Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 11.07.2019, Az.: 11 K 12119/17
Kompetenz des Finanzamts zum Erlass eines Abrechnungsbescheids in einem sog. Drei-Personen-Verhältnis bei Insolvenzanfechtung - Hemmung der Zahlungsverjährung nach § 230 AO
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 11.07.2019
- Aktenzeichen
- 11 K 12119/17
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2019, 42600
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2019:0711.11K12119.17.00
Rechtsgrundlagen
- § 133 Abs 1 InsO
- § 144 Abs 1 InsO
- § 218 Abs 2 AO
- § 230 AO
- § 240 AO
Fundstellen
- EWiR 2019, 763
- InsbürO 2020, 49-50
- KSI 2019, 284
- NZI 2020, 174-178
- ZIP 2019, 2315-2319
- ZInsO 2019, 2375-2379
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Anders als in einem Zwei-Personen-Verhältnis (bestehend aus den Insolvenzverwalter und dem Finanzamt) besteht für die Finanzbehörde in einem sog. Drei-Personen-Verhältnis bei Insolvenzanfechtung die Kompetenz zum Erlass eines Abrechnungsbescheids (Anschluss an Sächsisches FG-Urteil vom 10 September 2015 2 K 195/15).
- 2.
§ 144 Abs. 1 InsO findet auch für Erfüllungen im Dreiecksverhältnis Anwendung.
- 3.
Eine anfechtbar getilgte Forderung lebt nach § 144 Abs. 1 InsO in der Form, wie sie bestand, wieder auf. Die Zahlungsverjährung nach § 230 AO ist bis zur Rechtskraft des Anfechtungsurteils gehemmt, da die Eröffnung des Insolvenzverfahrens als höhere Gewalt anzusehen ist.
Tatbestand
Streitig ist, ob Forderungen aus Umsatzsteuerfestsetzungen für das 2. und 3. Quartal 2009, Oktober 2009 sowie den jeweils entstandenen Säumniszuschlägen im Zeitpunkt der Anspruchsgeltendmachung des Beklagten, des Finanzamts (FA), mit Schreiben vom 14. Juli 2015 nach § 228 AO zahlungsverjährt waren.
Der Kläger war Organträger der xxx GmbH und meldete in dieser Funktion die Umsatzsteuervoranmeldungen der Organschaft an. Die Umsatzsteuervorauszahlungen für das 2. und 3. Quartal 2009 sowie für Oktober 2009 wurden durch Steueranmeldung nach § 168 AO gegenüber dem Kläger als Organträger in Höhe von xxx €, xxx € und xxx € festgesetzt. Die Anmeldungen erfolgen hinsichtlich Umsatzsteuern für das 2. und 3. Quartal am 11. November 2009 und hinsichtlich Umsatzsteuer für Oktober 2009 am 25. November 2009. Die Zahlung der Steuerbeträge erfolgte auf Veranlassung des damaligen Geschäftsführers der xxx GmbH, dem Kläger, durch die xxx GmbH und zwar für das 2. Quartal 2009 per Scheck mit Wertstellungsantrag vom 4. Januar 2010, für das 3. Quartal 2009 per Scheck mit Wertstellungstag vom 29. Januar 2010 und für Oktober 2009 durch Überweisung am 22. Dezember 2009.
Mit Beschluss des Amtsgerichts ... vom 1. März 2010 wurde für die Organgesellschaft ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt und zugleich angeordnet, dass Verfügungen nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. Am 1. April 2010 wurde über das Vermögen der xxx GmbH das Insolvenzverfahren beim Amtsgericht ... eröffne.
Der Insolvenzverwalter der Organgesellschaft machte daraufhin mit Schreiben vom 9. September 2010 für die Umsatzsteuerbeträge der oben genannten Voranmeldungszeiträume die Insolvenzanfechtung gemäß §§ 129 ff. InsO geltend. Das Landgericht ... verurteilte am 11. November 2014 das Land Niedersachsen, vertreten durch die Oberfinanzdirektion Niedersachsen, die angefochtenen Beträge in Höhe von 21.623,84 € zuzüglich Zinsen von 5 v. H. über dem Basiszinssatz ab dem 2. März 2010 an den Insolvenzverwalter auszuzahlen. Nachdem die Berufung gegen diese Entscheidung am 30. April 2015 vom OLG mit Beschluss vom 30. April 2015 ... zurückgewiesen worden war, zahlte das FA am 4. Juni 2015 die Beträge zugunsten der Insolvenzmasse aus. Daraufhin forderte das FA mit Leistungsgebot vom 14. Juli 2015 vom Kläger als Steuerschuldner die zur Insolvenzmasse ausgezahlten Umsatzsteuerbeträge in Höhe von 21.190,84 € zuzüglich der seit der ursprünglichen Fälligkeit entstandenen Säumniszuschläge an. Der Kläger erhob hiergegen mit Schreiben vom 29. Oktober 2015 die Einrede der Verjährung. Er sei nicht am Anfechtungsprozess zwischen dem Land Niedersachsen und dem Insolvenzverwalter beteiligt gewesen, vorsorglich werde das Bestehen eines Anfechtungsanspruchs daher bestritten.
