Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 26.07.2019, Az.: 5 K 71/19

Fehlerhafte gesonderte Ausweisung der Steuer in einer Rechnung und Abführung der Umsatzsteuer

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
26.07.2019
Aktenzeichen
5 K 71/19
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2019, 69191
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - AZ: V R 3/21

Tatbestand

Streitig ist die Frage, ob ein Fall des § 14c UStG vorliegt.

Die Klägerin, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, wurde durch Gesellschaftsvertrag im Juni 19.. gegründet. Gründungsgesellschafter waren A, B sowie C. Die Gesellschaft betrieb Ackerbau auf gepachteten Flächen. Zum Juni 19.. trat A aus der Gesellschaft aus; B übernahm dessen Gesellschaftsanteile.

C kündigte die Gesellschaft mit Schreiben vom .. Juni 20.. mit Wirkung auf den .. Juni 20... Tatsächlich wurde die Kündigung zunächst nicht vollzogen. Stattdessen verständigten sich die beiden Gesellschafter auf eine Realteilung der Gesellschaft. Mit Auflösungsvertrag vom Juni 2010 wurde die Auflösung der Gesellschaft mit Ablauf des 30. Juni 2010 vereinbart. In § 2 des Auflösungsvertrages ist geregelt, welche Vermögensgegenstände C im Rahmen der Realteilung erhält. Dazu gehört u.a. das Pachtrecht an Ackerflächen mit einer Fläche von 49.86 ha, was 14,46% der von der Gesellschaft bislang bewirtschafteten Ackerfläche ausmacht. In § 3 wird bestimmt, dass B sämtliche Vermögensgegenstände erhält, die nicht an C herauszugeben sind. B hat sich anschließend an der Ackerbau KG beteiligt und die von ihm übernommenen Vermögensgegenstände dieser Gesellschaft entgeltlich zur Nutzung überlassen.

Zeitlich nach der Realteilung der Gesellschaft erstellten die beiden ehemaligen Gesellschafter gemeinsam (so jedenfalls die Aussage von B in der mündlichen Verhandlung) Rechnungen an B (Rechnungen vom 6. August 2010 und vom ... Juli 2011) und C (Rechnung vom ... Mai 2011). Als Rechnungsaussteller wird die - aufgelöste - B-C GbR angegeben. In den Rechnungen werden die den Gesellschaftern im Rahmen der Realteilung zugewiesenen Vermögensgegenstände aufgeführt. Zudem wird den einzelnen Vermögensgegenständen jeweils ein Nettopreis, der Umsatzsteuersatz, der Umsatzsteuerbetrag sowie ein Bruttopreis zugewiesen. Diese Beträge werden sodann saldiert; als Saldo werden in der Rechnung vom 6. August 2010 ein Nettorechnungspreis von ... €, Umsatzsteuer in Höhe von ... € sowie ein Bruttorechnungspreis von ... € ausgewiesen. Weiterhin heißt es in der Rechnung: "Die Gegenleistung besteht in der Aufgabe der Gesellschaftsanteile und wurde mit Ablauf des 30. Juni 2010 bewirkt"

Die Klägerin reichte für 2010 keine Umsatzsteuererklärung ein.

In der Zeit von April bis September 2013 fand bei der Klägerin eine Außenprüfung statt. Die Prüferin führte in ihrem Bericht aus, dass die Übertragung eines Betriebes gegen Aufgabe von Gesellschaftsanteilen eine Geschäftsveräußerung im Ganzen sei, die nach § 1 Abs. 1a UStG nicht steuerbar sei. B sei ein in der Gliederung wirtschaftlich selbständiger und lebensfähiger Ackerbaubetrieb übertragen worden. Die Gesamtheit der übertragenen Betriebsgrundlagen habe ohne weiteren Aufwand die dauerhafte Fortführung des Ackerbaubetriebes ermöglicht. Da nur die gesetzlich geschuldete Umsatzsteuer als Vorsteuer abgezogen werden könne, schulde die Klägerin nach § 14c Abs. 1 UStG die in der Rechnung vom 6. August 2010 ausgewiesene Umsatzsteuer.

Mit Umsatzsteuerbescheid vom 19. November 2013, der an die B-C GbR als Inhaltsadressatin gerichtet ist, machte sich der Beklagte die Feststellungen der Außenprüfung zu eigen.

Den dagegen eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsbescheid vom 1. März 2019 als unbegründet zurück.

