Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 28.10.2020, Az.: 12 W 123/20 (PS)

Anerkennung einer nach libanesischen Eherecht erfolgten Eheschließung

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
28.10.2020
Aktenzeichen
12 W 123/20 (PS)
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2020, 64340
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
AG Osnabrück - 07.09.2020 - AZ: 37 III 3/20

Amtlicher Leitsatz

Im libanesischen Eherecht ist zwischen der Eheschließung – die sich nach religiösem Recht vollzieht – und der Registrierung der Ehe zu unterscheiden, wonach alle Religionsangehörigen verpflichtet sind, eine nach den Vorschriften ihrer Religion wirksam geschlossene Ehe innerhalb eines Monats nach Eheschließung registrieren zu lassen.
Ein nach islamischen Recht in Deutschland vor zwei männlichen Zeugen geschlossener Ehevertrag genügt nicht der Form des hier geltenden Ortsrechtes und führt ohne Mitwirkung eines Standesbeamten nicht zu einer wirksamen Eheschließung.
Die Anerkennung eines solchen Vertrages durch ein ausländisches Gericht kann nicht die hier geltende Ortsform ersetzen. Eine derartige gerichtliche Registrierung ist auch nicht mit einer Trauungszeremonie gleichzusetzen, bei der die auf eine die gemeinsame Eheschließung abzielenden Willenserklärungen vor einer Trauungsperson abgegeben werden.
Ob das im Libanon geltende Recht eine Eheschließung durch Stellvertretung (in Form der sog. „Handschuhehe“) zulässt, bedarf für das vorliegende Verfahren keiner Beantwortung, da eine derartige Eheschließung vorliegend dem Standesamt nicht in einer den Anforderungen von § 9 Abs. 2 PStG genügenden Form nachgewiesen worden ist.

Tenor:

Auf die Beschwerde der beteiligten Standesamtsaufsicht wird der Beschluss des Amtsgerichts Osnabrück vom 07.09.2020 geändert:

Auf seine Zweifelsvorlage vom 17.02.2020 wird das beteiligte Standesamt angewiesen, den Antrag der Antragsteller auf Anerkennung einer zwischen ihnen im Ausland (Ort4/Libanon) geschlossenen Ehe zurückzuweisen.

Die Antragsteller tragen die Kosten des gerichtlichen Verfahrens.

Der Wert des gerichtlichen Verfahrens, sowie des Beschwerdeverfahrens wird festgesetzt auf 5.000,- €.

Gründe

I.

Die Antragsteller begehren die Anerkennung einer angeblich im Libanon zwischen ihnen geschlossenen Ehe durch das beteiligte Standesamt.

Die Antragstellerin besitzt die deutsche, der Antragsteller die libanesische Staatsangehörigkeit. Beide Antragsteller haben ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort in Deutschland und sind muslimischen Glaubens. Sie haben ausweislich einer in den Akten befindlichen beglaubigten Vertragsübersetzung am 28.01.2020 in der DD Moschee der EE e.V. einen islamischen Ehevertrag geschlossen. Der Vertrag wurde in Gegenwart zweier männlicher Zeugen von den Antragstellern persönlich unterzeichnet. Gleichzeitig stimmte der Vormund/Beauftragte der Antragstellerin der Eheschließung zu. Dieser unterzeichnete, wie auch der Vertragsverfasser, ebenfalls die Vertragsurkunde. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die in der Akte befindliche amtliche Übersetzung des Ehevertrages vom 28.01.2020 nebst abgelichteten Originals verwiesen.

Die Antragsteller haben vorgetragen, dass es sich bei der Vertragsunterzeichnung in Ort3 lediglich um eine private Zeremonie gehandelt habe. Gleichzeitig seien Papiere durch bevollmächtigte Personen dem Gericht im Libanon vorgelegt worden. Dort sei die Ehe registriert worden und auch eine Heiratsurkunde ausgestellt worden. Die Antragsteller haben hierzu die beglaubigte Übersetzung eines Registerauszuges (Familienbuch) des Innenministeriums der libanesischen Republik vom 15.04.2016 sowie die beglaubigte Übersetzung eine Heiratsurkunde des Innenministeriums der Republik Libanon gleichen Datums vorgelegt. In dem Familienbuch werden die Antragsteller als miteinander verheiratet geführt, mit dem Zusatz: "Ehe 955/2016.04.15 Ehevertrag am 28.01.2016". In der Heiratsurkunde findet sich unter "Eheschließungsort und -datum" die Eintragung: "Ort4: 28.01.2016 - 06:00". Die Antragsteller sind der Ansicht, dass die Eheschließung im Libanon erfolgt sei.

