Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 25.01.2006, Az.: 6 C 6938/05

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
25.01.2006
Aktenzeichen
6 C 6938/05
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2006, 44504
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:2006:0125.6C6938.05.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
OVG Niedersachsen - 22.11.2006 - AZ: 2 NB 448/06

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Der innerkapazitäre Zulassungsanspruch im Auswahlverfahren der Hochschulen beschränkt sich auf die Vergabe eines nach Maßgabe des § 1 Abs. 1 ZZ-VO 2005/2006 festgesetzten Studienplatzes.

  2. 2.

    Das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz allein kann im innerkapazitären Verfahren nicht die festgesetzte Studienplatzzahl durchbrechen.

  3. 3.

    Im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz begegnet die Vereinbarkeit der Übergangsregelung des Auswahlverfahrens der Hochschulen in Art. 2 Abs. 3 des Gesetzes zur Änderung des NHZG und § 26 Abs. 3 der ZVS-VergabeVO mit Art. 3 Abs. 1 GG keinen durchgreifenden Bedenken.

Gründe

1

I.

Die Antragstellerin erwarb im Juni 2005 die allgemeine Hochschulreife und bewarb sich zum Wintersemester 2005/2006 bei der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) um einen Studienplatz im Studiengang Humanmedizin. Bei der Angabe des Grades der Ortspräferenz wählte sie die Antragsgegnerin an vierter Stelle ihres Zulassungsantrags aus. Für das Wintersemester 2005/2006 ist in Anlage 1 zu § 1 Abs. 1 der Verordnung über Zulassungszahlen für Studienplätze zum Wintersemester 2005/2006 und zum Sommersemester 2006 - ZZ-VO 2005/2006 - vom 5. Juli 2005 (Nds. GVBl. S. 224) für den Studiengang (Human-) Medizin bei der Antragsgegnerin eine Zulassungszahl von 270 im 1. Fachsemester festgesetzt worden.

2

Die Studienplatzbewerbung der Antragstellerin blieb im zentralen Vergabeverfahren erfolglos und wurde anschließend im Auftrag der ausgewählten Hochschulen mit Bescheid der ZVS vom 30. September 2005 auch im Auswahlverfahren der Hochschulen abgelehnt. Für diese Entscheidung hatte die ZVS im Auftrag der Antragsgegnerin die Übergangsvorschrift des § 26 Abs. 3 ZVS-VergabeVO angewandt, wonach die Auswahlentscheidung im Vergabeverfahren der Hochschulen (§ 32 Abs. 3 Nr. 3 HRG) zum Wintersemester 2005/2006 abweichend von § 10 Abs. 4 Satz 1 ZVS-VergabeVO ausschließlich nach der Durchschnittsnote getroffen werden kann, wenn die Hochschule von der diesbezüglichen Ermächtigung in Art. 2 Abs. 3 der Übergangsbestimmungen des Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Hochschulgesetzes (NHZG) Gebrauch gemacht hat.

3

Gegen den von der ZVS erlassenen Bescheid der Antragsgegnerin vom 30. September 2005 hat die Antragstellerin am 1. November 2005 im Verfahren 6 A 7346/05 Klage erhoben. Mit dem am 17. Oktober 2005 im vorliegenden Verfahren gestellten Antrag verfolgt sie die Sicherung ihres innerkapazitären Zulassungsanspruchs - beschränkt auf die Entscheidung im Auswahlverfahren der Hochschulen - im Wege einstweiligen Rechtsschutzes.

