Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 28.07.2005, Az.: 7 A 1961/04
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 28.07.2005
- Aktenzeichen
- 7 A 1961/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 43279
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGOLDBG:2005:0728.7A1961.04.0A
Tatbestand
Der im April 1972 in Accra (Ghana) geborene Kläger ist ghanaischer Staatsangehöriger und begehrt die Anerkennung als Asylberechtigter.
Er wurde am 8. März 2004 in O. wegen Verstoßes gegen das Ausländergesetz vorläufig festgenommen. Bei seiner Beschuldigtenvernehmung durch das Polizeipräsidium Oberhausen äußerte er sich zu den näheren Umständen und Gründen seiner Aus- und Einreise (Blatt 26 Beiakte A - 7 A 2825/04). Der Kläger befand sich vom 9. März bis 14. April 2004 in Untersuchungshaft.
Am 31. März 2004 stellte er beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge einen Asylantrag. Bei seiner Anhörung am 7. April 2004 machte er im Wesentlichen geltend: Er habe zuletzt in der Stadt Tema in Ghana gelebt. Eine Eltern hießen F. A. und A. B.. Sein Vater lebe in Tema und seine Mutter in Afloa. Er habe zwei Geschwister. Er habe zehn Jahre die Schule besucht und zuletzt als Fahrer gearbeitet. Davon habe er nicht so gut leben können. Ungefähr drei Wochen vor der Kontrolle im Februar 2004 sei er mit Ghana Airways von Accra (Ghana) kommend in Düsseldorf angekommen. Dabei habe er einen gebrauchten Pass mit dem Namen "A. B." benutzt. Er habe das Land verlassen müssen, weil er eine Frau angefahren habe. Er wisse aber nicht, ob die Frau hieran verstorben sei. Die Leute in der Umgebung hätten ihn deshalb geschlagen. Ein Mann namens Y. habe ihm geholfen und er sei dann später zu einer Freundin weggerannt. Auch die Polizei habe ihn gesucht. Man habe ihm gesagt, er müsse für die Frau und deren Kinder sorgen. Eine Freundin habe ihm geholfen und den Kontakt zu dem Mann hergestellt, der die Papiere besorgt habe. Dieser Mann habe hierfür von ihm 400 US-Dollar bekommen. Nach Ghana sei er dann mit öffentlichen Verkehrsmitteln gefahren. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens des Klägers wird auf die Anhörungsniederschrift (Blatt 45 ff. der Beiakte A) verwiesen.
Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge lehnte mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 27. April 2004, zugestellt am 5. Mai 2004, den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigten als offensichtlich unbegründet ab, stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG offensichtlich sowie Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen und ordnete die Abschiebung des Klägers an. Zur Begründung führte es im Wesentlichen an: Die Voraussetzungen für die Anerkennung als Asylberechtigter sowie des § 51 Abs. 1 AuslG lägen offensichtlich nicht vor, weil es sich bei Ghana um einen sicheren Herkunftsstaat im Sinne des Art. 16a Abs. 3 S. 1 GG in Verbindung mit § 29 a Abs. 2 AsylVfG, Anlage II AsylVfG handele. Die in Art. 16a Abs. 3 S. 2 GG aufgestellte Vermutung, dass der aus einem sicheren Herkunftsland stammende Ausländer nicht verfolgt werde, sei nur ausgeräumt, wenn der Asylbewerber Umstände eines individuellen Verfolgungsschicksals schlüssig, substantiiert und glaubhaft vortrage, aus denen sich ergebe, dass er entgegen der Vermutung in Ghana politisch verfolgt werde. Dies sei dem Kläger nicht gelungen.
