte eines (weiteren) Bruders des Klägers eine ID-Karte gefunden habe, die derjenigen ähnele, die der Kläger seinerzeit vorgelegt habe. Die Beklagte beabsichtige, diese Karte durch das Landeskriminalamt auf Fälschungsanzeichen überprüfen zu lassen. Erweise sich die Karte als frei von solchen Anzeichen, erachte sie auch die Zweifel an der Echtheit der seinerzeit von dem Kläger vorgelegten Karte als ausgeräumt.

Mit Schriftsatz vom 28. Oktober 2014 teilte die Beklagte mit, die ID-Karte des Bruders des Klägers weise nach Einschätzung des Landeskriminalamts Fälschungsanzeichen auf. Die Lichtbildsicherung sei nicht durch Prägestempel, sondern zeichnerisch erfolgt. Dieses Merkmal weise auch die Kopie der ID-Karte des Klägers auf. Die Beklagte betrachte die Identität des Klägers daher weiter als ungeklärt.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Sachverhalts und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen. Der Inhalt sämtlicher Akten war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

Die Entscheidung ergeht durch den Einzelrichter, dem die Kammer den Rechtsstreit mit Beschluss vom 22. September 2014 zur Entscheidung übertragen hat.

I. Die als Versagungsgegenklage zulässige Klage ist begründet. Der Kläger hat unter dem aus dem Tenor ersichtlichen Vorbehalt einen Anspruch auf die Einbürgerung in den deutschen Staatsverband. Der das Einbürgerungsbegehren ablehnende Bescheid ist insoweit rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.

1. Maßgeblich für die Beurteilung der Einbürgerungsvoraussetzungen sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung über den Einbürgerungsantrag bzw. im Gerichtsverfahren bei Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz  (vgl. BVerwG, Urteil vom 5.6.2014 – BVerwG 10 C 2.14 –, juris Rn. 12). Die von der Beklagten nach der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Tatsachen – namentlich die Prüfung der irakischen ID-Karte eines Bruders des Klägers durch das Landeskriminalamt und deren Ergebnis – bleiben deshalb außer Betracht.

2. Der Kläger erfüllt die in § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG an erster Stelle genannte Voraussetzung eines Einbürgerungsanspruchs, da er seit mehr als acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat. Er ist auch im Besitz eines unbefristeten Aufenthaltstitels im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG und hat das in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG verlangte Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung abgegeben und der Einbürgerungsbehörde gegenüber erklärt, dass er weder in der Vergangenheit noch in der Gegenwart Bestrebungen verfolgt oder unterstützt (habe), die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung bzw. die anderen in § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG genannten Rechtsgüter gerichtet sind.

2. Von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG, wonach der Einbürgerungsbewerber seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgeben oder verlieren muss, ist aufgrund von § 12 Abs. 1 Nr. 6 StAG abzusehen, weil der Kläger im Besitz eines Reiseausweises nach Artikel 28 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) ist.

3. Die Erfordernisse der § 10 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 6 und 7 StAG, wonach der Einbürgerungsbewerber hinreichende Sprachkenntnisse und Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland aufweisen muss, stehen dem Einbürgerungsanspruch ebenfalls nicht entgegen. Der Kläger erfüllt zwar unstreitig nicht die in § 10 Abs. 4 und 5 näher definierten Anforderungen zu diesen Einbürgerungsvoraussetzungen. Nach § 10 Abs. 6 StAG wird von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nrn. 6 und 7 jedoch abgesehen, wenn der Einbürgerungsbewerber sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung oder altersbedingt nicht erfüllen kann. Das ist hier der Fall.

Dabei gebietet nicht schon der Umstand allein, dass der Kläger Analphabet war und daher nur über rudimentäre Kenntnisse der Schriftsprache verfügt, die im Regelfall verlangt werden können, aus Härtegründen von diesen Erfordernissen abzusehen. Vielmehr bekräftigt § 10 Abs. 6 StAG bei einer systematischen Auslegung, dass selbst das Fehlen gewisser Grundkenntnisse der Schriftsprache, z. B. der Lesefähigkeit insgesamt, nicht schon dann unbeachtlich ist, wenn es auf Analphabetismus zurückzuführen ist, sondern regelmäßig nur dann, wenn Grund hierfür Krankheit, Behinderung oder Alter ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.5.2010 – BVerwG 5 C 8.09 –, juris Rn. 20, 35).