4

Die Antragstellerin macht geltend, die Ablehnung ihrer Studienplatzbewerbung vom 30. September 2005 verletze sie in ihren Grundrechten aus den Art. 12 Abs. 1 und 3 Abs. 1 GG. Die Antragsgegnerin habe mit der undifferenzierten Anwendung der Abiturdurchschnittsnote die Bewerberauswahl im Auswahlverfahren der Hochschulen nicht nach sachgerechten Kriterien getroffen. Auch der Gesetzgeber sehe ausweislich der Regelungen in § 32 Abs. 3 HRG eine allein auf die Durchschnittsnote gestützte Auswahl als korrekturbedürftig an. Ohne eine Korrektur des Auswahlkriteriums genüge die Auswahlentscheidung nicht den Anforderungen aus Art. 12 Abs. 1 und 3 Abs. 1 GG. Nach Art. 3 Abs. 1 GG dürfe wesentlich Ungleiches nicht ohne sachlichen Grund gleich behandelt werden. Das geschehe aber tatsächlich mit der ausschließlichen Berücksichtigung der Durchschnittsnoten der Abiturergebnisse. Diese seien angesichts der in den einzelnen Bundesländern bestehenden Unterschiede der für den Erwerb der allgemeinen Hochschulreife bestehenden Anforderungen sowie des Leistungsniveaus der Schüler nur begrenzt vergleichbar. Allein die bessere Praktikabilität der Übergangsvorschrift rechtfertige es nicht, die von ihr geforderte Gleichbehandlung der Durchschnittsnoten als rechtmäßig anzusehen, denn der mit der Auswahlentscheidung beauftragten ZVS wäre es möglich, eine Vergleichbarkeit der Abiturdurchschnittsnoten beispielsweise in Anlehnung an die Länderquoten herzustellen. Schließlich wäre die Antragsgegnerin mit der Berücksichtigung eines zusätzlichen Auswahlkriteriums auch nicht überfordert, denn Hochschulen in anderen Bundesländern würden ihre Zulassungsentscheidungen zusätzlich nach dem Ergebnis eines Auswahlgesprächs treffen.

5

Die Antragstellerin beantragt,

die Antragsgegnerin im Wege einstweiliger Anordnung vorläufig zu verpflichten, im Nachrückverfahren/Losverfahren für das Fach Humanmedizin im ersten Fachsemester des Wintersemesters 2005/2006 einen Studienplatz für die Antragstellerin freizuhalten sowie die Antragstellerin vorläufig zum Studium im Fach Humanmedizin im ersten Fachsemester im Wintersemester 2005/2006 zuzulassen.

6

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

7

Die Antragsgegnerin trägt vor, sie verfüge nach Vergabe von 270 Studienplätzen innerhalb der festgesetzten Kapazität über keine Studienplätze mehr. Mit Abschluss des von der ZVS durchgeführten Nachrückverfahrens seien bereits 265 Studienplätze besetzt gewesen. Die noch verbleibenden fünf Studienplätze habe sie im Auswahlverfahren der Hochschule vergeben. Insoweit habe sie die Ausgewählten im Zeitpunkt des Eingangs des Rechtschutzantrags der Antragstellerin bereits zur Immatrikulation angeschrieben gehabt. Die nachfolgenden Immatrikulationen vom 10. bzw. 14. November 2005 hätten das Verfahren abgeschlossen.

8

Die Antragsgegnerin vertritt die Auffassung, die nur für ein Jahr geltende Übergangsregelung in Art. 2 des Gesetzes zur Änderung des NHZG stelle einen sachlichen Grund dar, um vorübergehend das Auswahlverfahren der Hochschulen nur nach Maßgabe der Durchschnittsnote durchzuführen. Die Neuregelung des Auswahlverfahrens durch das NHZG sei erst durch das Änderungsgesetz vom 25. Februar 2005 erfolgt. In Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des Gesetzes habe die ZVS die Bewerberinnen und Bewerber für das Wintersemester nicht mehr rechtzeitig über die neue Zuständigkeit der Hochschulen informieren können. Die Übergangsvorschrift sei auch aus einem weiteren Grund sachgerecht, denn der Gesetzgeber habe die Hochschulen angesichts der Komplexität der neuen Rahmenregelungen mit Blick auf die von diesen zu treffenden neuen Verfahrensregelungen nicht zeitlich unter Druck setzen wollen.

9

Ein von der Antragstellerin im Verfahren 6 C 6945/05 mit dem Ziel einer vorläufigen Zulassung zum Medizinstudium außerhalb der festgesetzten Kapazität gestellter Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist mit Beschluss der Kammer vom 18. Januar 2006 als unbegründet abgelehnt worden.