Der Kläger hat am 11. Mai 2004 Klage erhoben. Zur Begründung nimmt er Bezug auf sein bisheriges Vorbringen und trägt ergänzend vor: Während seines Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland sei er sich seiner Homosexualität bewusst geworden. Wegen seiner Homosexualität drohe ihm in Ghana Verfolgung. Dabei sei es nicht entscheidungserheblich, ob die betreffende Strafnorm darauf gerichtet sei, die herrschende Moral- und Ordnungsvorstellungen seines Heimatlandes zu schützen. Entscheidend sei, dass er als Betroffener aus der übergreifenden staatlichen Friedensordnung ausgegrenzt werde. Dabei sei davon auszugehen, dass regelmäßig eine homosexuelle Veranlagung auch irreversibel sei. Auch sei davon auszugehen, dass eine Vielzahl von Personen wegen homosexueller Handlungen aufgrund erheblicher Gefängnisstrafen in Ghana inhaftiert seien. So informiere das Auswärtige Amt in seinen Reisehinweisen darüber, dass bei homosexuellen Handlungen Gefängnisstrafen verhängt würden. Es sei keineswegs möglich, gefahrlos seine homosexuellen Neigungen unentdeckt vom Staat auszuüben. Soweit bestimmte homosexuelle Handlungen nicht strafbar sein sollten, bleibe eine strafrechtliche Verfolgung im Übrigen bestehen. Dabei sei das angedrohte Strafmaß mit einer Höchststrafe von drei Jahren Haft asylrelevant, selbst wenn in der Rechtspraxis in Ghana der Strafrahmen nicht voll ausgeschöpft werden sollte. Hierbei sei nämlich zu erwarten, dass bei Wiederholungstätern die Strafe entsprechend höher ausfallen werde.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 27. April 2004 zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG, hilfsweise des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen
und nimmt zur Begründung Bezug auf die im angefochtenen Bescheid angeführten Gründe. Soweit der Kläger vortrage, nach seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland sei er sich seiner Homosexualität bewusst geworden und deshalb drohe ihm in Ghana politische Verfolgung, sei dieses Vorbringen nicht glaubhaft. Gegen die Glaubhaftigkeit spreche der Umstand, dass der Kläger, obwohl er bereits im Oktober 2004 schriftlich über die drohende Abschiebung informiert worden sei, diesen Vortrag erst im Rahmen des Antrages auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes im Zusammenhang der konkreten Abschiebung nach Ghana im März 2005 vorgebracht habe. Auch stelle sich die Frage, aus welchen Gründen dem inzwischen 3.jährigen Kläger während des erst kurzen Aufenthaltes in Deutschland seine homosexuellen Neigungen bewusst geworden seien und nicht bereits wesentlich früher.
Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge hat mit Bescheid vom 23. Juni 2004 die Abschiebungsanordnung (Ziffer 4 des Bescheides vom 27. April 2004) aufgehoben. Insoweit haben die Beteiligten übereinstimmend den Rechtsstreit für in der Hauptsache erledigt erklärt.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten in diesem Verfahren sowie in den Verfahren unter dem Aktenzeichen 7 A 2825/04 und 7 B 855/05, der jeweils beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (nunmehr Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) und des Landkreises H.-P. sowie der in der Erkenntnismittelliste (Blatt 106 ff. der Gerichtsakte) aufgeführten Unterlagen Bezug genommen; sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Das Verfahren ist gemäß § 92 Abs. 3 S. 1 VwGO einzustellen, soweit die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärten. Im Übrigen ist die Klage, über die nach Übertragungsbeschluss der Kammer durch den Einzelrichter entschieden werden konnte, zulässig aber nicht begründet.
Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge ist in der durch den Bescheid des Bundesamtes vom 23. Juni 2004 geänderten Fassung rechtmäßig und verletzt somit die Rechte des Klägers nicht (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO). Das Begehren auf Verpflichtung der Beklagten, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG, hilfsweise des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegt, bleibt ohne Erfolg. Dabei ist hinsichtlich der Sach- und Rechtslage wegen der Vorschrift des § 77 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz AsylVfG auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung abzustellen.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG, hilfsweise des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen.
Hinsichtlich der gesetzlichen Voraussetzungen und der Gründe, aus denen diese Voraussetzungen beim Kläger nicht gegeben sind, nimmt das Gericht zur Begründung im Einzelnen in Anwendung des § 77 Abs. 2 AsylVfG Bezug auf die Ausführungen des Bundesamtes in dem angefochtenen Bescheid (Seite 2 bis 4 des Bescheides), denen das Gericht weiterhin folgt.