Solche Umstände treten hier neben den Analphabetismus bzw. die rudimentären Kenntnisse der Schriftsprache des Klägers. Der Kläger ist zwar 52 Jahre alt und hat damit noch nicht das Alter überschritten, ab dem auch nach den Niedersächsischen Durchführungsbestimmungen zum Staatsangehörigkeitsgesetz (VV-StAR in der seit 1. Juli 2013 geltenden Fassung – Nds. MBl. 2008 Nr. 23, S. 607, geändert durch RdErl. vom 28.6.2013 (Nds. MBl. 2013 Nr. 24, S. 464) – von einem altersbedingten Unvermögen im Sinne von § 10 Abs. 6 StAG auszugehen wäre.

Auch wenn die vorgelegten Atteste der behandelnden Ärzte nicht die strengen Anforderungen an amtsärztliche Befähigungsgutachten erfüllen, hat das Gericht angesichts der getroffenen Diagnosen aber keine Zweifel an einem krankheitsbedingten Unvermögen des Klägers, die deutsche Sprache zu erlernen. Etwaige frühere Versäumnisse, Schreiben und die deutsche Sprache zu lernen, sind nach dem Wortlaut des § 10 Abs. 6 StAG unbeachtlich (vgl. ausführlich OVG NRW, Beschluss vom 22.1.2013 – 19 A 364/10 –, juris Rn. 39 ff, nachgehend BVerwG, Urteil vom 5.6.2014 – BVerwG 10 C 2.14 –, juris).

4. Dem Einbürgerungsanspruch steht nicht entgegen, dass der Kläger Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bezieht. Zwar setzt die Einbürgerung gem. § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG grundsätzlich voraus, dass der Einbürgerungsbewerber den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten kann; dies gilt jedoch nicht, wenn er die Inanspruchnahme dieser Leistungen nicht zu vertreten hat. Letzteres ist hier der Fall.

Dabei ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 19.2.2009 – BVerwG 5 C 22.08 –, juris Rn. 18) der Bezug von Leistungen der Grundsicherung im Alter nicht schon deswegen stets und notwendig nicht zu vertreten, weil Personen, welche die sachlichen Voraussetzungen für diese Sozial(hilfe)leistung erfüllen, gerade wegen ihres Alters oder der Erwerbsunfähigkeit aktuell nicht in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt aus eigenen Kräften und Mitteln zu bestreiten. Als subsidiäre Sozialleistung, die bedürftigkeitsabhängig ist, ist die Grundsicherung im Alter nur dann zu gewähren, wenn der Hilfebedürftige nicht über hinreichendes Einkommen oder Vermögen verfügt, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Zu dem einzusetzenden Einkommen gehören auch Ansprüche aus der Rentenversicherung. Stehen dem Einbürgerungsbewerber aus Gründen, die er zu verantworten hat, Rentenansprüche oder sonst bedarfsdeckende Einkünfte nicht zur Verfügung, ist dies auch für den Bezug von Leistungen der Grundsicherung im Alter ursächlich und grundsätzlich zu vertreten.

Der Begriff des "Vertretenmüssens" setzt kein vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln voraus, sondern kann schon dadurch erfüllt sein, dass der Einbürgerungsbewerber durch ein ihm zurechenbares Handeln oder Unterlassen adäquat-kausal die Ursache für den – fortdauernden – Leistungsbezug gesetzt hat. Sinn und Regelungszweck des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG, einer Einwanderung in die Sozialsysteme entgegenzuwirken, werden bei einer nur unwesentlichen Erhöhung nicht berührt, wenn ein Leistungsbezug nur anteilig auf ein dem Einbürgerungsbewerber zuzurechnendes Verhalten zurückzuführen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.2.2009 – a. a. O. – Rn. 24). Sind – wie hier – die grundsicherungsrechtlichen Fernwirkungen eines in der Vergangenheit liegenden Verhaltens zu beurteilen, hat der Einbürgerungsbewerber vielmehr erhöhte Sozial(hilfe)leistungen nur zu vertreten, wenn er bei einer Gesamtbetrachtung aller Umstände mit seinem Verhalten eine wesentliche, prägende Ursache für den Leistungsbezug insgesamt gesetzt hat. Bei Sozialhilfe- oder Grundsicherungsleistungen, welche die anderweitige Sicherung des Lebensunterhalts durch Einkommen lediglich ergänzen, sind dabei nicht allein die aufstockenden Leistungen, sondern die Sicherung des Lebensunterhalts insgesamt in den Blick zu nehmen.

