Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 02.07.2019, Az.: 15 K 266/16

Abzug von Verpflegungspauschalen als Werbungskosten bei einer Gestellung von Mahlzeiten für Seeleute durch den Arbeitgeber

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
02.07.2019
Aktenzeichen
15 K 266/16
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2019, 42602
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2019:0702.15K266.16.00

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - 12.07.2021 - AZ: VI R 27/19

Tatbestand

1

Streitig ist der Abzug von Verpflegungspauschalen als Werbungskosten.

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Der Kläger erzielte im Streitjahr (2014) als nautischer Offizier Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit. In der Zeit ... war der Kläger ... auf See tätig.

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In seiner Einkommensteuererklärung machte der Kläger geltend, in den o.g. Zeiten sei er an insgesamt 169 Tagen (48 Tage + 121 Tage) ganztägig von seiner Wohnung abwesend gewesen. Im Klageverfahren korrigierte er diese Berechnung mit Schriftsatz vom 8. Mai 2019 dahingehend, dass er ... an insgesamt 206 Tagen (85 Tage + 121 Tage) ganztägig von seiner Wohnung abwesend gewesen sei.

4

An Bord der Schiffe stellte der Arbeitgeber dem Kläger unentgeltlich Mahlzeiten zur Verfügung. In den Heuerabrechnungen wies der Arbeitgeber diese Mahlzeiten zunächst als steuerpflichtigen Sachbezug aus (7,60 € pro Tag). Dies korrigierte er mit geänderten Heuerabrechnungen vom 6. Januar 2015, in denen er den Sachbezug als steuerfrei behandelte.

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In seiner Einkommensteuererklärung für 2014 erklärte der Kläger Werbungskosten in Höhe von insgesamt ... €, von denen 4.056 € (169 Tage x 24 €) auf Verpflegungsmehraufwendungen entfielen.

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Mit Einkommensteuerbescheid vom 29. Dezember 2015 ließ der Beklagte lediglich die übrigen geltend gemachten Werbungskosten ... zum Abzug zu. Zur Begründung gab er an, die Verpflegungsmehraufwendungen für Seereisen seien nach § 9 Abs. 4a Satz 4 Einkommensteuergesetz (EStG) zu kürzen.

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Den hiergegen eingelegten Einspruch begründete der Kläger wie folgt: Eine Kürzung nach § 9 Abs. 4a Satz 8 EStG setze ausdrücklich eine Tätigkeit außerhalb einer ersten Tätigkeitsstätte des Arbeitnehmers voraus. Für Arbeitnehmer ohne erste Tätigkeitsstätte sehe § 9 Abs. 4 a Satz 4 EStG eine entsprechende Anwendung des § 9 Abs. 4a Sätze 2 und 3 EStG vor. Gleiches gelte aber nicht für die in § 9 Abs. 4a Satz 8 EStG vorgesehene Kürzung, da in der letztgenannten Vorschrift Arbeitnehmer ohne erste Tätigkeitsstätte nicht erwähnt seien.

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Der Beklagte wies den Einspruch als unbegründet zurück. Im Streitfall seien dem Kläger schon keine "tatsächlich entstandenen Mehraufwendungen" im Sinne des § 9 Abs. 4a Satz 2 EStG entstanden, da er von seinem Arbeitgeber unentgeltlich verpflegt worden sei. Die steuerliche Behandlung durch den Beklagten entspreche einem gleichlautenden Erlass der obersten Finanzbehörden der Länder Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein vom 15. Juni 2015 betreffend die Bewertung der Beköstigung im Bereich der Seeschifffahrt und der Fischerei (BStBl I 2015, 512) sowie Tz. 64 und 73 ff. eines Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen vom 24. Oktober 2014 (BStBl I 2014, 1412).