Am 22. März 2016 erließ das FA einen Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 i. V. m. §§ 228, 229, 231 AO. Hierin stellte das FA gegenüber dem Kläger u. a. fest, dass die Abgabenrückstände aus Umsatzsteuer für das 2. und 3. Quartal 2009 sowie Oktober 2009 sowie die jeweils entstandenen Säumniszuschläge im Zeitpunkt der Anspruchsgeltendmachung durch Leistungsgebot 14. Juli 2015 nicht zahlungsverjährt gewesen sein. Zur Begründung führte es an, dass durch die Auszahlung der vom Insolvenzverwalter angefochten Umsatzsteuerbeträge aus dem Jahr 2009 die ursprünglichen Forderungen des FA gegenüber dem Kläger wiederaufgelebt seien. Daher werde der Kläger selbst als Steuerschuldner nach § 144 InsO in Anspruch genommen. Die Zahlungsverjährungsfrist habe mit Ablauf des 31. Dezember 2009 begonnen. Durch die Geltendmachung der vom Insolvenzverwalter angefochtenen Beträge im September 2010 sei die Verjährung unterbrochen worden. Die Unterbrechung sei erst mit der Entscheidung über die Anfechtung und die anschließende Auszahlung durch die Zurückweisung der Berufung durch das OLG am 30.4.2015 erfolgt. Die Frist habe also gemäß § 231 Abs. 3 AO mit Ablauf des Jahres 2015 erneut zu laufen begonnen, sodass die Ansprüche zum Zeitpunkt der Geltendmachung der Ansprüche gegen den Kläger mit Bescheid vom 14. Juli 2015 noch nicht verjährt gewesen seien.
Gegen diesen Abrechnungsbescheid erhob der Kläger am 12. September 2016 Einspruch. Unabhängig davon, dass ihm ein Schreiben des Insolvenzverwalters gegenüber dem Beklagten, mit dem die fraglichen Umsatzsteuerbeträge angefordert worden seien, nicht vorläge, sei ein solches auch irrelevant. Unterbrechungshandlungen hinsichtlich der in Rede stehenden Verjährung der Forderungen habe das FA ihm gegenüber vornehmen müssen, nicht aber ein Dritter gegenüber dem FA.
Das FA wies den Einspruch mit Bescheid vom 17. März 2017 als unbegründet zurück. Das FA habe einen Abrechnungsbescheid erlassen dürfen, weil es sich vorliegend nicht um ein Zwei-Personen-Verhältnis zwischen dem Insolvenzverwalter und dem FA handele, bei dem es um die Rückforderung einer auf einer vermeintlich unberechtigten Insolvenzanfechtung beruhenden Leistung des FA gehe. Vielmehr mache das FA einen Anspruch aus einem Steuerschuldverhältnis geltend, weswegen es nicht dazu gezwungen sei, den Zivilrechtsweg zu beschreiten.
Die rechtliche Beurteilung der nun wieder offenen Forderungen erfolge speziell im Hinblick auf die Verjährung nach den Vorschriften der Abgabenordnung (AO). Die Zahlungsverjährung für Ansprüche aus dem Schuldverhältnis betrage nach § 228 Satz 2 AO fünf Jahre. Sie beginne gemäß § 229 Abs. 1 Satz 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch erstmals fällig geworden sei. Dabei stehe eine Steueranmeldung einer Festsetzung gleich, § 229 Abs. 1 AO. Die Verjährung habe somit für die Umsatzsteuer 2. und 3. Quartal 2009 sowie für die Umsatzsteuer Oktober 2009 mit Ablauf des 31. Dezember 2009 begonnen. Die Verjährungsfrist betrage nach § 228 grundsätzlich fünf Jahre, es sei denn, die Frist werde durch besondere Umstände unterbrochen, vgl. § 231 Abs. 1 AO. Hier sei die Verjährungsfrist durch die schriftliche Geltendmachung der vom Insolvenzverwalter angefochtenen Beträge im Kalenderjahr 2010 unterbrochen worden. Die Unterbrechung ende gemäß § 231 Abs. 2 Satz 2 AO nicht, bevor über den Grund für die Unterbrechung rechtskräftig entschieden worden sei. In diesem Fall sei dies durch die Zurückweisung der Berufung durch das OLG am 30. April 2015 geschehen. Die Frist habe gemäß § 231 Abs. 3 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Unterbrechungshandlung geendet habe, erneut zu laufen begonnen, hier also mit Ablauf des Kalenderjahres 2015. Die Verjährung der Umsatzsteuern und der entsprechenden Säumniszuschläge sei deshalb bei Erteilung des Leistungsgebots am 14. Juli 2015 noch nicht eingetreten gewesen.
Mit seiner hiergegen gerichteten Klage macht der Kläger geltend, dass er im Rahmen des Anfechtungsprozesses, welcher zwischen dem Insolvenzverwalter und dem FA geführt worden sei, zu keinem Zeitpunkt involviert gewesen sei. Auch die Geltendmachung der Anfechtungsansprüche sei dem Kläger nicht mitgeteilt worden. Es werde bestritten, dass ein Anfechtungsanspruch gegenüber dem FA gegeben gewesen sei. Zu Unrecht vertrete das FA, dass die Verjährungsfrist durch die schriftliche Geltendmachung der vom Insolvenzverwalter angefochtenen Beträge im Kalenderjahr 2010 gemäß § 231 Abs. 1 AO unterbrochen worden sei. Ein Schreiben des FA an den Kläger mit einer entsprechenden Verjährungsunterbrechungswirkung sei nicht erfolgt. Das Anfechtungsschreiben des Insolvenzverwalters gegenüber dem FA habe hingegen keine verjährungsunterbrechende Wirkung im Verhältnis zum Kläger gehabt. Zwar umfasse § 231 AO nicht nur Unterbrechungshandlungen der Finanzbehörde sondern auch Unterbrechungshandlungen des Steuerpflichtigen, sofern der Steuerpflichtige Ansprüche gegen die Finanzbehörde geltend mache. Für derartige Ansprüche sei sodann die Verjährungsunterbrechung so lange gegeben, bis über den erhobenen Anspruch rechtskräftig entschieden sei. Zu unterscheiden sei jedoch insoweit einerseits der Anspruch des Insolvenzverwalters gegen das FA infolge der erklärten Anfechtung und andererseits der Anspruch des FA aus dem Steuerverhältnis gegenüber dem Kläger. Eine wechselseitige verjährungsunterbrechende Wirkung sei auch unter Zugrundelegung des § 231 AO nicht gegeben.