Ergänzend ist anzuführen: Ein Asylanspruch des Klägers nach Art. 16a Abs. 1 GG scheidet bereits aufgrund der Drittstaatenregelung des Art. 16a Abs. 2 GG, § 26a AsylVfG aus. ... [wird ausgeführt]
Zudem steht der Anerkennung des Klägers als Asylberechtigten und der begehrten Feststellung zu § 60 Abs. 1 AufenthG entgegen, dass der Kläger eine Verfolgung seiner Person nicht glaubhaft machte (a.). Daneben ist das Vorbringen, ihm drohe wegen seiner Homosexualität in Ghana Verfolgung, nicht geeignet, eine asylerhebliche Verfolgung zu begründen (b.)
a. Bezogen auf die vom Kläger geltend gemachte Verfolgung ist zu berücksichtigen, dass ein Asylbewerber aufgrund der ihm obliegenden Mitwirkungspflichten gehalten ist, die in seine Sphäre fallenden Umstände substantiiert und in sich stimmig zu schildern (BVerwG, Beschluss vom 30. Oktober 1990 - 9 C 72.89 -, Buchholz 402.25 zu § 1 AsylVfG Nr.135 ).
Das Gericht muss sich die feste Überzeugung vom Wahrheitsgehalt des Vorbringens verschaffen. Dabei sollte allerdings der Beweiswert einer Aussage im Rahmen des Möglichen wohlwollend beurteilt werden. Andererseits kann dem Asylbewerber bei erheblichen Widersprüchen und Steigerungen im Sachvortrag nur geglaubt werden, wenn diese Unstimmigkeiten überzeugend aufgelöst werden (BVerwG, Urteil vom 16. April 1985 - 9 C 109.84 -, BVerwGE 71, 180; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 29. Januar 1991 - 2 BvR 1384/90 , InfAuslR 1991, 171, 175 ).
Das Vorbringen des Klägers ist auch unter Berücksichtigung seiner Ausführungen in der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung des Gerichts nicht glaubhaft. Es ist in einer Vielzahl von wesentlichen Punkten derart widersprüchlich und ungereimt, dass der Kläger insgesamt nicht glaubwürdig ist. ... [wird ausgeführt]
b. Aber selbst unter der Annahme, dass das Vorbringen des Klägers glaubhaft wäre, ergibt sich hieraus eine politische Verfolgung des Klägers nicht, so dass der Kläger nicht als Asylberechtigter anerkannt und die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG festgestellt werden können. Hinsichtlich der geltend gemachten Verfolgung vor seiner Ausreise folgt das Gericht weiterhin den Ausführungen des Bundesamtes im angefochtenen Bescheid und verweist deshalb hierauf (§ 77 Abs. 2 AsylVfG). Dem ist der Kläger nicht entgegengetreten.
