Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 10.08.2005, Az.: 6 A 2559/03

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
10.08.2005
Aktenzeichen
6 A 2559/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 43249
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGOLDBG:2005:0810.6A2559.03.0A

Amtlicher Leitsatz

Die durch § 13b Abs. 1 SVG statuierte versorgungsrechtliche Ungleichbehandlung von Soldaten auf Zeit, welche - zur Durchführung eines Studiums an einer allgemeinen Hochschule - ohne Dienstbezüge beurlaubt sind, und solchen, die an der Bundeswehrhochschule in Ausübung ihrer Dienstpflicht studieren, ist mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.

Tatbestand

1

Der Kläger war in dem Zeitraum vom 1. Juli 1985 bis 30. Juni 2002 Soldat auf Zeit. In der Zeit vom 1. Oktober 1986 bis 8. März 1987, 29. März 1987 bis 24. März 1991 und 20. Januar 1991 bis 26. Mai 1994 war er ohne Dienstbezüge unter Zahlung von Ausbildungsgeld zur Durchführung des Studiums der Humanmedizin an der Medizinischen Hochschule ....... beurlaubt.

2

Mit zwei Bescheiden vom 22. Mai 2000 setzte die Wehrbereichsverwaltung ......die dem Kläger zu gewährende Übergangsbeihilfe abzüglich eines Kürzungsbetrags nach § 13 b SVG in Höhe von 10.114,68 Euro auf noch 12.741,92 Euro und die Übergangsgebührnisse abzüglich eines Kürzungsbetrags nach § 13 b SVG in Höhe von 1.283,37 Euro auf noch 1.665,44 Euro monatlich fest.

3

Der Kläger legte am 1. Juni 2002 gegen beide Bescheide Beschwerde mit der Begründung ein, das Studium habe dienstlichen Zwecken gedient und die Kürzung seiner Versorgungsbezüge stelle eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber Personen dar, die an Hochschulen der Bundeswehr studiert hätten.

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Die Wehrbereichsverwaltung ....... wies die Beschwerde durch Bescheid vom 13. Juni 2003 mit der Begründung zurück, die Kürzung der Versorgungsbezüge sei gesetzlich zwingend vorgeschrieben. Der erworbene Studienabschluss liege zwar im dienstlichen Interesse, habe aber auch enorme Bedeutung für eine spätere zivile Tätigkeit des Klägers. Eine unzulässige Ungleichbehandlung liege nicht vor, da es für die Versorgungsleistungen auf die Zeiten der tatsächlichen Dienstleistung als Soldat ankomme. Dass die dem Kläger zustehenden Bezüge hierbei geringer ausfielen, sei schon deshalb gerechtfertigt, weil er - obwohl er zeitweise keinen militärischen Dienst geleistet habe - auf Kosten der Steuerzahler habe studieren können. Der Kläger habe die Kürzung zumindest vorhersehen können.

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Am 14. Juli 2003 hat der Kläger Klage erhoben. Er trägt vor: Die Kürzung seiner Soldatenversorgung sei wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG rechtswidrig. Sie führe zu einer Ungleichbehandlung im Vergleich zu Personen, die an Bundeswehrhochschulen einen auch für zivile Tätigkeiten verwendbaren akademischen Grad erreicht hätten. Der von der Beklagten angeführte Differenzierungsgrund, er sei während der Studienzeiten vom Dienst beurlaubt gewesen und habe keine Dienstbezüge erhalten, sei formal richtig, überzeuge aber inhaltlich nicht. Bei Betrachtung der tatsächlichen Verhältnisse bestehe kein tragfähiger Grund für eine Ungleichbehandlung. Bei beiden Vergleichsgruppen verliefen Laufbahn und Ausbildungsgang identisch. Dienstbezüge und Ausbildungsgeld stimmten betragsmäßig überein. Angehöriger beider Vergleichsgruppen seien in gleicher Weise disziplinarisch einem militärischen Vorgesetzten unterstellt. Auch die Studenten an Bundeswehrhochschulen unterlägen keiner Pflicht, Uniform zu tragen; vielmehr sei ihnen dies während des Studiums freigestellt. Ebenso wenig finde bei ihnen eine rein militärische Ausbildung während der Semester/Trimester statt. In gleicher Weise seien auch Vorgaben und Zwänge bei der Gestaltung der Ausbildungsabschnitte zu beachten. Auch als Sanitätsoffizieranwärter sei er für die Zeit des Studiums einer Betreuungseinheit und einem Betreuungsoffizier zugeteilt gewesen. Identisch seien ferner die Nachweispflichten bzgl. der Ausbildungsabschnitte, die Zeiten der Mindestbeförderung, die Modalitäten der Ausrüstung und Dienstbekleidung, die Gewährung von Umzugskosten und Beihilfe sowie die truppenärztliche Versorgung. Seine Beurlaubung hätte ferner jederzeit widerrufen oder unterbrochen werden können. Zu beachten sei, dass sich die Kürzung - insbesondere bei den monatlichen Übergangsgebührnissen - in bedeutsamer Höhe auswirke.

