Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 12.10.2022, Az.: 7 U 102/22 (L)

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
12.10.2022
Aktenzeichen
7 U 102/22 (L)
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2022, 57343
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
AG Winsen - 26.01.2022 - AZ: 7 Lw 16/21

In der Landwirtschaftssache
pp.
hat der 7. Zivilsenat - Senat für Landwirtschaftssachen - des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 19. September 2022 durch den Richter am Oberlandesgericht ... als Vorsitzenden, die Richterin am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ... sowie die Landwirte ... und ... als ehrenamtliche Richter für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgericht - Winsen vom 26. Januar 2022 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist ebenso wie das angefochtene Urteil vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Die Klägerin ist Hofnachfolgerin des im Grundbuch von D. Blatt 202 eingetragenen Hofes, der ihr durch notariellen Hofübergabevertrag vom 2. März 2007 (Urkundenrolle Nr. ...des Notars D. in W.) von ihrem Großvater übertragen worden ist. Der Hofvermerk wurde zwischenzeitlich im Jahre 2020 gelöscht.

In dem notariellen Hofübergabevertrag vom 2. März 2007 (GA 27 ff.) wurde der Mutter der Klägerin - die Zeugin B. - ein Nutzverwaltungsrecht an dem Hof bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres der Klägerin (was in 2014 der Fall war) übertragen. Dazu heißt es in dem notariellen Vertrag wie folgt:

"Die Übertragung des Hofes erfolgt mit der Maßgabe, dass der Mutter der Übernehmerin, Frau H. E. geb. B., das Nutzverwaltungsrecht am Hof bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres der Übernehmerin übertragen wird.

Der Nutzverwalter hat den Hof nach den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Wirtschaftsführung zu bewirtschaften. Er hat insbesondere die Gebäude und Anlagen des Hofes sowie das Inventar in gutem Zustand zu halten und durch sachgemäße Pflege für einen guten Zustand der Hofgrundstücke zu sorgen.

Er muss und darf auch die laufenden Rechts- und Verwaltungsgeschäfte vornehmen.

Der Nutzverwalter hat die Pflicht, für den Bestand und die Erhaltung des Hofes zu sorgen. Dieses umfasst, diejenigen Lasten und Verbindlichkeiten einschließlich Zinsen zu begleichen, die aus der Bewirtschaftung des Hofes entstehen und bei ordnungsgemäßer Wirtschaftsführung aus den Hoferträgen gedeckt oder abgetragen zu werden pflegen.

Ausgenommen sind die Verbindlichkeiten, die aus der Substanz des Hofes zu tilgen sind. Für diese Verbindlichkeiten hat der Hoferbe einzustehen.

Während des Bestehens des Nutzverwaltungsrechts obliegt dem Nutzverwalter auch die Verpflichtung, die Altenteilsleistungen gegenüber dem Überlasser zu erbringen.

Vorstehende Regelungen haben nur schuldrechtlichen Charakter und sind nicht im Grundbuch eintragungsfähig."

Die Zeugin B. bewirtschaftete und führte den Hof in der Folge. 2012 verpachtete sie landwirtschaftliche Flächen in der Gemarkung D. an den Beklagten für einen jährlichen Pachtzins von 10.800 €. Der Beklagte zahlte den Pachtzins an die Zeugin B., zuletzt für das Wirtschaftsjahr 2015 / 2016. Der Beklagte gab die Flächen zum 30. September 2019 an die Klägerin heraus.

Mit Schreiben vom 16. November 2020 forderte die Klägerin den Beklagten zur Zahlung des ausstehenden Pachtzinses auf. Unter dem 29. Dezember 2020 überwies er die Pacht von 10.800 € für das Pachtjahr 2016/2017 an die Klägerin. Erst nach dieser Überweisung wurde zwischen den Parteien streitig, wer berechtigter Verpächter und damit Forderungsinhaber für die noch ausstehenden Pachten ist.

Die Klägerin hat behauptet, ihre Mutter habe die Pachtverträge mit dem Beklagten im Rahmen des ihr am Hof zustehenden Nutzverwaltungsrechts abgeschlossen, weshalb sie mit der Übernahme des Hofes in die bestehenden Pachtverträge eingetreten sei.