Es sei anerkannt, dass Unterbrechungshandlungen gegen einen Gesamtschuldner grundsätzlich nur gegenüber diesem wirkten und nicht auch gegenüber den übrigen Gesamtschuldnern. So berühre auch die Unterbrechung der Verjährungsfrist gegenüber dem Steuerschuldner nicht die gegenüber dem Haftenden laufende Verjährungsfrist. Die jeweilige Unterbrechungshandlung müsse gegen den tatsächlichen Steuerschuldner gerichtet sein. Die Vornahme einer Unterbrechungshandlung gegenüber einer anderen Person genüge für eine unterbrechende Wirkung nicht. Allen Unterbrechungstatbeständen des § 231 AO sei gemeinsam, dass es sich aus Gründen der Rechtssicherheit um nach außen wirkende Maßnahmen handeln müsse, damit für den Betroffenen mit der erforderlichen Klarheit eindeutig feststellbar sei, ob er wegen der Unterbrechung der Verjährung weiterhin zur Leistung verpflichtet bleibe. Erhalte der Steuerpflichtige wie im vorliegenden Fall überhaupt keine Kenntnis über den vom Insolvenzverwalter gegen die Finanzbehörde geltend gemachten Anfechtungsanspruch, könne der Steuerpflichtige sich darauf verlassen, dass nach Ablauf der regulären Verjährungsfrist eine Geltendmachung ihm gegenüber rechtlich nicht mehr durchsetzbar sei.
Eine Maßnahme des FA, der zu entnehmen gewesen sei, dass es den Zahlungsanspruch gegenüber dem Kläger durchsetzen wolle, sei nicht erfolgt. Mit der an das FA gerichteten Zahlungsaufforderung des Insolvenzverwalters sei lediglich das Anfechtungsverhältnis zwischen dem Insolvenzverwalter und dem FA betroffen gewesen, nicht hingegen das Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und dem FA. Es werde im Übrigen bestritten, dass die Zahlung der Organgesellschaft zu einer Zeit erfolgt sei, als diese von einer Insolvenz bedroht gewesen sei. Der Kläger habe mit einer Anfechtung durch den Insolvenzverwalter der Gesellschaft auch nicht rechnen müssen.
Die anfechtbaren Zahlungen an das FA seien auf dessen erheblichen Druck zustande gekommen. Der vom Insolvenzverwalter der xxx GmbH geltend gemachte Anfechtungsanspruch habe daher für das FA kein von außen kommendes unabwendbares Ereignis dargestellt. Das FA sei aufgrund der Verzugssituation in 2009 von der Zahlungsunfähigkeit der xxx GmbH informiert gewesen. Dem FA habe bereits zum Zeitpunkt der jeweiligen Zahlungen der ihnen innewohnende Anfechtungscharakter aufgrund der bereits damals eindeutigen Rechtsprechung zur Anfechtbarkeit derartiger Zahlungen im Rahmen einer umsatzsteuerlichen Organschaft bewusst sein müssen.
Spätestens mit Zugang des Anfechtungsschreibens des Insolvenzverwalters habe das FA dafür Sorge tragen können, dass gegenüber dem Kläger verjährungsunterbrechende Maßnahmen ergriffen werden. Stattdessen habe das FA den Anfechtungsprozess gegenüber dem Insolvenzverwalter durch zwei Instanzen hindurchgeführt, ohne den Kläger jemals prozessual einzubinden.
Der Kläger beantragt,
den Abrechnungsbescheid vom 22. März 2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. März 2017 dahingehend zu ändern, dass festgestellt wird, dass die Forderungen des FA aus Umsatzsteuerfestsetzungen für das zweite und dritte Quartal 2009 sowie Oktober 2009 sowie die jeweils entstandenen Säumniszuschläge im Zeitpunkt der Anspruchsgeltendmachung durch den Bescheid des FA vom 14. Juli 2015 nach § 228 AO zahlungsverjährt waren.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Grundsätzlich reiche zu Unterbrechung der Zahlungsverjährung die Geltendmachung eines Anspruchs aus. Die Rechtsprechung setze für die Verjährungsunterbrechung eine nach außen wirkende Maßnahmen voraus, rein innerdienstliche Maßnahmen reichten nicht. Allerdings sei die verjährungsunterbrechende Wirkung nicht in jedem Fall davon abhängig, dass der Zahlungspflichtige von dieser Maßnahme erfahre. Maßgebend sei allein, dass das Finanzamt den Entschluss fasse, seinen Zahlungsanspruch durchzusetzen, und dies über den rein innerdienstlichen Bereich hinaus nach außen sichtbar geworden sei. Dieser Grundsatz gelte im Umkehrschluss auch für Anträge des Steuerpflichtigen auf Steuererstattung. Im vorliegenden Fall sei die Zahlungsaufforderung des Insolvenzverwalters an das Finanzamt als verjährungsunterbrechende Geltendmachung des Steueranspruchs beim Kläger anzusehen. Da die Zahlung der von einer Insolvenz bedrohten Organgesellschaft noch während des Bestehens der Organschaft erfolgt sei, habe der Kläger mit der Anfechtung durch den Insolvenzverwalter der Organgesellschaft rechnen müssen. Dies gelte insbesondere deshalb, weil der Kläger zugleich Gesellschaftergeschäftsführer der Ein-Mann-GmbH, also der Organgesellschaft, gewesen sei. Die tatsächliche Anfechtung und der daraus resultierende Zahlungsanspruch sei dem Kläger zur Unterbrechung der Verjährung nicht ausdrücklich mitzuteilen gewesen. Maßgebend sei allein die nach außen wirksame Maßnahme, nämlich die Anfechtung und Zahlungsaufforderung des Insolvenzverwalters.
