Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 16.12.2015, Az.: L 2 R 438/15

Sozialrechtliche Versicherungspflicht eines Geschäftsführers; Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände; Gewährung einer Tantieme; Wirtschaftliches Eigeninteresse des für ein Unternehmen Tätigen; Sozialversicherungspflicht eines GmbH-Geschäftsführers; Ausschluss einer abhängigen Beschäftigung nach Übernahme einer Bürgschaft; Rechtfertigung einer wertenden Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
16.12.2015
Aktenzeichen
L 2 R 438/15
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2015, 37758
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2015:1216.L2R438.15.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Stade - AZ: S 9 R 440/13

Fundstelle

  • NZG 2016, 696

Redaktioneller Leitsatz

1. Entscheidender Gesichtspunkt für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit anstelle einer formal vorliegenden (abhängigen) Beschäftigung ist - mit Blick auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände - die Möglichkeit, unliebsame Weisungen des Arbeitgebers bzw. Dienstberechtigten abzuwenden.

2. Denn es liegt im Interesse aller Beteiligten, der Versicherten und der Versicherungsträger, die Frage der Versicherungspflicht und der Versicherungsfreiheit schon zu Beginn der Tätigkeit zu klären, weil diese nicht nur für die Entrichtung der Beiträge, sondern auch für die Leistungspflichten des Sozialleistungsträgers und die Leistungsansprüche des Betroffenen von entscheidender Bedeutung sein kann.

3. Das BSG hat bereits entschieden, dass die Gewährung einer Tantieme als solche nicht genügt, um eine Beschäftigung auszuschließen; Bedeutung für die Abgrenzung von Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit kommt Tantiemen nur als (ein) Anknüpfungspunkt für ein mögliches wirtschaftliches Eigeninteresse des für ein Unternehmen Tätigen zu, das im Rahmen der Gesamtwürdigung Gewicht gewinnen kann, jedoch nicht allein entscheidend ist.

Tenor:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung, dass er die Tätigkeit eines Geschäftsführers der zu 1. beigeladenen GmbH im Zeitraum vom 1. Februar 2012 bis 3. Februar 2014 im Rahmen einer abhängigen und der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegenden Beschäftigung ausgeübt hat.

Der seit 2000 als Finanzdienstleister insbesondere im Wertpapier- und Rohstoffhandel beruflich tätige Kläger gründete im April 2011 als damaliger Alleingesellschafter die beigeladene GmbH, wobei er zugleich die Aufgaben eines Geschäftsführers übernahm. Nach dem Gesellschaftsvertrag sind die Geschäftsführer der Gesellschaft von den Bindungen des § 181 BGB befreit.

Zum 1. Februar 2012 veräußerte er sämtliche Anteile an dieser Gesellschaft an den nunmehrigen mit dem Kläger nach eigenen Angaben seit langem freundschaftlich verbundenen Alleingesellschafter J., welcher die GmbH nach Angaben des Klägers in dessen "Firmenverbund" in Form einer international tätigen "Unternehmensgruppe" einbrachte. Der neue Eigentümer führte der GmbH Fremdkapital vermittels der Gewährung von Darlehen in einer Größenordnung von 1,5 Millionen Euro zu.

Der Kläger war weiterhin als Geschäftsführer tätig. Unter dem Datum vom 8. März 2012 schloss er rückwirkend zum 1. Februar 2012 einen Geschäftsführervertrag mit der beigeladenen GmbH ab, wonach er insbesondere ein festes Jahresgehalt von 90.000 EUR erhalten sollte. Eine Vergütungsfortzahlung im Krankheitsfall war nach Maßgabe des § 6 des Vertrages vorgesehen; als Jahresurlaub waren 30 Arbeitstage vereinbart (§ 7).

In einer ergänzenden Geschäftsführungsordnung vom gleichen Tage war vereinbart worden, dass der Kläger die Gesellschaft "nach seinem Gutdünken führen" und in diesem Unternehmen "frei schalten und walten dürfe", so dass der Mehrheitsgesellschafter "sein Weisungsrecht" nur in Ausnahmesituationen ausüben werde. Eine Kündigung des Geschäftsführers sei nur aus wichtigem Grund zulässig. Bei entsprechenden wirtschaftlichen Erfolgen der GmbH werde der Kläger finanziell "angemessen belohnt".

