Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 16.10.2020, Az.: 11 U 2/20

Begriff der unzulässigen Abschalteinrichtung i.S. von Art. 5 Abs. 2 S. 2 VO (EG) Nr. 715/2007

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
16.10.2020
Aktenzeichen
11 U 2/20
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2020, 64811
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2020:1016.11U2.20.00

Verfahrensgang

vorgehend
LG Aurich - 16.12.2019 - AZ: 5 O 376/19

Amtlicher Leitsatz

Ist eine Motorsteuerungssoftware dergestalt eng auf die Bedingungen des Prüfstandes bezogen programmiert, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nahezu ausschließlich auf dem Prüfstand eingehalten werden, ist in dem Motor mit Wissen und Wollen eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut worden.

Eine Konzernmutter, die selbst (auch) die strategischen Entscheidungen für die Entwicklung und Verwendung für den von einer Tochtergesellschaft hergestellten Motor und der implementierten Motorsteuerungssoftware trifft, haftet für das Inverkehrbringen dieses Motors.

Tenor:

I. Auf die Berufung des Klägers vom 10.01.2020 wird das am 16.12.2019 verkündete Urteil des Landgerichts Aurich (Aktenzeichen 5 O 376/19) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

  1. 1.

    Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 44.214,56 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.05.2019 bis zum 03.09.2020 auf einen Betrag von 45.699,05 € sowie ab dem 04.09.2020 auf einen Betrag von 44.214,56 € zu bezahlen, Zug-um-Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Pkw1 mit der FIN (Fahrzeugidentifikationsnummer) (...).

  2. 2.

    Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des in Ziffer 1 bezeichneten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet,

  3. 3.

    Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten des Klägers entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.822,96 € freizustellen.

  4. 4.

    Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 25 % und die Beklagte zu 75 %.

  5. 5.

    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

III. Die Kosten der Berufung haben der Kläger zu 20 % und die Beklagte zu 80 % zu tragen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jede Partei kann die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

V. Die Revision wird zugelassen.

VI. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger erwarb am 12.09.2014 bei der DD GmbH in Ort1 das streitgegenständliche Fahrzeug Pkw1 als Neufahrzeug (Anlage K1) zu einem Preis von 56.990 €. In dem Fahrzeug ist ein von der EE AG hergestellter Dieselmotor des Typs1 verbaut. Laut Herstellerangaben gehört das Fahrzeug der Schadstoffklasse Euro 6 W an. Die Übergabe des Fahrzeuges erfolgte am 11.12.2014.

Am 08.12.2017 ordnete das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) einen verpflichtenden Rückruf aller PKW der Marke FF an, um die Vorschriftsmäßigkeit der produzierten Fahrzeuge wiederherzustellen. Nach dem Bescheid des KBA verwendete die Beklagte fünf verschiedene Strategien (Strategien A bis E) im Emissionskontrollsystem des FF (Bl. 1 - 4 Anlagenband). Die "Aufwärmstrategien" (Strategie A und B) werden nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen aktiviert, die nahezu ausschließlich unter den Bedingungen des NEFZ-Prüfzyklus - einen Fahrzyklus zur Abgasprüfung im Rahmen der Euro-6-Abgasnorm- auftraten (Bl. 2 Anlagenband). Die temperatur- und druckgeführten Größen waren dergestalt bedatet, dass die Aufheizstrategie nahezu ausschließlich im NEFZ und den dort definierten Prüfbedingungen wirkte. Schon kleine Abweichungen in Fahrprofil und Umgebungsbedingungen führten zur Abschaltung der Aufheizstrategie (Bl. 3 Anlagenband). Die temperaturgeführten Schaltkriterien lagen im Bereich der Temperaturen, die am Prüfstand und am vorkonditionierten Fahrzeug vorlagen (Bl. 4 Anlagenband). Die Schaltkriterien waren so gewählt, dass die Aufheizstrategie und damit die erhöhte Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems mit Sicherheit im NEFZ aktiviert bzw. nicht abgeschaltet wird (Bl. 4 Anlagenband). Laut KBA handelt es sich bei der Strategie A um eine unzulässige Abschalteinrichtung, da die Gründe des Artikel 5 Absatz 2, Buchstabe a)-c) der VO (EG) Nr. 715/2007 nicht vorlagen (Bl. 4 Anlagenband). Durch die Verwendung der Aufwärmstrategie wurde laut KBA die Überschreitung der Abgasgrenzwerte im Prüfstand sicher vermieden.

Das Fahrzeug verfügte nach dem KBA auch über einen SCR-Katalysator, welcher zur Reduktion der Stickoxidemissionen dem Abgasstrom Harnstoff (AdBlue) zuführte. In bestimmten Situationen wurde die AdBlue-Zuführung reduziert, wodurch der SCR-Katalysator nur eingeschränkt funktionierte (Strategie E). Die Strategie E wurde vom KBA ebenfalls als unzulässige Abschalteinrichtung bewertet. Gegenständlich war die Aktivierung des Aufforderungssystems. Dieses wurde nicht aktiviert, sobald noch eine Strecke von mindestens 2.400 km gefahren werden konnte, bevor der Reagenzbehälter leer wurde (Bl. 5 Anlagenband). Bei den Strategien B, C und D hatte das KBA Zweifel bezüglich der Zulässigkeit. Aufgrund der Erklärung der Beklagten, auf diese Strategien verzichten zu wollen, erfolgte vorerst keine Entscheidung durch das KBA (Bl. 6 Anlagenband). Für die weiteren Einzelheiten des Rückrufs wird auf den Bescheid des KBA (Anlage R1, Bl. 1ff Anlagenband) Bezug genommen. Der Bescheid ist bestandskräftig.

In einer Pressemitteilung des KBA vom 08. Dezember 2017 bzgl. des Rückrufs betreffend FF heißt es, dass bei der Überprüfung des FF durch das KBA zwei unzulässige Abschalteinrichtungen nachgewiesen wurden. Im Prüfzyklus NEFZ (Neuer Europäischer Fahrzyklus) springe bei diesen Fahrzeugen zum einen eine sogenannte schadstoffmindernde Aufwärmstrategie an, die überwiegend im realen Verkehr nicht aktiviert werde. Zum anderen sei bei Fahrzeugen mit SCR-Katalysator eine Strategie eingesetzt, die die Nutzung von AdBlue unter bestimmten Bedingungen unzulässig einschränke. Von dem Rückruf seien in Deutschland 25.800 und weltweit insgesamt 57.600 zugelassene Fahrzeuge betroffen.

Mit Bescheid vom 12.01.2018 hat das KBA die von der Beklagten entwickelte Maßnahme für die Fahrzeuge des streitgegenständlichen Typs freigegeben (Bl. 88f Bd. I) Das Update wurde auf das Fahrzeug des Klägers aufgespielt (Bl. 52 Bd. I).

Mit vorgerichtlichem Anwaltsschreiben vom 13.08.2018 machte der Kläger gegenüber der Beklagten Ansprüche auf Schadensersatz geltend (Anlage K8, Bl. 45ff Bd. I). Der Kläger forderte die Beklagte zur Rücknahme des Fahrzeugs gegen Zahlung des Kaufpreises auf, ohne gezogene Nutzungen in Abzug zu bringen. Mit Schreiben vom 22.08.2018 wies die Beklagte die Ansprüche zurück (Anlage K9, Bl. 49f Bd. I).

Am 04.09.2020 hatte das streitgegenständliche Fahrzeug des Klägers eine Laufleistung von 67.251 km (Bl. 111 Bd. II).

Der Kläger hat behauptet, er habe ein besonders umweltfreundliches, spritsparendes und lang haltendes Fahrzeug erwerben wollen. Dabei sei es ihm darauf angekommen, ein Dieselfahrzeug mit der Euronorm 6 zu kaufen. Entschieden habe er sich für das Fahrzeug, weil es als eines der ersten Fahrzeuge serienmäßig mit einem SCR-Katalysator mit AdBlue Einspritzung ausgestattet gewesen sei. Bei Kenntnis von den unzulässigen Abschalteinrichtungen hätte er vom Kauf des Fahrzeugs Abstand genommen.

Der Kläger war der Ansicht, die Beklagte habe ihn durch das Inverkehrbringen des Fahrzeuges, welches mit einem Motor mit manipulierter Motorsoftware ausgestattet sei, vorsätzlich sittenwidrig geschädigt.

Er hat behauptet, der Einsatz der Manipulationssoftware sei vom Vorstand der Beklagten ausgegangen bzw. diese habe den Einsatz der unzulässigen Abschalteinrichtungen erkennen können und müssen. Der Vorstand und weitere benannte leitende Führungskräfte hätten den Einsatz der Manipulationssoftware gebilligt und Kenntnis von der Funktionsweise des Motors und der verwendeten Aufwärmstrategie gehabt.

Es sei aufgrund des Updates bereits zu einem Vorfall gekommen. So habe das Fahrzeug bei einer Fahrt auf der Autobahn am 04.07.2019 nur noch eine Spitzengeschwindigkeit von 80 bis 100 km/h erreicht. Es sei zu anhaltenden Störungen der Motorsteuerung (Warnleuchte) und der Abgas-Behandlung (Warnleuchte) gekommen. Zudem seien der Tempomat und die Start-Stopp-Automatik ausgefallen. All dies sei Folge des Umstandes, dass es infolge des Updates zu einem veränderten Einspritz- und Ausstoßverhalten komme, wofür das Fahrzeug nicht konstruiert sei.

Es bestehe auch nach dem Update das Risiko der Stilllegung des Fahrzeuges, da die Freigabe durch das KBA rechtswidrig sei. Es sei davon auszugehen, dass weitere negative Auswirkungen durch das Update für das Fahrzeug eintreten werden, wie etwa ein erhöhter Kraftstoffverbrauch, erhöhte CO2-Emmissionswerte, eine verringerte Motorleistung, sowie negative Auswirkungen auf das Drehmoment und die Geräuschemissionen. Auch habe sich ein merkantiler Minderwert eingestellt.

Er war der Ansicht, die geltend gemachte Geschäftsgebühr für die vorgerichtlichen Anwaltskosten von 2,0 sei angesichts der überdurchschnittlichen Schwierigkeit angemessen.

Der Kläger hat zunächst beantragt,

1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klagepartei Schadensersatz zu leisten für Schäden, die aus der Manipulation der Schadstoffemissionswerte (Aggregat Typ1) des Fahrzeugs Pkw1 (Fahrzeugidentifikationsnummer (...) durch die Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen resultieren,

2. die Beklagte zu verurteilen, die Klagepartei von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klagepartei entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.994,04 € freizustellen.

Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 22.08.2019 seine Anträge umgestellt und beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klagepartei 47.871,06 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit und 4% Zinsen aus 56.990,00 € vom 12.09.2014 bis zur Rechtshängigkeit zu bezahlen, Zug-um-Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Pkw1 mit der FIN (Fahrzeugidentifikationsnummer) (...),

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klagepartei die über den Klageantrag Ziff. 1 hinausgehenden Schäden zu ersetzen, die aus der Manipulation der Schadstoffemissionswerte (Aggregat Typ1) des Fahrzeugs Pkw1 (Fahrzeugidentifikationsnummer (...)) durch die Verwendung vom im Fahrbetrieb abgeschalteter Abgaseinrichtungen resultieren,

3. die Beklagte zu verurteilen, die Klagepartei von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klagepartei entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.994,04 € freizustellen.

In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klagepartei 47.241,13 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit und 4% Zinsen aus 56.990,00 € vom 12.09.2014 bis zur Rechtshängigkeit zu bezahlen, Zug-um-Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Pkw1 mit der FIN (Fahrzeugidentifikationsnummer) (...),

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klagepartei die über den Klageantrag Ziff. 1 hinausgehenden Schäden zu ersetzen, die aus der Manipulation der Schadstoffemissionswerte (Aggregat Typ1) des Fahrzeugs Pkw1 (Fahrzeugidentifikationsnummer (...)) durch die Verwendung vom im Fahrbetrieb abgeschalteter Abgaseinrichtungen resultieren,

3. die Beklagte zu verurteilen, die Klagepartei von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klagepartei entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.994,04 € freizustellen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, der Kläger vermenge den Vorgang zum Motor Typ2 mit dem hier betroffenen Motor. Da sie von dem Kauf des PKW durch den Kläger keine Kenntnis gehabt sowie den Motor des Fahrzeugs nicht entwickelt oder hergestellt habe, fehle es an einer Täuschung oder sonstigen Schädigungshandlung ihrerseits. Eine sittenwidrige Täuschung könne ihr hier schon nicht vorgeworfen werden, weil um die Auslegung der EU-Norm zur Zulässigkeit von Abschalteinrichtungen gestritten werden. Abweichungen von angegebenen Grenzwerten zum realen Fahrbetrieb könnten keine Täuschung begründen. Diese folgten vielmehr aus den gesetzlichen Rahmenbedingungen, welche eine Ermittlung der Emissionswerte im Prüfstand vorgeben. Zudem sei das Fahrzeug des Klägers jederzeit fahrbereit gewesen. Es sei bei einem Motor mit 204 PS nicht nachvollziehbar, inwiefern das Emissionsverhalten eines Geländewagens der entscheidende Faktor für den Abschluss des Kaufvertrages gewesen sein soll. Ein Schaden sei nicht ersichtlich.

Das Landgericht hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil abgewiesen.

Es hat im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stehe aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch zu. Mangels vertraglicher Verbindung zwischen den Parteien kämen nur deliktische Ansprüche in Betracht.

Der Kläger habe keinen Anspruch gem. §§ 826, 31, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB. Eine schädigende Handlung könne vorliegend nicht im Inverkehrbringen des streitgegenständlichen Fahrzeugs gesehen werden. Das Fahrzeug sei zwar, die Feststellungen des KBA zugrunde gelegt, an denen das Gericht auch keine Zweifel habe, mit Abschalteinrichtungen versehen, von denen das KBA jedenfalls zwei als unzulässig eingeordnet habe, sodass auch ein entsprechender Rückruf erfolgt sei. Allein die Tatsache, dass ein Fahrzeug über eine als unzulässig bewertete Abschalteinrichtung verfüge, reiche aber noch nicht für die Begründung einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung durch die Beklagte aus. Ein sittenwidriges Verhalten der Beklagten sei nicht feststellbar. Es sei nicht schon per se sittenwidrig, ein Produkt in den Verkehr zu bringen, welches einen Sachmangel aufweise. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass das Fahrzeug des Klägers bereits nachgerüstet worden sei und das KBA eine Freigabebestätigung erteilt habe. Die bloße Behauptung eines Sachmangels des Fahrzeugs reiche für die schlüssige Darlegung einer Haftung der am Kaufvertrag nicht beteiligten Beklagten als Herstellerin des Fahrzeugs gem. §§ 826, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB nicht aus. Nicht jeder Verstoß gegen vertragliche Pflichten oder Gesetze und nicht jede Zufügung eines Vermögensschadens begründe zugleich den Vorwurf der Sittenwidrigkeit. Bei einem Inverkehrbringen eines mit einem Sachmangel behafteten Fahrzeugs fehle es an der Verwerflichkeit des Handelns. Die Feststellungen des KBA, dass es sich um unzulässige Abschalteinrichtungen handele, seien nicht ausreichend. Denn es sei nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die Entwickler davon ausgegangen seien, dass es sich bei den Einrichtungen um erlaubte Ausnahmen, etwa zum Schutz des Motors handele. Allein die Durchführung einer Nachrüstung von Dieselfahrzeugen eröffne nicht die Schlussfolgerung auf das mögliche Vorliegen einer Manipulationssoftware.

Soweit betreffend die Auslegung der Vorschrift über die Zulässigkeit von Abschalteinrichtungen gestritten werde, könne eine anderweitige Auslegung dieser Vorschrift ein sittenwidriges Verhalten nicht begründen. Es müsse in dieser Situation eine möglicherweise falsche, aber dennoch vertretbare und im Übrigen auch vom KBA und dem BMVI geteilte Gesetzesauslegung und -anwendung durch die Organe der Beklagten in Betracht gezogen werden. Diese könne in Ermangelung gegenteiliger Indizien auch nicht widerlegt werden. Eine Verkennung der Rechtslage begründe selbst im Falle grob fahrlässigen Handelns nicht den Schädigungsvorsatz der §§ 826, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB. Es sei vielmehr das Bewusstsein eines möglichen Gesetzesverstoßes verbunden mit einer zumindest billigenden Inkaufnahme desselben, wofür es vorliegend an belastbaren Anhaltspunkten fehle, erforderlich.

Bei der Behauptung des Klägers, der von ihm geschilderte Vorgang auf der Autobahn sei auf das Softwareupdate zurückzuführen, handele es sich um eine Behauptung ins Blaue hinein. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens wäre auf eine Ausforschung hinausgelaufen. Es fehle bereits an hinreichenden Anknüpfungstatsachen dafür, dass das Softwareupdate zu einer solchen Motorstörung führe, zumal das KBA die Freigabe dieses Updates erteilt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird vollumfänglich auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Gegen das am 16.12.2019 verkündete Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung.

Der Kläger begehrt im Wesentlichen weiterhin Schadensersatz von der Beklagten und die Feststellung, dass sich diese mit der Annahme des streitgegenständlichen PKW im Annahmeverzug befindet. Zur Begründung führt der Kläger im Wesentlichen aus, er habe entgegen der Ansicht des Landgerichts genügend Anhaltspunkte für eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung vorgebracht. Der Vorstand der Beklagten hat bei der Entwicklung des Motors Typ2 manipuliert und die Fahrzeughalter vorsätzlich sittenwidrig getäuscht und geschädigt. Daher kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, bei der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung des Typ1 aber davon ausgegangen zu sein, dass diese rechtskonform sei. Weiter habe das Landgericht zu Unrecht angenommen, dass er den Schädigungsvorsatz der Beklagten nicht hinreichend dargelegt habe. Er meint, das Landgericht habe prozessual verkannt, dass die Beklagte seinen Vortrag nicht hinreichend substantiiert bestritten habe.

Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 19.05.2020 zunächst beantragt,

das Urteil des Landgerichts Aurich vom 18.12.2019, Az. 5 O 376/19 aufzuheben und

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klagepartei 47.241,13 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit und 4% Zinsen aus 56.990,00 € vom 12.09.2014 bis zur Rechtshängigkeit zu bezahlen, Zug-um-Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Pkw1 mit der FIN (Fahrzeugidentifikationsnummer) (...),

2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme des in Ziffer 1 bezeichneten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet,

3. die Beklagte zu verurteilen, die Klagepartei von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klagepartei entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.994,04 € freizustellen.

Mit Schriftsatz vom 27.08.2020 hat der Kläger die teilweise Klagerücknahme bzgl. seines Antrags auf Zahlung deliktischer Zinsen erklärt.

Nunmehr beantragt der Kläger,

das Urteil des Landgerichts Aurich vom 18.12.2019, Az. 5 O 376/19 aufzuheben und

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klagepartei 47.241,13 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen, Zug-um-Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Pkw1 mit der FIN (Fahrzeugidentifikationsnummer) (...),

2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme des in Ziffer 1 bezeichneten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet,

3. die Beklagte zu verurteilen, die Klagepartei von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klagepartei entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.994,04 € freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hat der teilweisen Klagerücknahme des Klägers nicht zugestimmt. Sie meint, dass die zunächst begehrten Deliktszinsen in der Kostenquote des Urteils zu berücksichtigen seien.

Die Beklagte hat ihren erstinstanzlichen Vortrag wiederholt und vertieft. Sie ist der Ansicht, es fehle bereits an ihrer Passivlegitimation. Sie habe weder den im streitgegenständlichen Fahrzeug verbauten Motor noch die Motorsteuerungssoftware entwickelt und hergestellt. Sie habe der EE AG als Herstellerin auch keine Vorgaben gemacht. Die EE AG habe in eigener Verantwortung gehandelt. Das Fahrzeug sei Teil eines sogenannten Plattformkonzepts der BB-Gruppe gewesen. Eine Marke sei für die Entwicklung von Antrieb, Fahrwerk, Motor und Motorsteuergerät verantwortlich. Der Plattformentwickler verantworte nicht etwa nur den Motor, sondern die gesamte für die Fahraufgabe des Fahrzeugs erforderliche Grundkonstruktion, bestehend aus Motor, Antrieb, Fahrwerk, Motorsteuergerät und weiteren Elementen. Die individuelle Marke ergänze sodann diese Grundkonstruktion mit deren Außendesign (Außenblech) mit Sitzdesign, Innenraumdesign, Radio/Navi/Multimediaanwendungen und sämtlichen weiteren für das individuelle Markenbild maßgeblichen Elemente. Sie hafte nach dem für das Konzernrecht geltenden zentralen Trennungsprinzip grundsätzlich nicht als Mutterkonzern für ihre Tochtergesellschaften. Die BB-Konzerngesellschaften würden grundsätzlich von ihrer jeweiligen Geschäftsleitung in eigener Verantwortung geführt. Sie habe den streitgegenständlichen Motor nicht entwickelt. Es treffe nicht zu, dass ausschließlich der Vorstand der Beklagten darüber befinde, welcher Motor in welchem Fahrzeug zum Einsatz gelange oder welcher Motor mit welcher Abgasreinigung versehen werde (Bl. 129 Bd. II). Auch könne ihr kein Organisationsverschulden zur Last gelegt werden, da sie den Motor nicht entwickelt habe. Des Weiteren sei von einer Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs zwischen 200.000 und 250.000 Kilometern auszugehen.