Das FA sei in dem Zeitraum zwischen der ersten Geltendmachung der Anfechtungsansprüche seitens des Insolvenzverwalters der GmbH bis zum Ergehen der letztinstanzlichen gerichtlichen Entscheidung des OLG an einer früheren Anspruchsgeltendmachung gegenüber dem Kläger gehindert gewesen. Weder die zeitliche Entwicklung der gerichtlichen Streitverfahren noch der letztendliche Ausgang der Verfahren sei voraussehbar gewesen. Das FA habe auch nicht mit Zugang des ersten Anfechtungsschreibens dafür Sorge tragen können, dass gegenüber dem Kläger verjährungsunterbrechende Maßnahmen hätten getroffen wurden. Die Beträge seien zum seinerzeitigen Zeitpunkt bezahlt gewesen und die Rechtmäßigkeit der Vereinnahmung der Zahlungen sei im Laufe der verschiedenen anhängig gewesenen Gerichtsverfahren bestätigt worden. Es habe keine abgabenrechtliche Möglichkeit der direkten Geltendmachung eines Steueranspruchs gegenüber dem Kläger i.S.d. § 224 ff. AO gegeben. Auch habe keine Notwendigkeit einer prozessualen Hinzuziehung des Klägers bestanden.
Das FA habe allerdings nicht beachtet, dass nach dem Urteil des BFH vom 22. November 2017 XI R 14/16, BStBl II 2018, 455 keine Säumniszuschläge entstehen, wenn aufgrund einer Anfechtung des Insolvenzverwalters Steuern, die bis zum Ablauf des Fälligkeitstages vom Insolvenzschuldner gezahlten wurden, zurückgewährt werden. Erst ab dem Tag der Erstattung könnten neue Säumniszuschlage verwirkt werden. Insoweit erfolge eine Berichtigung der angeforderten Säumniszuschläge. Das FA hat hierzu mit Schriftsatz vom 10. Juli 2019 eine Neuberechnung der bis Säumniszuschläge auf den Tag des Abrechnungsbescheids vorgelegt, wonach Säumniszuschläge für das 2. Quartal 2009 i.H.v. 941 €, für das 3. Quartal i.H.v. 413 € und für Oktober 2009 i.H.v. 590 € festzustellen sind. Wegen der Berechnung wird auf Bl. 127 der Gerichtsakte verwiesen.
Der Kläger hat in dem Termin zur mündlichen Verhandlung am 11. Juli 2019 den Antrag gestellt, ihm im Hinblick auf die Äußerung des FA in seinem Schreiben vom 3. Juli 2019, dass der Sachvortrag des Klägers in seinem Schriftsatz vom 11. Juni 2019 in den Zeitraum der Betriebsaufspaltung xxx GbR/xxx GmbH falle und deshalb nicht relevant sei, einen zehntägigen Schriftsatznachlass zu gewähren.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen ist sie unbegründet. Das FA hat zu Recht angenommen, dass seine Forderungen betreffend Abgabenrückstände aus Umsatzsteuer für das zweite und dritte Quartal 2009, Oktober 2009 sowie die jeweils entstandenen Säumniszuschläge im Zeitpunkt der Anspruchsgeltendmachung durch den Bescheid des FA vom 14. Juli 2015 nicht nach § 228 AO zahlungsverjährt waren. Allerdings entstanden in dem Zeitraum zwischen Entrichtung der Steuerforderungen durch die xxx GmbH und der Rückgewähr der Zahlungen an den Insolvenzverwalter seitens des FA am 4. Juni 2015 keine Säumniszuschläge.
1. Das FA konnte mittels eines Abrechnungsbescheids gegen den Kläger vorgehen und war nicht verpflichtet, den Zivilrechtsweg zu wählen. Nach § 218 Abs. 2 AO entscheidet die Finanzbehörde über Streitigkeiten, die die Verwirklichung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis betreffen, durch Verwaltungsakt. Der nach § 218 Abs. 2 AO zu erteilende Abrechnungsbescheid ergeht im Steuererhebungsverfahren. Er hat nur die Feststellung zum Inhalt, ob eine bestimmte Zahlungsverpflichtung aus dem Steuerschuldverhältnis erloschen ist (§ 47 AO), d.h. ob wirksam gezahlt, aufgerechnet, verrechnet, erlassen, ob Verjährung eingetreten, die Schuld bereits vor der Begründung der Zahlungspflicht erloschen oder der Forderungsausgleich durch Vollstreckungsmaßnahmen erreicht worden ist (BFH-Urteil vom 4. Mai 1993 VII R 82/92, BFH/NV 1994, 285). Soweit Streit zwischen dem Finanzamt und dem Insolvenzverwalter besteht, ob das Finanzamt zu Recht auf eine Anfechtung an den Insolvenzverwalter geleistet hat, vertritt der Bundesfinanzhof in seinen Entscheidungen vom 5. September 2012 (VII B 95/12 BStBl. II 2012, 854) und 12. November 2013 (VII R 15/13 BStBl. II 2014, 359) die Auffassung, dass dieser Rückforderungsanspruch nur auf zivilrechtlichem Weg geltend gemacht werden kann. Vorliegend streitet aber der Kläger als Steuerschuldner aus der Umsatzsteuer mit dem Finanzamt darüber, ob er seine Steuerschuld durch Leistung eines Dritten getilgt hat bzw. die Steuerschuld wegen der erfolgreichen Anfechtung im Verhältnis zwischen dem Sachwalter und dem Beklagten gemäß § 144 InsO wieder aufgelebt ist. Streitgegenstand sind damit nicht originär insolvenzrechtliche Fragen. Hinzu kommt, dass sich die Parteien des Anfechtungsverhältnisses (Sachwalter und Beklagter) von denen des ursprünglichen Steuerverhältnisses (Kläger und Beklagter) unterscheiden (BFH-Urteil vom 26. August 2014 VII R 16/13, BFH/NV 2015, 8, worin der Bundesfinanzhof eine Entscheidung hierzu aber offen lässt). Damit ist eine andere Konstellation gegeben als die, die den zitierten Entscheidungen zugrunde lag und sind die streitigen Fragen nicht im Zivilrechtsweg zu klären.