Die Klägerin meint, dass keine Geschäftsveräußerung im Ganzen vorliege. Der Ackerbaubetrieb sei als einheitlicher Betrieb geführt worden; es hätten keine Teilbetriebe vorgelegen. Da die Klägerin ausschließlich auf zugepachteten Flächen gewirtschaftet habe, stellten die Pachtrechte wesentliche Betriebsgrundlagen des vormaligen Betriebes dar. Eine Geschäftsveräußerung setze voraus, dass die wesentlichen Betriebsgrundlagen an einen Erwerber übertragen werden. Das sei hier nicht geschehen, da auch die Gesellschafterin C einen Teil der Pachtrechte erhalten habe. Da es sich um einen Flächenanteil von immerhin 14,46 % handele, seien die Wirtschaftsgüter auch nicht unwesentlich für die Betriebsführung.

Die Klägerin beantragt,

den Umsatzsteuerbescheid 2010 vom 19. November 2013 und den zugehörigen Einspruchsbescheid vom 1. März 2019 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte meint, dass die Klägerin einen Teilbetrieb auf den Gesellschafter B übertragen habe. Dieser sei durch die Überlassung der Wirtschaftsgüter an die Ackerbau KG als Unternehmer tätig geworden. Der Teilbetrieb sei auch zeitnah in die KG eingebracht worden, so dass eine unmittelbare Unternehmensfortführung stattgefunden habe. Damit seien die Voraussetzungen einer nicht steuerbaren Geschäftsveräußerung im Ganzen im Sinne des § 1 Abs. 1a UStG gegeben. Da die Klägerin dennoch in der Rechnung vom 6. August 2010 Umsatzsteuer ausgewiesen habe, schulde sie diese nach § 14c Abs. 1 UStG.

Der Prozessbevollmächtigte hat in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass er den im Schriftsatz vom 26. März 2019 erwähnten Bescheid über Zinsen zur Umsatzsteuer 2010 - der auch nicht Gegenstand der Einspruchsentscheidung des Beklagten war - nicht gesondert mit der Klage anfechten wollte, sondern nur nachrichtlich auf die sich ergebende Folgeänderung für die Zinsen aufmerksam machen wollte.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

1. Die beim Niedersächsischen Finanzgericht im Namen der B-C GbR erhobene Klage ist zulässig. Zwar ist für die B-C GbR mit der Realteilung am 30. Juni 2010 Vollbeendigung eingetreten; mit Vollbeendigung fällt grundsätzlich die Prozessführungsbefugnis eines Steuersubjekts weg (BFH Urteil vom 27. September 2007 XI B 194/96, BFH/NV 2008, 87 [BFH 27.09.2007 - XI B 194/06]). Allerdings gilt eine Personengesellschaft im Finanzgerichtsprozess noch solange als fortbestehend, bis sämtliche Rechtsbeziehungen, die mit dem aufgegebenen Betrieb in Zusammenhang stehen, abgewickelt sind (BFH Urteile vom 21. April 1993 XI R 50/90, BStBl. II 1993, 696; vom 19. November 2009 V R 16/08, BStBl. II 2010, 319); d.h. die vollbeendete Personengesellschaft kann sich noch gegen einen Steuerbescheid zur Wehr setzen, den die Finanzbehörde nach Vollbeendigung erteilt. Ob ein derartiger Fall im Streitfall vorliegt, könnte insofern zweifelhaft sein, weil hier kein Steuerbescheid angegriffen wird, der an der unternehmerischen Tätigkeit bis zum 30. Juni 2010 der GbR anknüpft, sondern ein Steuerbescheid, der auf einem Gefährdungstatbestand - nämlich dem Inverkehrbringen einer Rechnung mit gesondertem Umsatzsteuerausweis - beruht, der erst nach Einstellung der unternehmerischen Tätigkeit der B-C GbR verwirklicht wurde; insofern lässt sich die Frage aufwerfen, ob dies noch eine Rechtsbeziehung ist, die mit dem aufgegebenen Betrieb in Zusammenhang steht. Aber selbst wenn deshalb die oben zitierte BFH-Rechtsprechung nicht zur Anwendung kommen sollte, wäre die Klage dennoch zulässig, weil sie dann als Klage der ehemaligen Gesellschafter der B-C GbR auszulegen und als solche zulässig wäre (so auch FG Münster, Urteil vom 22. August 2018 13 K 2941/15 F, EFG 2018, 1802). Denn die ehemaligen Gesellschafter der B-C GbR müssen damit rechnen, im Haftungswege für die steuerlichen Verbindlichkeiten der ehemaligen B-C GbR in Anspruch genommen zu werden; sollte also die GbR selbst nicht mehr in der Lage sein, die Klage im eigenen Namen zu führen, so würde stattdessen ein Rechtsschutzbedürfnis der ehemaligen Gesellschafter bestehen, den Bescheid, von dem sie rechtlich betroffen sind, anzufechten. Die Klage ist demzufolge in jedem Falle zulässig.