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Die hiergegen eingelegte Klage begründet der Kläger wie folgt: Bis einschließlich zum Veranlagungszeitraum 2013 sei es für den Abzug von Pauschbeträgen für Verpflegungsmehraufwendungen als Werbungskosten nach § 9 Abs. 5 EStG weder auf die konkrete Verpflegungssituation noch darauf angekommen, ob dem Kläger überhaupt Kosten für Verpflegung entstanden seien. Seeleute der Handelsmarine hätten nach § 97 Seearbeitsgesetz (SeeArbG) grundsätzlich Anspruch auf kostenlose Verpflegung. Der geldwerte Vorteil aus dieser unentgeltlichen Verpflegung werde den Seeleuten mit den sog. Sachbezugswerten als zusätzlicher Arbeitslohn zugerechnet und gelte insoweit durch die Seeleute als bezahlt. Hierzu verwies der Kläger auf einen gleichlautenden Erlass der obersten Finanzbehörden der Länder Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein vom 28. Februar 2014 betreffend die Bewertung der Beköstigung im Bereich der Seeschifffahrt und der Fischerei (BStBl I 2014, 569). Bis einschließlich zum Veranlagungszeitraum 2013 sei der geldwerte Vorteil aus kostenloser Bordverpflegung mit den Sachbezugswerten als Arbeitslohn versteuert worden. Im Gegenzug hätten Seeleute die entsprechenden Verpflegungsmehraufwendungen als Werbungskosten geltend machen können, was aufgrund der insoweit geltenden höheren Pauschalen zu einer Steuerentlastung geführt habe.

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Nach dem o.g. Erlass vom 15. Juni 2015 sei gemäß § 8 Abs. 2 Satz 8 EStG eine Versteuerung von Mahlzeiten mit dem Sachbezugswert vorzunehmen, der von dem Ausschuss der Berufsgenossenschaft für Transport- und Verkehrswirtschaft festgesetzt worden sei. Ein Ansatz des Wertes einer Mahlzeit und damit die Besteuerung als Arbeitslohn unterbleibe dagegen nach diesem Erlass, wenn nach § 9 Abs. 4a Satz 1 bis 7 EStG ein Werbungskostenabzug für Mehraufwendungen für Verpflegungen der Seeleute in Betracht komme. In diesen Fällen sei nach dem Erlass ein Werbungskostenabzug nach § 9 Abs. 4a Satz 8 ff. EStG ausgeschlossen. Demnach ergäben sich bei umfassender kostenloser Verpflegung ohne Zuzahlung des Arbeitnehmers keine Verpflegungsmehraufwendungen, die als Werbungskosten abzugsfähig wären. Für Bordpersonal bedeute dies ab dem Veranlagungszeitraum 2014 eine erhebliche steuerliche Verschlechterung.

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Diese Auffassung der Finanzverwaltung sei jedoch unzutreffend. Der Wortlaut des § 9 Abs. 4a Satz 8 EStG stelle klar, dass eine Kürzung der Verpflegungspauschale wegen kostenloser Arbeitgeberverpflegung nur greife, wenn einem Arbeitnehmer außerhalb seiner ersten Tätigkeitsstätte eine Mahlzeit zur Verfügung gestellt werde. Bei Bordpersonal - insbesondere Schiffspersonal - liege dagegen keine erste Tätigkeitsstätte vor, da Schiffe ohne weitere ortsfeste Einrichtung keine Tätigkeitsstätte sein könnten. Hierzu verweist der Kläger auf das BMF-Schreiben vom 24. Oktober 2014 (BStBl I 2014, 1412). Nach Tz. 73 des BMF-Schreibens bestehe keine Prüfungspflicht hinsichtlich der Höhe der dem Arbeitnehmer tatsächlich entstandenen Aufwendungen. Das Tatbestandsmerkmal "tatsächlich entstandene Mehraufwendungen" bringe lediglich zum Ausdruck, dass die Verpflegungspauschalen insoweit nicht mehr anzusetzen seien, als der Arbeitnehmer während seiner beruflichen Auswärtstätigkeit durch den Arbeitgeber "verpflegt" werde.

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Die gesetzliche Regelung werde durch § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG ergänzt, wonach der Ansatz einer nach Satz 8 bewerteten Mahlzeit unterbleibe, wenn beim Arbeitnehmer für entstehende Mehraufwendungen ein Werbungskostenabzug nach § 9 Abs. 4a Satz 1 bis 7 EStG in Betracht komme. Diese Vorschrift schließe einen Werbungskostenabzug im Streitfall jedoch nicht aus. Der Gesetzgeber habe in § 9 Abs. 4a Satz 4 EStG für Arbeitnehmer ohne erste Tätigkeitsstätte nur eine entsprechende Anwendung der Sätze 2 und 3 angeordnet, nicht jedoch eine entsprechende Anwendung des § 9 Abs. 4a Satz 8 EStG. Die Neuregelung führe zu dem Ergebnis, dass einerseits die dem Kläger gewährten Sachbezüge steuerfrei seien und der Kläger andererseits Verpflegungsmehraufwendungen geltend machen könne, unabhängig davon, ob ihm tatsächlich Mehraufwendungen entstanden seien.