Ein Annahmeverzug scheide aus, weil der Kläger ihr die im Falle des Rücktritts obliegende Leistung zu keinem Zeitpunkt in einer den Annahmeverzug begründenden Weise angeboten habe. Er habe nämlich einen deutlich überhöhten Schadenersatz geltend gemacht, da er den Nutzungsersatz nicht in Abzug gebracht habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung des Klägers vom 19.05.2020 (Bl. 19ff. Bd. II) und auf die Berufungserwiderung vom 27.08.2020 (Bl. 38ff. Bd. II) sowie die gewechselten Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.

Der Senat hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 04.09.2020 angehört. Der Kläger hat angegeben, es sei ihm beim Kauf des streitgegenständlichen Fahrzeugs darauf angekommen, ein umweltfreundliches, spritsparendes Fahrzeug zu erwerben, welches die Schadstoffemissionswerte einhält.

II.

Die eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

1.

Der Kläger kann nach § 826 BGB von der Beklagten Zug um Zug gegen die Rückgabe des Fahrzeugs und unter Anrechnung der gezogenen Vorteile in Form der Nutzung des Fahrzeugs nach einer zu erwartenden Gesamtfahrleistung in Höhe von 300.000 km die Erstattung des gezahlten Kaufpreises verlangen (BGH v. 25.05.2020, VI ZR 252/19, juris).

Die Beklagte hat den Kläger gem. § 826 BGB vorsätzlich sittenwidrig geschädigt.

Die Beklagte hat das streitgegenständliche Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen und in den Verkehr gebracht.

Der Motor des streitgegenständlichen Fahrzeugs war unstreitig mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen. Durch die in der verwendeten Motorsteuerungssoftware enthaltene "Aufwärmstrategie" ("Strategie A") hat die Beklagte gegen Art. 5 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 verstoßen, da sich der Stickstoff-Ausstoß auf dem Prüfstand gegenüber dem normalen Fahrbetrieb erheblich verringert (vgl. OLG Koblenz, Urt. v. 05.06.2020 - 8 U 1803/19 - BeckRS 2020, 17355; LG Oldenburg, Urt. v. 02.03.2020 - 16 O 2113/19 - BeckRS 2020, 5916; LG Ingolstadt, Urt. v. 28.02.2020 - 51 O 926/19, BeckRS 2020, 9629; LG Lüneburg, Urt. v. 12.02.2019 - 9 O 140/18 - BeckRS 2019, 3857; LG Köln, Urt. v. 20.12.2018 - 36 O 147/18 - BeckRS 2018, 35370). Die Abschalteinrichtung war auch unstreitig nicht ausnahmsweise im Sinne des Artikel 5 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 zulässig. Sie war unter anderem weder zum Anlassen des Motors noch zum Motorschutz erforderlich.

Der Senat legt insoweit seiner Entscheidungsfindung die Beurteilung der Motorsteuerungssoftware durch das Kraftfahrt-Bundesamt als unzulässige Abschalteinrichtung als zutreffend zugrunde, ohne sich insoweit zur Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens gehalten zu sehen. Dem Bescheid des KBA als Verwaltungsakt kommt eine Tatbestandswirkung in dem Sinne zu, dass seine Feststellungen für die Zivilgerichte bindend sind und deren Rechtmäßigkeit der Prüfung der Zivilgerichte entzogen ist (vgl. BGH, Urt. v. 30.04.2015 - I ZR 13/14 - BeckRS 2015, 17161; OLG Oldenburg, Beschl. v. 27.01.2020 - 5 U 395/19 - BeckRS 2020, 8864).

Verwaltungsakte binden in den Grenzen ihrer Bestandskraft andere Gerichte und Behörden (BGH, Urt. v. 04.02.2004 - XII ZR 301/01 - BeckRS 2004, 3141; BGH, Beschl. v. 12.01.2006 - IX ZB 29/04 - NJW-RR 2006, 913). Die Gerichte haben selbst fehlerhafte Verwaltungsakte zu beachten, solange diese nicht durch die zuständige Behörde oder durch ein zuständiges Gericht aufgehoben worden sind (BGH, Urt. v. 19.12.1978 - VI ZR 43/77 - NJW 1979, 597; BGH, Beschl. v. 12.01.2006 - IX ZB 29/04 - NJW-RR 2006, 913; Zimmermann, in: Münchener Kommentar ZPO, 5. Auflage 2017, § 17 GVG Rn. 13). Sie haben die durch den Verwaltungsakt getroffene Regelung oder Feststellung unbesehen, ohne eigene Nachprüfung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes, zu Grunde zu legen (BGH, Urt. v. 21.09.2006 - IX ZR 89/05 - NJW-RR 2007, 398). Ausweislich des KBA-Bescheids waren im Motor des streitgegenständlichen Fahrzeuges zwei unzulässige Abschalteinrichtungen eingebaut, was zwischen den Parteien auch unstreitig ist.

Die Abschalteinrichtung ist bewusst auf den Prüfstand zugeschnitten und eine Aktivierung im Normalbetrieb ist nahezu ausgeschlossen.

Es ist auch nicht aufgrund des weiten Wortlauts der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 davon auszugehen, dass hier bei der Implementierung der Aufwärmstrategie lediglich fahrlässiges Handeln vorlag. Vielmehr war den Entwicklern bewusst, dass die gewählte Lösung einen Gesetzesverstoß darstellt.

Aus dem Erwägungsgrund 15 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ergibt sich, dass der Neue Europäische Fahrzyklus (NEFZ) bereits bei Erlass der Richtlinie überprüft werden sollte, um zu gewährleisten, dass die gemessenen Emissionen denen im praktischen Fahrbetrieb entsprechen. Dementsprechend wurde der NEFZ-Prüfzyklus mittlerweile durch sog. "Real Driving Emission"-Tests (RDE) ersetzt. Hierbei werden Messungen der Realemissionen im normalen Fahrbetrieb auf der Straße angewendet.

Gem. Art. 5 Abs. 2 S. 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ist die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, unzulässig.

Eine "Abschalteinrichtung" ist gemäß Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ein Konstruktionsteil, das die Temperatur, die Fahrzeuggeschwindigkeit, die Motordrehzahl (UpM), den eingelegten Getriebegang, den Unterdruck im Einlasskrümmer oder sonstige Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu verändern, zu verzögern oder zu deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert wird.

Zwar sind die Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 bzgl. Abschalteinrichtungen weit gefasst, weswegen die Auslegung aufgrund der Unterschiede zwischen Realbetrieb und dem Prüfzyklus diskutiert wird (vgl. Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, WD 7-3000-031/16). Vor diesem Hintergrund ist auch nicht jede Implementierung einer Motorsteuerung die zu einer Abweichung der Abgaswerte im Realbetrieb im Vergleich zu den Werten im Rahmen des NEFZ führt, von vornherein als vorsätzliches rechtswidriges Verhalten zu qualifizieren.

Vorliegend konnte die Beklagte jedoch nicht davon ausgehen, dass die Abschalteinrichtungen in Folge der Unterschiede zwischen Realbetrieb und Prüfzyklus noch als zulässig zu erachten sind. Dem steht entgegen, dass die Motorsteuerungssoftware des streitgegenständlichen Fahrzeugs so eng programmiert und auf den Prüfstandbetrieb zugeschnitten ist, dass diese einer nur für den Prüfstand entwickelten Software - wie etwa im Fall des Motors Typ1 - gleichsteht.

Aus der umfassenden Formulierung und dem weitgefassten Schutzzweck der Richtlinie, die der Verbesserung der Luftqualität und der Einhaltung der Luftverschmutzungsgrenzwerte sowie insbesondere einer erheblichen Minderung der Stickoxidemissionen bei Fahrzeugen mit Dieselmotoren dient - vergleiche Nr. 6 der Erwägungsgründe zur VO (EG) 715/2007 -, wird erkennbar, dass die Vorschrift umfassend auch solche Konstellationen abdecken soll, in denen konstruktionsbedingt, auch durch Steuerung technischer Einrichtungen mittels Software, Unterschiede zwischen dem Schadstoffausstoß im Testbetrieb und im Normalbetrieb bestehen (vgl. LG Lüneburg, Urt. v. 12.02.2019 - 9 O 140/18 - BeckRS 2019, 3857). Dies folgt auch aus Art. 5 Abs. 1 VO (EG) 715/2007: Danach hat der Hersteller ein Fahrzeug so auszurüsten und Bauteile, die das Emissionsverhalten zu beeinflussen geeignet sind, so zu konstruieren, zu fertigen und zu montieren, dass das Fahrzeug unter normalen Betriebsbedingungen der Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen entspricht. Hierdurch wird erkennbar, dass eine Einrichtung, die zu geringerem Schadstoffausstoß im Testbetrieb und demgegenüber höherem Schadstoffausstoß bei Nutzung des Fahrzeugs im regulären Straßenverkehr führt, unterbunden werden soll.