Der erkennende Senat folgt somit der vom Sächsischen FG in seinem Urteil vom 10. September 2015 2 K 195/15, EFG 2016, 175 ff. vertretenen Ansicht und nicht der des FG Berlin-Brandenburg in seinem Urteil vom 13. Dezember 2018 9 K 9117/16, EFG 2019, 674 ff., wonach es dem FA in einem sog. Drei-Personen-Verhältnis nicht anders als in einem Zwei-Personen-Verhältnis (bestehend aus dem Insolvenzverwalter und dem Finanzamt) im Umfang der insolvenzrechtlichen Anfechtung die Kompetenz zum Erlass eines Abrechnungsbescheids fehlt. Das FG Berlin-Brandenburg begründet seine Ansicht damit, dass es sich bei dem Rückforderungsrecht des Insolvenzverwalters nach § 143 InsO und dem Wiederaufleben der Forderung des Anfechtungsgegners um zwei Konsequenzen ein- und derselben Grundlage - der insolvenzrechtlichen Anfechtbarkeit der zuvor bewirkten Leistung - handele. Es sei daher nicht überzeugend begründbar, warum die Finanzbehörde hinsichtlich der einen Rechtsfolge (des Anspruchs aus § 143 InsO) auf den Zivilrechtsweg verwiesen sein, hinsichtlich der anderen Rechtsfolge (des Anspruchs aus § 144 InsO) dagegen im Wege des Abrechnungsbescheids entscheiden können soll.
Entgegen der Annahme des FG Berlin-Brandenburg handelt es sich bei dem Wiederaufleben der Steuerforderung nach § 144 Abs. 1 InsO jedoch nur um eine zivilrechtliche Vorfrage für das Bestehen von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO). Lebt eine zunächst getilgte Steuerschuld mit der Rückgewähr nach § 144 Abs. 1 InsO rückwirkend wieder auf, ändert sie dadurch nicht ihre Rechtsnatur. Der Streitgegenstand ist somit primär steuerrechtlicher und nicht insolvenzrechtlicher Natur, wie gerade vorliegender Rechtsstreit verdeutlicht, in welchem die Beteiligten über die Zahlungsverjährung der Ansprüche des FA streiten, welche sich nach den §§ 228 ff. AO richtet. Das FA macht gegen den Kläger nicht isoliert einen Anspruch aus § 144 InsO geltend, sondern einen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis, für den die Rückgewähr des durch eine anfechtbare Leistung Erlangten nach § 144 Abs. 1 InsO eine zivilrechtliche Voraussetzung jedoch nicht der Wesensgrund ist.
2. Das FA hat zu Recht festgestellt, dass die Forderungen des FA betreffend Steuerrückstände aus Umsatzsteuer für das zweite und dritte Quartal 2009, für Oktober 2009 sowie die jeweils entstandenen Säumniszuschläge im Zeitpunkt der Anspruchsgeltendmachung durch den Bescheid vom 14. Juli 2015 nicht nach § 228 AO zahlungsverjährt waren.
a) Die Steuerforderungen des FA gegen den Kläger sind durch die Zahlungen der xxx GmbH erloschen. Dies gilt sowohl für den Fall, dass die GmbH auf die für sie fremde Steuerschulden des Klägers, als auch für den Fall, dass sie auf ihre eigene Haftungsschuld zahlte.
Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis erlöschen nach § 47 AO insbesondere durch Zahlung. Nach § 48 Abs. 1 AO kann auch ein Dritter gegenüber der Finanzbehörde Leistungen aus dem Steuerschuldverhältnis bewirken. Für die Frage, ob der Leistenden für eigene oder fremde Rechnung gezahlt hat, ist nicht entscheidend, von wem und mit wessen Mitteln gezahlt wurde, sondern wessen Schuld nach dem Willen des Zahlenden, wie er im Zeitpunkt der Zahlung dem Zahlungsempfänger gegenüber erkennbar hervorgetreten ist, getilgt werden sollte (BFH-Urteil vom 25. Juli 1995 VII R 71/94, BFH/NV 1996, 92). Maßgebend für die Beurteilung der mit der Zahlung verfolgten Absicht sind die Umstände, wie sie dem Finanzamt im Zeitpunkt der Zahlung erkennbar sind. Zahlungen einer Organgesellschaft sind im Zweifel allerdings solche auf deren Haftungsschuld und nicht solche auf die Steuerschuld des Organträgers (vgl. m.w.N. Klein, AO-Kommentar, 14. Aufl., § 73 Rz 15). Anders verhält es sich nur, wenn der Organträger die Steuerschuld bezahlen kann und eine Inanspruchnahme der Organgesellschaft wegen Subsidiarität der Haftung deshalb ermessenswidrig wäre. In einem solchen Fall, wenn gar keine Inanspruchnahme durch das Finanzamt droht, kann nicht unterstellt werden, die Organgesellschaft zahle auf ihre Haftungsschuld. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Organgesellschaft, soweit die Umsatzsteuer durch ihre eigenen Umsätze ausgelöst wurde, auf die vom Organträger geschuldete Umsatzsteuer zahlt (vgl. zum Stufenverhältnis zwischen dem originären Anspruch gegen den Organträger als Steuerschuldner und dem Haftungsanspruch aus § 73 AO gegen die Organgesellschaft BFH-Urteil vom 23. September 2009 VII R 43/08, BStBl. II 2010, 21).