10

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten nimmt die Kammer ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakten 6 C 6938/05 und 6 C 6945/05 Bezug.

11

II.

Der Antrag ist nicht begründet.

12

Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch, der die von ihr beanspruchte vorläufige Regelung tragen könnte, nicht glaubhaft gemacht.

13

Grundlage der rechtlichen Beurteilung des Antragsbegehrens ist, dass die nach § 1 Abs. 1 ZZ-VO 2005/2006 für das 1. Fachsemester festgesetzte Aufnahmekapazität von 270 Studienplätzen im Studiengang Humanmedizin bei der Antragsgegnerin erschöpft ist. Es ist kein Studienplatz unbesetzt geblieben, und eine die Zulassungszahl von 270 übersteigende Aufnahmekapazität des Modellstudiengangs Humanmedizin ist nicht vorhanden (Beschluss der Kammer vom 18.1.2006 - 6 C 6945/05 -). Daran, dass im zentralen Vergabeverfahren und im Auswahlverfahren der Hochschule alle 270 Studienplätze vergeben worden sind, hat die Kammer mit Verbindlichkeit für die Entscheidung im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz keinen Zweifel. Aus dem Sachverhalt, welcher aus den zahlreichen Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz auf vorläufige Zulassung zum Studium der Humanmedizin im Wintersemester 2005/2006 gerichtsbekannt geworden ist, ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte für einen etwaigen Verdacht, dass die Antragsgegnerin einen oder mehrere freie Studienplätze verschwiege. Hierzu wird auch von der Antragstellerin nichts vorgetragen. Ein Anlass, an der Richtigkeit des Sachvortrags der Antragsgegnerin zu zweifeln, besteht daher nicht, zumal die Antragsgegnerin in einem anderen gerichtlichen Verfahren (6 C 5167/05) eine eidesstattliche Versicherung des Studiendekans Prof. Dr. med. F. vom 6. Januar 2006 vorgelegt hat, der zu entnehmen ist, dass alle 270 Studienplätze am 6. Januar 2006 besetzt waren.

14

Die Tatsache, dass alle durch die abschließende Rechtsnorm des § 1 Abs. 1 ZZ-VO 2005/2006 festgelegten Studienplätze an andere Studienplatzbewerberinnen und -bewerber vergeben worden sind, steht der Glaubhaftmachung des auf Freihaltung eines Studienplatzes und vorläufige Zulassung zum Studium im Fach Humanmedizin gerichteten Anordnungsanspruchs entgegen. Insoweit beschränkt sich der innerkapazitäre Zulassungsanspruch der Antragstellerin im Auswahlverfahren der Hochschule auf die Vergabe eines nach Maßgabe des § 1 Abs. 1 ZZ-VO 2005/2006 festgesetzten Studienplatzes. Dieses ergibt sich aus der Natur der Sache der Studienplatzvergabe und bedarf deshalb keiner näheren Erläuterung.

15

Die Kammer teilt auch nicht die in dem von der Antragstellerin zitierten Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 19. Dezember 2005 - M 3 E L 05.20578 - vertretene Rechtsauffassung zur Reichweite des einstweiligen Rechtsschutzes im innerkapazitären Zulassungsstreit. Diese Auffassung stützt sich auf die Überlegung, dass die Ausschöpfung der Ausbildungskapazität nicht die Versagung einstweiligen Rechtsschutzes zur vorläufigen Zulassung innerhalb der festgesetzten Kapazität rechtfertigen könne, weil sich dieses Ergebnis nicht mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG vereinbaren ließe. Diese Rechtsauffassung verkennt, dass das Gebot effektiven Rechtsschutzes allein nicht geeignet ist, die gesetzlich bestimmten Schranken eines subjektiven Rechts zu überwinden. Verfahrensrechtlich findet diese Erkenntnis ihren Niederschlag in § 113 Abs. 1 Satz 3 VwGO, wonach ein aus rechtswidrigem Behördenhandeln sich ergebender Folgenbeseitigungsanspruch nur dann mit Erfolg durchgesetzt werden kann, wenn die Beseitigung der Vollzugsfolgen rechtlich (noch) möglich ist.