Die Aufwärmstrategie wird auf dem Prüfstand aktiv, im Normalbetrieb dagegen nahezu nicht. Dies ergibt sich aus den im KBA-Bescheid wiedergegeben Bedingungen für die Aktivierung der "Aufwärmstrategie" ("Strategie A"). Zu diesen Bedingungen gehören insbesondere eine "Drehzahl für 4 s zwischen 920 rpm und 1200 rpm" und eine zurückgelegte Fahrstrecke nach Zündung "20-40m" (vgl. Bl. 4 Anlagenband). Diese Kriterien bilden ausweislich der Ausführungen im genannten Bescheid exakt die Bedingungen des Prüfzyklus: "Durchfährt das Fahrzeug nach der Leerlaufphase die Betriebszustände 2 und 3 des Grund-Stadtfahrzyklus des NEFZ (erste Beschleunigungsphase und darauffolgende Fahrt mit konstanter Geschwindigkeit), bewegt sich die zurückgelegte Strecke im Bereich von etwa 30 m und trifft somit genau den Korridor der applizierten zurückgelegten Wegstrecke von 20 - 40 m seit Zündung ein." (Bl. 4 Anlagenband)

Auch die Drehzahlkriterien und die Kriterien für die Umweltbedingungen entsprechen danach denen des Prüfstandsbetriebs. Aufgrund der eng gefassten Kriterien und der Verbindung mit einer das kumulative Vorliegen aller Voraussetzungen erfordernden "UND-Verknüpfung", wird die Aufwärmstrategie letztlich quasi ausschließlich im Prüfstandsbetrieb aktiviert. Eine Aktivierung im Normalbetrieb ist dagegen beinahe ausgeschlossen (vgl. Bl. 1-6 Anlagenband). Im Vergleich zum maßgeblichen Prüfstandsbetrieb liegt hierin eine Deaktivierung der Funktion.

Durch die Verwendung der Aufwärmstrategie wird die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems erhöht. Hieraus ergibt sich ohne weiteres, dass durch die Nichtaktivierung der Aufwärmstrategie außerhalb des Prüfstandbetriebs die Wirksamkeit diesem gegenüber verringert wird. Dies ergibt sich ebenso aus dem vorgelegten Bescheid des KBA, in welchem ausgeführt wird: "Die von [der Beklagten] applizierten Schaltkriterien sind so gewählt, dass die Aufheizstrategie und damit die erhöhte Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems mit Sicherheit im Neuen Europäischen Fahrzyklus aktiviert bzw. nicht abgeschaltet wird" (Bl. 4 Anlagenband). Den Ausführungen im KBA-Bescheid ist die Beklagte inhaltlich an keiner Stelle konkret entgegengetreten.

Es kann dahinstehen, ob die bloße Verwendung der Dosierstrategie, die ab einer Restreichweite von 2.400 km die Ad-Blue-Einspritzung einschränkt, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems vermindert wird, für sich genommen vorsätzlich und in Kenntnis der rechtlichen Unzulässigkeit erfolgt ist. Jedenfalls trägt diese zusätzliche Manipulation der Software der 3,0-Liter-Dieselmotoren dazu bei, dass sich der Einsatz der Aufheizstrategie insgesamt von einem vorsätzlichen Verhalten auszugehen ist.

In dem streitgegenständlichen Fahrzeug wurde mit Wissen und Wollen ein Motor verbaut, der mit solch einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen ist.

Zwar hat die EE AG als Tochterkonzern der Beklagten die unzulässige Abschalteinrichtung in dem Motor vorsätzlich implementiert. Die beim Hersteller, der EE AG, handelnden Personen überließen die mit der unzulässigen Abschalteinrichtung ausgerüsteten Motoren den zum Konzern der Beklagten gehörenden Herstellern der Fahrzeuge, u.a. der Beklagten, gerade zum Zweck des Einbaus in Pkw und nachfolgender Weiterveräußerung. Es bestehen keine Zweifel daran, dass die handelnden Personen damit rechneten, dass die so ausgerüsteten Fahrzeuge ohne Hinweis auf die Abschalteinrichtung weiterveräußert werden würden (vgl. OLG Köln, Beschl. v. 03.01.2019 - 18 U 70/18 -, juris, Rn. 29).

Es liegt aber auch ein vorsätzliches Handeln der Beklagten vor.

Die grundlegende strategische Entscheidung in Bezug auf die Entwicklung und Verwendung der unzulässigen Software ist vom Vorstand und von den im Hause der Beklagten für die Motorenentwicklung verantwortlichen Personen, namentlich dem vormaligen Leiter der Entwicklungsabteilung und den für die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten der Beklagten verantwortlichen vormaligen Vorständen, wenn nicht selbst, so zumindest mit ihrer Kenntnis und Billigung getroffen bzw. jahrelang umgesetzt worden. Dieses Verhalten ist der Beklagten zuzurechnen (§ 31 BGB).

Die Beklagte haftet zwar nicht als Mutterkonzern für die EE AG als Tochterkonzern. Die generelle Einstandspflicht von Konzernunternehmen für die Verbindlichkeiten anderer Konzernunternehmen (Konzernhaftung), ist dem deutschen Recht für den Regelfall fremd (vgl. OLG Stuttgart, Vfg. v. 31.03.2020 - 16a U 197/19 - BeckRS 2020, 5656; Emmerich, in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 9. Auflage 2019, § 302 AktG, Rn. 6 m.w.N.). Nach dem so genannten Trennungsprinzip haften selbst im Vertragskonzern für die Verbindlichkeiten der einzelnen Konzernglieder grundsätzlich nur diese, nicht dagegen die anderen Konzernunternehmen einschließlich der Muttergesellschaft. Es ist nicht zu erkennen, dass den Konzernnormen ein verallgemeinerungsfähiges Prinzip zugrunde liegt, wonach der Konzern generell als Rechtseinheit behandelt werden soll (vgl. Wede, Die Pflicht zur Verlustübernahme im GmbH-Vertragskonzern, Köln 2016, S. 99).

Die Tatsache, dass der Motor des streitgegenständlichen Fahrzeugs nicht von der Beklagten entwickelt und hergestellt worden ist, ist vorliegend aber unerheblich. Entscheidend ist vielmehr, dass der Motor die manipulierte Motorsoftware aufweist und mit Wissen und Wollen der Beklagten zum Verkauf an die Endkunden in Fahrzeuge eingebaut, mithin in Verkehr gebracht worden ist (vgl. OLG Köln, Urt. v. 12.03.2020 - 3 U 55/19 - BeckRS 2020, 10284; LG Lüneburg, Urt. v. 12.02.2019 - 9 O 140/18 - BeckRS 2019, 3857).

Selbst wenn die Beklagte die Arbeiten zur Programmierung der manipulierten Software durch Dritte ausführen ließ, ist dies vorliegend jedenfalls auch auf Anweisung und nach Vorgaben der Beklagten geschehen.

So mag zwar die EE AG als selbständiges Unternehmen im aktienrechtlichen Sinne die Entwicklung des Motors Typ1 in eigener Verantwortung als sog. Plattformentwickler übernommen haben. Es erscheint aber lebensfremd, dass die Beklagte als Konzernmutter über die Funktionsweise des in zahlreichen Fahrzeuge unterschiedlicher Marken ihres Konzerns eingebauten Motors nicht im Bilde war. Die Beklagte trifft als Muttergesellschaft in Bezug auf Entwicklung und Verwendung von Motoren und deren Software die grundlegenden strategischen Entscheidungen bzw. segnet die Entscheidungen der Tochtergesellschaften ab.

Die Beklagte hat im Schriftsatz vom 27.08.2020 (Bl. 113ff. Bd. II) erklärt, dass die BB-Konzerngesellschaften auch konzernweite Vorgaben und Ziele berücksichtigen. Indem die Beklagte erklärt hat, es treffe nicht zu, dass ausschließlich ihr Vorstand darüber befindet, welcher Motor in welchem Fahrzeug zum Einsatz gelangt oder welcher Motor mit welcher Abgasreinigungstechnik versehen wird, hat sie zugleich erklärt, dass sie zumindest auch über derartige Entscheidungen befindet und in Kenntnis ist (Bl. 129 Bd. II). Hierfür spricht zusätzlich, dass die Beklagte vorträgt, das Softwareupdate für das streitgegenständliche Fahrzeug entwickelt zu haben (Bl. 88 Bd. I).

Der Vortrag des Klägers, für die hier streitgegenständlichen Software-Manipulationen sei davon auszugehen, dass die unternehmenswesentliche Entscheidung der Verwendung der Manipulationssoftware unter Beteiligung des damaligen Entwicklungsvorstands, weiterer Vorstandsmitglieder sowie leitender Angestellter der Beklagten erfolgte bzw. von diesen "abgesegnet" ist mithin als zugestanden anzusehen, § 138 Abs. 3 ZPO.

Zudem hat der Kläger hinreichende Anhaltspunkte für eine entsprechende Kenntnis auf Vorstandsebene sowie bei leitenden Angestellten der Beklagten von der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung vorgetragen. Grundsätzlich ist zwar der Geschädigte verpflichtet, die Voraussetzungen der Zurechnung darzulegen und zu beweisen (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -, juris, Rn. 35). Allerdings trifft die Beklagte hier eine sekundäre Darlegungslast (vgl. OLG Köln, Urt. v. 12.03.2020 - 3 U 55/19 - BeckRS 2020, 10284; vgl. auch OLG Karlsruhe Hinweisbeschluss v. 05.03.2019 - 13 U 142/18 - BeckRS 2019, 3395, Rn. 81ff.; OLG Oldenburg, Beschl. v. 05.12.2018 - 14 U 60/18 -, juris; LG Oldenburg, Urt. v. 02.03.2020 - 16 O 2113/19 - BeckRS 2020, 5916; LG Lüneburg, Urt. v. 12.02.2019 - 9 O 140/18 - BeckRS 2019, 3857).

Die Behauptung der Beklagten, ihre zuliefernde Konzerntochter EE AG habe eine eigene Modulentwicklungshoheit gehabt, ist nicht ausreichend. Denn dies stellt den substantiierten Vortrag des Klägers nicht in Abrede, dass die Planungshoheit, welcher Motor von wem entwickelt, gebaut und in welches Fahrzeug eingebaut werde, allein bei der Beklagten liegt (vgl. OLG Köln, Urt. v. 12.03.2020 - 3 U 55/19 - BeckRS 2020, 10284). Die Beklagte gesteht zudem selbst zu, dass die BB-Konzerngesellschaften bei der Führung ihrer Geschäfte auch konzernweite Vorgaben und Ziele berücksichtigen und der Vorstand der Beklagten zumindest auch über den Einsatz der Motoren und der Abgasreinigungstechnik entscheidet.