Das beteiligte Standesamt hat den Vorgang dem Amtsgericht Osnabrück gemäß § 49 Abs. 2 PStG als Zweifelsvorlage vorgelegt. Der Eheschließungsort sei nicht eindeutig festzustellen. Insoweit könnte Art. 13 Abs. 4 EGBGB der Anerkennung entgegenstehen.

Die beteiligte Standesamtsaufsicht hat die Ansicht vertreten, dass ausweislich der vorgelegten Urkunden Grundlage für die im Libanon eingetragene Eheschließung der Vertrag vom 28.01.2016 sei, der in Ort3 geschlossen worden wäre. Diese Eheschließung sei unter Beachtung von Art. 13 Abs. 4 EGBGB unwirksam, da der Vertragsschluss unter Beteiligung einer deutschen Staatsangehörigen im deutschen Rechtsbereich erfolgt sei.

Mit Beschluss vom 07.09.2020 hat das Amtsgericht das beteiligte Standesamt angewiesen, die Eheschließung der Antragsteller vom 15.04.2016 in Ort4 anzuerkennen. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass es nach den vorliegenden Unterlagen davon überzeugt sei, dass die Eheleute ihre Ehe nach islamischen Recht wirksam in Ort4 geschlossen haben. Dies sei am 15.04.2016 erfolgt und nicht am 28.01.2016 durch Abschluss eines Ehevertrages in Ort3. Nach der Heiratsurkunde sei die Ehe im Libanon geschlossen worden, wobei beide Eheleute bei der Eheschließung vertreten wurden, was nach libanesischen Recht bei Muslimen zulässig sei. Beide Eheleute seien muslimischen Glaubens. Darüber hinaus sei diese Eheschließung auch im libanesischen Familienbuch genauso eingetragen worden. Hiernach sei die Eheschließung am 15.04.2016 in Ort4 erfolgt. Diese Eintragung differenziere ausdrücklich zwischen dem Akt der Eheschließung einerseits und dem Ehevertrag andererseits, der am 28.01.2016 geschlossen worden sei.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde der beteiligten Standesamtsaufsicht. Sie vertritt weiterhin die Auffassung, dass die Ehe mit dem vorgelegten Ehevertrag bereits in Ort3 geschlossen worden sei. In Ort4 sei lediglich eine Registrierung erfolgt. Der Umstand, dass die religiös in Ort3 geschlossene Ehe aus libanesischer Sicht gegebenenfalls wirksam sei, sei für die deutsche Sicht irrelevant.

II.

Die nach §§ 51 Abs. 1 S. 1, 53 Abs. 2 PStG, §§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 3 FamFG statthafte Beschwerde der beteiligten Standesamtsaufsicht ist zulässig und begründet. Auf seine Zweifelsvorlage nach § 49 Abs. 2 PStG kann das beteiligte Standesamt nicht angewiesen werden, eine Eheschließung der Antragsteller vom 15.04.2016 in Beirut anzuerkennen. Der entsprechende Antrag der Antragsteller, der als Antrag auf Registrierung einer im Ausland geschlossenen Ehe gemäß § 34 Abs. 1 S. 1 PStG auszulegen ist, ist vielmehr unbegründet und daher zurückzuweisen.