Im Juni/Juli 2013 vereinbarten der Kläger und der Mehrheitsgesellschafter der Beigeladenen eine Absenkung des Jahresgehalts auf 84.000 EUR im Hinblick auf die als unbefriedigend beurteilte Gewinnentwicklung.

Die GmbH befasste sich insbesondere mit dem Handel von Wertpapieren, und zwar namentlich auch im Rahmen eines sog. K ... Die dafür erforderlichen Kenntnisse hatte der Kläger insbesondere auch im Rahmen mehrerer Schulungen erworben. Bezüglich der durch diese Handelsgeschäfte zu Lasten der GmbH begründeten Verbindlichkeiten hat der Kläger am 21. Juni 2012 zugunsten der L. AG, einem sog. Daytradingunternehmen, eine persönliche Bürgschaft in Form der Abgabe einer Garantieerklärung (M.) übernommen. Deren Abgabe wurde von Seiten dieser AG vor dem Hintergrund der relativ geringen Eigenkapitalausstattung der Beigeladenen und des sich aus den N. -Geschäften ergebenden Risiken von Nachschusspflichten verlangt.

Seit dem 4. Februar 2014 ist der Kläger auch als Vorstand einer Aktiengesellschaft beruflich tätig.

Mit Bescheid vom 14. Mai 2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. Oktober 2013 hat die Beklagte auf den am 8. Februar 2013 eingegangenen Statusfeststellungsantrag des Klägers die Feststellung getroffen, dass dieser die Tätigkeit eines Geschäftsführers der beigeladenen GmbH im Zeitraum ab dem 1. Februar 2012 im Rahmen einer abhängigen und der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegenden Beschäftigung ausgeübt hat.

Mit der am 3. November 2013 erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, dass auch Geschäftsführer ohne Kapitalbeteiligung nicht immer einem Weisungsrecht der GmbH unterliegen würden. Der Alleingesellschafter habe keinen weitergehenden Einfluss auf seine Tätigkeit als andere Kunden des Unternehmens, zumal dieser als Programmdirektor einer Hochschule nicht über spezifische Fachkenntnisse im Wertpapierhandel verfüge. Die von der GmbH getätigten Transaktionsentscheidungen erforderten unverzügliche und flexible Entscheidungen; diese müssten jeweils umgehend umgesetzt werden. Vor diesem Hintergrund und angesichts seines "überlegenen Fachwissens" seien Weisungen bezüglich seiner Tätigkeit schon "faktisch ausgeschlossen", zumal der Wohnsitz des Alleingesellschafters knapp 800 km vom Firmensitz entfernt sei. Er als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer sei als "Kopf und Seele" des Unternehmens anzusehen. Arbeitszeiten und Arbeitsort könne er selbst bestimmen. Von der vertraglich vorgesehenen Reisekostenerstattung habe er keinen Gebrauch gemacht.

In der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung hat er klargestellt, dass er lediglich den Zeitraum vom 1. Februar 2012 bis zum 3. Februar 2014 zur gerichtlichen Überprüfung stelle.

Mit Urteil vom 22. Juni 2015, der Klägerin zugestellt am 10. August 2015, hat das Sozialgericht Stade die Klage abgewiesen. Angesichts der fehlenden Beteiligung des Klägers am Kapital der GmbH im streitbetroffenen Zeitraum sei im Ergebnis mit der Beklagten von der Ausübung einer abhängigen Beschäftigung auszugehen. Besondere Umstände, aufgrund derer gleichwohl Raum für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit bestehen könnten, seien nicht festzustellen. Zu der Übernahme von Bürgschaften sei der Kläger vertraglich nicht verpflichtet gewesen; sei Lebensführung sei dadurch auch nicht beeinträchtigt worden.

Mit der am 9. September 2015 eingelegten Berufung macht der Kläger geltend, dass der Alleingesellschafter schon tatsächlich keine Möglichkeit gehabt habe, auf die sehr kurzfristig zu treffenden Handelsentscheidungen Einfluss zu nehmen; wie auch andere Kunden des Unternehmens hätte er allerdings "grobe Vorgaben" etwa bezüglich des Umfanges der in Betracht kommenden Risiken machen können.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 22. Juni 2015 und den Bescheid der Beklagten vom 14. Mai 2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. Oktober 2013 aufzuheben, soweit in diesem für den Zeitraum 1. Februar 2012 bis 3. Februar 2014 die Feststellung einer abhängigen die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung begründenden Beschäftigung getroffen worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beigeladenen stellen keine Anträge.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.

