Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 01.02.2006, Az.: 1 A 4991/05
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 01.02.2006
- Aktenzeichen
- 1 A 4991/05
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 44484
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGHANNO:2006:0201.1A4991.05.0A
Fundstellen
- FStNds 2006, 706-707
- NdsVBl 2006, 259-260
In der Verwaltungsrechtssache
des Herrn ,
Kläger,
gegen
die Landeshauptstadt Hannover
Beklagte,
Streitgegenstand: Öffnungszeiten des Vahrenwalder Bades
hat das Verwaltungsgericht Hannover - 1. Kammer - auf die mündliche Verhandlung vom 1. Februar 2006 durch ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen eine von der beklagten Landeshauptstadt Hannover veranlasste Einführung und Veränderung der ausschließlich Frauen und Mädchen vorbehaltenen Öffnungszeiten im städtischen Vahrenwalder Bad.
Er ist Geschäftsführer und Gesellschafter eines mittelständischen hannoverschen Unternehmens. Mit seiner fünfjährigen behinderten Tochter ging er bis Mitte des Jahres 2005 regelmäßig mittwochs zwischen 16.30 Uhr und 18.15 Uhr im Vahrenwalder Bad schwimmen. Bereits zum 01.02.2005 hatte die Beklagte im Vahrenwalder Bad dienstags zwischen 15.00 Uhr und 17.00 Uhr ausschließlich Frauen und Mädchen vorbehaltene Badezeiten eingerichtet. Während dieser sog. Frauenbadezeit war im Schwimmbad und in der Cafeteria des Bades nur weibliches Personal anwesend. Weil das Angebot der Frauenbadezeit nach den Feststellungen des zuständigen Fachbereichs der Beklagten "extrem gut" angenommen wurde, verlegte die Beklagte sie vom 01.07.2005 an auf mittwochs ab 17.00 Uhr und verlängerte sie gleichzeitig um zwei Stunden auf 21.00 Uhr. Seitdem ist das Vahrenwalder Bad zu folgenden Zeiten geöffnet
Montag 12.00 Uhr - 18.00 Uhr unverändert
Dienstag 06.30 Uhr - 17.00 Uhr neu
vorher 06.30 - 14.30 Uhr
Mittwoch 06.30 Uhr - 16.30 Uhr bisher 06.30 Uhr - 21.30 Uhr 17.00 Uhr - 21.00 Uhr neu - nur - Frauenbadezeit
Donnerstag 06.30 Uhr - 18.00 Uhr unverändert
Freitag 06.30 Uhr - 21.30 Uhr unverändert
Sonnabend 08.00 Uhr - 21.30 Uhr unverändert
Sonntag 09.00 Uhr - 18.00 Uhr unverändert
Eine sog. Frauenbadezeit gibt es inzwischen noch im Stöckener Bad sonnabends von 14.00 Uhr bis 17.00 Uhr.
Wegen der Verlegung der Frauenbadezeit im Vahrenwalder Bad von Dienstag auf Mittwoch konnte der Kläger mit seiner Tochter dort nicht mehr mittwochs zwischen 16.30 Uhr und 18.15 Uhr schwimmen. Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 12.07.2005 machte er gegenüber der Beklagten geltend, er werde durch die Veränderung der Öffnungszeiten im Vahrenwalder Bad in seinen Grundrechten aus Art. 2 und 3 GG, insbesondere in seinem durch Art. 3 GG garantierten Anspruch auf Gleichberechtigung von Männern und Frauen beeinträchtigt. Die verstärkte Rücksichtnahme der Beklagten auf die soziokulturellen Besonderheiten der vorzugsweise muslimischen Besucherinnen des Vahrenwalder Bades sei eine durch Art. 4 GG nicht gerechtfertigte Bevorzugung dieser Frauen und zugleich eine Diskriminierung der berufstätigen Männer.
Die Beklagte erwiderte mit Schreiben vom 21.07.2005, der Kläger habe gemäß § 22 Abs. 1 NGO einen Anspruch auf Benutzung öffentlicher Einrichtungen im Rahmen bestehender Vorschriften. Das Vahrenwalder Bad sei eine derartige öffentliche Einrichtung. Sie - die Beklagte - sei berechtigt, den Zugang zu öffentlichen Einrichtungen und deren Öffnungszeiten zu regeln, wobei sie die Chancengleichheit für alle Mitbenutzer wahren müsse. Der Andrang der Besucherinnen zu der bisherigen Frauenbadezeit am Dienstag habe eine erhebliche Nachfrage nach einem solchen Angebot bestätigt. Die Ausweitung um zwei Stunden trage dieser Nachfrage weiter Rechnung und beschränke andere Badegäste nicht unzulässig. Für berufstätige Männer bestehe eine hinreichende Möglichkeit, an anderen Wochentagen und am Wochenende das Vahrenwalder Bad oder die übrigen Hallenbäder im Stadtgebiet zu besuchen.