Auch bezogen auf den geltend gemachten Nachfluchtgrund der drohenden Verfolgung aufgrund der behaupteten Homosexualität liegen die Voraussetzungen für die Anerkennung als Asylberechtigter und die des § 60 Abs. 1 AufenthG nicht vor; aufgrund dieses Vorbringens ist eine Verfolgung des Kläger nicht mit beachtlicher Wahrscheinlich zu befürchten:
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts können auch solche persönlichen Eigenschaften und Verhaltensweisen als Anknüpfungs- und Bezugspunkt für Verfolgung im Sinne des Art. 16a Abs. 1 GG und § 60 Abs. 1 AufenthG in Betracht kommen, die nach Art und Charakter den asylrechtlich stets erheblichen Merkmalen wie der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung vergleichbar sind. Voraussetzung dafür ist, dass die Verfolgung an eine Eigenschaft anknüpft, die dem Betroffenen "ohne eigenes Zutun, sozusagen schicksalhaft zufällt", und er deshalb aufgrund eines unabänderlichen persönlichen Merkmals anders ist, als er nach Ansicht des Verfolgers zu sein hat. In diesem Sinne asylrelevant ist allerdings nicht bereits die bloße, auf gleichgeschlechtliche Betätigung gerichtete Neigung, der nachzugeben mehr oder weniger im Belieben des Betreffenden steht, sondern nur die unumkehrbare schicksalhafte Festlegung auf homosexuelle Triebbefriedigung, bei welcher der Betreffende außerstande ist, eine gleichgeschlechtliche Betätigung zu unterlassen, sogen. irreversible Homosexualität (BVerwG, Urteil vom 15. März 1988 - 9 C 278.86 -, BVerwG, 79, 143; Urteil vom 17. Oktober 1989 - 9 C 25.89 -, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 117 und dem folgend: OVG Bremen, Urteil vom 9. Februar 2000 - 2 A 411.98.A -, NordÖR 2001, 376; Sächsisches OVG, Urteil vom 5. Februar 2004 - 2 B 145/03 -, juris; VG Frankfurt (Oder), Urteil vom 16. August 2004 - 5 K 2622/02.A -, juris; VG Oldenburg, Urteil vom 25. November 2004 - 2 A 2928/02 -, V.n.b.).
Nach der angeführten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der das Gericht folgt, stellt die Bestrafung irreversibler, schicksalhafter Homosexualität politische Verfolgung im Sinne des Art. 16a Abs. GG dar, wenn die Untersagung einverständlicher homosexueller Betätigung unter Erwachsenen im Heimatland des Asylsuchenden nicht allein aus Gründen der dort herrschenden öffentlichen Moral erfolgt, sondern wenn der Asylbewerber bei einer Rückkehr in sein Heimatland für seine Person in die Gefahr gerät, mit schweren Leibesstrafen sowie der Todesstrafe belegt zu werden und mit deren Verhängung auch seine homosexuelle Veranlagung getroffen werden soll (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. März 1988, a.a.O., BVerwGE 79, 143, 150 [BVerwG 15.03.1988 - BVerwG 9 C 278.86], 152).
Denn auch in der Bundesrepublik Deutschland waren einverständliche homosexuelle Handlungen unter Erwachsenen bis zum Inkrafttreten des Ersten Strafrechtsänderungsgesetzes vom 25. Juni 1969 (BGBl. I S. 645) strafbar. So wurde nach § 175 StGB (Abschnitt Verbrechen und Vergehen gegen die Sittlichkeit) in der genannten Fassung ein Mann, der mit einem anderen Mann Unzucht treibt oder sich von ihm zur Unzucht missbrauchen lässt, mit Gefängnis (Höchststraße 5 Jahre, § 16 StGB a.F.) bestraft. Als strafrechtliches Schutzgut wurden das "allgemeine Wohl des deutschen Volkes in seiner sittlichen und gesundheitlichen Kraft" und die "Volksgesundheit und vor allem die Sittlichkeit" angeführt (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. März 1988, a.a.O., BVerwGE 79, 143, 148 [BVerwG 15.03.1988 - BVerwG 9 C 278.86] m.w.N.).
Auch das Bundesverfassungsgericht hat dies von Verfassungs wegen nicht beanstandet, weil homosexuelle Handlungen unter Erwachsenen über den "engsten Intimbereich" hinausgingen und im Grenzbereich zwischen privatem und sozialem Bereich lägen, in der der Gesetzgeber auch mit Strafnormen eingreifen dürfe, sofern er sich dafür auf das Sittengesetz als rechtliche Schranke der freien Entfaltung der Persönlichkeit berufen könne (BVerfG, Urteil vom 10. Mai 1957 - 1 BvR 550/52 -, BVerfGE, 6, 389, 433 f.).
In entsprechender Weise führt auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem zu Art. 8 EMRK ergangenen Urteil vom 22. Oktober 1981 (- Fall Dudgeon -, NJW 1984, 541, 542 ff.) aus, dass grundsätzlich eine Regelung des männlichen homosexuellen Verhaltens im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK in einer demokratischen Gesellschaft zum Schutze der Moral notwendig sein könne.