Für die Frage des Erlöschens der Steuerforderungen gegen Kläger kann aber offen bleiben, ob die Zahlungen der xxx GmbH auf die fremde Schuld des Klägers oder auf die eigene Haftungsschuld der xxx GmbH erfolgten. Zwischen Schuldner und dem Haftenden besteht nach § 44 Abs. 1 AO eine Gesamtschuld, so dass die Erfüllung durch einen Gesamtschuldner nach § 44 Abs. 2 S. 1 AO auch für die übrigen Schuldner wirkt. Die Steuerforderungen gegen den Kläger wären daher auch bei einer Zahlung der xxx GmbH auf ihre Haftungsschuld erloschen.
b) Die Forderungen des FA gegen den Kläger auf die Umsatzsteuervorauszahlungen für das 2. und 3. Quartal 2009 sowie für Oktober 2009 sind gemäß § 144 Abs. 1 InsO wieder aufgelebt. § 144 Abs. 1 InsO setzt voraus, dass der Empfänger einer anfechtbaren Leistung das Erlangte zurückgewährt.
aa) Soweit der BFH die Frage aufwirft, ob in einem Rechtsstreit über eine (vermeintlich) nach § 144 Abs. 1 InsO wieder aufgelebte Steuerforderung das Vorliegen der in Betracht kommenden Anfechtungsvorschriften der InsO überhaupt geprüft werden dürfe oder ob es für den Eintritt der Rechtsfolgen des § 144 Abs. 1 InsO nicht ausreiche, dass das Finanzamt den Anfechtungsanspruch des Insolvenzverwalters anerkannt und den streitigen Betrag an die Insolvenzmasse ausgekehrt habe (vgl. BFH, Urteil vom 26. August 2014 VII R 16/13, a.a.O.), muss es nach Auffassung des erkennenden Senats jedenfalls in der hier einschlägigen Drei-Personen-Konstellation bei einer gerichtlichen Überprüfungsmöglichkeit der Anfechtbarkeit bleiben. Dies folgt bereits aus dem gesetzlichen Tatbestand des § 144 Abs. 1 InsO, der ausdrücklich davon spricht, dass (nur) die Rückgewähr einer "anfechtbaren" Leistung zu einem Wiederaufleben der Forderung des Anfechtungsgegners führt. Nicht nur die "Rückgewähr", sondern eben auch die "Anfechtbarkeit" sind damit konstitutive Tatbestandsmerkmale für das Wiederaufleben. Die Rückgewähr einer nicht anfechtbaren, aber gleichwohl angefochtenen Leistung hat kein Wiederaufleben der Forderung zur Folge.
bb) Vorliegend stand dem Insolvenzverwalter jedenfalls ein Anfechtungsrecht nach § 133 Abs. 1 InsO zu, wobei auch hier offen bleiben kann, ob die xxx GmbH auf die fremde Schuld des Klägers oder ihre eigene Haftungsschuld zahlte. Nach der Rechtsprechung des BGH kann nämlich auch die Tilgung einer fremden Schuld dem Gläubiger gegenüber nach § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar sein (vgl. BGH-Urteil vom 22. November 2012 IX ZR 22/12, NJW-RR 2013, 163 m.w.N.).
Die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO sind hier erfüllt. Die Zahlungen der xxx GmbH an das FA stellten gläubigerbenachteiligende Rechtshandlungen im Sinne des § 129 Abs. 1 InsO dar, die in der maßgeblichen Zehnjahresfrist vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus dem Vermögen der Schuldner vorgenommen wurden.
Die xxx GmbH handelte bei der Zahlung der Steuerschulden mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz, da ihr Geschäftsführer um die zum Zeitpunkt der angefochtenen Zahlungen bestehende Zahlungsunfähigkeit wusste. Die Organgesellschaft hatte zum Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlungen ihre Zahlungen eingestellt, wodurch gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO die Vermutung der Zahlungsunfähigkeit begründet wird. Die GmbH hatte Ende 2009 fällige und bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht beglichene Verbindlichkeiten i.H.v. ca. xxx €, was dem Kläger als damaligen Geschäftsführer nicht verborgen geblieben sein kann.
Das FA als Anfechtungsgegner kannte den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der GmbH bzw. ihres Geschäftsführers. Gemäß § 133 Abs. 1 S. 2 InsO wird diese Kenntnis vermutet, wenn der Anfechtungsgegner wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zumindest drohte und die Handlung die Gläubiger benachteiligte. Vorliegend hat das FA die Zwangsvollstreckung gegen die GmbH wegen rückständiger Steuern im Dezember 2009/Januar 2010 aktiv betrieben. Nur aufgrund des dadurch auf die GmbH ausgeübten Drucks (= drohende Kontopfändungen) leistete diese mehrere Zahlungen von insgesamt xxx € auf ihre eigenen Steuerschulden. Der Erhalt solcher inkongruenten Deckungen stellt - jedenfalls dann, wenn wie hier der Anfechtungsgegner um die Inkongruenz weiß - ein starkes Beweisanzeichen für das Vorliegen der Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz dar.
Für eine Kenntnis des FA vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz spricht überdies, dass das FA vereinnahmte anderweitige Zahlungen der GmbH i.H.v. 12.141,52 € nach Anfechtung durch den Insolvenzverwalter an diesen zurückgewährte, wodurch zum Ausdruck kommt, dass das FA offenbar selbst von einer Anfechtbarkeit und damit einer Kenntnis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatz ausging.
Dem FA war schließlich auch bekannt, dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte. Ein institutioneller Gläubiger bei einem unternehmerisch tätigen Schuldner muss in aller Regel damit rechnen, dass weitere Gläubiger - wie etwa Lieferanten, Arbeitnehmer und Sozialversicherungsträger- vorhanden sind.