16

Der von dem Verwaltungsgericht München aufgestellte Rechtsgrundsatz würde im Ergebnis die festgesetzte Studienplatzkapazität zu Gunsten einer rechtswidrig abgelehnten Studienbewerberin bzw. eines Studienbewerbers durchbrechen. Dem steht zwingend entgegen, dass die Zulassungszahl im Studiengang Humanmedizin nach Maßgabe der gesetzlichen Vorgaben des § 30 HRG und des § 7 des Staatsvertrages über die Vergabe von Studienplätzen und aufgrund der Verordnungsermächtigung in Art. 16 Abs. 1 Nr. 15 des Staatsvertrags durch Rechtsverordnung festgelegt wird. Ist dieses so, beschränkt die normative Festlegung der Ausbildungskapazität eines Studiengangs in der Gestalt einer abschließend bestimmten Anzahl von Studienplätzen notwendigerweise den innerhalb des Vergabeverfahrens geltend gemachten Zulassungsanspruch einer Studienplatzbewerberin oder eines Studienplatzbewerbers. Gerade dieses Ziel wird mit der Festsetzung von Zulassungszahlen im Interesse der Funktionsfähigkeit der Hochschulen und der Sicherung einer qualitativ ausreichenden Lehre verfolgt.

17

Ist danach die festgesetzte Zulassungszahl ein Gesetz im materiellen Sinne, kann ihre Geltung nur mit einem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz im außerkapazitären Zulassungsverfahren angegriffen werden, und zwar mit der Begründung, dass sich die Festsetzung der Zulassungszahl nicht mit dem höherrangigen Grundrecht auf freien Zugang zu einem berufsbezogenen Studium aus Art. 12 Abs. 1 GG vereinbaren lässt. Dieses war Gegenstand des Rechtsbehelfs der Antragstellerin im Verfahren 6 C 6945/05 und Prüfungsgegenstand der in jenem Verfahren getroffenen Sachentscheidung der Kammer vom 18. Januar 2006, in deren Rahmen die Kammer die festgesetzte Zulassungszahl für den Modellstudiengang Humanmedizin gerichtlich überprüft hat. Die normative Geltung einer Festsetzung der Ausbildungskapazität für den Studiengang Humanmedizin kann dagegen nicht dadurch in Zweifel gezogen wird, dass das Verfahren zur Vergabe der Studienplätze innerhalb der festgesetzten Kapazität möglicherweise rechtswidrig durchgeführt worden ist.

18

Überzeugender ist dagegen die Auffassung des Verwaltungsgerichts Bremen (Beschluss vom 2.12.2005 - 6 V 18445 -), derzufolge sich ein auf die Rechtswidrigkeit des Auswahlverfahrens gestützter Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel der vorläufigen Zulassung zum Studium nicht mit der Vergabe aller durch die ZZ-VO ausgebrachten Studienplätze erledigen soll, wenn sich die Auswahl eines Anderen im Vergabeverfahren gerade zu Lasten der oder des Rechtsschutzsuchenden als rechtswidrig erweist. Hat die Hochschule danach einen Studienplatz innerkapazitär rechtswidrig vergeben und verletzt dieses die Rechte der zu Unrecht abgelehnten Bewerberin bzw. des zu Unrecht abgelehnten Bewerbers, muss die Hochschule nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Bremen (a.a.O.) als Ausgleich hierfür die Rechtsschutzsuchende bzw. den Rechtsschutzsuchenden als weiteren Studienbewerber aufnehmen. Hierzu verweist das Verwaltungsgericht Bremen (a.a.O.) auf die verfahrensrechtlichen Möglichkeiten der Rücknahme und des Widerrufs rechtswidriger, begünstigender Zulassungsentscheidungen.