Der Senat teilt die Auffassung der Beklagten, dass der Kläger seine Tätigkeit als Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1. in dem zur Überprüfung gestellten Zeitraum vom 1. Februar 2012 bis 3. Februar 2014 im Rahmen einer abhängigen und aus diesem Grunde der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderungen unterliegenden Beschäftigung ausgeübt hat.

Mit dem rückwirkend zum 1. Januar 1999 durch Art. 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Förderung der Selbständigkeit vom 20. Dezember 1999 (BGBl I 2000, 2) nach Maßgabe von Art. 3 Abs. 2 dieses Gesetzes eingefügten Anfrageverfahren nach Maßgabe des § 7a Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) soll nach der Vorstellung der Entwurfsverfasser eine schnelle und unkomplizierte Möglichkeit zur Klärung der "Statusfrage" erreicht werden; zugleich sollen divergierende Entscheidungen verhindert werden (BT-Drucks 14/1855 S 6; vgl. insbesondere BSG, U.v. 11. März 2009 - 12 R 11/07 R - SozR 4-2400 § 7a Nr. 2). Nach § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV können die Beteiligten hierzu grundsätzlich schriftlich eine Entscheidung der nach § 7a Abs. 1 Satz 3 SGB IV zuständigen DRV Bund beantragen.

Im streitigen Zeitraum unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, der Versicherungspflicht insbesondere in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung (vgl. § 24 Abs. 1, § 25 Abs. 1 SGB III, § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI).

Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung "die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis" (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung um-fassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Vornehmlich bei Diensten höherer Art kann das Weisungsrecht des Arbeitgebers auch eingeschränkt und "zur dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein, wenn der Versicherte nur in den Betrieb eingegliedert ist (BSG, U.v. 18. Dezember 2001 - B 12 KR 10/01 R - SozR 3-2400 § 7 Nr. 20). Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (BSG, Urteil vom 30. April 2013 - B 12 KR 19/11 R -, SozR 4-2400 § 7 Nr. 21 mwN). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung (vgl. BSG, Urteil vom 28. Mai 2008, aaO., Rn. 15).

Ob eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung gerechtfertigt ist, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgebend ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, aaO. mwN).

Der Kläger hatte keine Rechtsposition inne, aufgrund derer er ihm unliebsame Entscheidungen der Beigeladenen zu 1. dauerhaft verhindern konnte. Am Kapital der Beigeladenen zu 1. war er ohnehin in dem zu überprüfenden Zeitraum nicht beteiligt, nachdem er zuvor alle Gesellschaftsanteile veräußert hatte. Der Geschäftsführervertrag vom 29. Februar 2012 sah die Möglichkeit einer Kündigung ausdrücklich vor. Auch die "Geschäftsführungsordnung" der Beigeladenen zu 1. vom 8. März 2012 sah die Möglichkeit einer Kündigung aus wichtigem Grund vor und hat ausdrücklich ein Weisungsrecht des Alleingesellschafters O. vorgesehen (von dem dieser allerdings nur in Ausnahmesituationen Gebrauch machen sollte). Ohnehin beinhaltete diese Geschäftsführungsordnung keine Abänderung des Geschäftsführervertrages, sondern beinhaltete lediglich die Ausübung des der Beigeladenen zu 1. zustehenden Weisungsrechts in allgemeiner Form und konnte damit auch jederzeit durch die Beigeladene zu 1. abgeändert werden.