6

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, ihm eine Übergangsbeihilfe und Übergangsgebührnisse ohne Kürzung gemäß § 13 b SVG zu gewähren und die Bescheide der Wehrbereichsverwaltung ..... vom 22. Mai 2002 in Gestalt ihres Beschwerdebescheides vom 13. Juni 2003 aufzuheben, soweit sie dem entgegenstehen.

7

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

8

Sie bezieht sich auf die angefochtenen Bescheide und erwidert ergänzend, für die Ungleichbehandlung gebe es einen tragfähigen Differenzierungsgrund. Abweichend von anderen Studiengängen werde der Studiengang Medizin für Sanitätsoffizieranwärter nicht an Hochschulen der Bundeswehr angeboten. Im Unterschied zu Soldaten, die an Bundeswehrhochschulen studierten, sei der Kläger für die Studienzeiten vom soldatischen Dienst entbunden und beurlaubt gewesen. Das ihm gewährte Ausbildungsgeld gehöre nicht zu den Dienstbezügen. Durch die Beurlaubung werde der Kläger auch disziplinarisch und bei der Gewährung von Ausbildungsgeld im Falle von Fehlzeiten anders behandelt und sei allgemein bei der Gestaltung des Studiums an der zivilen Universität freier.

9

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

11

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Übergangsbeihilfe und Übergangsgebührnissen ohne Kürzung nach § 13 b Abs. 1 Satz 1 SVG. Die angefochtenen Bescheide der Wehrbereichsverwaltung Nord vom 22. Mai 2002 in der Gestalt ihres Beschwerdebescheides vom 13. Juni 2003 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Zur Vermeidung von Wiederholungen wird gemäß § 117 Abs. 5 VwGO auf die Begründung der angefochtenen Bescheide verwiesen. Ergänzend ist Folgendes auszuführen:

12

In der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte ist geklärt, dass die Kürzung von Versorgungsbezügen bei Soldaten auf Zeit nach § 13 Abs. 1 Satz 1 SVG nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstößt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. November 1992 - 2 B 172.92 - juris; VGH BW, Urteil vom 14. Dezember 1994 - 11 S 2582/93 - juris; OVG Schleswig, Beschluss vom 29. Juli 1992 - 3 L 1/92 -; BayVGH, Urteil vom 7. September 1987 - 3 B 87.921 -; VG Schleswig, Urteil vom 30. März 2004 - 16 A 112/02 -). Ausgangspunkt hierbei ist, dass der Gleichheitsgrundsatz nur die willkürlich ungleiche Behandlung gleicher Sachverhalte verbietet. Er ist dann nicht verletzt, wenn für eine differenzierende gesetzliche Regelung sachlich einleuchtende Gründe bestehen, die dem Gerechtigkeitsgefühl entsprechen und keine Willkür erkennen lassen. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen ergeben sich unterschiedliche Grenzen, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Der normative Gehalt der Gleichheitsbindung erfährt daher seine Konkretisierung jeweils im Hinblick auf die eigene Art des zu regelnden Sachbereichs: Der Gleichheitssatz verlangt, dass eine vom Gesetz vorgenommene unterschiedliche Behandlung von Personengruppen sich - sachbereichsbezogen - auf einen vernünftigen oder sonst wie einleuchtenden Grund von hinreichendem Gewicht zurückführen lässt (BVerfG, Beschluss vom 12. Februar 2003 - 2 BvL 3/00 - BVerfGE 107, 218 m.w.N.). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat der Gesetzgeber gerade auch bei Regelungen des Besoldungs- und Versorgungsrechts eine verhältnismäßig weite Gestaltungsfreiheit. Den Gerichten ist die Überprüfung verwehrt, ob der Gesetzgeber die gerechteste, zweckmäßigste und vernünftigste Lösung gewählt hat. Sie können, sofern nicht von der Verfassung selbst getroffene Wertung entgegenstehen, nur die Überschreitung äußerster Grenzen beanstanden, jenseits derer sich gesetzliche Vorschriften bei der Abgrenzung von Lebenssachverhalten als evident sachwidrig erweisen (BVerfG, a.a.O.).