Für die Frage, ob dem Betroffenen in seinem Heimatland deshalb Verfolgung droht, ist es ohne Bedeutung, dass sich seither in der Bundesrepublik Deutschland (und anderen Staaten) die sittlichen Anschauungen über homosexuelle Verhaltensweisen allgemein gewandelt haben. Insoweit ist allein entscheidungserheblich, ob es im Heimatland des Asylsuchenden durch die dort herrschenden Vorstellungen ein Bedürfnis für ein Verbot aus Gründen der öffentlichen Moral vorhanden ist. Das Asylrecht hat nicht die Aufgabe, möglicherweise gewandelte moralische Anschauungen in der Bundesrepublik Deutschland über homosexuelles Verhalten in anderen Staaten durchzusetzen (BVerwG, Urteil vom 15. März 1988, a.a.O., BVerwGE 79, 143, 149 [BVerwG 15.03.1988 - BVerwG 9 C 278.86]).
Nach Maßgabe dessen muss der Kläger wegen der behaupteten Homosexualität in Ghana Verfolgung nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit befürchten: Zunächst werden homosexuelle Männer ist Ghana nicht allein wegen ihrer Veranlagung verfolgt. Aus den in das Verfahren eingeführten Erkenntnismitteln lässt sich nicht entnehmen, dass homosexuelle Männer von staatlicher Seite allein aufgrund ihrer homosexuellen Veranlagung Verfolgung zu befürchten hätten. Soweit bestimmte homosexuelle Betätigungen in Ghana strafbar sind, knüpft eine hierauf beruhende strafrechtliche Verfolgung nicht auf die sexuelle Veranlagung, sondern an ein bestimmtes äußeren Verhalten an. Dies wird bestätigt durch den in das Verfahren eingeführten Bericht des G. Pascal Zachary über die Situation der Homosexuellen in Ghana vom März 2004. Er führt hierzu aus, obwohl Homosexualität noch immer ein Tabu sei, scheinen Homosexuelle dort sicher zu sein. Sie werden selten angegriffen. In Accra gebe es neben einem schicken Club namens "Strawberries", der als bekannter Homosexuellentreff gelte, noch ein paar andere stadtbekannte, aber dennoch diskrete Clubs, wo sich homosexuelle Männer und Frauen träfen. Ein Homosexueller habe seine eigene Fernsehshow, obwohl seine Neigung allseits bekannt sei. Gäbe es eine unnachsichtige Ahndung und Verfolgung Homosexueller, auch allein wegen ihrer Veranlagung, so wäre zu erwarten gewesen, dass es eine - wie im Bericht ersichtlich - offene und damit bekannte homosexuelle Szene in Ghana nicht gibt und entsprechende Clubs geschlossen werden.
Soweit nach dem ghanaischen Strafrecht homosexuelle Sexualpraktiken unter Strafe gestellt werden, muss der Kläger - die behauptete homosexuelle Veranlagung unterstellt - mit einer asylerheblichen Verfolgung nicht rechnen. Nach der Auskunft des Auswärtigen Amtes ist nach Art. 99 und 104 Abs. 1 und 2 Strafgesetz (Criminal Code) der Geschlechtsverkehr mit einer Person in unnatürlicher Weise oder mit einem Tier strafbar ("unnatural carnal knowledge"); hierunter wird auch der gleichgeschlechtliche Sexualverkehr erfasst. In der Strafrechtspraxis von Ghana wird bereits der begonnene Geschlechtsverkehrs (mit geringfügiger Penetration) strafrechtlich geahndet; andere homosexuelle Handlungen fallen nicht unter dem Begriff der Sodomie. Der gleichgeschlechtliche Geschlechtsakt in gegenseitigem Einvernehmen bei Personen von 16 Jahren und älter wird als Vergehen (Verfehlung) im Sinne einer minderschweren Tat ("misdemeanour") angesehen und in einem verkürztem Verfahren ("summary proceedings") mit einer Haftstrafe bis zu drei Jahren geahndet (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 25. Mai 2005).