Der Vortrag der Klägerin ist als hinreichend substantiiert anzusehen, während die Beklagte ihrer sie treffenden - sekundären - Darlegungslast nicht hinreichend nachgekommen ist. Da hier die Grundsätze der sekundären Darlegungslast eingreifen, gilt der Vortrag der Klägerseite als zugestanden, § 138 Abs. 3 ZPO (BGH v. 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19 -, juris Rn. 30 und 37; so bereits insbesondere OLG München v. 29.01.2020 - 20 U 4075/18, juris m.w.N.; OLG Karlsruhe v. 05.03.2019, 13 U 142/18, juris Rn. 51 ff.; OLG Karlsruhe v. 06.11.2019, 13 U 37/19, juris Rn. 79 ff.; OLG Koblenz v. 12.06.2019, 5 U 1318/18, juris Rn. 75 ff.; OLG Köln v. 17.07.2019, 16 U 199/18, juris Rn. 10 ff.; OLG Hamm v. 10.09.2019, 13 U 149/18, juris Rn. 64 ff.; OLG Stuttgart v. 24.09.2019, 10 U 11/19, BeckRS 2019, 23215 Rn. 71 ff.).

Nachdem die Beklagte das Vorbringen der Klägerin weder ausreichend bestritten hat noch ihrer sekundären Darlegungslast nachgekommen ist, gilt der Vortrag der Klagepartei, dass ein Repräsentant i.S.v. § 31 BGB den Einsatz der Manipulationssoftware kannte und billigte, gem. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden.

Das Handeln der Beklagten ist auch sittenwidrig.

Sittenwidrig ist ein Verhalten immer dann, wenn es nach seinem unter zusammenfassender Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermittelnden Gesamtcharakter in dem Sinne dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden zuwiderläuft, dass es mit grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht vereinbar ist (vgl. BGH, Urt. v. 30.07.2020 - VI ZR 5/20 -, juris, Rn. 29; BGH, Urt. v. 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -, juris, Rn. 15; OLG Köln, Beschl. v. 03.01.2019 - 18 U 70/18 -, Rn. 21, juris, m.w.N.). Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflichtverletzung und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (vgl. BGH, Urt. v. 30.07.2020 - VI ZR 5/20 -, juris, Rn. 29; BGH, Urt. v. 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -, juris, Rn. 15; BGH, Urt. v. 19.11.2013 - VI ZR 336/12 - NJW 2014, 383). Dabei kann es auf die Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben (BGH, Urt. v. 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -, juris, Rn. 15; BGH, Urt. v. 28.07.2016 - VI ZR 536/15 - NJW 2017, 250 [BGH 28.06.2016 - VI ZR 536/15]). Insbesondere bei mittelbaren Schädigungen kommt es ferner darauf an, dass den Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche aus § 826 BGB geltend macht (BGH, Urt. v. 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -, juris, Rn. 15).

Die Beklagte hat auf der Grundlage einer für ihren Konzern getroffenen grundlegenden strategischen Entscheidung bei der Motorenentwicklung im eigenen Kosten- und damit auch Gewinninteresse durch bewusste und gewollte Täuschung des KBA systematisch, langjährig in Bezug auf den Dieselmotor der Baureihe Typ1 in tausendfacher Stückzahl in Deutschland Fahrzeuge in Verkehr gebracht, deren Motorsteuerungssoftware bewusst und gewollt dergestalt eng auf die Bedingungen des Prüfstandes bezogen programmiert war, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte mittels einer unzulässigen Abschalteinrichtung nahezu ausschließlich auf dem Prüfstand eingehalten wurden. Damit ging einerseits eine erhöhte Belastung der Umwelt mit Stickoxiden und andererseits - wie noch im Einzelnen auszuführen sein wird - die Gefahr einher, dass bei einer Aufdeckung dieses Sachverhalts eine Betriebsbeschränkung oder -untersagung hinsichtlich der betroffenen Fahrzeuge erfolgen könnte.

Ein solches Verhalten ist im Verhältnis zu einer Person, die eines der bemakelten Fahrzeuge in Unkenntnis der illegalen Abschalteinrichtung erwirbt, besonders verwerflich und mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht zu vereinbaren. Die Sittenwidrigkeit ergibt sich aus einer Gesamtschau des festgestellten Verhaltens der Beklagten unter Berücksichtigung des verfolgten Ziels, der eingesetzten Mittel, der zutage getretenen Gesinnung und der eingetretenen Folgen.

Die Beklagte war sich über die weitreichenden Folgen der eingesetzten Abschalteinrichtung im Klaren. Dabei liegt es in der Natur der Sache, dass ein Kraftfahrzeughersteller, der sich verbotener Abschalteinrichtungen bedient, diese in der Regel nicht - wie bei dem Typ2-Motor - so ausgestalten wird, dass sie einzig für den Prüfstand konstruiert sind und ausschließlich der Erlangung der Typengenehmigung für das Fahrzeug dienen, sondern in der Regel - wie vorliegend - Steuerungsstrategien implementieren wird, die zumindest vordergründig legitimen Zwecken dienen, tatsächlich jedoch ihre wesentliche Funktion einer unzulässigen Abschalteinrichtung erfüllen.

Den mit den betroffenen Motoren ausgerüsteten Fahrzeugen drohte latent eine Betriebsbeschränkung oder -untersagung nach § 5 Abs. 1 FZV (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -, juris, Rn. 19ff.; BGH, Beschl. v. 08.01.2019 - VIII ZR 225/17 -, juris, Rn. 20; OLG Celle, Beschl. v. 01.07.2019 - 7 U 33/19 -, juris, Rn. 12). Es lag eine bewusste Täuschung sowohl der Aufsichtsbehörden als auch der Verbraucher vor, um die entsprechenden Typgenehmigungen für die mit den Motoren ausgestatteten Fahrzeuge und damit deren Inverkehrbringen zu sichern, um dadurch entsprechende Vertragsschlüsse der Händler mit den Kunden herbeiführen zu können (vgl. OLG Koblenz, Urt. v. 05.06.2020 - 8 U 1803/19 - BeckRS 2020, 17355).

Es liegt ein rechtlich nicht erlaubtes, in großem Stil angelegtes Vorgehen aus reinem Gewinnstreben vor, wobei die Verwerflichkeit durch das systematische Vorgehen und den großen Kreis der betroffenen Personen vertieft wird (OLG Koblenz v. 05.06.2020 a.a.O.).

Im Rahmen einer zusammenfassenden Würdigung kommt der Senat deshalb zu dem Ergebnis, dass das Inverkehrbringen der manipulierten Motoren und das Verschweigen der Softwaremanipulation gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstoßen (vgl. OLG Koblenz v. 05.06.2020 a.a.O.).

Eine besondere Verwerflichkeit des Vorgehens der handelnden Personen ergibt sich aus dem Ziel, ähnlich wie beim Motor Typ2, unter Ausnutzung der Fehlvorstellung der Kunden wegen der vorgetäuschten besonderen Umweltfreundlichkeit der Fahrzeuge hohe Absatzzahlen zu erreichen (vgl. hierzu OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss v. 05.03.2019 - 13 U 142/18, BeckRS 2019, 3395, Rn. 36).

Die Mitarbeiter der EE AG und der Beklagten, welche die Manipulation an der Motorsoftware vorgenommen und veranlasst haben, haben die Erwartung der Autokäufer hintergangen, dass die Abgas- und Verbrauchswerte auch im Realbetrieb und nicht nur nahezu ausschließlich im Prüfstandbetrieb die Abgaswerte einhalten (so auch LG Köln, Urt. v. 20.12.2018 - 36 O 147/18 - BeckRS 2018, 35370; LG Offenburg, Urt. v. 12.05.2017 - 6 O 119/16 -, juris, Rn. 32).

Die Mitarbeiter haben nicht lediglich die Abgasvorschriften außer Acht gelassen und hierdurch eine massenhafte, erhebliche Umweltverschmutzung herbeigeführt. Sie haben mit der Abschaltvorrichtung zugleich ein System zur planmäßigen Verschleierung dieses Vorgehens gegenüber den Aufsichtsbehörden und den Verbrauchern geschaffen, um der Beklagten einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen oder sie wettbewerbsfähig zu halten, weil diese entweder nicht über eine Technik verfügte, um die gesetzlichen Abgasvorschriften einzuhalten, oder weil diese aus Gewinnstreben den Einbau der ansonsten notwendigen Vorrichtungen unterließ. Die daraus zu entnehmende Gesinnung, aus Unfähigkeit oder Gewinnstreben massenhaft die Käufer der so produzierten Autos mit dem Motor Typ1 bei ihrer Kaufentscheidung zu täuschen, die Wettbewerber zu benachteiligen und die Umwelt so zu schädigen, dass Gesundheitsgefahren drohen, weil die Schadstoffwerte (NOx) erhöht werden, lässt das Verhalten insgesamt als sittenwidrig erscheinen (vgl. LG Krefeld, Urt. v. 06.11.2019 - 2 O 370/18 - BeckRS 2019, 29120; LG Hannover, Urt. v. 13.05.2019 - 1 O 129/1 - BeckRS 2019, 10926; LG Lüneburg, Urt. v. 12.02.2019 - 9 O 140/18 - BeckRS 2019, 3857; LG Köln, Urt. v. 20.12.2018 - 36 O 147/18 - BeckRS 2018, 35370).

Die technische Funktionsweise des hier streitgegenständlichen Wirkmechanismus mag zwar eine andere - gleichsam weniger offensichtliche - als bei Typ2-Motoren sein. Mit Blick auf das Fehlen jedweder ersichtlicher legitimen Zwecke auch der "Aufwärmstrategie" ist diese in der Sache aber ebenso als Werkzeug zur gezielten Manipulation von Zulassungstest zu behandeln, woraus sich eine Sittenwidrigkeit ergibt.

Das an sich erlaubte Ziel der Erhöhung des Gewinns wird auch im Verhältnis zu dem Käufer eines der betroffenen Fahrzeuge dann verwerflich, wenn es auf der Grundlage einer strategischen Unternehmensentscheidung durch arglistige Täuschung der zuständigen Typgenehmigungs- und Marktüberwachungsbehörde - des KBA (§ 2 Abs. 1 EG-FGV) - erreicht werden soll, und dies mit einer Gesinnung verbunden ist, die sich sowohl im Hinblick auf die für den einzelnen Käufer möglicherweise eintretenden Folgen und Schäden als auch im Hinblick auf die insoweit geltenden Rechtsvorschriften, insbesondere zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung und der Umwelt, gleichgültig zeigt (BGH, Urt. v. 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -, juris, Rn. 23). Ein solches Vorgehen verstößt derart gegen die Mindestanforderungen im Rechts- und Geschäftsverkehr auf dem hier betroffenen Markt für Kraftfahrzeuge, dass ein Ausgleich der bei den einzelnen Käufern verursachten Vermögensschäden geboten erscheint (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -, juris, Rn. 23). Gerade wenn die Käufer (und damit auch der Kläger) - was auch aus Sicht des Senats naheliegt - sich keine konkreten Vorstellungen über die Rechtsbeständigkeit der Typgenehmigung und die Erfüllung der gesetzlichen Abgasgrenzwerte machten, war das Inverkehrbringen der Fahrzeuge unter diesen Umständen sittenwidrig und stand wertungsmäßig einer unmittelbaren arglistigen Täuschung der Käufer gleich.