Im Übrigen wäre selbst bei einer - im vorliegenden Fall gerade nicht festzustellenden -vertraglichen Vereinbarung über den Ausschluss einer ordentlichen Kündigung eines Geschäftsführervertrages zu berücksichtigen, dass bei der Prüfung des Gewichts der Gründe für eine außerordentliche Kündigung insbesondere auch die Länge der ordentlichen Kündigungsfrist in die Gesamtwürdigung einzubeziehen ist. Je kürzer diese ist, desto eher ist für die Gesellschaft deren Einhaltung zumutbar (OLG München, Urteil vom 29. Juli 2015 - 7 U 39/15 -, juris); was zugleich bedeutet, dass der Gesellschaft deren Einhaltung umso weniger zumutbar ist, umso länger die Frist für eine ordentliche Kündigung ist. Erst recht sind die Anforderungen an die Bedeutung der Gründe für eine außerordentliche Kündigung tendenziell zu reduzieren, wenn eine ordentliche Kündigung generell ausgeschlossen ist. Jedenfalls vor diesem Hintergrund könnte auch ein vertraglicher Ausschluss des Rechts zur ordentlichen Kündigung dem Geschäftsführer keine dauerhafte Rechtsmacht zur Verhinderung ihm unliebsame Entscheidungen der Beigeladenen zu 1. vermitteln.

Da ausschlaggebend das Bestehen einer solchen Rechtsmacht ist, kommt es für die Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status nach § 7 Abs. 1 SGB IV nicht darauf an, mit welcher Häufigkeit von dieser im Betriebsalltag Gebrauch gemacht wurde. Die Nichtausübung eines Rechts ist nicht maßgeblich, solange diese Rechtsposition nicht rechtswirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG, Urteil vom 25. Januar 2006 - B 12 KR 30/04 R -, ZIP 2006, 678). Ausschlaggebend ist vielmehr, dass der Gesellschafter der Beigeladenen zu 1. insbesondere in einem eventuellen wirtschaftlichen Krisenfall die Rechtsmacht hatte, den Beigeladenen als Geschäftsführer abzuberufen und beispielsweise eine andere Person seines Vertrauens mit dieser Aufgabe zu betrauen.

Vor diesem Hintergrund begründen auch weitreichende Befugnisse und eine faktische Weisungsfreiheit in der betrieblichen Praxis keine Selbstständigkeit. Entscheidender Gesichtspunkt für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit anstelle einer formal vorliegenden (abhängigen) Beschäftigung ist - mit Blick auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände - die Möglichkeit, unliebsame Weisungen des Arbeitgebers bzw. Dienstberechtigten abzuwenden. Denn es liegt im Interesse aller Beteiligten, der Versicherten und der Versicherungsträger, die Frage der Versicherungspflicht und der Versicherungsfreiheit schon zu Beginn der Tätigkeit zu klären, weil diese nicht nur für die Entrichtung der Beiträge, sondern auch für die Leistungspflichten des Sozialleistungsträgers und die Leistungsansprüche des Betroffenen von entscheidender Bedeutung sein kann (vgl. BSG, Urteil vom 29. August 2012 - B 12 KR 25/10 R -, BSGE 111, 257).

Ausgangspunkt der Prüfung, ob die Tätigkeit des Beigeladenen im Rahmen einer Beschäftigung oder selbstständig ausgeübt wurde, ist vor diesem Hintergrund vorliegend primär der zwischen ihm und der Klägerin geschlossene Geschäftsführervertrag vom 29. Februar 2012.

Nach den getroffenen Vereinbarungen war die Tätigkeit des Klägers für die für die Beigeladene zu 1. mit typischen Arbeitnehmerrechten verbunden, und zwar insbesondere in Form eines Anspruchs auf Lohnfortzahlung im Urlaubs- und Krankheitsfall. Ihm standen regelmäßige monatliche Gehaltszahlungen zu. Auch nach der - geringfügigen - Reduzierung seiner Vergütungsansprüche im Juni/Juli 2013 stand ihm weiterhin ein festes Monatsgehalt von 7.000 EUR zu. Nach den vertraglichen Vereinbarungen hatte er seine gesamte Arbeitskraft in die Dienste der Beigeladenen zu 1. zu stellen; selbst die Übernahme einer unentgeltlichen Nebentätigkeit sollte der Zustimmung der Gesellschafter bedürfen (§ 1 Abs. 4 des Vertrages).