19

Aber auch diese Überlegungen lassen sich auf die vorliegende Sachlage nicht übertragen. Denn läge der von der Antragstellerin gerügte Fehler des Auswahlverfahrens vor, würde sich dieser naturgemäß auf alle Studienplatzbewerberinnen und -bewerber auswirken, die im Auswahlverfahren der Hochschule für das Studium der Humanmedizin von der Antragsgegnerin einen Zulassungs- oder Ablehnungsbescheid erhalten haben. Der von der Antragstellerin gerügte Rechtsfehler des verfassungswidrigen Auswahlkriteriums der Durchschnittsnote ist daher absoluter Natur. Er hätte zur Folge, dass zum Wintersemester 2005/2006 keine Bewerberin und kein Bewerber um einen Studienplatz für Humanmedizin nach dem in § 26 Abs. 3 ZVS-VergabeVO vorgesehenen Verfahren hätte zugelassen werden dürfen. Das gilt auch für das Zulassungsbegehren der Antragstellerin. Auch in ihrem Fall hätte, die Verfassungswidrigkeit der Übergangsvorschriften in § 26 Abs. 3 ZVS-VergabeVO und Art. 2 Abs. 3 des Gesetzes zur Änderung des NHZG angenommen, ein Auswahlverfahren treten müssen, dass sich auf eine Auswahl mit einer Kombination der Auswahlkriterien nach § 10 Abs. 4 Satz 1 ZVS-VergabeVO stützte. Denn diese Kombination und die dazu verordneten Einzelheiten der Bestimmung der besonderen Eignung zum Studium (§ 10 Abs. 5 ZVS-VergabeVO), deren verfassungsrechtliche Zulässigkeit von der Antragstellerin nicht in Zweifel gezogen wird, ist von dem Niedersächsischen Gesetzgeber für das Auswahlverfahren der Hochschulen in ZVS-Studiengängen nach § 8 Abs. 1 NHZG vorgesehen. Entsprechendes wird auch von der Antragstellerin verfassungsrechtlich für erforderlich gehalten.

20

Dass aber die Antragstellerin bei einem nach Maßgabe des § 10 Abs. 4 bis 7 ZVS-VergabeVO durchgeführten Auswahlverfahren oder einer anderen Kombination der in § 32 Abs. 3 Nr. 3 HRG aufgezählten Auswahlkriterien innerhalb der festgesetzten Kapazität einen Studienplatz hätte erhalten müssen, hat sie nicht dargelegt. Dieses ließe sich angesichts der Vielzahl der denkbaren Auswahlergebnisse auch nicht mit der für die Glaubhaftmachung im Verfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO ausreichenden überwiegenden Wahrscheinlichkeit prognostizieren.

21

Sind alle Studienplätze vergeben und liegen keinerlei greifbare Tatsachen dafür vor, dass die Antragstellerin ihren Zulassungsanspruch bei der von ihr für erforderlich gehaltenen verfassungskonformen Ausgestaltung des Auswahlverfahrens mit größerer Aussicht auf Erfolg verfolgen könnte als mindestens eine andere Person aus dem Kreis der 270 zugelassenen Studienbewerberinnen und -bewerber, kann schon aus diesem Grund ein Anordnungsanspruch weder allein auf das Gebot des effektiven Rechtsschutzes noch in Verbindung mit der Möglichkeit eines Anspruchs auf Vollzugsfolgenbeseitigung gestützt werden.

22

Unabhängig von den vorstehenden Gründen ist der Antrag aus einem weiteren Grund abzulehnen. Die Antragstellerin hat nämlich einen Anordnungsanspruch auch nicht aus den von ihr geltend gemachten Gründen glaubhaft gemacht. Die Kammer ist im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz nicht davon überzeugt, dass die Übergangsregelung des Auswahlverfahrens der Hochschulen in Art. 2 Abs. 3 des Gesetzes zur Änderung des NHZG (vom 25.2. 2005, Nds. GVBl. S. 73) und § 26 Abs. 3 der ZVS-VergabeVO (vom 13.5. 2005, Nds. GVBl. S. 149) verfassungswidrig wäre. Vielmehr spricht Überwiegendes dafür, dass die Regelung keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet.