Nach diesem Maßstab hat der Kläger den Leistungsbezug nicht zu vertreten. Er hat zwar seit Jahren keine Erwerbstätigkeit ausgeübt und keine Bemühungen um eine Arbeitsstelle nachgewiesen. Die Kammer geht aber davon aus, dass der Kläger auch bei entsprechenden Bemühungen keine Arbeitsstelle finden würde oder gefunden hätte. Zu der in Zeit seines Heranwachsens im Irak ausgeübten Tätigkeit als Fliesenleger und ähnlichen körperlichen Arbeiten ist der Kläger offenkundig nicht mehr in der Lage. Die Suche nach einem Beschäftigungsverhältnis mit anderen (sitzenden) Tätigkeiten, in dem er ein Einkommen hätte erzielen können, mit dem er seine Rentenanwartschaften signifikant hätte steigern und entsprechend den Bezug von Grundsicherung im Alter wesentlich hätte verringern können, war und ist für den Kläger aufgrund seines Alters, seiner psychischen Verfassung, mangelnder Schulbildung sowie fehlender Sprachkenntnisse und Lesefähigkeiten ebenfalls wenig aussichtsreich.

Soweit die Beklagte einwendet, dass der Kläger versäumt habe, unmittelbar nach seiner Einreise ins Bundesgebiet im Jahr (AE.) und damit in deutlich jüngerem Alter seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch eine Alphabetisierung und den Erwerb hinreichender Sprachkenntnisse zu verbessern, folgt auch daraus kein Vertretenmüssen im Sinne von § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG. Zum einen hat der Kläger durchaus Bemühungen gezeigt, wie die Teilnahmebescheinigungen über einen Alphabetisierungskurs und mehrere Deutschkurse zeigen. Der Kläger hat seinen Analphabetismus zumindest insoweit behoben, dass er einen handgeschriebenen Lebenslauf hat anfertigen können.

Darüber hinaus ist der erforderliche Zurechnungszusammenhang zwischen etwaigen unzureichenden Eigenbemühungen um eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in der Vergangenheit und dem gegenwärtigen Bezug von Grundsicherungsleistungen durch Zeitablauf entfallen. Auch die strenge, Fernwirkungen früherer Versäumnisse berücksichtigende Auslegung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG durch das Bundesverwaltungsgericht gestattet und gebietet keine unbegrenzte Zurechnung. Sie darf nach dem Sinn der Vorschrift nicht dazu führen, dass der nach einem langjährigen und rechtmäßigen Daueraufenthalt regelmäßig (bei Erfüllung aller weiteren Anforderungen) vorgesehene Einbürgerungsanspruch praktisch leerläuft. Dies wäre der Fall, wenn aktuell nicht rückgängig zu machende Fernwirkungen vergangenen zurechenbaren Verhaltens einem Einbürgerungsbewerber ohne jede zeitliche Grenze entgegengehalten werden könnten. Der von § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG geforderte Zusammenhang zwischen zu verantwortendem vergangenen Verhalten und späteren Fernwirkungen verliert vielmehr nach Sinn und Zweck der Regelung, einer Zuwanderung in die Sozialsysteme entgegenzuwirken, im Zeitverlauf an Gewicht und Dichte und tritt hinter dem Anliegen zurück, Personen mit langjährigem rechtmäßigen Inlandsaufenthalt einen Anspruch auf Zugang zur deutschen Staatsangehörigkeit einzuräumen. In Anlehnung an die in § 10 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 StAG genannte Mindestdauer des rechtmäßigen und gewöhnlichen Aufenthalts hat ein Einbürgerungsbewerber deshalb für ein ihm zurechenbares und für aktuelle Sozialhilfeleistungen mitursächliches Verhalten nach Ablauf einer Frist von acht Jahren nicht mehr einzustehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.2.2009 – a. a. O. – Rn. 28). Diese Frist ist im für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts verstrichen, denn schon im November (P.) erfolgte eine Behandlung der Erkrankung des Klägers am Schultergelenk. Das dort operierte Impingement-Syndrom ist auch keine plötzlich auftretende Erkrankung, sondern wird den Kläger nach Überzeugung des Gerichts schon längere Zeit zuvor an der Arbeitsaufnahme gehindert haben.