In diesem Zusammenhang kommt es auch nicht auf die vom Kläger angesprochene Nutzung eines 30 qm großen Büros im ehemaligen Elternhaus in P. an. Unabhängig davon, ob es sich dabei überhaupt um Geschäftsräume der Beigeladenen und nicht lediglich um einen häuslichen Arbeitsplatz des - nach den vorgelegten Unterlagen beispielsweise regelmäßig auch in Q. beruflich tätigen - Klägers (der nach eigenem Vortrag die geschäftlichen Handelsaktivitäten letztlich an jedem Ort mit Hilfe eines Laptops mit Internetzugang ausüben konnte) handelte, wäre auch die begrenzte wirtschaftliche Relevanz einer Überlassung der Nutzungsmöglichkeiten an entsprechenden Räumlichkeiten mit einer Größe von ca. 30 qm in der angegebenen niedersächsischen Kleinstadt nicht geeignet, die wirtschaftliche Bedeutung des vereinbarten und auch tatsächlich ausgezahlten Festgehaltes von 7.000 EUR in relevanter Weise zu reduzieren.

Soweit für den Kläger nach Maßgabe der bereits angesprochenen Geschäftsführungsordnung eine Gewinnbeteiligung vorgesehen war (wobei tatsächlich eine solche angesichts der unbefriedigenden wirtschaftlichen Entwicklung der Beigeladenen zu 1. nicht ausgezahlt worden ist), hätte dies allenfalls im Kontext mit sonstigen - im vorliegenden Zusammenhang gerade nicht ersichtlichen - für eine selbstständige Stellung sprechenden relevanten Umstände von Belang sein können (vgl. BSG, U.v. 15. Juni 2000 - B 12 RJ 4/99 R - SozR 3-2600 § 2 Nr. 4). Bezeichnenderweise prägen insbesondere bei leitenden Positionen Vereinbarungen über Gewinnbeteiligungen eine Vielzahl von Arbeitsverhältnissen. So hat das BSG bereits entschieden, dass die Gewährung einer Tantieme als solche nicht genügt, um eine Beschäftigung auszuschließen (vgl. BSG, U.v. 10. Mai 2007 - B 7a AL 8/06 R - USK 2007-53). Bedeutung für die Abgrenzung von Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit kommt Tantiemen nur als (ein) Anknüpfungspunkt für ein mögliches wirtschaftliches Eigeninteresse des für ein Unternehmen Tätigen zu, das im Rahmen der Gesamtwürdigung Gewicht gewinnen kann, jedoch nicht allein entscheidend ist (vgl. BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 4 S 18 mwN). Vor dem Hintergrund, dass die Gewährung einer Tantieme an Arbeitnehmer nicht ungewöhnlich ist (vgl. zB BSG SozR 2100 § 17 Nr. 3; BSG, Urteil vom 28. April 1982 - 12 RK 12/80 - Die Beiträge 1982, 382 = USK 8244), ist deren Gewicht für die hier im Vordergrund stehende Abgrenzung der Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis gegenüber einem selbstständigen Dienstverhältnis eher gering (BSG, Urteil vom 29. August 2012 - B 12 KR 25/10 R -, BSGE 111, 257).

Das Alleinvertretungsrecht und die Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB sind bei einer kleineren GmbH nicht untypisch und deuten deshalb nicht zwingend auf eine selbst-ständige Tätigkeit (BSG, Urteil vom 6. März 2003 - B 11 AL 25/02 R -, SozR 4-2400 § 7 Nr. 1, SozR 4-4100 § 168 Nr. 1, Rn. 18).

Auch geschuldete Dienste höherer Art werden im Rahmen einer (abhängigen) Beschäftigung geleistet, wenn sie - wie hier - fremdbestimmt bleiben, weil sie wie auch im vorliegenden Fall in einer von anderer Seite vor-gegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen. Allein weitreichende Entscheidungsbefugnisse eines "leitenden Angestellten", der - wie im vorliegend zu beurteilenden Fall - in funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess einem verfeinerten Weisungsrecht unterliegt, machen diesen nicht schon zu einem Selbstständigen (BSG, Urteil vom 30. April 2013 - B 12 KR 19/11 R -, SozR 4-2400 § 7 Nr. 21).