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Außerdem seien dem Kläger regelmäßig eigene Verpflegungskosten zusätzlich zur kostenfreien Bordverpflegung entstanden, z.B. für Süßigkeiten und "Softdrinks". Derartige Produkte habe der Kläger teilweise überteuert in der Bordkantine oder in einem im Hafen erreichbaren Geschäft erworben. Soweit möglich, habe der Kläger auch eigene Lebensmittel mit an Bord genommen. An Hafentagen habe er sich, soweit möglich, außerhalb des Schiffes verpflegt. Belege hierüber lägen nicht mehr vor.

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Der Kläger machte zunächst weiter geltend, ggf. könnten statt der inländischen Verpflegungspauschbeträge für die Zeiten auf hoher See die Pauschbeträge für Luxemburg anzusetzen sein. Mit Schriftsatz vom 8. Mai 2019 ergänzte der Kläger, er wolle keine Verpflegungsmehraufwendungen nach Auslandsgrundsätzen geltend machen, sondern lediglich die für das Inland geltenden Pauschalen in Höhe von jeweils 24 € für 206 Tage (= 4.944 €).

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Der Kläger beantragt,

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den Einkommensteuerbescheid 2014 vom 29. Dezember 2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. November 2016 dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit um 4.944 € gemindert werden und die Einkommensteuer entsprechend herabgesetzt wird.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Der Beklagte hält an der Auffassung fest, bei einer Gestellung von Mahlzeiten durch den Arbeitgeber seien Verpflegungspauschalen nach § 9 Abs. 4a Satz 8 ff. EStG zu kürzen. Ergänzend verweist er auf Tz. 73 und 75 des BMF-Schreibens vom 24. Oktober 2014 (BStBl I 2014, 1412). Demnach sei unerheblich, ob der Arbeitnehmer die ihm unentgeltlich zur Verfügung gestellte Mahlzeit tatsächlich eingenommen habe und ob sie wertmäßig den Pauschalen entsprochen habe.

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In der mündlichen Verhandlung erläuterte der Kläger, dass der Arbeitgeber grundsätzlich auch an Hafentagen Bordverpflegung zur Verfügung gestellt habe, die der Kläger allerdings vielfach aus Gründen kulinarischer Abwechslung nicht in Anspruch genommen habe. An einzelnen Tagen habe sich die Mannschaft in Häfen selbst versorgen müssen, z.B. weil der Koch frei gehabt habe. Er, der Kläger, könne sich jedoch nicht mehr an Einzelheiten des Streitjahres 2014 erinnern und habe auch keine Unterlagen hierüber. So könne er weder Angaben darüber machen, an welchen Tagen keine Bordverpflegung angeboten worden sei noch darüber, in welchen Häfen (bzw. Ländern) das Schiff sich an diesen Tagen befunden habe.

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Die Beteiligten schätzten übereinstimmend den Verpflegungsmehraufwand, der dem Kläger an solchen Hafentagen entstanden ist, an denen keine Bordverpflegung angeboten wurde, nach Maßgabe des § 9 Abs. 4a Satz 3, 4 und 5 EStG auf 240 € im Streitjahr. Der Beklagte erklärte sich damit einverstanden, dass Verpflegungsmehraufwand in dieser Höhe als Werbungskosten berücksichtigt werde.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist nur in dem erkannten Umfang begründet. Der Einkommensteuerbescheid 2014 vom 29. Dezember 2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. November 2016 ist lediglich insoweit rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO -), als der Beklagte Verpflegungsmehraufwand an solchen Tagen nicht zum Abzug zugelassen hat, an denen der Arbeitgeber dem Kläger (ausnahmsweise) keine Mahlzeiten zur Verfügung gestellt hat. Für alle anderen Tage hat der Beklagte zu Recht nach § 9 Abs. 4a Satz 8 EStG keinen Verpflegungsmehraufwand zum Abzug zugelassen, da dem Kläger an diesen Tagen von seinem Arbeitgeber unentgeltlich Frühstück, Mittag- und Abendessen zur Verfügung gestellt wurde.

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1. Nach § 9 Abs. 4a Satz 1 EStG sind Mehraufwendungen eines Arbeitnehmers für die Verpflegung nur nach Maßgabe der folgenden Sätze als Werbungskosten abziehbar. Wird ein Arbeitnehmer außerhalb seiner Wohnung und ersten Tätigkeitsstätte beruflich tätig, ist nach § 9 Abs. 4a Satz 2 EStG eine Verpflegungspauschale anzusetzen, deren Höhe in § 9 Abs. 4a Satz 3 EStG bestimmt ist. Gemäß § 9 Abs. 4a Satz 8 EStG ist die Verpflegungspauschale in voller Höhe zu kürzen, wenn einem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber außerhalb seiner ersten Tätigkeitsstätte Frühstück, Mittag- und Abendessen unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden.