Dem Kläger ist durch das sittenwidrige Verhalten der Beklagten in Form des Inverkehrbringens des streitgegenständlichen Fahrzeugs auch ein Schaden entstanden, §§ 826, 249 Abs. 1 BGB, der in dem Abschluss des Kaufvertrags über das bemakelte Fahrzeug liegt. Der Schaden besteht bereits in dem Erwerb des mit der genannten Motorsteuerungssoftware ausgerüsteten Fahrzeugs, weil das erworbene Fahrzeug infolge der eingesetzten Software hinter den Vorstellungen des Klägers von der allgemein ordnungsgemäßen Ausrüstung des zu erwerbende Pkw zurückblieb und sich dieses Zurückbleiben spätestens wegen der latent drohenden Stilllegung des Fahrzeugs (vgl. hierzu BGH, Beschl. v. 08.01.2019 - VIII ZR 225/17 -, juris; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 05.03.2019 - 13 U 142/18 - BeckRS 2019, 3395, Rn. 18) nachteilig auf den Vermögenswert des Pkw auswirkte (vgl. OLG Köln, Hinweisbeschluss v. 29.11.2018 - 18 U 70/18 - BeckRS 2018, 36568).

Für die Frage, ob ein Schaden eingetreten ist, kommt es allein auf den Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses an. Das später von der Beklagten entwickelte Software-Update ist insoweit nicht zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -, juris, Rn. 58).

Eine Haftung aus § 826 BGB scheidet nicht deshalb aus, weil die VO (EG) 715/2007 nicht dem Schutz individueller Vermögensinteressen, sondern gesamtgesellschaftlichen Zielen dient (vgl. OLG München, Urt. v. 29.01.2020 - 20 U 4075/18 -, juris; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 05.03.2019 - 13 U 142/18 -, juris; LG Lüneburg, Urt. v. 12.02.2019 - 9 O 140/18 - BeckRS 2019, 3857; a.A. OLG Braunschweig, Urt. v. 19.02.2019 - 7 U 134/17 -, juris, Rn. 188). Denn die Haftung aus § 826 BGB knüpft - anders als etwa ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit einem Schutzgesetz - nicht unmittelbar an den Verstoß gegen die genannte Verordnung an, sondern folgt aus der mit dem Inverkehrbringen des Fahrzeugs verbundenen Täuschung über die Erfüllung der materiellen Typgenehmigungsvoraussetzungen und damit das latente Stilllegungsrisiko. Diese Pflichtverletzung ist für den Rechtskreis des Käufers ersichtlich von Bedeutung, weil über einen die Kaufentscheidung wesentlich beeinflussenden Umstand getäuscht wird (vgl. OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss v. 05.03.2019 - 13 U 142/18 - BeckRS 2019, 3395, Rn. 40).

Auch der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen der Handlung der Beklagten und dem Schaden liegt vor. Die Darlegungs- und Beweislast hierfür trifft grundsätzlich den Geschädigten (vgl. Palandt-Sprau, BGB, 79. Aufl. 2020, § 826 Rn. 18; BGH v. 04.06.2013 - VI ZR 288/12, juris Rn. 25).

Es ist davon auszugehen, dass der Kläger das streitgegenständliche Fahrzeug nicht gekauft hätte, wenn er gewusst hätte, dass bei dem Motor eine Steuerungssoftware vorliegt, die dafür sorgt, das Abgasverhalten auf dem Prüfstand "optimiert" wird. Es entspricht der Lebenserfahrung, dass Kraftfahrzeugkäufer vom Kauf eines Fahrzeugs Abstand nehmen würden, wäre ihnen bekannt, dass das betreffende Fahrzeug zwar formal über eine EG-Typgenehmigung verfügt, aber wegen Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung diese nicht hätte erhalten dürfen, weshalb jederzeit Maßnahmen der die Typgenehmigung erteilenden Behörde und dem folgend der Zulassungsstelle bis hin zur Stilllegung drohen (vgl. BGH v. 25.05.2020, VI ZR 252/19, juris).

Zwar liegt es aufgrund der hohen Motorisierung des Fahrzeugs nicht nahe, dass die Umweltfreundlichkeit des Fahrzeugs für den Kläger die allein entscheidende Kaufmotivation gewesen ist, doch kann auch ein Käufer solch eines Fahrzeuges erwarten, dass dieses die maßgeblichen von der Beklagten beworbenen Emissionswerte jedenfalls nicht nahezu ausschließlich auf dem Prüfstand, sondern im Wesentlichen auch im Realbetrieb einhält.

Der Schaden ist dem Kläger durch vorsätzliches Verhalten der Beklagten entstanden. Für die Bejahung des Vorsatzes im Rahmen des § 826 BGB reicht es aus, dass das Bewusstsein vorliegt, dass die Schädigung im Bereich des Möglichen liegt sowie das Schädigungsrisiko billigend in Kauf genommen wird (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -, juris, Rn. 61; LG Krefeld, Urt. v. 06.11.2019 - 2 O 370/18 - BeckRS 2019, 29120; Wagner, in Münchener Kommentar BGB, 8. Auflage 2020, § 826 BGB, Rn. 26). Die vorgenommene technische Manipulation erfolgte gezielt, um die entsprechenden Werte manipulativ zu beschönigen, damit das Fahrzeug eine entsprechende Zulassung erhält. Es ist ausgeschlossen, dass die handelnden Personen die Unzulässigkeit der Abschalteinrichtung und die daraus folgende Verwerflichkeit ihres Verhaltens nicht erkannt haben (siehe oben).

Der Ersatzanspruch richtet sich bei § 826 BGB auf das negative Interesse. Wenn wie hier der Geschädigten durch Täuschung eines Dritten zum Abschluss eines Vertrags veranlasst wurde, steht ihr im Rahmen der Naturalrestitution gem. § 249 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Rückgängigmachung der Folgen des Vertrags zu, das heißt Ausgleich der für den Vertrag getätigten Aufwendungen durch den Schädiger gegen Herausgabe des aus dem Vertrag Erlangten (vgl. BGH, Urteil v. 25.05.2020, VI ZR 252/19; juris; OLG München, Urteil v. 29.01.2020 - 20 U 4075/18 -, juris; BGH, Urteil v. 19.07.2004, II ZR 402/02, juris Rn. 41; BGH, Urteil v. 28.10.2014, VI ZR 15/14, juris Rn. 28; so auch OLG Karlsruhe, Urteil v. 06.11.2019, 13 U 37/19, juris Rn. 104; OLG Stuttgart, Urteil v. 24.09.2019, 10 U 11/19, BeckRS 2019, 23215 Rn. 68; KG Berlin, Urteil v. 26.09.2019, 4 U 77/18, juris Rn. 122; OLG Frankfurt, Beschluss v. 25.09.2019, 17 U 45/19, juris Rn. 36).

Der Kläger kann daher den von ihm aufgewendeten Kaufpreis Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des erlangten Fahrzeugs an die Beklagte zurückverlangen.

Es entspricht ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung dem Geschädigten neben einem Ersatzanspruch nicht die Vorteile verbleiben dürfen, die ihm durch das schädigende Ereignis zugeflossen sind. Gleichartige Gegenansprüche sind automatisch zu saldieren. Solange Ersatzanspruch und Vorteil nicht gleichartig sind, muss der Schädiger Schadensersatz nur Zug um Zug gegen Herausgabe des Vorteils leisten (vgl. insbesondere BGH v. 25.05.2020, VI ZR 252/19, juris; OLG München v. 29.01.2020 - 20 U 4075/18 -, juris; BGH v. 23.06.2015, XI ZR 536/14, NJW 2015, 3160 Rn. 22 m.w.N.).

Der Schadensersatzanspruch des Geschädigten ist daher nur mit dieser Einschränkung begründet. Danach kann die Klägerin die Erstattung der von ihr für den Erwerb des Fahrzeugs verauslagten Kosten abzüglich einer Entschädigung für die gezogenen Nutzungen Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des erworbenen Fahrzeugs an die Beklagte verlangen (vgl. nun für die "BB-Fälle" auch BGH v. 25.05.2020, VI ZR 252/19).

Die zeitanteilige lineare Wertminderung ist im Vergleich zwischen tatsächlichem Gebrauch und voraussichtlicher Gesamtnutzungsdauer, ausgehend vom Kaufpreis im Wege der Schätzung gemäß § 287 ZPO zu ermitteln (vgl. insbesondere BGH, v. 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -, juris; OLG München v. 29.01.2020 - 20 U 4075/18 -, juris; BGH, Urteil v. 17.05.1995 - VIII ZR 70/97 -, NJW 1995, 2159, 2161).

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist bei einer Bewertung des Gebrauchsnutzens in Abhängigkeit vom Kaufpreis und von der voraussichtlichen Gesamtnutzungsdauer grundsätzlich an den Bruttokaufpreis anzuknüpfen, da auch im Verhältnis der Vertragsparteien zueinander der Käufer den Bruttokaufpreis zu entrichten hatte (vgl. BGH, Urteil v. 09. April 2014 - VIII ZR 215/13 -, Rn. 12, juris).