5. Schließlich steht auch der fehlende Nachweis der Identität des Klägers dem Einbürgerungsanspruch nicht entgegen.

Zwar ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass der Einbürgerungsanspruch zwingend voraussetzt, dass die Identität des Einbürgerungsbewerbers geklärt ist und feststeht, weil die Klärung offener Identitätsfragen notwendige Voraussetzung und unverzichtbarer Bestandteil der Prüfung der in §§ 10 und 11 StAG genannten Einbürgerungsvoraussetzungen und Ausschlussgründe ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 1.9.2011 – BVerwG 5 C 27.10BVerwGE 140, 311 und juris).

Wie das Bundesverwaltungsgericht in der genannten Entscheidung ausgeführt hat, kann die Prüfung der Identität auch bei anerkannten Flüchtlingen nicht entfallen:

 „Zwar hat der Gesetzgeber die Einbürgerung von Flüchtlingen dadurch erleichtert, dass er in § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 StAG (= § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 Halbs. 1 StAG 2005) auf die Aufgabe der fremden Staatsangehörigkeit verzichtet hat. Er hat damit den vielfach bestehenden Schwierigkeiten anerkannter Flüchtlinge, eine Entlassung aus dem Staatsverband ihres Herkunftsstaates zu erreichen, Rechnung getragen. Dies lässt jedoch die Notwendigkeit der Identitätsprüfung im Einbürgerungsverfahren nicht entfallen. Die völlig ungeprüfte Übernahme der Identitätsangaben von Flüchtlingen würde - wie das Bundesverwaltungsgericht bereits zur Erteilung eines Reiseausweises nach Art. 28 Abs. 1 GFK ausgeführt hat - erhebliche Missbrauchsgefahren nach sich ziehen (vgl. Urteil vom 17. März 2004 - BVerwG 1 C 1.03 - BVerwGE 120, 206 <213>). Daher kann den bei anerkannten Flüchtlingen typischerweise bestehenden Beweisschwierigkeiten in Bezug auf ihre Identität nur durch Erleichterungen bei der Beweisführung und durch deren Berücksichtigung bei der Mitwirkungspflicht, nicht aber durch einen generellen Verzicht auf die Identitätsprüfung Rechnung getragen werden.“

Maßgebend hierfür ist zunächst, dass der Kläger einen Reiseausweis nach Art 28 Abs. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention besitzt. Zur Bindungswirkung derartiger Reiseausweise hat das Bundesverwaltungsgericht im o. a. Urteil ausgeführt:

„Zwar hat ein solcher Reiseausweis neben der Funktion, Konventionsflüchtlingen Reisen außerhalb des Aufnahmestaates zu ermöglichen, grundsätzlich auch die Funktion, die Identität des Ausweisinhabers zu bescheinigen. Er kann ebenso wie ein anderer Reisepass den (widerlegbaren) Nachweis erbringen, dass sein Inhaber die in ihm beschriebene und abgebildete Person ist (vgl. Urteil vom 17. März 2004 a.a.O. S. 212). Ist die Identität eines Flüchtlings jedoch ungeklärt und nicht weiter aufklärbar, kann diese Funktion als Legitimationspapier durch den Vermerk, dass die angegebenen Personalien auf eigenen Angaben beruhen, aufgehoben werden (Urteil vom 17. März 2004 a.a.O. S. 216 f.). Durch den entsprechenden Vermerk im Ausweis der Klägerin vom Oktober 2008 hat die Ausstellungsbehörde jede Gewähr für die Richtigkeit der Identitätsangaben abgelehnt, so dass auch keine andere Behörde auf die Richtigkeit dieser Angaben im Sinne eines auch nur widerlegbaren Nachweises vertrauen kann. In gleicher Weise hatte die Ausstellungsbehörde in dem nicht mehr gültigen früheren Reiseausweis vom Juli 2004 durch den Zusatz "Identität nicht nachgewiesen" die Identifikationsfunktion des Ausweises beseitigt.“