13

Hiervon ausgehend reicht es nicht aus, zahlreiche Parallelen der tatsächlichen Lebenssachverhalte von Soldaten auf Zeit, die an Bundeswehrhochschulen studieren und solchen, die Humanmedizin an allgemeinen Hochschulen studieren, aufzuzeigen, die für eine Gleichhandlung sprechen, wenn sich nur ein sachlich vertretbarer Grund für die beanstandete Regelung finden lässt. Das ist hier indessen der Fall. Anknüpfungspunkt für die unterschiedliche Behandlung ist die Beurlaubung des Klägers ohne Dienstbezüge. Dabei ist ebenfalls in der Rechtsprechung geklärt, dass Ausbildungsgeld nach § 30 Abs. 2 Satz 1 SG keine Dienstbezüge im Sinne des § 13 b SVG sind (BVerwG, Beschluss vom 18. Februar 1992 - 2 B 19.92 - ZBR 1992, 154). Es ist ein tragender Grundsatz des Versorgungsrechts, dass die Versorgung als Äquivalent für geleistete Dienste gewährt wird. Die Regelung, dass der Versorgungsanspruch um Zeiten der Beurlaubung gekürzt wird, findet sich z.B. in § 16 i.V.m. § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SVG oder § 14 i.V.m. § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 BeamtVG. Der grundlegende Unterschied zu den an Bundeswehrhochschulen studierenden Soldaten besteht darin, dass für diese die Teilnahme an den Lehrveranstaltungen deren konkretisierte militärische Dienstpflicht ist. Nichterscheinen zu den Lehrveranstaltungen würde für diese ein unentschuldigtes Fernbleiben vom Dienst bedeuten, mit der Folge, dass dies disziplinarisch geahndet werden könnte und dass gemäß § 9 BBesG für die Zeit des Fernbleibens der Anspruch auf die Bezüge und gemäß § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SVG der Anspruch auf die Versorgung entfiele. Demgegenüber sind beurlaubte Soldaten von der militärischen Dienstpflicht befreit. Sie sind zwar verpflichtet, die Beurlaubungszeit für das Studium zu verwenden. Das Studium ist jedoch nicht konkretisierte Dienstpflicht. Sie können wie jeder zivile Studierende, soweit für den Erwerb eines Scheines oder Attests keine Präsenzpflicht besteht, dem Lehrangebot fernbleiben, sofern sie nur ihr Semesterziel erreichen. Sie können sich jederzeit von der Universität entfernen und zu Hause aufhalten oder sich auch für einige Tage vom Studienort entfernen, ohne sich abzumelden. Diese sachlichen Unterschiede werden auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Kläger während der Beurlaubungszeiten jederzeit erreichbar und im Ernstfall sofort einsatzbereit sein musste. Denn die Kommandierung des beurlaubten Soldaten zum militärischen Dienst setzt zunächst den Widerruf der Beurlaubung voraus. Hierdurch würde auch die militärische Dienstpflicht mit der Folge konkretisiert, dass eine Kürzung der Versorgungsbezüge für entsprechende Zeiten unterbleiben müsste. Dementsprechend wurde auch hinsichtlich jeder Kommandierung des Klägers zu seiner Einheit während seiner Beurlaubungszeit verfahren, so dass derartige Zeiten von der Kürzung ausgenommen wurden.

14

Der Kläger erstrebt mit seiner Klage letztlich eine Änderung der von ihm für seinen Fall als ungerecht empfundenen Rechtslage durch den Gesetzgeber. Zwar wäre dieser wohl nicht gehindert, die Versorgungsansprüche von Zeitsoldaten anders, und zwar möglicherweise auch im Sinne der Vorstellungen des Klägers zu regeln. Die Entscheidung hierüber fällt jedoch in die ihm zukommende Gestaltungsfreiheit, die er bislang in rechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgeübt hat.

15

Folglich war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht nach § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.