Der Beklagte hat behauptet, die Zeugin B. habe die landwirtschaftlichen Flächen im eigenen Namen an ihn verpachtet und bei Abschluss des mündlichen Pachtvertrages weder eine Stellvertretung noch eine Nutzverwaltung zum Ausdruck gebracht.

Das Landwirtschaftsgericht, auf dessen Urteil für die tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, hat den Beklagten antragsgemäß zur Zahlung von 21.600 € nebst Zinsen verurteilt. Auf die vertraglich eingeräumte Nutzungsverwaltung sei § 14 HöfeO wegen einer vergleichbaren Interessenlage entsprechend anzuwenden. Maßgeblich sei, ob die Zeugin B. bei Abschluss des Pachtvertrages zum Ausdruck gebracht habe, den Pachtvertrag für den Hof abschließen zu wollen. Davon sei das Gericht nach Einvernahme der Mutter der Klägerin als Zeugin überzeugt. In entsprechender Anwendung von § 1056 BGB sei die Klägerin mit Übernahme des Hofes in den Pachtvertrag eingetreten.

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung, mit der er in erster Linie geltend macht, dass eine entsprechende Anwendung von § 14 HöfeO in Verbindung mit § 1056 BGB nicht in Betracht komme. Der Zweck der Nutzverwaltung liege darin, den überlebenden Ehegatten sicher zu stellen. Diese Situation habe hinsichtlich der Zeugin B. nicht bestanden. Das in dem Übertragungsvertrag vereinbarte Nutzverwaltungsrecht sei lediglich schuldrechtlicher Natur. Bei Abschluss des Pachtvertrages sei eine Stellvertretung bzw. Nutzverwaltung für ihn nicht erkennbar gewesen. Die gegenteilige Auffassung des Amtsgerichts beruhe auf einer falschen Beweiswürdigung. Die Jahrespacht für 2016/2017 habe er überwiesen, weil sie zu verjähren gedroht habe. Deshalb sei eine doppelte Inanspruchnahme nicht zu befürchten gewesen. Die beiden eingeklagten Jahrespachten habe er wegen der Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme - einmal durch die Klägerin, zum anderen durch die Zeugin B. - nicht gezahlt.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des am 26. Januar 2022 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Winsen (Luhe), Az. 7 Lw 16/21, die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Komme eine analoge Anwendung von § 14 HöfeO in Verbindung mit § 1056 BGB nicht in Betracht, so lägen die Voraussetzungen einer Stellvertretung vor.

Der Senat hat Beweis erhoben und die Zeugin B. vernommen. Inhaltlich wird auf das Protokoll vom 19. September 2022 Bezug genommen.

II.

1. Die Klägerin kann Zahlung der noch offenen Pacht für die Pachtjahre 2017/2018 und 2018/2019 in Höhe von 21.600 € aus § 581 Abs. 1 Satz 2, § 585 Abs. 2 BGB von dem Beklagten verlangen.

a) Das Landwirtschaftsgericht hat festgestellt, dass der Pachtvertrag ursprünglich zwischen der Zeugin B. und dem Beklagten zustande gekommen ist. Das nimmt die Berufung als ihr günstig hin.

b) Diesen Pachtvertrag hat die Klägerin analog §§ 414 f. BGB übernommen. Das steht zur Überzeugung des Senats (§ 286 ZPO) nach der Beweisaufnahme fest.