Durch die Verhängung und Vollstreckung einer Strafe nach den angeführten ghanaischen Strafnormen soll auch nicht die homosexuelle Veranlagung des Täters getroffen werden. Dies wird bereits dadurch deutlich, dass nicht sämtliche, sondern nur bestimmte homosexuelle Betätigungen (mit geringfügiger Penetration) unter Männern strafbewehrt sind. Des Weiteren geht das Gericht davon aus, dass die angeführte Strafnorm in Ghana allein die Aufrechterhaltung der öffentlichen Moral bezweckt und nicht daneben auch die Betroffenen wegen ihrer homosexuellen Veranlagung getroffen werden soll. Aus den in das Verfahren eingeführten Erkenntnismitteln ergeben sich keine Hinweise auf eine andere Zielrichtung der Strafverfolgung. So führt das Auswärtige Amt aus, in Ghana lasse sich eine nach Merkmalen wie Rasse, Religion, Nationalität oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe diskriminierende Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis nicht feststellen (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 5. November 2004).
Hierfür spricht ferner, dass es sich bei der vorgesehenen Strafe bei bestimmten einverständlichen homosexuellen Handlungen unter Erwachsenen - Höchststrafe 3 Jahre Gefängnis - nicht um eine offensichtlich unerträglich harte Strafe handelt, wie dies bei Verhängung der Todesstrafe oder besonders langjähriger Gefängnisstrafen ohne Weiteres anzunehmen ist. Es kann nicht festgestellt werden, dass die drohende Bestrafung unter jedem erdenklichen Gesichtspunkt schlechthin unangemessen zur Ahndung eines Verstoßes gegen die öffentliche Moral ist, der sich im Grenzbereich zwischen privatem und sozialem Bereich ereignet. Wie dargelegt, drohte für einverständliche homosexuelle Handlungen unter erwachsenen Männern in der Bundesrepublik Deutschland bis 1969 Gefängnisstrafe bis zu fünf Jahre. Dass sich die Bestrafung bestimmter Sexualpraktiken nicht auch gegen die Veranlagung homosexueller Männer gerichtet ist, wird auch darin dokumentiert, dass derartige Handlungen nach dem ghanaischen Strafrecht nicht als Kapitalverbrechen ("felony") mit einer Gefängnisstrafe bis zu 10 Jahre, sondern als nicht schwerwiegende Vergehen ("misdemeanuur") geahndet werden (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 25. Mai 2005). Hiernach scheidet eine asylerhebliche Verfolgung des Klägers auch dann aus, wenn sämtliche homosexuelle Sexualpraktiken in Ghana strafrechtlich verfolgt würden
Auch nach Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 1950) liegt bezogen auf § 60 Abs. 1 AufenthG eine Verfolgung des Klägers mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit nicht vor. Hiernach darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, wenn sein Leben oder seine Freiheit u.a. wegen seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe bedroht ist. Eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe kann auch dann vorliegen, wenn die Bedrohung des Lebens, der körperlichen Unversehrtheit oder der Freiheit allein an das Geschlecht anknüpft (§ 60 Abs. 1 S. 3 AufenthG). Hiernach ist auch die Verfolgung wegen einer sexuellen Veranlagung als asylrechtlich beachtliche Verfolgung anzusehen; dies entsprach aber bereits der o.a. bisherigen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zu § 51 Abs. 1 AuslG. Durch das Zuwanderungsgesetz ist im Hinblick hierauf der Regelungsbereich gegenüber der früheren Regelung in § 51 Abs. 1 AuslG nicht erweitert worden. Auch aus der Begründung des Gesetzesentwurfes zum Zuwanderungsgesetz (Bundestags-Drucksache 15/420, Seite 91) ergibt sich, dass die Änderung des Wortlautes der Regelung lediglich der Klarstellung dient, nicht aber eine Änderung der bisherigen Rechtslage bezweckt:
"Zu § 60: Absatz 1 Satz 1 entspricht inhaltlich der Regelung in § 51 Abs. 1 AuslG. Ausdrücklich genannt wird jedoch aus Gründen der Klarstellung das Merkmal "Geschlecht", das bisher mit Blick auf die internationale Staatenpraxis bei der Anwendung des Abkommens ... als Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe zu berücksichtigen war. Letzteres gilt auch für Verfolgung aufgrund der sexuellen Identität."