Der dem Kläger von der Beklagten ausgestellte Reiseausweis enthält keinen Hinweis darauf, dass die ausstellende Behörde eine Gewähr für die Richtigkeit der Identitätsangaben ablehnt, sondern ist vielmehr vorbehaltlos ausgestellt. Erbringt somit der Reiseausweis des Klägers den widerlegbaren Nachweis, dass der Kläger die in ihm beschriebene und abgebildete Person ist (vgl. hierzu auch BVerwG, Urteil vom 17.3.2004 – BVerwG 1 C 1.03 -; BVerwGE 120, 206 und juris), kommt es hier maßgeblich darauf an, ob tatsächliche Anhaltspunkte erkennbar sind, die den Identitätsnachweis erschüttern oder gar widerlegen könnten. An derartigen Anhaltspunkten fehlt es zumindest nach dem hier maßgeblichen Kenntnisstand des Gerichts im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung.

Nachdem der Kläger im Asylverfahren seine ID-Karte im Original vorgelegt hat, können die dort festgestellten Personalien als belegt gelten. Denn die Personalien, die das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge seiner ID-Karte entnommen hat, sind ohne Hinweis auf etwaige Zweifel in den für ihn ausgestellten Flüchtlingsausweis übernommen worden. Auch die Ausländerbehörde der Stadt Braunschweig, die die ID-Karte nach dem Akteninhalt einbehalten hat, hat keine Zweifel an der Richtigkeit der im Asylverfahren festgestellten Identität erhoben. Auch in keinem anderen von dem Kläger durchlaufenen Verfahren – namentlich dem Widerrufsverfahren vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Verfahren über die Bewilligung von Sozialleistungen und gegen ihn geführte, nicht (mehr) einbürgerungsschädliche strafrechtliche Ermittlungsverfahren – haben sich irgendwelche Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Kläger eine andere Identität als diejenige besitzen könnte, die seinerzeit aufgrund der im Anerkennungsverfahren vorgelegten Papiere festgestellt worden ist.

Der in der mündlichen Verhandlung von der Beklagten geltend gemachte Umstand, dass der Kläger neben seinem bereits eingebürgerten Bruder einen weiteren Bruder hat, in dessen Ausländerakte die Beklagte dessen ID-Karte im Original gefunden hat, begründet so wenig Zweifel an der Identität des Klägers wie es solche Zweifel ausräumen könnte. Die bloße Möglichkeit, dass die ID-Karte dieses Bruders des Klägers gefälscht sein könnte, ist kein hinreichender Anhaltspunkt für Zweifel an der Identität des Klägers oder der Echtheit der seinerzeit von ihm vorgelegten ID-Karte. Denn die Gründe, aus denen ein Flüchtling ein Passpapier fälscht oder fälschen lässt, sind nicht auf die – freilich denkbare – Konstellation beschränkt, dass der Flüchtling und unter Umständen auch weitere Angehörige über ihre Herkunft und ihren Familiennamen täuschen und inhaltlich falsche Ausweise erstellen lassen. Vielmehr kann der Grund für die Fälschung eines Ausweises auch in der Person des Einzelnen liegen, etwa durch schlichten Verlust der Papiere, ohne dass dies zwingend bedeuten würde, dass in für die Flucht angefertigten Papieren auch die Identität falsch wiedergegeben worden wären.

Schließlich hat das Gericht auch keine ernstlichen Zweifel daran, dass es sich bei der von dem Kläger vorgelegten Kopie einer ID-Karte um eine Kopie derjenigen ID-Karte handelt, die der Kläger bei seiner Einreise den deutschen Behörden vorgelegt hatte. Denn die irakische Botschaft, der das Gericht die amtsbekannten Personalien des Klägers mit einer Kopie seiner ID-Karte übersandt hatte, hat nicht nur keine Widersprüche zwischen diesen Angaben mitgeteilt, sondern auch dem Kläger schließlich unter dem amtsbekannten Namen bestätigt, dass er eine Vollmacht ausgestellt habe, um Abschriften seiner Dokumente zu beschaffen. Zuvor hatte die Botschaft dem Gericht mitgeteilt, dass der Kläger hierzu eine Kopie seiner alten ID-Karte vorlegen müsse. Das Gericht geht angesichts dessen davon aus, dass die Botschaft, wenn in der Kopie andere Personendaten angegeben oder Fälschungszeichen erkennbar gewesen wären, dies entweder schon dem Gericht gegenüber oder zumindest in der dem Kläger ausgehändigten Bestätigung in irgendeiner Form erwähnt hätte.