aa) Nach allgemeiner Meinung ist die Vertragsübernahme ein einheitliches Rechtsgeschäft, das der Zustimmung aller Beteiligter bedarf. Die Vertragsübernahme kann als dreiseitiger Vertrag oder durch Vertrag zwischen zwei Beteiligten geschlossen werden, der durch den dritten Beteiligten genehmigt wird (vgl. BGH, Urteil vom 30. Januar 2013 - XII ZR 38/12, juris Rn. 19). Auf eine Vertragsübernahme ist § 415 BGB entsprechend anwendbar (vgl. BGH, Urteil vom 10. April 2019 - VIII ZR 250/17, juris Rn. 25). Gemäß § 415 Abs. 1 Satz 1 BGB analog hängt die Wirksamkeit der zwischen zwei Beteiligten vereinbarten Vertragsübernahme von der Genehmigung des dritten Beteiligten ab, die grundsätzlich erst erfolgen kann, wenn einer der weiteren Beteiligten ihm die Vertragsübernahme mitgeteilt hat (§ 415 Abs. 1 Satz 2 BGB). Der Dritte kann einer Vertragsübernahme auch bereits im Voraus zustimmen (vgl. BGH, Urteil vom 10. April 2019 - VIII ZR 250/17, juris Rn. 26). Dabei ist, nicht anders als für die befreiende Schuldübernahme nach § 415 BGB, ein Schluss auf den Entlassungswillen des Gläubigers nur unter Berücksichtigung der gesamten Umstände, insbesondere der wirtschaftlichen Interessen der Parteien und des Zwecks der Vereinbarung, zulässig (vgl. BGH, Urteil vom 12. April 2012 - VII ZR 13/11, juris Rn. 7 zur Schuldübernahme).

bb) Gemessen hieran steht nach der Beweisaufnahme fest, dass die Zeugin B. bereits bei Abschluss des Vertrages mit dem Beklagten im Jahr 2012 vereinbart hatte, dass die Klägerin in den Vertrag mit Erreichen des 25. Lebensjahres an ihre Stelle treten sollte. Die danach erforderliche Genehmigung, die grundsätzlich nicht fristgebunden ist, kann hier jedenfalls in der Geltendmachung der Pacht durch die Klägerin gesehen werden.

(1) Nach § 286 ZPO muss der Richter aufgrund der Beweisaufnahme entscheiden, ob er eine Behauptung für wahr oder nicht für wahr hält, er darf sich nicht mit einer bloßen Wahrscheinlichkeit beruhigen. Dabei hat der Tatrichter ohne Bindung an die Beweisregeln und nur seinem Gewissen unterworfen die Entscheidung zu treffen, ob er an sich mögliche Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Sachverhalt als wahr überzeugen kann. Jedoch setzt das Gesetz keine von allen Zweifeln freie Überzeugung voraus. Das Gericht darf keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen und keine unumstößliche Gewissheit bei der Prüfung verlangen, ob eine Behauptung wahr und erwiesen ist. Vielmehr darf und muss sich der Richter in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 17. Februar 1970 - III ZR 139/67, juris Rn. 72; Urteil vom 6. Mai 2015 - VIII ZR 161/14, juris Rn. 11; Urteil vom 29. Juli 2021 - VI ZR 1118/20, juris Rn. 19 mwN).

(2) So liegt es hier.

(a) Allerdings hat der Beklagte eine solche Verabredung bestritten. In seiner Anhörung durch den Senat gab der Beklagte an, dass der Vertrag damals mündlich abgeschlossen worden sei. Nur die Zeugin B. und er seien anwesend gewesen. Die Klägerin habe er zwar gekannt, aber nicht gewusst, dass sie Hofnachfolgerin werden solle. Auch nachträglich sei sie ihm nicht als Hofnachfolgerin vorgestellt worden. Auf Vorhalt räumte er ein, dass er sich vor Abschluss des Pachtvertrages um die Gesamtanpachtung bemüht habe und in diesem Zusammenhang auch die Klägerin dabei war. Er habe damals aber nicht zur Kenntnis genommen, dass sie die zukünftige Hofnachfolgerin sein sollte.

(b) Die Berufung sieht auch richtig - was sie in Bezug auf die erstinstanzliche Beweisaufnahme beanstandet hatte - dass weder die Aussage der Zeugin B. noch die Angaben der Klägerin einen unmittelbaren Beweis für die behauptete Vereinbarung erbringen.

(c) In der gebotenen Gesamtschau aller Umstände bestehen für den Senat bei lebensnaher Würdigung aber keine durchgreifenden Zweifel, dass zwischen der Zeugin B. und dem Beklagten bei dem Abschluss des Pachtvertrages Einvernehmen darüber bestand, dass die Klägerin später in den Vertrag eintreten solle.