c. Das aus den o.a. Gründen nicht glaubhafte Vorbringen des Klägers rechtfertigt deshalb auch nicht die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 2 bis 5 AufenthG. Darüber hinaus hat der Kläger entsprechende Gefahren, die ein Abschiebungsverbot begründen könnten, nicht dargelegt. Derartige Gefahren sind auch anderweitig nicht ersichtlich.
Auch soweit man zugunsten des Klägers unterstellen wollte, er sei irreversibel homosexuell veranlagt und im Falle gleichgeschlechtlicher Handlungen drohe ihm in Ghana strafrechtliche Verfolgung, rechtfertigt dies die Feststellung eines Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 8 EMRK nicht. Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der EMRK ergibt, dass eine Abschiebung unzulässig ist. Art. 8 EMRK gewährleistet die Achtung des Privatlebens und damit das Recht, in seinem privaten Sexualverhalten respektiert zu werden und ungestört zu bleiben. Dies schließt das Recht auf nicht öffentlich in Erscheinung tretende einverständliche homosexuelle Betätigungen unter Erwachsenen ein (EGMR, Urteil vom 22. Oktober 1981, a.a.O.; OVG Bremen, Urteil vom 18. Mai 1999 - 1 A 33/99.A -, NVwZ-Beilage 1999, 101, 102 m.w.N.).
Die Gewährleistung aus Art. 8 Abs. 1 EMRK ist nicht schrankenlos, wie Art. 8 Abs. 2 EMRK zeigt. Hiernach sind Eingriffe in das Recht auf Achtung des Privatlebens u.a. dann zulässig, wenn dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft zum Schutze der Moral notwendig ist. Die Bestrafung einverständlicher homosexueller Handlungen Erwachsener in Ghana würde den Anforderungen des Art 8 Abs. 2 EMRK genügen, wenn dieser rechtliche Maßstab an die Verhältnisse in Ghana angelegt würde. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte können gewisse Regelungen des männlichen homosexuellen Verhaltens nach Art. 8 Abs. 2 EMRK in einer demokratischen Gesellschaft zum Schutz der Moral notwendig sein, um die öffentliche Ordnung und Sitte zu erhalten und Bürger vor Belästigungen und Beleidigungen zu schützen; die Notwendigkeit einer gewissen Kontrolle könne sogar einverständliche Handlungen des Privatbereichs erfassen. Dabei steht es den nationalen Stellen zu, einzuschätzen, ob ein entsprechendes Bedürfnis einschränkender Regelungen zum Schutze der Moral besteht. Die nationalen Stellen dürfen die im jeweiligen Land herrschenden moralischen Vorstellungen in Fragen der Sexualität berechtigterweise berücksichtigen, und zwar auch dann, wenn sie nicht mehr mit der Haltung in anderen Gesellschaften übereinstimmen (vgl. EGMR, Urteil vom 22. Oktober 1981, a.a.O.).
Aufgrund der Ausführungen von G. Pascal Zachary (Coming-out in Afrika) vom März 2004 ist davon auszugehen, dass in Ghana weiterhin ein berechtigtes Interesse darin gesehen wird, homosexuelle Handlungen zu reglementieren. In dem Bericht wird dargelegt, dass in verschiedenen Staaten Afrikas Homosexualität - auch im Zusammenhang mit HIV und Aids - bekämpft werde. Auch in Ghana sei Homosexualität immer noch ein gesellschaftliches Tabu. Selbst bei Journalisten seien Homosexuelle gesellschaftlich geächtet, indem u.a. die Auffassung vertreten werde, Homosexuelle verdienten keinen wie auch immer gearteten Schutz gegen Übergriffen und Menschenrechtsverletzungen. Afrikaner verschlössen vor der Tatsache der Homosexualität einfach ihre Augen und es herrsche eine Kultur des Schweigens. Hiernach besteht eine breite gesellschaftliche Akzeptanz der Homosexualität bisher nicht. Dort vermeiden deshalb Homosexuelle jene Konflikte auszulösen, die ein engagiertes Eintreten für die Homosexualität mit sich bringen würde.