Angesichts dessen kommt dem Umstand, dass der Kläger über keine Dokumente seines Heimatstaates verfügt, nach der Überzeugung des Gerichts keine für die hier notwendige Identitätsfeststellung maßgebliche Bedeutung zu. Anders als etwa ein Ausländer, der im Hinblick auf eine drohende Abschiebung vorhandene Dokumente zurückhält oder an der Beschaffung von Dokumenten nicht mitwirkt, besteht für den Kläger auch keinerlei Veranlassung, tatsächlich vorhandene Dokumente nicht vorzulegen oder nicht in zumutbarer Weise die Beschaffung von Dokumenten zu betreiben. Angesichts des Verhaltens der Beklagten, die seit nunmehr mehreren Jahren eine positive Bescheidung des Einbürgerungsantrags ohne irakischen Identitätsnachweis ablehnt, musste der Kläger vielmehr ein großes eigenes Interesse daran haben, den Forderungen der Beklagten nachzukommen. Sein Vorbringen, dass er bei der irakischen Botschaft mehrfach aus willkürlichen Gründen abgewiesen worden sei, warf zwar insofern gewisse Zweifel auf, die auch die Haltung der Beklagten maßgeblich geprägt haben dürften. Dabei ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass der Kläger – möglicherweise aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen und fehlender Beratung – schlicht nicht in der Lage war, seine Interessen wirksam zu vertreten. So hält es das Gericht für durchaus plausibel, dass er mit dem Hinweis auf einen „nicht ausreichenden“ Reisepass abgewiesen worden ist, weil sein Flüchtlingsausweis für alle Staaten außer Irak gilt, wenn er sein eigentliches Anliegen, anhand der Kopie seiner ID-Karte deren Neuausstellung zu beantragen, nicht hat vermitteln können. Spätestens nachdem der Kläger sich erneut zur irakischen Botschaft begeben und dort Einlass gefunden hat, um die für die Ausstellung neuer Personendokumente erforderliche Vollmacht auszustellen, kann ihm aber nicht mehr die Absicht unterstellt werden, seine wahre Identität zu verschleiern.

Mit der Vorsprache bei der Botschaft und der Ausstellung der Vollmacht hat der Kläger im Übrigen alle ihm zumutbaren Mitwirkungshandlungen erbracht. Eine eigene Reise in den Irak ist ihm schon angesichts seines Flüchtlingsstatus und der Beschränkung des ihm ausgestellten Reiseausweises auf alle Staaten außer Irak nicht zumutbar. Darüber hinaus wäre ihm eine Reise in den Irak und gerade seine Heimatprovinz Ninive gegenwärtig unzumutbar, weil die terroristische Organisation IS – Islamischer Staat – Anfang Juni 2014 große Teile der Provinz Ninive unter ihre Kontrolle gebracht hat (vgl. VG Hannover, Urteil vom 15.8.2014 – 6 A 9853/14 –, juris Rn. 21). Das Auswärtige Amt hat im Hinblick darauf für diesen Bereich mit Stand 7. Oktober 2014 einen dringenden regionalen Sicherheitshinweis und eine Reisewarnung ausgegeben.

Angesichts der Sicherheitslage in der Provinz Ninive ist derzeit auch nicht zu erkennen, dass der Kläger Gelegenheit hätte, die Unterlagen über Mittelspersonen vor Ort bei den dortigen Behörden anzufordern. Das Gericht hat insofern schon Zweifel, dass die betreffenden staatlichen Institutionen überhaupt noch arbeitsfähig sind.

6. Das Gericht geht davon aus, dass der Kläger (weiterhin) weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG) und gegen ihn auch nicht wegen des Verdachts einer Straftat ermittelt wird (§ 12 a Abs. 3 StAG). Auf der gleichwohl fortbestehenden Möglichkeit einer Änderung der Sachlage beruht die Einschränkung des Verpflichtungsausspruchs.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

Gründe, gemäß § 124 Abs. 2 Nrn. 3 und 4, § 124 a Abs. 1 VwGO die Berufung zuzulassen, sind nicht ersichtlich. Weder hat der Rechtsstreit über den konkreten Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung, noch weicht das Gericht von der Rechtsprechung der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO genannten Gerichte ab.