Zur weiteren Begründung verweist der Senat auf die Entscheidungsgründe in der Entscheidung des LG ...vom 11. November..., die er sich zu eigen macht.
cc) Nach zutreffender Rechtsprechung des BGH findet § 144 Abs. 1 InsO auch bei Erfüllungen im Dreiecksverhältnis Anwendung (vgl. BGH-Urteil vom 22. November 2012 IX ZR 22/12, a.a.O). Durch die erfolgreiche Anfechtung gegen den Gläubiger lebt dessen Forderung gegen den Leistungsschuldner wieder auf, auch wenn dieser, wie im vorliegenden Fall, mit dem Insolvenzschuldner nicht identisch ist. Das Wiederaufleben der Steuerforderung gegen den Kläger im hier vorliegenden Dreiecksverhältnis erscheint dabei insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt richtig, dass ansonsten dem FA ungerechtfertigter Weise das Insolvenzrisiko der xxx GmbH als Zahlender aufgebürdet würde (vgl. hierzu Kirchhof, MüKo InsO, § 144 Rz. 7a).
c) Die nach § 144 InsO wieder aufgelebten Forderungen des FA wegen Umsatzsteuer für das zweite und dritte Quartal 2009, für Oktober 2009 sowie die jeweils entstandenen Säumniszuschläge waren im Zeitpunkt der Anspruchsgeltendmachung mit Bescheid vom 14. Juli 2015 nicht verjährt.
aa) Die fünfjährige Zahlungsverjährungsfrist nach § 228 S. 2 AO beginnt gemäß § 229 Abs. 1 S. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Anspruch erstmals fällig geworden ist. Sie beginnt jedoch nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Festsetzung des Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis wirksam geworden ist, aus der sich der Anspruch ergibt; eine Steueranmeldung steht dabei einer Steuerfestsetzung gleich (§ 229 Abs. 1 S. 2 AO). Somit begann die Verjährung vorliegend mit Ablauf des 31. Dezember 2009. Die Verjährungsfrist beträgt nach § 228 fünf Jahre, es sei denn die Frist wird durch besondere Umstände unterbrochen (§ 231 Abs. 1 AO).
bb) Die Verjährung wurde nicht durch das Schreiben des Insolvenzverwalters der Organgesellschaft vom 9. September 2010 unterbrochen und wäre somit regelmäßig zum 31. Dezember 2014 geendet.
Die Unterbrechung der Zahlungsverjährung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis ist in § 231 Abs. 1 Satz 1 AO geregelt. Die dort in Nrn. 1 bis 8 aufgelisteten Tatbestände sind abschließend (BFH, Urteile vom 26. April 1990 V R 90/87, BStBl. II 1990, 802; vom 24. September 1996 VII R 31/96, BStBl. II 1997, 8). In Frage käme nur § 132 Abs. 1 Nr. 8, der die schriftliche Geltendmachung des Anspruchs erfordert. Eine schriftliche Geltendmachung erfordert ein Schreiben des Steuergläubigers an den Steuerschuldner. Art und Umfang des geltend gemachten Anspruchs müssen genannt werden. Die Zahlungsaufforderung des Insolvenzverwalters über das Vermögen der xxx GmbH bezieht sich auf einen rechtlich selbständigen zivilrechtlichen Anspruch auf Rückgewähr nach § 143 Abs. 2 i.V.m. § 133 Abs. 1 InsO, welcher von der Steuerforderung des FA gegen den Kläger zu unterscheiden ist.
Unterbrechungshandlungen wirken im Übrigen nur gegen diejenige Person, die von der Maßnahme betroffen ist, also deren Adressaten (vgl. BFH-Urteil vom 22. Mai 1974 I R 259/72, BStBl. II 1974, 722). Nur in ganz bestimmten Fällen kann der Adressat der Unterbrechungshandlung auch ein Dritter sein, etwa bei Anfragen des Finanzamts an das Einwohnermeldeamt zur Ermittlung des Wohnsitzes oder Aufenthalts des Steuerpflichtigen oder bei dem an das Grundbuchamt gerichteten Ersuchen auf Eintragung einer Sicherungshypothek (gilt wegen der Regelungen in § 231 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und 7 AO). Eine wirksame Unterbrechung der Verjährung ist in diesen Fällen nicht davon abhängig, dass der Steuerschuldner von der Maßnahme gegenüber dem Dritten erfährt (BFH-Urteil vom 28.November 2006 VII R 3/06, BFHE 216, 4). Entscheidend ist dabei, dass der Urheber der an den Dritten gerichteten Maßnahme deutlich macht, seinen Anspruch gegenüber dem Schuldner realisieren zu wollen. Hiermit ist vorliegender Fall aber nicht vergleichbar, weil das Schreiben des Insolvenzverwalters an den Beklagten vom 9. September 2010 einen ganz anderen Anspruch betraf.
cc) Die Verjährung war jedoch im vorliegenden Fall nach § 230 AO gehemmt.
Nach § 230 AO ist die Verjährung gehemmt, solange der Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis innerhalb der letzten sechs Monate der Verjährungsfrist nicht verfolgt werden kann. Dies ist hier der Fall, da die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der xxx GmbH am 1. April 2010 als höhere Gewalt anzusehen ist.