23

Ob eine ausschließlich auf die Durchschnittsnote der Hochschulzugangsberechtigung gestützte Auswahlentscheidung zur Vergabe von Studienplätzen schon deshalb gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, weil der Aussagewert der in den einzelnen Ländern der Bundesrepublik Deutschland erzielten Abiturdurchschnittsnoten nicht vergleichbar ist, kann dahingestellt bleiben. Der Antragsbegründung ist jedenfalls darin zuzustimmen, dass schon die in § 32 Abs. 3 Nr. 3 HRG aufgezählten Auswahlkriterien und insbesondere die ausdrückliche Hervorhebung der "besonderen Eignung" für den gewählten Studiengang in § 5 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 NHZG Zweifel an der Eignung der Abitur-Durchschnittsnote als einzige im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG geeignete Vergleichsgrundlage begründen. Sie soll auch nach den Vorstellungen des Gesetzgebers offensichtlich nicht ausschließlich das Maß der Qualifikation für ein berufsbezogenes Studium bestimmen können. Dieses mit Blick auf teilweise unterschiedliche Bildungssysteme und Kompetenzstandards in einzelnen Bundesländern allein an den Ländergrenzen festzumachen (vgl. VG München, a.a.O.), erscheint allerdings angesichts der Bedeutung des allgemeinen Gleichheitssatzes für das Hochzulassungsverfahren bedenklich. Denn Zeugnis- und Prüfungsnoten tragen schon allgemein immer ein gewisses Maß an Relativität in sich, und allein länderspezifische Ergebnisunterschiede sagen noch nichts über die fachspezifische Eignung zu einem Studium aus. Deshalb können beispielsweise in allen Bundesländern unter anderem Fehlentwicklungen bei der Fächerwahl in der Schule die Abiturergebnisse beeinflussen und gerade darauf zurückzuführen sein, dass bei der Hochschulzulassung bisher ausschließlich auf den Notendurchschnitt abgestellt wurde (vgl. Nds. Landtag, LT-Drs. 15/133). Die zuletzt genannten Erwägung lag offensichtlich neben anderen der Auswahlregelung der § 5 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 Buchst. a) NHZG zugrunde, die nunmehr für ZVS-Studiengänge (§ 8 Abs. 1 Satz 1 NHZG) vorschreibt, dass die Aussagekraft der Durchschnittsnote des Abiturs nicht nur durch die (zusätzliche) Feststellung der besonderen Eignung, sondern auch durch das zusätzliche Auswahlkriterium einer Gewichtung der Aufschluss gebenden fächerspezifischen Noten hergestellt werden kann.

24

Dennoch spricht Überwiegendes dagegen, dass sich die ausschließlich auf die Durchschnittsnote abstellende Übergangsregelung des Auswahlverfahrens der Hochschulen in Art. 2 Abs. 3 des Gesetzes zur Änderung des NHZG und § 26 Abs. 3 der ZVS-VergabeVO nicht mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 GG in Einklang bringen ließe.

25

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG 103, 242, 258, m.w.N.) gebietet es Art. 3 Abs. 1 GG nicht nur, Gleiches gleich, sondern auch Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu regeln. Welche Merkmale maßgebend für den Vergleich von Lebenssachverhalten in Gesetzen als gleich oder ungleich herangezogen werden, bestimmt der Gesetzgeber. Dieser ist nach Art. 3 Abs. 1 GG nur daran gebunden, Art und Ausmaß der tatsächlichen Unterschiede von Lebenssachverhalten nicht sachwidrig außer Acht zu lassen. Der Gleichheitssatz ist danach erst dann verletzt, wenn der Gesetzgeber es versäumt hat, Ungleichheiten der zu ordnenden Lebenssachverhalte zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsdenken orientierten Betrachtungsweise beachtet werden müssen. Hat der Gesetzgeber dieses beachtet, ist er in seiner Entscheidung, die Gleich- oder Ungleichbehandlung in einem Gesetz anzuordnen, frei. Allerdings kann sich eine weiter gehende Einschränkung des Gesetzgebers aus anderen Verfassungsnormen ergeben (BVerfG, a.a.O., S. 258).