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Diese Kürzung ist auch vorzunehmen, soweit der Arbeitnehmer Mahlzeiten, die ihm unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden, an einzelnen Tagen nicht einnimmt, sondern sich selbst versorgt. Die Kürzung nach § 9 Abs. 4a Satz 8 EStG knüpft schon nach ihrem Wortlaut allein an die Tatsache an, dass der Arbeitgeber die in dieser Vorschrift genannten Mahlzeiten unentgeltlich zur Verfügung stellt. Ob der Arbeitnehmer dieses Angebot stets annimmt, ist dagegen für die Kürzung grundsätzlich unerheblich (ebenso BMF-Schreiben vom 24. Oktober 2014 BStBl I 2014, 1412 Rz. 75; FG Baden-Württemberg vom 12. Dezember 2017 5 K 432/17, EFG 2018, 1533 m.w.N., Revision VI R 16/18 anhängig). Diese dem Wortlaut folgende Auslegung entspricht dem Gesetzeszweck, das Reisekostenrecht zu vereinfachen und sowohl dem Arbeitgeber Aufzeichnungen über Sachbezüge zu ersparen als auch den Arbeitnehmer und die Finanzverwaltung von Nachweisen und Prüfungen über Werbungskosten zu entlasten (FG Baden-Württemberg vom 12. Dezember 2017 5 K 432/17, EFG 2018, 1533 m.w.N., Revision VI R 16/18 anhängig).

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Insoweit ist es unerheblich, ob ein Arbeitnehmer vom Arbeitgeber gestellte Mahlzeiten nicht einnimmt, weil er aus Gründen kulinarischer Abwechslung - soweit möglich - Restaurants bevorzugt bzw. sich auf sonstige Weise verpflegt oder ob er freie Tage auf andere Weise nutzt und z.B. aus touristischen Gründen an freien Tagen während der Mahlzeiten nicht an seinem Arbeitsplatz verweilt. Bei Verpflegungsaufwendungen, die einem Arbeitnehmer aus solchen Gründen entstehen, wird die berufliche Mitveranlassung durch Gründe der privaten Lebensführung wie persönlichen Geschmack oder sonstige Vorlieben überlagert.

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Inwieweit ggf. andere Grundsätze gelten, wenn ein Arbeitnehmer ihm unentgeltlich zur Verfügung gestellte Mahlzeiten aus gesundheitlichen Gründen (etwa wegen Nahrungsmittelunverträglichkeit) nicht zu sich nehmen kann oder aus religiösen Gründen bestimmte Speisen nicht verzehrt, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung.

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2. Erste Tätigkeitsstätte ist die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers oder eines Dritten, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist (§ 9 Abs. 4 Satz 1 EStG).

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Arbeitnehmer, die ihre Tätigkeit - wie der Kläger - auf einem Schiff ausüben, verfügen - ebenso wie nach der bis zum Veranlagungszeitraum 2013 geltenden Rechtslage, wo ihre Tätigkeit als sog. Fahrtätigkeit qualifiziert wurde (s. hierzu BFH-Urteile vom 19. Dezember 2005 VI R 30/05, BStBl. II 2006, 378; vom 24. Februar 2011 VI R 66/10, BStBl II 2012, 27) - nicht über eine erste Tätigkeitsstätte im Sinne dieser Vorschrift, da sie ihre Arbeit nicht in einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung ausüben (Krüger in Schmidt, EStG, 38. Aufl. 2019, § 9 Rn. 302).

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3. Für Arbeitnehmer ohne erste Tätigkeitsstätte ordnet § 9 Abs. 4a Satz 4 EStG ausdrücklich eine entsprechende Anwendung der Sätze 2 und 3 dieser Vorschrift an.

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Diese Verweisung schließt nach Auffassung des erkennenden Senats auch eine Kürzung der in Satz 3 bestimmten Pauschalen nach Maßgabe des § 9 Abs. 4a Satz 8 EStG ein. Dies folgt bereits aus § 9 Abs. 4a Satz 2 EStG, auf den § 9 Abs. 4a Satz 4 EStG für Arbeitnehmer ohne erste Tätigkeitsstätte ausdrücklich verweist. Nach Satz 2 ist eine Verpflegungspauschale nur "zur Abgeltung der" dem Arbeitnehmer "tatsächlich entstandenen beruflich veranlassten Mehraufwendungen" anzusetzen.