Der Vorschrift des § 144 Abs. 1 InsO kommt hinsichtlich der wiederauflebenden Forderung kein konstitutiver Charakter zu. Es wird lediglich die Rückgängigmachung des Erfüllungsgeschäfts mit ex-tunc-Wirkung fingiert. Bei rückgewährtem Empfangenen lebt die anfechtbar getilgte Forderung in der Form, wie sie bestand, wieder auf. Die Stellung des Empfängers der anfechtbaren Leistung nach Rückgewähr entspricht daher in jeder Hinsicht seiner rechtlichen Stellung zum Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts. Als Konsequenz hieraus wird im insolvenzrechtlichen Schrifttum zutreffend Ansicht vertreten, dass inzwischen abgelaufene Verjährungsfristen nach §§ 206, 209 BGB als seit der ursprünglichen - später erfolgreich angefochtenen - Erfüllungshandlung als gehemmt gelten sollen, wobei diese Hemmung spätestens mit Rechtskraft eines Anfechtungsurteils enden soll. Grund hierfür ist, dass in der Zeit zwischen Leistungsempfang und Rückgewähr i. S. d. § 144 Abs. 1 InsO laufende oder abgelaufene Verjährungsfristen unberücksichtigt bleiben sollen, der fragliche Zeitraum dürfe in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet werden (vgl. m. w. N. Kirchhof in Münchner Kommentar, InsO, § 144 Rz. 8; Mohr, in Kölner Kommentar zur InsO, Band 3 2017, § 144 InsO Rdnr. 15 bis 17. Dagegen nimmt OLG München, Urteil vom 17.3.2009 5 U 4355/08, ZIP 2009,1310, 1311 = Juris Rdnr. 31 f. an, dass die Forderung erst mit ihrem Wiederaufleben i.S.v. § 199 Abs. 1 Satz Nr. 1 BGB neu entsteht). Die Stellung des Anfechtungsgegners nach Rückgewähr der empfangenen Leistung soll derjenigen zum Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts entsprechen (vgl. Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, 5. Aufl, § 144 Rz. 10). Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Hauptschuldners wird für den Leistungsempfänger als ein i.S.v. § 206 BGB nicht zu verhütendes Ereignis angesehen (vgl. Kremer, Anmerkung zu dem Urteil des OLG München vom 17. März 2009 5 U 4355/08, EWiR 2009, 561). Dies muss dann aber auch für ein Finanzamt als Leistungsempfänger gelten, da diesem die gleiche Rechtsstellung zuzubilligen ist wie allen übrigen Gläubigern.
Folglich war die Zahlungsverjährung vorliegend seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der xxx GmbH am 1. April 2010 bis zum Beschluss des OLG vom 30. April 2015 gehemmt. Im Zeitpunkt der Leistungsaufforderung des Klägers durch das FA mit Bescheid vom 14. Juli 2015 war somit noch keine Verjährung eingetreten.
3. Nach dem Urteil des BFH vom 22.11.2017 XI R 14/16, BStBl II 2018, 455 entstehen keine Säumniszuschläge, wenn wie im vorliegenden Fall aufgrund einer Anfechtung des Insolvenzverwalters Steuern, die bis zum Ablauf des Fälligkeitstages vom Insolvenzschuldner gezahlt wurden, zurückgewährt werden. Eine Säumnis i.S.d. § 240 AO entfällt mit dem Zeitpunkt der Zahlung. Es kommt für die Entstehung von Säumniszuschlägen nicht auf den Bestand der Steuerforderungen an, die nach § 47 AO erlöschen, sondern auf den Zeitpunkt der Entrichtung der Steuern. Demnach sind die Säumniszuschläge für das 2. Quartal 2009 i.H.v. 941 €, für das 3. Quartal i.H.v. 413 € und für Oktober 2009 i.H.v. 590 € festzustellen, wie mittlerweile zwischen den Beteiligten unstrittig ist (auf die Neuberechnung des FA mit Schriftsatz vom 10. Juli 2019, Bl. 127 FG-Akte wird verwiesen).
4. Die Voraussetzungen für den vom Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung zuletzt noch beantragten zehntägigen Schriftsatznachlass liegen nicht vor. Ein Anspruch darauf besteht gemäß § 155 FGO i.V.m. § 283 Satz 1 ZPO nur, wenn sich ein Beteiligter in der mündlichen Verhandlung auf ein Vorbringen des Gegners nicht erklären kann, weil es ihm nicht rechtzeitig vor dem Termin mitgeteilt worden ist. Dabei muss das neue Vorbringen entscheidungserheblich sein. Zu Vorbringen, welches das Gericht ohnehin nicht verwerten will, muss es keinen Schriftsatznachlass gewähren (vgl. m.w.N. Greger in Zöller, ZPO, 32. Aufl., § 283 Rz 2a).
Vorliegend hatte der Kläger in seinem Schriftsatz vom 11. Juni 2019 ausgeführt, dass zu Beginn des Jahres 2009 Zahlungsschwierigkeiten der xxx GmbH dazu geführt hätten, dass die Umsatzsteuerverbindlichkeiten nicht hätten fristgerecht beglichen werden können. Damit habe sich die xxx GmbH gezwungen gesehen, zunächst Ratenzahlungen von 10.000 € zu leisten, die zuvor mit FA abgestimmt worden seien. Nach den Ausführungen des FA in seinem Schriftsatz vom 3. Juli 2019 ist dieser Sachverhalt unter der Firmenentwicklung der xxx GmbH zu betrachten. Der Sitz der xxx GmbH sei vom 1. Juli 2009 von ... nach ... verlegt worden. Ferner sei die Betriebsaufspaltung zum 31. Mai 2009 mit der xxx GbR durch die Abberufung des Herrn xxx als Geschäftsführer beendet worden. Seitens des Klägers habe erst ab dem 1. Juli 2009 eine Betriebsaufspaltung aufgrund der Verpachtung einer Immobilie an der xxx GmbH bestanden. Folglich falle der Sachvortrag des Klägers in den Zeitraum der Betriebsaufspaltung xxx GbR/xxx GmbH und sei hier irrelevant.
Das Vorbringen des FA in seinem Schriftsatz vom 3. Juli 2019 ist nicht entscheidungserheblich. Dieses Vorbringen bezieht sich genau wie das Vorbringen des Klägers in seinem Schriftsatz vom 11. Juni 2019 auf die vom Berichterstatter in seinem Schreiben vom 13. Mai 2019 vertretene Auffassung, dass die Anwendung von § 230 AO problematisch sein könne, weil die anfechtbaren Zahlungen an das FA auf dessen Druck zustande kamen. Der erkennende Senat ist jedoch der Auffassung, dass selbst wenn die anfechtbaren Zahlungen durch Druck des FA zustande kamen, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der xxx GmbH als höhere Gewalt i.S.v. § 230 AO anzusehen ist.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
6. Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO insbesondere wegen des beim BFH anhängigen Revisionsverfahren VII R 15/19 zum Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 13. Dezember 2018 9 K 9117/16 zugelassen.
7. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war nach § 139 Abs. 3 S. 3 FGO für notwendig zu erklären.