Insoweit ist insbesondere dem Umstand, dass ein solcher Geschäftsführer seine Arbeit selbst einteilen, er Zeit, Ort und Art ihrer Ausführung selbst bestimmen kann und er insoweit keinen Weisungen Dritter unterliegt, keine entscheidende, gegen eine abhängige Beschäftigung sprechende Bedeutung beizumessen. Es steht im Ergebnis der Annahme einer abhängigen Beschäftigung nicht entgegen, wenn der Geschäftsführer "im täglichen Dienstbetrieb" "im Wesentlichen frei walten und schalten" und, was Ort, Zeit und Dauer seiner Arbeitsleistung betrifft, weitgehend weisungsfrei agieren kann (BSG, U.v. 18. Dezember 2001, B 12 KR 10/01 R -, SozR 3-2400 § 7 Nr 20).

Auch ist es durchaus üblich, dass Geschäftsführer spezielle Fachkenntnisse aufweisen. Diese sind vielfach gerade Voraussetzung für die Übertragung dieser Aufgabe, lassen als solche aber keine Rückschlüsse auf eine selbständige Tätigkeit zu (vgl. BSG, Urteil vom 30. Juni 1999 - B 2 U 35/98 R -, SozR 3-2200 § 723 Nr. 4).

Ein unternehmerisches Risiko im eigentlichen Sinne hat der Kläger nicht zu tragen. Selbst bei einem Verlust der GmbH stand ihm nach den Vereinbarungen ein regelmäßiges Gehalt zu. Insoweit ergibt sich auch aus der vom Kläger persönlich übernommenen Bürgschafts- bzw. Garantieerklärung ("R.") keine abweichende Beurteilung.

Bezeichnenderweise geht die Rechtsprechung des BSG davon aus, dass selbst der Gesellschaft von Seiten eines Geschäftsführers gewährte Darlehen als solche keinen unmittelbaren Rückschluss auf die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit zulassen (BSG, Urteil vom 8. August 1990 - 11 RAr 77/89 -, SozR 3-2400 § 7 Nr 4). Für Bürgschaften muss schon deshalb Entsprechendes gelten, weil auch diese im wirtschaftlichen Ergebnis, wenngleich nur bedingt für den eventuellen Fall einer entsprechenden Inanspruchnahme des Bürgen durch den Gläubiger, die Überlassung finanzieller Mittel zugunsten des Schuldners beinhalten, womit dann entsprechende Erstattungs- bzw. Befreiungsansprüche des Bürgen gegenüber dem Schuldner nach §§ 775, 670 BGB korrespondieren.

Die Übernahme dieser Bürgschaft bedeutete insbesondere als solche noch keine Beteiligung des Klägers an möglichen Verlusten der Beigeladenen zu 1. Auch soweit solche zu verzeichnen waren, hatte er ungeachtet ihrer einen Anspruch gegen die Beigeladene auf weitere Auszahlung der vereinbarten Festvergütung sowie auf Erstattung etwaiger aufgrund der Bürgschaftserklärung von seiner Seite zugunsten der Gläubigerin, d.h. der Tradinggesellschaft, erbrachter Leistungen.

Durch die Übernahme einer Bürgschaft erhielt der Kläger als Bürge insbesondere auch keine dauerhaften Befugnisse, die Geschicke des Beigeladenen zu 1. zu beeinflussen (vgl. LSG Hessen, U.v. 27. Oktober 2011, aaO.). Ein greifbarer Zugewinn an tatsächlichem Einfluss auf die Entscheidungen der Beigeladenen zu 1. war damit umso weniger verbunden, als ihr deren Gesellschafter finanzielle Mittel in Höhe von etwa 1,5 Millionen Euro zur Verfügung gestellt hatte. Die wirtschaftliche Relevanz der vom Kläger eingegangenen Bürgschaftsverpflichtung war nachhaltig geringer.

Dies gilt umso mehr, als der Bürgschaftsvertrag rechtswirksam zugunsten der Gläubigerin geschlossen worden war und den Kläger auch in einem Streitfall mit der Beigeladenen zu 1. rechtlich band (vgl. dazu auch LSG Baden-Württemberg, U.v. 21. Oktober 2011 - L 4 R 5166/08 -; vgl. für die mangelnde Relevanz einer Bürgschaftsübernahme auch BSG, Urteil vom 29. August 2012 - B 12 KR 25/10 R -, BSGE 111, 257; BSG U.v. 29. Juli 2015 2015 - B 12 KR 23/13 R - zitiert nach Terminbericht des BSG Nr. 31/15; LSG Nordrhein-Westfalen, U.v. 25. November 2010 - L 16 KR 313/10).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht gegeben.