26

So kann es Fallgestaltungen geben, bei denen der Gesetzgeber zwar sachlich tragende Erwägungen des Gemeinwohls zur Einschränkung der Freiheit der Berufswahl aus Art. 12 Abs. 1 GG angestellt hat, die vorgenommene Einschränkungen der Berufsfreiheit aber dennoch verfassungswidrig ist, weil sie am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG gemessen eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung der Berufsbewerber bedingt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16.03.2000, NJW 2000 S. 1779, 1780, m.w.N.). Als sachlicher Grund einer Gleich- oder Ungleichbehandlung wird in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts allerdings auch vor dem Hintergrund des Grundrechts der Berufsfreiheit die Typisierung dessen, was gleich oder ungleich ist, angesehen, wenn es um die gesetzliche Neuordnung von massenweise auftretenden Sachverhalten geht. Sind die zu regelnden Sachverhalte darüber hinaus auch komplexer Natur, kann es sachlich gerechtfertigt sein, dass sich der Gesetzgeber aus Gründen der Praktikabilität für einen Übergangszeitraum mit gröberen Typisierungen und Generalisierungen begnügt (BVerfGE 70, 1, 34 [BVerfG 14.05.1985 - 1 BvR 449/82]). Das gilt insbesondere dann, wenn eine differenziertere Regelung die Gefahr ihrer mangelnder Wirksamkeit in sich trüge (BVerfG, a.a.O., S. 34, m.w.N.).

27

Diesen Grundsätzen folgend lässt sich mit Verbindlichkeit für das Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbaren, dass der Niedersächsische Gesetz- und Verordnungsgeber in der Übergangsregelung des Art. 2 Abs. 3 des Gesetzes zur Änderung des NHZG und § 26 Abs. 3 der ZVS-VergabeVO die Hochschulen im Sinne einer Ausnahmeregelung ermächtigt hat, durch Beschluss des Präsidiums zu bestimmen, dass in einzelnen oder allen bei ihr angebotenen ZVS-Studiengängen die Auswahlentscheidung innerhalb der Quote nach § 32 Abs. 3 Nr. 3 HRG ausschließlich nach der Durchschnittsnote erfolgt.

28

Die mit der Übergangsvorschrift verbundene Gleichbehandlung aller Studienbewerberinnen und -bewerber soll erkennbar die Praktikabilität der Neuordnung des differenzierten und angesichts der großen Zahl von Studienbewerbern für die Hochschulen nicht einfach zu bewältigenden Auswahlverfahrens gewährleisten. Es ist davon auszugehen, dass das neue Auswahlverfahren der Hochschulen diese vor schwierige Aufgaben stellt. Das zeigt schon die Tatsache, dass zum Wintersemester 2005/2006 mehr als 800 Studienbewerberinnen und -bewerber bei der Antragsgegnerin mit Anträgen auf einstweiligen Rechtsschutz eine vorläufige Zulassung zum Studium der Humanmedizin im 1. Fachsemester erstreiten wollten. Hinzu kommt die nach § 6 Abs. 4 ZVS-VergabeVO nunmehr deutlich höher bestimmte Quote des Auswahlverfahrens der Hochschulen. Das Zusammenwirken beider Umstände kennzeichnet die Größenordnung der zu erwartenden Zahl der Studienbewerberinnen und -bewerber, die zukünftig im Auswahlverfahren der Hochschule für den Studiengang Humanmedizin von der Antragsgegnerin zu bescheiden sein wird. Davon abgesehen sieht das neue Auswahlverfahren im Einklang mit § 32 Abs. 3 Nr. 3 NHG neben der Feststellung der Durchschnittsnote der Hochschulzugangsberechtigung die Berücksichtigung weiterer individueller Zulassungsmerkmale vor, deren Vorliegen nicht automatisiert festgestellt, sondern je nach Gestaltung des Auswahlverfahrens im Einzelfall unterschiedlich ermittelt werden muss.