Ob eine etwaige Eheschließung zwischen den Antragstellern für das deutsche Recht anzuerkennen ist, richtet sich nach Art. 13 EGBGB. Für Ehen, die im Inland geschlossen werden, stellt Absatz 4 dieser Vorschrift klar, dass diese von der deutschen Rechtsordnung nur anerkannt werden, wenn sie der hier vorgeschriebenen Form genügen. Dies setzt nach § 1310 Abs. 1 Satz 1 BGB die Mitwirkung des Standesbeamten voraus. Soweit Art. 13 Abs. 4 Satz 2 Ausländern eine Eheschließung auf deutschem Hoheitsgebiet vor einer durch eine ausländische Regierung ermächtigten Person ohne Beachtung dieser Form gestattet, findet diese Ausnahme auf das Verhältnis zwischen den Antragstellern von vornherein keine Anwendung, da die Antragstellerin die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, sodass für sie im Inland eine Eheschließung nur unter der Beachtung der deutschen Rechtsvorschriften möglich ist. Eine wirksame Eheschließung zwischen den Antragstellern, an der unstreitig kein deutscher Standesbeamter mitgewirkt hat, kommt daher nur in Betracht, wenn sie außerhalb des Hoheitsgebietes der Bundesrepublik Deutschland erfolgt wäre.

Der Ort der Eheschließung bestimmt sich dabei nach dem Ort, an dem die Verlobten ihre Willenserklärung die auf die Eingehung der Ehe gerichtet sind, abgeben. Wird die Ehe dabei im Rahmen einer förmlichen Trauungszeremonie unter Mitwirkung einer besonderen Trauungsperson geschlossen, so ist der Ort der Eheschließung derjenige, dem in Anwesenheit der Trauung Person die Zeremonie stattfindet. Hierbei kommt es - je nach den vor Ort geltenden Formvorschriften - auch in Betracht, dass sich einer der Eheleute im Rahmen der sogenannten "Handschuhe-Ehe" bei der Eheschließung selbst durch einen Bevollmächtigten vertreten lässt (vgl. BGHZ 29, 137 (143f); BayObLGZ 2000, 335, zit. aus juris RN 9; Andrae, Internationales Familienrecht (4. Aufl.) RN 147; Staudinger/Mankowski, EGBGB (2010) Ar. 13 RN 478, 482).

Im libanesischen Eherecht ist zwischen der Eheschließung und der Registrierung der Ehe zu unterscheiden. Die Eheschließung selbst richtet sich nach religiösem Recht; die an sie zu stellenden Anforderungen unterscheiden sich erheblich danach, welcher Religionsgemeinschaft die Eheschließenden angehören. Dagegen gilt für alle Religionsangehörigen, dass sie ihre geschlossene Ehe nach Art. 22 des Gesetzes über die Registrierung der personenstandsrechtlichen Beurkundungen vom 07.12.1951 (abgedruckt in Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Libanon (125. Lieferung) S. 13) innerhalb eines Monats nach Eheschließung registrieren lassen müssen. Die Registrierung der Ehe ist damit von der Eheschließung selbst, die sich nach religiösen Vorschriften vollzieht, zu unterscheiden. Sie ist für die Eheschließung selbst nicht konstitutiv. Hieraus folgt, dass eine etwaige Ehe zwischen den Antragstellern jedenfalls nicht am 15.04.2016 geschlossen worden ist. Insoweit ergibt sich aus der vorgelegten Heiratsurkunde, dass an diesem Tag die Heiratsurkunde beim Standesbeamten zur Registrierung eingereicht worden ist, wo sie - ausweislich des vorliegenden Registerauszuges - auch an diesem Tag registriert worden ist. Hinsichtlich der Eheschließung selbst verweist die Urkunde dagegen auf das Datum 28.01.2016. Auch die Registrierung enthält insoweit den Hinweis auf den Ehevertrag vom 28.01.2016.