Ebenso liegen die Voraussetzungen für eine Verpflichtung der Beklagten, ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG zugunsten des Klägers festzustellen, nicht vor. Dabei weichen die Anforderungen für das Vorliegen einer erheblichen konkreten Gefahr für Leib, Leben und Freiheit des Ausländers in § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG sowie die Abgrenzung zwischen individueller Gefahr (§ 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG) und allgemeiner Gefahr (§ 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG) nicht von der bis 31. Dezember 2004 geltenden Rechtslage nach § 53 Abs. 6 AuslG ab. Insoweit kann die bisherige Rechtsprechung zu § 53 Abs. 6 AuslG auf die Regelung in § 60 Abs. 7 AufenthG übertragen werden.
§ 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG setzt eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit für den betreffenden Ausländer voraus. Des Weiteren kann ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG nur festgestellt werden, wenn derartige Gefahren landesweit drohen. Abschiebungsschutz nach dieser Vorschrift kommt daher nicht in Betracht, wenn in einem - für den betroffenen Ausländer erreichbaren - Teil seines Herkunftslandes Gefahren im angeführten Sinne nicht drohen (BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 1995 - 9 C 6.95 -, BVerwGE 99, 324 [BVerwG 17.10.1995 - 9 C 9/95] und Beschluss vom 10. Oktober 2002 - 1 B 339.02 -, Buchholz 402.240 Nr. 65).
Allgemeine Gefahren, die nicht nur dem betreffenden Ausländer, sondern zugleich der ganzen Bevölkerung oder einer Bevölkerungsgruppe drohen (§ 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG), begründen jedoch auch dann kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG, wenn sie den Ausländer konkret und individualisierbar betreffen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 1995 - 9 C 6.95 -, BVerwGE 99, 324, 328 [BVerwG 17.10.1995 - 9 C 9/95]).
Nur dann, wenn dem einzelnen Ausländer keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 5 und Abs. 7 S. 1 AufenthG zustehen, er aber gleichwohl ohne Verletzung höherrangigen Verfassungsrechts nicht abgeschoben werden darf, ist bei verfassungskonformer Auslegung und Anwendung des § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG im Einzelfall Schutz vor der Durchführung der Abschiebung nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG zu gewähren. Das ist der Fall, wenn die oberste Landesbehörde trotz einer extremen allgemeinen Gefahrenlage, die jeden einzelnen Ausländer im Falle seiner Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausliefern würde, von ihrer Ermessensermächtigung aus § 60 a Abs. 1 AufenthG keinen Gebrauch gemacht hat, einen generellen Abschiebestopp zu verfügen. In einem solchen Fall gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG, dem Ausländer unabhängig von einer Entscheidung nach §§ 60 Abs. 7 S. 2, 60 a Abs. 1 AufenthG Abschiebungsschutz zu gewähren (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 1995, a.a.O.; Urteil vom 19. November 1996 - BVerwG 1 C 6.91 -, BVerwGE 102, 249; Urteil vom 2. September 1997 - 9 C 14.96 -, BVerwGE 105, 187, 192 [BVerwG 02.09.1997 - 9 C 40/96]).
Nach Maßgabe dessen liegen die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG zugunsten des Klägers nicht vor. Weder legte der Kläger dar noch ist anderweitig ersichtlich, dass mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine konkrete individuelle Gefährdung im Fall der Rückkehr des Klägers nach Ghana alsbald besteht. Im Hinblick auf eine allgemeine Gefährdung ergibt sich weder aus dem Vorbringen des Klägers noch ist darüber hinaus ersichtlich, dass im Falle einer Rückkehr des Klägers nach Ghana eine Extremgefahr im o.a. Sinne konkret droht.