Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 29.09.2005, Az.: 11 K 396/04

Haftung einer inländischen Tochtergesellschaft für nicht abgeführte Lohnsteuer bei Gratifikationen an abgeordnete Arbeitnehmer der ausländischen Muttergesellschaft ; Ermittlung des voraussichtlichen Arbeitslohns; Begriff des Arbeitgebers; Auswirkungen der Entsendung von Arbeitnehmern von der Muttergesellschaft an die Tochtergesellschaft auf die Arbeitgebereigenschaft

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
29.09.2005
Aktenzeichen
11 K 396/04
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 32236
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2005:0929.11K396.04.0A

Fundstelle

  • NWB direkt 2006, 7

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Arbeitgeber ist regelmäßig die Person, die Vertragspartner des Arbeitnehmers aus dem Dienstvertrag ist.

  2. 2.

    Entsendet eine Muttergesellschaft Arbeitnehmer an ihre Tochtergesellschaft, so wird diese Arbeitgeberin, sofern ein separater Dienstvertrag abgeschlossen wird und das Arbeitsverhältnis mit der Obergesellschaft während der Beschäftigungszeit ruht. Arbeitnehmer der Obergesellschaft bleibt der Arbeitnehmer nur, wenn er während seiner Abordnung sein Gehalt weiterhin von der Obergesellschaft erhält und nur ihr gegenüber weisungsgebunden ist.

  3. 3.

    Eine inländische Tochtergesellschaft ist für den Lohnsteuerabzug bei Gratifikationen an abgeordnete Arbeitnehmer ihrer ausländischen (japanischen) Muttergesellschaft auch dann nach§ 38 Abs. 1 Satz 2 EStG 2003 verantwortlich, wenn die Gratifikationen aufgrund eines separaten Arbeitsvertrags zwischen ihr und den Arbeitnehmern nach deren Rückkehr in ihr Heimatland von der Muttergesellschaft ausgezahlt werden.

  4. 4.

    Die abzuführenden Lohnsteuerabzugsbeträge sind unter Berücksichtigung des in Deutschland ausgezahlten laufenden Arbeitslohns als voraussichtlicher Jahresarbeitslohn zu ermitteln.

Tatbestand

1

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Klägerin ihre Verpflichtung als Arbeitgeberin, Lohnsteuer einzubehalten und abzuführen, ordnungsgemäß erfüllt hat.

2

Die Klägerin betrieb in den Streitjahren den Import von Ersatzteilen für Kraftfahrzeuge und den Vertrieb dieser Teile in Deutschland. Sie ist eine Tochtergesellschaft eines japanischen Unternehmens. In den Streitjahren 2002 und 2003 beschäftigte sie unter anderem japanische Arbeitnehmer, die von der japanischen Muttergesellschaft entsandt wurden. Die Klägerin schloss mit den Arbeitnehmern unbefristete Arbeitsverträge. Das zu zahlende Gehalt setzte sich aus dem in Deutschland durch die Klägerin zu zahlenden Gehalt und dem Gehalt zusammen, das die Muttergesellschaft - in ihrer Funktion als Oberarbeitgeber - zu zahlen hatte. Die Pflichten der Arbeitnehmer zur Muttergesellschaft ruhten imÜbrigen.

3

Nach Artikel 6 Abs. 4 der Arbeitsverträge sollte den Arbeitnehmern zweimal jährlich zusätzlich eine Gratifikation als Entgelt für die geschäftliche Zielerreichung ausgezahlt werden. Der Arbeitnehmer hatte auf die Zusatzleistung keinen Rechtsanspruch, auch wenn deren Gewährung mehrmals erfolgt war. Die Gratifikation konnte von der Muttergesellschaft ausgezahlt werden, dies jedoch für die Klägerin als Arbeitgeberin. Teilweise wurden die Bonuszahlungen von der Muttergesellschaft erst gezahlt, nachdem die Arbeitnehmer Deutschland wieder verlassen und nach Japan zurückgekehrt waren. Eine Weiterbelastung der Aufwendungen gegenüber der Klägerin durch die Muttergesellschaft unterblieb.