Die im Einzelfall unter gewöhnlichen Umständen zu erzielende Gesamtfahrlaufleistung stellt den Gesamtgebrauchswert dar. Der Senat schätzt gemäß § 287 ZPO die Gesamtlaufleistung des streitgegenständlichen Pkw auf 300.000 Kilometer, wobei Dieselmotoren allgemein als besonders langlebig gelten und die PKW der Beklagten als deutscher Hersteller grundsätzlich bereits gehobenen Qualitätsansprüchen genügen. Die erwartete Laufleistung im Erwerbszeitpunkt beträgt mithin 300.000 Kilometer. Eine höhere zu erwartende Gesamtlaufleistung war nicht zu Grunde zu legen. Maßgeblich ist nicht die technisch mögliche, sondern die allgemein zu erwartende Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs, nicht lediglich des Motors. Diese schätzt der Senat gemäß § 287 ZPO auf 300.000 km. Nach dieser Laufleistung ist der mit dem Kaufpreis erworbene Nutzwert üblicherweise verbraucht, da bereits die Reparaturkosten für kleinere bis mittlere technische Defekte - die bei einer Laufleistung von 300.000 km schon durch Verschleiß jederzeit zu erwarten sind - den verbleibenden Restwert regelmäßig übersteigen. Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 25.05.2020, VI ZR 252/19, sowohl die lineare Berechnungsmethode als auch die Annahme einer Gesamtlaufleistung von 300.000 km (Pkw2) gebilligt, was der ganz überwiegenden Judikatur der Obergerichte entspricht (vgl. etwa OLG München v. 29.01.2020 - 20 U 4075/18 -, juris; OLG Karlsruhe v. 05.03.2019, 13 U 142/18, juris Rn. 114; OLG Karlsruhe v. 06.11.2019, 13 U 37/19, juris Rn. 109; das OLG Koblenz v. 12.06.2019, 5 U 1318/18, juris Rn. 112; das OLG Köln v. 17.07.2019, 16 U 199/18, juris Rn. 25; das OLG Hamm v. 10.09.2019, 13 U 149/18, juris Rn. 92 ff.; und das OLG Stuttgart v. 24.09.2019, 10 U 11/19, BeckRS 2019, 23215 Rn. 76; anders das OLG Frankfurt v. 25.09.2019, 17 U 45/19, juris Rn. 42 ff., das hinsichtlich des Nutzungsvorteils auf die ersparten Aufwendungen in Form des Wertverlusts abstellt, den die Klagepartei ansonsten bei einem alternativen mangelfreien Fahrzeug erlitten hätte und insoweit Beweis erhebt).

Der Kläger muss sich nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung die von ihm gezogenen Nutzungen anrechnen lassen, die sich im Rahmen der gem. § 287 ZPO vorzunehmenden Schätzung nach der Formel: Gebrauchsvorteil = ((Bruttokaufpreis x gefahrene Kilometer) / erwartete Gesamtlaufleistung berechnet (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020 - VI ZR 252/19 - BeckRS 2020, 10555; OLG Karlsruhe Hinweisbeschluss v. 05.03.2019 - 13 U 142/18 - BeckRS 2019, 3395, Rn. 114).

Zum Zeitpunkt des Kaufvertrags (Kilometerstand: 0 km) war mithin noch von einer Restlaufleistung von 300.000 km auszugehen. Der Kilometerstand des Fahrzeugs zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung betrug 67.251 km, so dass insgesamt 67.251 km gefahren wurden. Daraus errechnet sich hier nach obiger Formel eine Nutzungsentschädigung in Höhe von 12.775,44 € ((56.990 € x 67.251 Kilometer) / 300.000 Kilometer).

Dieser Nutzungsersatz ist von dem Kaufpreis in Abzug zu bringen, so dass sich ein Schaden von 44.214,56 € (56.990 € abzüglich 12.775,44 €) ergibt, der Zug um Zug gegen Herausgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs zu zahlen ist.

Da die Beklagte bereits wegen der Verwendung der als "Strategie A" bezeichneten Aufwärmfunktion haftet, kann die Zulässigkeit der weiteren von der Klägerpartei gerügten Funktionen dahinstehen. Auf deren Zulässigkeit kommt es für die Entscheidung nicht an. Jedenfalls ergibt sich aus ihnen kein weitergehender Anspruch.

2.

Der Kläger hat darüber hinaus einen Anspruch auf Feststellung des Annahmeverzuges der Beklagten.

Der Feststellungsantrag zum Annahmeverzug ist zulässig. Das gem. § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse folgt aus den vollstreckungsrechtlichen Anforderungen der §§ 756, 726 Abs. 1 ZPO (vgl. BGH, Urt. v. 13.12.2001 - VII ZR 27/00 - NJW 2002, 1262, Rn. 27; OLG Hamm, Urt. v. 14.08.2020 - 45 U 22/19 -, juris, Rn. 140). Ein Urteil, in dessen Tenor der Annahmeverzug festgestellt wird, ist eine öffentliche Urkunde i.S.d. § 756 Abs. 1 ZPO (vgl. Seiler, in Thomas/Putzo, ZPO, 41. Auflage 2020, § 756, Rn. 10). In materiell-rechtlicher Hinsicht spricht für das Feststellungsinteresse, dass der Kläger so die Möglichkeit erhält, über § 300 Abs. 1 BGB eine Haftungsbeschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit herbeizuführen.

Der Feststellungsantrag ist auch begründet. Die Beklagte befindet sich mit der Rücknahme des von dem Kläger erworbenen Fahrzeugs in Annahmeverzug. Die insofern einschlägigen Voraussetzungen der §§ 293, 295 Satz 1 BGB sind vorliegend erfüllt. Annahmeverzug setzt voraus, dass der Gläubiger dem Schuldner die Leistung, so wie sie geschuldet wird, anbietet (OLG Koblenz, Urt. v. 24.08.2020 - 12 U 1737/19 - BeckRS 2020, 20959; OLG Köln, Urt. v. 24.03.2020 - 4 U 235/19 - BeckRS 2020, 6856).

Ein Annahmeverzug lässt sich indes nicht bereits ab dem 31.08.2018 feststellen. Das außergerichtliche Anwaltsschreiben des Klägers vom 13.08.2018 (Anlage K8, Bl. 45-48 Bd. I) war nicht geeignet, einen Annahmeverzug zu begründen. In dem außergerichtlichen Anwaltsschreiben vom 13.08.2018 hat der Kläger die Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs nicht zu den Bedingungen angeboten, von denen er diese hätte abhängig machen dürfen. Zwar hatte der Kläger außergerichtlich gegenüber den Beklagten Ansprüche mit Anwaltsschreiben vom 13.08.2018 angemeldet und insofern ergebnislos eine Frist bis 30.08.2018 gesetzt (Anlage K8, Bl. 45-48 Bd. I). Der Kläger hat aber erheblich zu viel gefordert. Eine erhebliche Zu-Viel-Forderung hindert den Eintritt des Annahmeverzuges (BGH, Urt. v. 20.07.2005 - VIII ZR 275/04 -, juris; OLG Karlsruhe, Urt. v. 12.09.2007 - 7 U 169/06 -, juris). Die potenziell weitreichenden Folgen des Annahmeverzuges (§ 330ff. BGB) können der Beklagten billigerweise dann nicht aufgebürdet werden, wenn sich der Kläger zur Herausgabe seines Fahrzeugs gegen Erhalt der ihm berechtigten zustehenden (geringeren) Leistung erkennbar nicht bereit erklärt hat (OLG Koblenz, Urt. v. 24.08.2020 - 12 U 1737/19 - BeckRS 2020, 20959; OLG Köln, Urt. v. 24.03.2020 - 4 U 235/19 - BeckRS 2020, 6856.

Im vorgerichtlichen Aufforderungsschreiben hat der Kläger die Beklagten aufgefordert, ihm einen Betrag in Höhe von insgesamt 56.990 € zu erstatten. Auf Grundlage einer bis zu diesem Zeitpunkt erbrachten Laufleistung hätte ihm aber nur ein Anspruch in Höhe von 48.848,79 € zugestanden. Der Senat schätzt die zum Zeitpunkt des Aufforderungsschreibens gefahrenen Kilometer des Klägers auf ca. 42.856 Kilometer. Die Fahrleistung des Klägers entspricht 67.251 Kilometer in ca. 5 Jahren und 9 Monaten, was einer monatlichen Fahrleistung von ca. 974 Kilometern (67.251 Kilometer / 69 Monate) entspricht. Vom Zeitpunkt der Übergabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs bis zum Zeitpunkt des außergerichtlichen Aufforderungsschreibens der Prozessbevollmächtigten des Klägers dürfte der Kläger ca. 42.856 Kilometer (974 Kilometer x 44 Monate) gefahren sein. Damit ergibt sich ein damals berechtigter Forderungsbetrag von 48.848,79 € (Kaufpreis 56.990 € abzüglich Nutzung bis Anwaltsschreiben von 8.141,21 € (56.990 € x 42.856 Kilometer / 300.000 Kilometer). Ein zur Begründung von Annahmeverzug auf Seiten der Beklagten geeignetes Angebot ist unter diesen Umständen nicht gegeben (vgl. zu dieser Konstellation BGH, Urt. v. 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -, juris, Rn. 85 m.w.N.).

Ein dahingehendes taugliches Angebot, das die Beklagte aufgrund kontinuierlicher Verweigerungshaltung zumindest konkludent hätte ablehnen können, hat der Kläger aber im Verlauf des vorliegenden Rechtsstreits abgegeben. Ein wörtliches Angebot kann auch in dem auf Zug-um-Zug-Leistung gerichteten Klageantrag liegen. Dies gilt jedoch - von geringfügigen Zuvielforderungen abgesehen - nicht, wenn das Angebot an überhöhte Forderungen geknüpft ist (BGH, Urt. v. 20.07.2005 - VIII ZR 275/04 -, juris; OLG Saarbrücken, Urt. v. 14.02.2020 - 2 U 128/19 - BeckRS 2020, 2158). Ob die Zuvielforderung als geringfügig anzusehen ist, ist eine Frage des Einzelfalls (vgl. OLG Oldenburg, Urt. v. 06.03.2020 - 11 U 178/19 - BeckRS 2020, 16432).

Der Kläger hat im vorliegenden Fall sein Angebot auf Herausgabe des Fahrzeugs zunächst von einer nicht unerheblichen Zuvielforderung abhängig gemacht. Er hat im Rahmen seiner Hauptsacheforderung bis zum 27.08.2020 jeweils Deliktszinsen gemäß § 849 BGB verlangt. Er hat ausweislich seiner Anträge in begrenztem Umfang eine Nutzungsentschädigung von der Kaufpreishöhe in Abzug gebracht. Dieser Abzug erfolgte jedoch bis zuletzt unter Zugrundelegung einer Gesamtlaufleistung von 350.000 km (Bl. 121 Bd. I).

Auch nach dem 27.08.2020 hat der Kläger im Ergebnis danach 47.241,13 € geltend gemacht, obwohl ihm zuletzt nur ein Zahlungsanspruch in Höhe von 44.214,56 € zustand. Die angebotene Rückübereignung war mithin ab dem 28.08.2020 an eine überhöhte Zahlungsforderung von rund 3.000 € geknüpft. Diese Zuvielforderung ist aber für die Begründung des Annahmeverzuges unschädlich, da sie unter Berücksichtigung von Treu und Glauben relativ geringfügig ist (vgl. OLG Karlsruhe, Urt. v. 24.03.2020 - 17 U 122/19 -, juris, Rn. 97 bzgl. einer Zuvielforderung von rund 3.000 €).