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a) § 9 Abs. 4 und Abs. 4a EStG wurden durch das Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2014 neu gefasst. Zugleich wurde auch § 8 Abs. 2 Satz 8 und 9 EStG dahingehend neu gefasst, dass die Besteuerung des Sachbezugswerts für eine vom Arbeitnehmer gestellte Mahlzeit unterbleibt, wenn für den Arbeitnehmer ein Werbungskostenabzug nach § 9 Abs. 4a Satz 1 - 7 EStG in Betracht käme. Der Gesetzgeber legte in § 9 Abs. 4a EStG typisierend den verpflegungsbedingten Mehraufwand bei einer auswärtigen Tätigkeit fest (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drucks. 17/10774 S. 15) und bestimmte zugleich, dass bei vom Arbeitgeber gestellten Mahlzeiten sowohl die Besteuerung eines Sachbezugs als auch der Ansatz eines entsprechenden Verpflegungsmehraufwands entfällt (vgl. BT-Drucks. 17/10774 S. 16).

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b) Nach § 9 Abs. 4a Satz 1 EStG i.V.m. § 9 Abs. 4a Satz 2 EStG, auf den § 9 Abs. 4a Satz 4 EStG für Arbeitnehmer ohne erste Tätigkeitsstätte ausdrücklich verweist, ist eine Verpflegungspauschale nur "zur Abgeltung der" dem Arbeitnehmer "tatsächlich entstandenen beruflich veranlassten Mehraufwendungen" anzusetzen. Diese Vorschrift wird von der Finanzverwaltung und der Literatur übereinstimmend dahingehend verstanden, dass im Zusammenwirken mit der Vorschrift des § 9 Abs. 4a Satz 8 EStG kein Abzug eines Verpflegungsmehraufwands möglich ist, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer unentgeltlich Frühstück, Mittag- und Abendessen zur Verfügung stellt (vgl. das BMF-Schreiben vom 24. Oktober 2014 BStBl I 2014, 1412 Tz. 73; Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach § 9 EStG Rn. 565; Thürmer in Blümich, § 9 EStG Rn. 592 m.w.N.). Aus dieser Fassung des Gesetzes ergibt sich, dass - auch ohne ausdrückliche Verweisung auf § 9 Abs. 4a Satz 8 EStG in Satz 4 dieser Vorschrift - auch bei Arbeitnehmern ohne erste Tätigkeitsstätte ein Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen nicht möglich ist, wenn sie in vollem Umfang unentgeltlich von ihrem Arbeitgeber verpflegt werden.

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c) Ob der Arbeitnehmer - falls der Arbeitgeber keine Mahlzeiten zur Verfügung stellt - nach § 9 Abs. 4a Satz 2 EStG einen Mehraufwand darlegen und ggf. nachweisen muss (so Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach § 9 EStG Rn. 565; a.A. Thürmer in Blümich, § 9 EStG Rn. 592 m.w.N.), ist im Streitfall unerheblich. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung glaubhaft bekundet, dass sein Arbeitgeber im Streitjahr in Ausnahmefällen an Hafentagen keine Bordverpflegung zur Verfügung gestellt habe, er aber nicht mehr über entsprechende Unterlagen oder detaillierte Erinnerungen verfüge. Die Beteiligten haben den dem Kläger nach Maßgabe des § 9 Abs. 4a Satz 3, 4 und 5 EStG insoweit entstandenen Mehraufwand übereinstimmend und nachvollziehbar auf 240 € im Streitjahr geschätzt. Der Senat macht sich diese Schätzung gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 162 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 AO zu eigen.

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4. Die Berechnung der Einkommensteuer wird dem Beklagten nach § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO übertragen.

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5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 i.V.m. § 137 Satz 1 FGO. Der Kläger hat die gesamten Kosten des Verfahrens zu tragen, da er erstmals im Klageverfahren geltend machte, der Arbeitgeber habe an einzelnen Tagen ausnahmsweise keine Mahlzeiten zur Verfügung gestellt. Außerdem ist der Beklagte nur zu weniger als 5 % unterlegen (§ 136 Abs. 1 Satz 3 FGO).

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6. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen, da die Frage, ob die Kürzung nach § 9 Abs. 4a Satz 8 EStG auch in den Fällen anzuwenden ist, in denen der Arbeitnehmer nicht über eine erste Tätigkeitsstätte verfügt, seit der gesetzlichen Neuregelung noch nicht durch höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt ist.