Tatsächlich würde sich eine etwaige Eheschließung zwischen den Antragstellern im Libanon nach dem für den Antragsteller als Ehemann maßgeblichen sunnitischem Recht nach den Vorschriften des Osmanischem Familiengesetzes von 1917, vollziehen, welches dort für die Eheschließung von Angehörigen der islamisch-sunnitischen Glaubensgemeinschaft weiterhin Gültigkeit hat (Chaussade-Klein in Bergmann/Feried, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Libanon (125. Lieferung) S. 15). Zwar sieht Art 37 des Osmanischen Familiengesetzes (abgedruckt bei Bergmann/Feried, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Landesteil Israel (200. Lieferung) S. 143ff) vor, dass der Vertrag vor einem Richter zu erklären ist, der die Ehe registrieren muss. Offenbar hat sich aber im Libanon die Praxis herausgebildet, wonach ein Scharia-Gericht den im Ausland beurkundeten Vertragsschluss bestätigt, ohne dass deswegen vor Ort die Trauungszeremonie erneuert werden müsste (vgl. KGBerlin StAZ 2019, 367 (368); Krömer, StAZ 1994, 324 (325)). Entscheidend für eine wirksame Eheschließung nach islamischen Recht bleibt jedenfalls der vor zwei männlichen Zeugen geschlossene Ehevertrag (vgl. Art. 34, 35 des Osmanischen Familiengesetzes; OLG Düsseldorf, FamRZ 1992, 1078 (1079); Chaussade-Klein, a.a.O.,S. 15; Rohe, StAZ 2006, 93 (94f)). Dieser maßgebliche Vertrag ist vorliegend in Ort3 geschlossen worden. Er genügt nicht der Form des hier geltenden Ortsrechtes und ist damit unwirksam (vgl. KG Berlin, a.a.O.). Die Anerkennung eines solchen Vertrages durch ein ausländisches Gericht kann nicht die hier geltende Ortsform ersetzen. Eine derartige gerichtliche Bestätigung ist auch nicht mit einer Trauungszeremonie gleichzusetzen, bei der die auf die gemeinsame Eheschließung abzielenden Willenserklärungen vor einer Trauungsperson abgegeben werden. Eine entsprechende Wertung liefe auf eine Umgehung des Ortsrechtes im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik hinaus, die eine formlose Eheschließung im Inland ermöglichen würden (vgl. KG Berlin, a.a.O., Kröner, a.a.O.).

Entgegen den Ausführungen des Amtsgerichts lässt sich auch nicht feststellen, dass der erforderliche Vertragsschluss im Libanon nach dort geltenden Formvorschriften vorgenommen worden wäre. Dabei kann es dahinstehen, ob das im Libanon geltende Recht eine durch Stellvertretung geschlossene Ehe zulässt, wie es das Amtsgericht angenommen hat (das osmanische Familiengesetzes von 1917 enthält hierzu keine Angaben, schließt dieses aber auch nicht explizit aus). Weder ist ein derartiger, von Bevollmächtigten geschlossener Ehevertrag vorgelegt worden, noch sind entsprechende Bevollmächtigte überhaupt benannt oder in der Heiratsurkunde aufgeführt worden. Damit ist eine entsprechende Eheschließung durch Stellvertretung jedenfalls nicht in einer den Anforderungen von § 9 Abs. 2 PStG genügenden Form nachgewiesen. Unabhängig hiervon erscheint auch sehr zweifelhaft, dass zwei praktisch identische Verträge am gleichen Tage sowohl in Ort3 von den Brautleuten als auch in Ort4 von Bevollmächtigten geschlossen worden sein sollen. Letztlich widersprechen auch die Angaben der Antragsteller einer derartigen vom Amtsgericht angenommenen Eheschließung durch Vertreter. Diese haben in ihrer Antragsschrift vielmehr angegeben, dass von ihnen bevollmächtigte Personen "fertige" Papiere beim Gericht vorgelegt haben, auf deren Grundlage sie als "verheiratet" eingetragen worden seien. Eigene Erklärungen von Stellvertretern vor einer hierzu berufenen Trauungsperson sind auch nach ihrem Vortrag nicht abgegeben worden. Auch nach ihren Ausführungen ist davon auszugehen, dass dem Scharia-Gericht in Ort4 lediglich der in Ort3 geschlossene Ehevertrag zur Bestätigung und anschließenden Registrierung bei den staatlichen Stellen vorgelegt worden ist.

Die sodann erfolgte Bestätigung der Eheschließung durch die von einem religiösen Richter in Ort4 ausgestellte Eheurkunde, welche schließlich am 15.04.2016 zur Registrierung der Ehe beim libanesischen Standesbeamten führte, hat für die Anerkennung der Ehe durch das deutsche Recht keine Bedeutung (kritisch hierzu, aber mit zahlr. entspr. Nachweisen: Staudinger/Mankowski, a.a.O., RN 549).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 FamFG, § 51 Abs. 1 PStG. Die Wertfestsetzung ergeht nach §§ 36 Abs. 1 und 2, 61 GNotKG.