3.

Der Anspruch auf Freistellung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten des Klägers besteht gem. §§ 826, 249 Abs. 1 BGB lediglich in Höhe von 1.822,96 €.

Erstattungsfähig als Schaden gemäß § 249 Abs. 1 BGB sind solche Rechtsverfolgungskosten, die aus Sicht des Geschädigten erforderlich und zweckmäßig sind (BGH, Urteil v. 9.4.2019, VI ZR 89/18 - juris Rn. 26). Grundsätzlich hat ein Rechtsanwalt den Geschädigten umfassend zu beraten. Der Klägervertreter der eine Vielzahl von Geschädigten in der Abgasproblematik vertritt, dürfte es zwar bekannt gewesen sein, dass eine außergerichtliche Einigung wegen der insoweit fehlenden Vergleichsbereitschaft der Beklagten unwahrscheinlich war. Dennoch war es nicht ausgeschlossen, dass die Beklagte ihre Haltung überdenken und Vergleichsangebote unterbreiten würde - gerade vor dem Hintergrund sich abzeichnender obergerichtlicher Rechtsprechung zur Haftung der Beklagten gemäß § 826 BGB dem Grunde nach und deshalb, weil es in den Verfahren betreffend den Abgasskandal zahlreiche außergerichtliche Vergleiche der Beklagten in den Rechtsmittelinstanzen gegeben hatte. Es stellte deshalb nach Auffassung des Senats keinen anwaltlichen Fehler dar, die Beklagte vorgerichtlich anzuschreiben, zumal der Kläger im Fall eines unerwarteten sofortigen Anerkenntnisses im Prozess Gefahr lief, mit Kosten der Rechtsverfolgung belastet zu werden. Dem Anwalt kann nicht zum Vorwurf gemacht werden, insoweit den sichereren Weg über ein außergerichtliches Schreiben zu wählen.

Für den Gegenstandswert bzgl. der vorgerichtlichen Tätigkeit ist der Wert des verfolgten Anspruchs zum Zeitpunkt des Tätigwerdens des Klägervertreters maßgeblich. Vom Kaufpreis sind daher die bereits gezogenen Gebrauchsvorteile in Abzug zu bringen.

Der Kläger hat mit vorgerichtlichem Anwaltsschreiben vom 13.08.2018 gegenüber der Beklagten Schadensersatzansprüche geltend gemacht. Der Senat schätzt die zum Zeitpunkt des Aufforderungsschreibens gefahrenen Kilometer des Klägers auf 42.856 Kilometer (zur Grundlage der Schätzung siehe die obige Berechnung unter Ziffer 1). Damit ergibt sich ein damals berechtigter Forderungsbetrag von 48.848,79 € (s.o.). Aus dem Gegenstandswert bis 50.000 € sind die erstattungsfähigen vorgerichtlichen Kosten zu erstatten.

Der Senat setzt für die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG die Mittelgebühr von 1,3 an. Eine Erhöhung der Schwellengebühr von 1,3, welche die Regelgebühr für durchschnittliche Fälle darstellt, auf eine 2,0-fache Gebühr ist nur gerechtfertigt, wenn die Tätigkeit des Rechtsanwalts umfangreich oder schwierig war.

Der Senat setzt für die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG den Faktor 1,3 an. Nach § 2 Abs. 2 S. 1 RVG bestimmt sich die Höhe der Vergütung des Rechtsanwalts nach dem Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz. Nach Nr. 2300 des Vergütungsverzeichnisses (im Folgenden: Nr. 2300 VV RVG) beträgt die Geschäftsgebühr nach § 13 RVG das 0,5- bis 2,5-fache einer vollen Gebühr. Allerdings kann nach Satz 2 dieser Regelung eine Gebühr von mehr als 1,3 nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Davon kann vorliegend indessen nicht ausgegangen werden (OLG Köln, Urteil vom 26. Mai 2020 - 4 U 188/19 -, Rn. 177, juris m.w.N.). Die Prozessbevollmächtigten des Klägers werben auf ihrer Webseite damit, zu einer der führenden Kanzleien bei der Durchsetzung von Ansprüchen im Abgasskandal zu gehören. Die Klägervertreter betreiben die Verfahren im Abgasskandal als Massengeschäft. Bereits im außergerichtlichen Aufforderungsschreiben an die Beklagte haben sie erklärt, eine große Menge an Geschädigten zu vertreten (Bl. 45-47 Bd. I).

Nach Ansicht des Senats mag sich eine Tätigkeit des Anwalts im vorliegenden Fall zwar möglicherweise schwierig und wegen der Vielzahl von Rechtsproblemen und der ständigen Entwicklung der Rechtsprechung als umfangreich darstellen. Auf die höchstrichterliche Toleranzrechtsprechung mit der theoretischen Folge, dass die von dem Kläger für angemessen erachtete Gebührenhöhe jedenfalls im Umfange von bis zu 20 % über dem 1,3-fachen zuzubilligen sein könnte, kann sich der Kläger nicht berufen. Zwar steht dem Rechtsanwalt gemäß § 14 Abs. 1 RVG bei Rahmengebühren ein Ermessensspielraum zu und eröffnet auch Nr. 2300 VV RVG eine Rahmengebühr. Die Toleranzrechtsprechung greift, wenn der Rechtsanwalt eine Gebühr von mehr als 1,3 beansprucht, indessen nur dann ein, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen der Nr. 2300 VV RVG für eine Überschreitung der Regelgebühr von 1,3 vorliegen (BGH, Urteil vom 11.07.2012 - VIII ZR 323/11 - juris Rn. 11), also die anwaltliche Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Das kann hier nach Maßgabe der im voranstehenden Absatz gegebenen Begründung gerade nicht angenommen werden (vgl. OLG Köln, Urteil vom 26. Mai 2020 - 4 U 188/19 -, Rn. 178, juris).

Damit ergibt sich einschließlich Auslagenpauschale und Umsatzsteuer ein Gebührenanspruch in Höhe von 1.822,96 € ((1,3 x 1.163 € vorgerichtliche Gebühr zzgl. 20 € Auslagenpauschale) zzgl. 19 % Umsatzsteuer), von welchem die Beklagte den Kläger freizustellen hat. Hinsichtlich des weitergehenden Anspruchs war die Klage zu Recht abzuweisen.

4.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288, 291 BGB.

Dabei ist nach den Urteilen des Bundesgerichtshofes vom 30.07.2020 (BGH, Urt. v. 30.07.2020 - VI ZR 397/19 - BeckRS 2020, 19838; BGH, Urt. v. 30.07.2020 - VI ZR 354/19 - NJW 2020, 2796; vgl. auch OLG Oldenburg, Urt. v. 19.03.2020 - 14 U 272/19 - BeckRS 2020, 21124) zu beachten, dass die Verzinsungsbasis teilweise erst im laufenden Verfahren durch die Weiternutzung des Fahrzeugs absinkt und diesem Umstand bei der Entscheidung Rechnung zu tragen ist. Das Verfahren wurde im Mai 2019 rechtshängig, der Senat schätzt nach den dargelegten Schätzungsgrundlagen die Laufleistung des Fahrzeugs zu diesem Zeitpunkt auf etwa 51.622 Kilometer (974 Kilometer monatlich x 53 Monate). Zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit ergäbe sich dann eine zu diesem Zeitpunkt berechtigte Forderung in Höhe von 47.183,54 € (Kaufpreis 56.990 € - 9.806,46 € (Nutzungsentschädigung). Folglich sinkt die zu verzinsende Forderung von 47.183,54 € (Rechtshängigkeit 13.05.2019, Verzinsung ab 14.05.2019) auf 44.214,56 € (Schluss der mündlichen Verhandlung zweiter Instanz am 04.09.2020). Da nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes von einem linearen Absinken auszugehen ist, konnte der gesamte Zeitraum mit der rechnerischen Mitte von 45.699,05 € verzinst werden ((47.183,54 zzgl. 44.214,56 €) / 2). Ab dem Schluss der mündlichen Verhandlung war lediglich der zuerkannte Betrag zu verzinsen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Der Senat hat für die Kostenentscheidung die mit der Berufung des Klägers verfolgten Nebenforderungen, die bis zur Klagerücknahme in der Berufungsinstanz nicht streitwertmäßig zu berücksichtigen sind, unter Ansatz eines fiktiven Streitwerts unter Berücksichtigung der Nebenforderungen quotiert Denn die deliktischen Zinsen machen wirtschaftlich betrachtet einen nicht unerheblichen Teil der Klageforderung aus (vgl. Herget in Zöller, ZPO, 33. Auflage 2020, § 92 ZPO, Rn. 3). Die Kosten sind bei teilweiser Klagerücknahme im Endurteil gem. § 92 ZPO quotenmäßig zu verteilen, auch wenn sich die Rücknahme nur auf eine Nebenforderung bezieht (vgl. BGH, Urt. v. 04.06.1992 - IX ZR 149/91 -, juris, Rn. 108; Greger, in Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 269 ZPO, Rn. 19a).

Unter dem gleichen Gesichtspunkt war auch die Kostenentscheidung erster Instanz unter fiktiver Erhöhung des Streitwertes um die geltend gemachten Nebenforderungen abzuändern.

Die Festsetzung des Verfahrenswertes für das Berufungsverfahren folgt aus §§ 47 Abs. 1 S. 1, 48 Abs. 1 S. 1 GKG, § 3 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

IV.

Die Revision wird gem. § 543 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO zugelassen. Die Sache ist aufgrund der Vielzahl vergleichbarer Fälle von grundsätzlicher Bedeutung. Zudem erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Der Senat weicht von dem Beschluss des OLG München vom 17.12.2019 (Az. 30 U 4455/18 - BeckRS 2019, 41979), dem Beschluss des OLG München vom 23.12.2019 (Az. 5 U 1351/19 - BeckRS 2019, 41964) und dem Urteil des OLG Köln vom 22.11.2019 (Az. 19 U 62/19) ab, mit welchen eine Haftung der Beklagten betreffend den streitgegenständlichen Motor Typ1 verneint worden ist (a.A. OLG Karlsruhe Beschluss vom 22.08.2019, Az: 17 U 257/18).