(aa) Die Zeugin B. bekundete zwar keine Einzelheiten hinsichtlich des Vertragsschlusses, was angesichts des Zeitablaufs von rund zehn Jahren verständlich ist. Sie gab jedoch an, dass sie weitere Pachtverträge mit Herrn Bär und einem Cousin des Beklagten geschlossen habe. Allen habe sie mitgeteilt, dass Eigentümerin die Klägerin sei und den Hof übernehmen solle. Vergleichbar hatte die Zeugin bereits vor dem Landwirtschaftsgericht ausgesagt.

(bb) Diese Aussage findet eine Bestätigung in den Angaben der Klägerin. Diese erklärte im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung durch den Senat, dass sie den Beklagten vor Abschluss des Pachtvertrages auf einer Versammlung getroffen habe, als es um die Gesamtanpachtung gegangen sei. Von diesen Treffen habe es mehrere, jeweils in unterschiedlicher Besetzung gegeben. Auf all diesen Treffen sei gesagt worden, dass sie die Hofnachfolgerin sei. Einzelheiten, ab wann sie den Hof übernehmen würde, seien dabei wohl nicht gesagt worden. Es sei aber klar gewesen, dass sie die Hofnachfolgerin sein sollte und sie auch nur deshalb bei diesen Treffen mit dabei gewesen sei. Dem misst der Senat aufgrund des in der Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks von der Klägerin einen hohen Grad an Glaubwürdigkeit bei. Die Klägerin erklärte in ihrer Anhörung durch den Senat unumwunden, dass erst bestimmte Ausführungen des Beklagten im Termin Erinnerungen an die Treffen wegen der Gesamtanpachtung ausgelöst hätten, ohne dass sie sich aber an Einzelheiten der damaligen Treffen erinnern könne.

(cc) Hingegen kommt den Angaben des Beklagten, der ebenfalls keine Einzelheiten zu den Vertragsverhandlungen bekundete, keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Zum einen ist zu bedenken, dass der Beklagte seine Angaben auf Vorhalt änderte. Ihm war in der mündlichen Verhandlung nach seinem Bekunden zunächst auch nicht erinnerlich, dass er die Pacht für das Jahr 2016/2017 an die Klägerin überwiesen hatte, obwohl die Frage der Forderungsinhaberschaft der zentrale Streitpunkt der Parteien ist und die Überweisung erst im Dezember 2020 erfolgte. Die erst auf Nachfrage offenbarten Erinnerungslücken wecken Zweifel an dem Erinnerungsvermögen des Beklagten insgesamt.

Zum anderen spricht für die Richtigkeit des klägerischen Vortrags die Überweisung der Pacht für das Jahr 2016/2017 an die Klägerin. Diese Zahlung ist nur verständlich, wenn der Beklagte die Klägerin auch für berechtigt hielt, die Pacht einzuziehen. Der Beklagte hat diese Zahlung im Termin damit erläutert, die Zahlung sei erfolgt, weil eine doppelte Inanspruchnahme aufgrund Verjährung nicht gedroht habe. Das erklärt aber nicht, warum der Beklagte - wenn er Zweifel an der Forderungsinhaberschaft der Klägerin gehabt haben sollte - überhaupt an sie zahlte, und das auch ohne jeglichen Vorbehalt. Sollte der Beklagte zu diesem Zeitpunkt aber keine Zweifel gehabt haben- unstreitig ist die Verpächtereigenschaft der Klägerin erst nach der Überweisung zwischen den Parteien thematisiert worden - deutet dies darauf hin, dass er wie von der Klägerin behauptet, bei Vertragsabschluss über ihren Vertragseintritt unterrichtet war.

2. Die Klägerin kann weiter Verzugszinsen aus § 288 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, § 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB verlangen, ohne dass es einer Mahnung bedurfte. Das Pachtjahr lief jeweils vom 1. Oktober eines Jahres bis zum 30. September des Folgejahres, die Pacht war gemäß § 587 Abs. 1 Satz 2 BGB am ersten Werktag nach dem Ablauf der einzelnen Zeitabschnitte zu entrichten. Das war jeweils der 1. Oktober, weshalb mit dem 2. Oktober Verzug eingetreten ist.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.