Der Kläger hat am 22.08.2005 Klage erhoben.
Er bleibt bei seiner Ansicht, dass er durch die Verlagerung der Frauenbadezeit von dienstags auf mittwochs grundrechtswidrig diskriminiert werde.
Wegen der Einzelheiten des Vortrags des Klägers wird auf die Klageschrift vom 18.08.2005 und die Schriftsätze vom 08.11.2005 und vom 31.01.2006 Bezug genommen.
Der Kläger beantragt wörtlich:
Die Beklagte wird dazu verpflichtet, männlichen Badegästen sowie weiblichen Badegästen in Begleitung minderjähriger männlicher Badegäste, mindestens jedoch dem Kläger, das Baden in dem Vahrenwalder Bad an mindestens zwei wöchentlichen Arbeitstagen, also montags bis Freitag ab 15.00 Uhr zu ermöglichen.
hilfsweise
Die Beklagte wird verpflichtet, die durch den Umweltdezernenten... getroffene Anordnung, das Vahrenwalder Bad mittwoches zwischen 17.00 und 21.00 Uhr ausschließlich Frauen und Mädchen zur Verfügung zu stellen, rückgängig zu machen.
Weiter hilfsweise
Die Beklagte wird verpflichtet, die Einführung, Aufrechterhaltung und Ausweitung von Badezeiten in den städtischen Bädern, insbesondere im Vahrenwalder Bad, ausschließlich für Frauen und Mädchen rückgängig zu machen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie vertieft ihre vorprozessual gegenüber dem Kläger vertretene Auffassung, dass er durch die Verlagerung der Frauenbadezeit nicht in seinen Grundrechten verletzt, insbesondere als berufstätiger Vater nicht gleichheitswidrig diskriminiert werde.
Auf die Schriftsätze der Beklagten vom 31.09.2005 und vom 30.11.2005 wird verwiesen.
...
Entscheidungsgründe
Der Kläger bleibt mit seiner Klage ohne Erfolg. Er besitzt keinen individuellen Rechtsanspruch auf die begehrte Unterlassung der von der Beklagten eingerichteten sog. Frauenbadezeit im Vahrenwalder Bad und in den übrigen städtischen Bädern.
1. Der Hauptantrag,
die Beklagte wird dazu verpflichtet, männlichen Badegästen sowie weiblichen Badegästen in Begleitung minderjähriger männlicher Badegäste, mindestens jedoch dem Kläger, das Baden in dem Vahrenwalder Bad an mindestens zwei wöchentlichen Arbeitstagen, also montags bis Freitag ab 15.00 Uhr zu ermöglichen,
ist unschlüssig. Der Kläger hat nach den derzeitigen Öffnungszeiten des Vahrenwalder Bades die Möglichkeit, dort montags, dienstags, donnerstags und freitags ab 15.00 Uhr, länger als eine Stunde mit seiner Tochter zu schwimmen.
2. Ob der sich auf alle städtischen Bäder erstreckende und deshalb einer Popularklage gleich kommende zweite Hilfsantrag,
die Beklagte wird verpflichtet, die Einführung, Aufrechterhaltung und Ausweitung von Badezeiten in den städtischen Bädern, insbesondere im Vahrenwalder Bad, ausschließlich für Frauen und Mädchen rückgängig zu machen,
unzulässig ist, kann dahinstehen. Er ist jedenfalls ebenso unbegründet wie der erste Hilfsantrag,
die Beklagte wird verpflichtet, die durch den Umweltdezernenten ... getroffene Anordnung, das Vahrenwalder Bad mittwochs zwischen 17.00 und 21.00 Uhr ausschließlich Frauen und Mädchen zur Verfügung zu stellen, rückgängig zu machen.
Die Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers auf Unterlassung der sog. Frauenbadezeit im Vahrenwalder Bad ( und dem Stöckener Bad ) bildet § 22 Abs. 1 NGO. Die Vorschrift berechtigt die Einwohnerrinnen und Einwohner einer Gemeinde im Rahmen der bestehenden Vorschriften, die öffentlichen Einrichtungen der Gemeinde zu benutzen. Das Vahrenwalder Bad und die übrigen städtischen Schwimmbäder sind öffentliche Einrichtungen i.S.v. § 22 Abs. 1 NGO. Ihre Benutzung durch die Einwohnerrinnen und Einwohner der Landeshauptstadt Hannover wird "im Rahmen der bestehenden Vorschriften" durch den Widmungszweck und die zu seiner Durchführung von der Beklagten erlassenen Satzungen und Benutzungsordnungen, aber auch durch höherrangiges Recht, beispielsweise den aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleiteten allgemeinen Gleichheitssatz begrenzt ( vgl. zum Ganzen: Thiele, NGO, 5. Auflage 1999, § 22 Rdnr. 1 - 3; Wefelmeier in KVR-NGO, § 22, Rdnrn. 14 ff ). Für den Betrieb einer öffentlichen Einrichtung verfügt der Träger über ein Organisationsermessen ( vgl. Blomenkamp in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8, Rdnr. 1441 ). Dessen Ausübung unterliegt gemäß § 114 VwGO nur einer eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle auf einen etwaigen Ermessenfehlgebrauch hin. Ein solcher liegt schon in Bezug auf die streitige Verlagerung der sog. Frauenbadezeit im Vahrenwalder von bisher dienstags auf nunmehr mittwochs einschließlich ihrer Verlängerung um zwei Stunden nicht vor.
