Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 25.04.2018, Az.: 6 A 6134/17

Rechtsbehelfsbelehrung; Sprache

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
25.04.2018
Aktenzeichen
6 A 6134/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2018, 74149
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die Rechtsbehelfsbelehrung ist in einer Sprache beigefügt, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann, wenn die Anhörung in eben dieser Sprache erfolgt ist.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand:

Die Kläger begehren die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise die Zuerkennung subsidiären Schutzes und weiter hilfsweise die Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten.

Der 1989 geborene Kläger zu 1), seine Ehefrau, die 1995 geborene Klägerin zu 2) und ihre Tochter, die 2014 geborene Klägerin zu 3) sind irakische Staatsangehörige, kurdischer Volkszugehörigkeit und yezidischen Glaubens.

Sie reisten eigenen Angaben zufolge am 18.01.2016 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 26.05.2016 einen Asylantrag. In ihrer persönlichen Anhörung bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) gaben sie zur Begründung im Wesentlichen Folgendes an: Sie hätten zuletzt in Shekhan in der Provinz Ninawa gelebt und zwar zunächst in einer angemieteten Wohnung und ca. ab September 2014 in einem Flüchtlingslager in Baadre. Der Kläger zu 1) habe ca. acht Jahre lang in Erbil in einem Restaurant gearbeitet und dort unter der Woche auch gewohnt. Nach dem Angriff des IS und auch weil sie immer weniger Geld gehabt hätten, seien sie in das Flüchtlingslager gegangen. Dort hätten sie ca. 1 ½ Jahre gelebt, bevor sie dann ausgereist seien. Sie seien ausgereist, weil sie als Yeziden im Irak kein schönes Leben mehr gehabt hätten.

Die Beklagte erkannte den Klägern mit Bescheid vom 17.05.2017, diesen zugestellt am 23.05.2017, weder die Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1) noch subsidiären Schutz (Ziffer 3) zu. Den Asylantrag lehnte sie ab (Ziffer 2). Ferner stellte sie fest, dass Abschiebungsverbote nicht vorliegen (Ziffer 4). Sie forderte die Kläger unter Fristsetzung zur Ausreise auf und drohte bei Nichteinhaltung der Ausreisefrist die Abschiebung in den Irak an (Ziffer 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot befristete sie auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 6). Zur Begründung führte sie aus, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht vorlägen. Eine eigene Verfolgung hätten die Kläger selbst nicht behauptet. Die Zuerkennung subsidiären Schutzes scheide ebenfalls aus. In den kurdisch kontrollierten Gebieten des Nordiraks bestehe kein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt. Auch sonst habe ihnen kein ernsthafter Schaden gedroht. Abschiebungsverbote seien nicht gegeben. Diesem Bescheid war eine Rechtsbehelfsbelehrung in kurdischer Sprache beigefügt.

Die Kläger haben am 03.07.2017 Klage erhoben und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung tragen sie vor, sie seien unverschuldet verhindert gewesen, die Klagefrist einzuhalten, da die Rechtsbehelfsbelehrung nicht in arabischer Schrift verfasst gewesen sei, sodass sie diese nicht hätten lesen und verstehen können. Als Yeziden würden sie im Irak verfolgt und seien deshalb als Flüchtlinge anzuerkennen.

Die Kläger beantragen,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides von 17.05.2017 zu verpflichten, ihnen die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,

hilfsweise ihnen subsidiären Schutz zuzuerkennen,

weiter hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Die Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf ihre angefochtene Entscheidung,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt sie vor, die Klage sei bereits wegen Nichteinhaltung der Klagefrist unzulässig. Eine Wiedereinsetzung scheide aus, da die Rechtsbehelfsbelehrung in Kurdisch-Kurmanci abgefasst gewesen sei und die Kläger dies als ihre zweite Sprache angegeben hätten. Es sei daher davon auszugehen, dass die Kläger diese Sprache lesen und verstehen könnten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen. Diese sind ebenso wie die in der Ladung genannten Erkenntnismittel Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die Entscheidung ergeht durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin, der die Kammer den Rechtsstreit zur Entscheidung übertragen hat (§ 76 Abs. 1 AsylG). Sie kann trotz Ausbleibens der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung ergehen, weil diese form- und fristgerecht geladen worden ist und in der Ladung darauf hingewiesen wurde, dass auch im Fall des Ausbleibens eines Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 VwGO).

Die Klage ist nach der Sach- und Rechtslage im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylG) unzulässig, weil sie erst nach Ablauf der Klagefrist erhoben wurde und den Klägern keine Wiedereinsetzung in die Klagefrist zu gewähren ist.

Die Kläger haben die Klage am 03.07.2017 und damit nach Ablauf der gem. § 74 Abs. 1 Halbsatz 1 AsylG zweiwöchigen Klagefrist erhoben. Gem. § 74 Abs. 1 Halbsatz 1 AsylG muss die Klage gegen Entscheidungen nach dem Asylgesetz innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung erhoben werden. Die Klagefrist endete damit gem. § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO i.V.m. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 Halbsatz 1 BGB am 06.06.2017, da den Klägern der angefochtene Bescheid vom 17.05.2017 am 23.05.2017 zugestellt worden war. Die Zustellung erfolgte gem. § 1 Abs. 1 NVwZG i.V.m. §§ 2 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Var. 1, Abs. 3 Satz 1, 3 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 VwZG i.V.m. § 180 ZPO durch Einlegung in einen zur Wohnung der Kläger gehörenden Briefkasten oder eine ähnliche Vorrichtung, die die Kläger für den Postempfang eingerichtet hatten und die in der allgemein üblichen Art für eine sichere Aufbewahrung geeignet ist.