2. Materiell-rechtlich schuldet die Klägerin nicht die in der Rechnung vom 6. August 2010 gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer nach § 14c UStG. Hat der Unternehmer in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen höheren Steuerbetrag, als er nach dem Umsatzsteuergesetz schuldet, gesondert ausgewiesen (unrichtiger Steuerausweis), schuldet er gem. § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG auch den Mehrbetrag. Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist (unberechtigter Steuerausweis), schuldet den ausgewiesenen Betrag (§ 14c Abs. 2 Satz 1 UStG).

Zwar teilt das Gericht im Ergebnis, wenngleich aus anderen Gründen, die Auffassung des Beklagten, dass in der Rechnung vom 6. August 2010 Umsatzsteuer zu Unrecht ausgewiesen worden ist und damit ein Fall des § 14c UStG vorliegt. Denn den umsatzsteuerlichen Leistungsaustausch, den die Rechnung abbilden will, gibt es nicht. Ein umsatzsteuerlicher Leistungsaustausch setzt voraus, dass der Leistende aufgrund seiner Leistung eine Gegenleistung erhält (BFH Urteil vom 13. November 1997 V R 11/97, BStBl. II 1998, 169). Hier überträgt aber nicht die Klägerin Vermögensgegenstände an B und erhält im Gegenzug Gesellschaftsanteile übertragen. Vielmehr bewirkt die Auseinandersetzung der beiden Gesellschafter im Wege der Realteilung, dass die vormalige Gesellschaft und damit auch die Gesellschaftsanteile nicht mehr fortbestehen. Der Wegfall der Gesellschaftsanteile ist Folge der Realteilung; eine entgeltliche Übertragung von Gesellschaftsanteilen findet in einem derartigen Fall nicht statt. Wird eine Rechnung mit gesondertem Ausweis von Umsatzsteuer über einen vermeintlichen Leistungsaustausch erteilt, den es tatsächlich nicht gegeben hat, erteilt, so liegt ein Fall des § 14c UStG vor, weil es zu einer Gefährdung des Steueraufkommens in Gestalt eines unberechtigten Vorsteuerabzugs kommt.

Der Beklagte hat jedoch mit der Klägerin das unzutreffende Rechtssubjekt für den zu Unrecht ausgewiesenen Steuerbetrag in Anspruch genommen. Denn zum Zeitpunkt, als die Rechnung vom 6. August 2010 erstellt wurde, war die B-C GbR rechtlich nicht mehr existent. Eine Realteilung bewirkt die Vollbeendigung einer Gesellschaft (BFH Urteil vom 27. September 2007 XI B 194/96, BFH/NV 2008, 87 [BFH 27.09.2007 - XI B 194/06]). Nach dem 30. Juni 2010 konnte die Gesellschaft nicht mehr im Geschäftsleben aktiv tätig werden. Die Rechnung vom 6. August 2010 betrifft auch nicht etwa einen Geschäftsvorfall, den die Klägerin vor dem 30. Juni 2010, d.h. noch während ihres Bestehens, ausgeführt hat und über den sie nach der Realteilung noch abrechnet. Vielmehr wurde der Grund für den Besteuerungstatbestand des § 14c UStG, nämlich die Erteilung einer Rechnung über einen angeblichen Leistungsaustausch, den es real nicht gegeben hat, erst am 6. August 2010 gelegt. Weil es sich hier um einen umsatzsteuerlichen Sondertatbestand handelt, der nicht an einem Umsatzgeschäft der Klägerin anknüpft, kann die zu Unrecht ausgewiesene Umsatzsteuer nur bei demjenigen in Ansatz gebracht werden, der selbst die Gefährdung des Steueraufkommens bewirkt hat. Das sind hier die ehemaligen Gesellschafter B und C, die die Rechnung vom 6. August 2010 erstellt und in den Verkehr gebracht haben.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 155 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10, 711 ZPO.