Nach den von dem Kläger substantiiert nicht bestrittenen und in der mündlichen Verhandlung von den beiden Terminsvertretern der Beklagten dezidiert bestätigten Feststellungen ihres zuständigen Fachbereichs wurde das zum 01.02.2005 eingeführte Angebot einer sog. Frauenbadezeit am Dienstag von 15.00 Uhr bis 17.00 Uhr "extrem gut" angenommen. Es veranlasste die Beklagte, das Angebot auszuweiten und die sog. Frauenbadezeit auf Mittwoch zu verlagern und um zwei Stunden zu verlängern. Am Dienstag war im Vahrenwalder Bad eine Verlängerung der sog. Frauenbadezeit um zwei Stunden wegen des um 17.00 Uhr beginnenden Schwimm - und Trainingsbetriebs der Schwimmvereine nicht möglich. Selbst wenn bei dem Angebot der sog. Frauenbadezeit bei der Beklagten integrationspolitische Motive mit eine Rolle gespielt haben sollten - allein ausschlaggebend waren sie nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung nicht -, bleibt die Entscheidung der Beklagten, auch aus wirtschaftlichen Gründen durch ein besonderes Angebot zu einer besseren Auslastung des Vahrenwalder Bades ( und des Stöckener Bades ) beizutragen, sachgerecht und verletzt den Kläger nicht in subjektiv öffentlichen Rechten i.S.v. § 22 Abs. 1 Satz 1 NGO.
Eine Diskriminierung des Klägers wird bereits auf dieser Ebene, also unterhalb der von ihm behaupteten Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 2 GG und Art 3 GG, durch die Öffnungszeiten des Vahrenwalder Bades ausgeschlossen. Das Vahrenwalder Bad kann an sieben Tagen insgesamt 79 Stunden und 30 Minuten von der Allgemeinheit benutzt werden. Der zeitliche Anteil der sog. Frauenbadezeit am Mittwoch von 17.00 Uhr bis 21.00 Uhr beträgt lediglich 5 %. Außerdem sind die Öffnungszeiten im Vahrenwalder Bad derart "besucherfreundlich" ausgestaltet, dass es dem Kläger zugemutet werden kann, auf einen anderen Tag im Vahrenwalder Bad, oder, worauf die Beklagte zu Recht hinweist, auf ein anderes städtisches Schwimmbad auszuweichen.
Die Auffassung des Klägers, er werde durch die Verlagerung der sog. Frauenbadezeit von Dienstag auf Mittwoch und ihrer gleichzeitigen Verlängerung um zwei Stunden in seinem durch Art. 3 Abs. 1 GG garantierten Recht auf Gleichbehandlung und in dem durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleisteten allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt, teilt das erkennende Gericht nicht. Der Kläger übersieht bereits im Ansatz, dass die Grundrechte nicht schrankenlos gewährt werden, wie der "soweit" - Vorbehalt in Art. 2 Abs. 1 GG exemplarisch zeigt: "Jeder hat das Recht auf die Freiheit der Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt...".
Außerdem verkennt der Kläger, dass der von ihm geltend gemachte höchst persönliche Anspruch auf unbeschränkte Nutzung des Vahrenwalder Bades während der allgemeinen Öffnungszeiten mit dem qualitativ gleichwertigen Anspruch der gleichberechtigten Besucherinnen auf für sie vorbehaltene Öffnungszeiten im Vahrenwalder Bad kollidiert. Ein derartiger Konflikt zwischen Grundrechtsträgern ist unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts "nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz zu lösen, der fordert, dass nicht eine der widerstreitenden Rechtspositionen bevorzugt und maximal behauptet wird, sondern alle einen möglichst schonenden Ausgleich erfahren." ( vgl. den Kruzifix - Beschluss vom 16.05.1995 - 1 BvR 1087/91 -, BVerfGE 93, S. 1 ff ).
Im Rahmen dieses möglichst schonenden Ausgleichs erfährt der Kläger keine unzumutbare Einschränkung seiner familiären Lebensgestaltung, wenn er seit Mitte des Jahres 2005 nicht mehr mittwochs von 16.30 Uhr bis 18.15 Uhr mit seiner Tochter das Vahrenwalder Bad benutzen kann, sondern auf einen anderen Tag oder ein anderes städtisches Schwimmbad ausweichen muss.
Der Klage ist daher mit den Nebenentscheidungen aus §§ 154 Abs. 1 und 167 Abs. 2 VwGO abzuweisen.