29

Unter diesen Gegebenheiten kann sich die Übergangsregelung auf eine sachliche Rechtfertigung der von der Antragstellerin gerügten Nivellierung der persönlichen Zulassungsvoraussetzungen stützen. Der Gesetzgeber hat im Gesetzgebungsverfahren nachweislich erkannt und erwogen, dass die Übergangsregelung im Hinblick auf Artikel 12 Abs. 1 GG einen grundrechtsrelevanten Bereich regelt. Damit hat er der Bedeutung einer Feindifferenzierung im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 GG mit Blick auf die Verfolgung des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG aus sachlichen Gründen nicht den Vorrang eingeräumt. Hierzu heißt es in der insoweit ausschlaggebenden Begründung (Nds. Landtag, 15. Wahlperiode, LT-Drs. 15/2168 S. 5 zu Art. 2 des Entwurfs) der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wissenschaft und Kultur (LT-Drs.15/1693) zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Hochschulzulassungsgesetzes (LT-Drs. 15/1101):

30

"Die Regierungsfraktionen verwiesen jedoch darauf, dass eine solche Regelung erforderlich sei, weil aus Zeitgründen weder eine Verordnung noch ein Beschluss des Senats rechtzeitig vor Beginn des Semesters herbeigeführt werden könne, andererseits aber zumindest den Hochschulen, die bereits willens und in der Lage seien, das neue Recht anzuwenden - insbesondere der neuen Universität Lüneburg -, die Möglichkeit hierzu eingeräumt werden solle."

31

Damit hat der Gesetzgeber in Anbetracht der knappen Übergangszeit zwischen dem In-Kraft-Treten der das Auswahlverfahren ausgestaltenden ZVS-VergabeVO am 20. Mai 2005 und dem Erlass der näheren Regelungen in den Ordnungen der Hochschulen (§ 10 Abs. 7 ZVS-VergabeVO) einen für die Hochschulen möglichst einfachen Weg gewählt, um den praktischen Schwierigkeiten der Umsetzung des neuen Hochschulzulassungsrechts zu begegnen. Zugleich hat er diesen Weg in der Übergangsvorschrift zeitlich auf das Wintersemester 2005/2006 und das Sommersemester 2006 begrenzt, wobei sich ihre Anwendung im Fall des am Studienjahr ausgerichteten Studienbetriebes der Antragsgegnerin nur auf das gegenwärtige Wintersemester auswirkt. Die Kammer ist der Auffassung, dass der Gesetzgeber damit trotz der von der Antragstellerin gerügten Gleichbehandlung aller Studienbewerberinnen und -bewerber in Gestalt des ausschließlichen Heranziehens der Durchschnittsnote das Maß des für eine sachliche Rechtfertigung nach Art. 3 Abs. 1 GG Notwendigen eingehalten hat.

32

Der Einwand der Antragstellerin, die übergangsweise Vereinfachung des Auswahlverfahrens der Hochschule wäre hingegen nicht notwendig gewesen, weil die ZVS im Auftrag der Antragsgegnerin die Auswahlentscheidungen nach Maßgabe der bekannten Landesquoten hätte treffen können, verkennt den bedeutsamen Umstand, dass das zum Beginn des Wintersemesters 2005/2006 in Kraft gesetzte Zulassungsrecht die Bildung von Landesquoten für das Auswahlverfahren der Hochschulen nicht mehr vorsieht. Gesetzeskonform wäre insoweit nur der Erlass einer den Auswahlkriterien des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 NHZG und der ZVS-VergabeVO entsprechenden und der relativen Aussagekraft der Durchschnittsnote Rechnung tragenden Ordnung der Antragsgegnerin gewesen. Dieses wäre jedoch angesichts der Notwendigkeit der Ausarbeitung und Beschlussfassung der entsprechenden Satzungen für die zulassungsbeschränkten Studiengänge Human- und Zahmmedizin sowie der Sicherstellung der daraus folgenden organisatorischen und personellen Vorkehrungen in den noch verbleibenden vier Monaten zwischen dem In-Kraft-Treten der neuen Regelung über das Auswahlverfahren in der ZVS-VergabeVO am 20. Mai 2005 und der Mitteilung der Verfahrensergebnisse der Auswahl in der Abiturbestenquote durch die ZVS nur unter einem übergroßen Zeitdruck möglich gewesen.