Es liegt auch keine Unrichtigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung gem. § 58 Abs. 2 VwGO vor, mit der Folge einer (mindestens) einjährigen Klagefrist. Eine Unrichtigkeit im Sinne des § 58 Abs. 2 VwGO kann auch gegeben sein, wenn sie nicht eine der in § 58 Abs. 1 VwGO genannten Angaben betrifft, jedoch geeignet ist, die Einlegung des entsprechenden Rechtsbehelfs zu erschweren (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 23. Auflage, § 58 Rn. 12). Die dem Bescheid vom 17.05.2017 beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung ist jedoch nicht unrichtig im Sinne des § 58 Abs. 2 VwGO, weil sie in der Sprache Kurdisch-Kurmanci und nicht in Arabisch abgefasst ist.

Zwar muss die Rechtsbehelfsbelehrung eines behördlichen Bescheides grundsätzlich nicht in der (Heimat-)Sprache des Betroffenen abgefasst sein, um den Lauf der Klagefrist beginnen zu lassen (BVerfG, Beschl. v. 07.04.1976 - 2 BvR 728/75 -, juris Rn. 11; BVerwG, Beschl. v. 14.04.1978 - 1 B 113/78 -, juris Rn. 4). Amtssprache ist gem. § 23 Abs. 1 VwVfG deutsch. In Asylverfahren ergibt sich jedoch aus der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (Verfahrensrichtlinie), dass im Falle der Ablehnung eines Antrages auf internationalen Schutz die Rechtsbehelfsbelehrung in einer Sprache erfolgen muss, die der Betroffene versteht bzw. verstehen sollte. Nach Art. 12 Buchst. f) der Verfahrensrichtlinie werden Antragsteller (im Prüfungsverfahren auf Anträge auf internationalen Schutz) von der Asylbehörde über das Ergebnis der Entscheidung in einer Sprache unterrichtet, die sie verstehen oder von der vernünftigerweise angenommen werden darf, dass sie sie verstehen, sofern sie nicht von einem Rechtsanwalt oder sonstigen Rechtsberater unterstützt oder vertreten werden. Nach Art. 12 Buchst. f) Satz 2 der Verfahrensrichtlinie muss die Mitteilung auch Informationen darüber enthalten, wie eine ablehnende Entscheidung gemäß Art. 11 Abs. 2 der Verfahrensrichtlinie angefochten werden kann. Gem. 11 Abs. 2 der Verfahrensrichtlinie stellen die Mitgliedstaaten ferner sicher, dass bei der Ablehnung eines Antrages auf Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft und/oder des subsidiären Schutzstatus die sachlichen und rechtlichen Gründe für die Ablehnung in der Entscheidung dargelegt werden und eine schriftliche Belehrung beigefügt wird, wie eine ablehnende Entscheidung angefochten werden kann. Auch nach § 31 Abs. 1 Satz 4 AsylG ist - wenn kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt wurde - eine Übersetzung der Entscheidungsformel und der Rechtsbehelfsbelehrung in einer Sprache beizufügen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann (vgl.: VG Lüneburg, Urt. v. 13.09.2017 - 3 A 394/17 -, juris Rdnr. 15).

Die dem Bescheid vom 17.05.2017 beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung ist aber in einer Sprache gefasst, die die Kläger verstehen bzw. deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann. Der Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) haben beide in dem Teil 1 der Niederschrift zu ihrem Asylantrag als 1. Sprache Arabisch und als 2. Sprache Kurdisch angegeben. Diese Angaben wurden von ihnen auch in ihrer Anhörung am 26.04.2017 überprüft und ausdrücklich bestätigt. Nach den im Verwaltungsvorgang befindlichen Niederschriften über die Befragung zur Vorbereitung der Anhörung gem. § 25 AsylG am 26.05.2016 wurde diese mit der Klägerin zu 2) auf Kurdisch und mit dem Kläger zu 1) auf Arabisch durchgeführt. Die Anhörung gem. § 25 AsylG am 26.04.2017 wurde mit dem Kläger zu 1) auf Kurdisch-Kurmanci und mit der Klägerin zu 2) auf Arabisch durchgeführt. Damit durfte die Beklagte vernünftiger Weise davon ausgehen, dass die Kläger die Sprache Kurdisch-Kurmanci verstehen.

Die Rechtsbehelfsbelehrung war damit richtig und setzte die reguläre Klagefrist in Lauf. Diese Klagefrist haben die Klage unstreitig nicht eingehalten.

Umstände, aufgrund derer den Klägern eine Wiedereinsetzung in die versäumte Klagefrist gem. § 60 VwGO zu gewähren wäre, liegen nach dem oben Gesagten nicht vor.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.