4

Die Klägerin unterwarf die Sonderzahlungen, die während der Zeit der unbeschränkten Lohnsteuerpflicht der Arbeitnehmer ausgezahlt wurden, dem Lohnsteuerabzug nach § 39 b Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG). Die nach der Rückkehr nach Japan gezahlten Beträge unterzog sie, soweit sie sich auf die Arbeitszeit in Deutschland bezogen, dem Lohnsteuerabzug nach § 39 d EStG, wobei sie den im jeweiligen Veranlagungsjahr während des Bestehens der unbeschränkten Steuerpflicht bezogenen laufenden Arbeitslohn nicht in die Bemessungsgrundlage für die sonstigen Bezüge einbezog.

5

Der Beklagte führte in der Zeit von Oktober bis November 2003 eine Lohnsteueraußenprüfung bei der Klägerin durch. Der Prüfer griff diesen Sachverhalt auf und bezog die erhaltenen Lohnbezüge bei der Berechnung des Jahresarbeitlohns ein. Aufgrund der erhöhten Bemessungsgrundlagen ergaben sich bei den individuellen Nachberechnungen Differenzen in Höhe von 60.000 EUR bei der Lohnsteuer und 3.300 EUR beim Solidaritätszuschlag.

6

Der gegen den Haftungsbescheid erhobene Einspruch blieb erfolglos.

7

Mit ihrer Klage trägt die Klägerin vor, sie sei nach§ 38 Abs. 1 EStG zum Lohnsteuerabzug für die nach der Rückkehr nach Japan von der japanischen Muttergesellschaft ausgezahlten Gratifikationen nicht verpflichtet. Diese Zuwendungen seien von der Muttergesellschaft gezahlt worden, sodass eine Abführungspflicht nach§ 38 Abs. 1 Satz 2 EStG nur dann angenommen werden könne, wenn es sich um Zahlungen im Rahmen des mit ihr geschlossenen Dienstverhältnisses handele. Dies könne aber nicht angenommen werden, weil die Höhe der Gratifikation ausschließlich von der Muttergesellschaft bestimmt worden sei. Der Klägerin seien die gezahlten Beträge nicht in Rechnung gestellt worden. § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG sei mit Wirkung vom 1. Januar 2004 geändert worden, wobei in Entsendungsfällen für die Annahme eines inländischen Arbeitgebers zusätzlich verlangt werde, dass das aufnehmende Unternehmen den Lohnaufwand wirtschaftlich trage. Dieser Rechtsgedanke müsse auch für die alte Rechtslage herangezogen werden.

8

Hilfsweise wendet sich die Klägerin gegen die Einbeziehung der während der unbeschränkten Steuerpflicht ausgezahlten Löhne bei der Bemessung der Lohnsteuer nach § 39 d EStG. Es sei zwar zwischen den Beteiligten unstreitig, dass das Besteuerungsrecht für die ausgezahlten Boni bei der Bundesrepublik Deutschland läge, sodass ein Lohnsteuerabzug nach dieser Vorschrift grundsätzlich vorzunehmen sei. Hierbei dürften die während der unbeschränkten Steuerpflicht ausgezahlten laufenden Löhne aber nicht berücksichtigt werden. Das Einkommensteuergesetz trenne in §§ 39 b und c exakt zwischen dem Lohnsteuerabzug bei unbeschränkt und beschränkt Steuerpflichtigen. Die Verfahren seien daher unabhängig voneinander durchzuführen. Dies ergebe sich schon deshalb, weil der Arbeitgeber bei einem Arbeitsplatzwechsel die im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht bezogenen Einnahmen nicht kennen könne, weil die auszustellende Bescheinigung hierzu keinerlei Informationen enthalte.

9

Dieses Ergebnis ergäbe sich im Übrigen aus einer historischen Betrachtung des § 2 Abs. 7 EStG. Für den Bereich der Einkommensteuerveranlagung hätten ursprünglich bei einem Wechsel zwischen beschränkter und unbeschränkter Steuerpflicht zwei Veranlagungen durchgeführt werden müssen. Wenn auch der Gesetzgeber mit der Einfügung des § 2 Abs. 7 Satz 3 EStG nunmehr die Einbeziehung der Einkünfte während der beschränkten Steuerpflicht in die Veranlagung zur unbeschränkten Steuerpflicht vorsehe, gelte dies nicht für den Lohnabzug, weil eine solche Ergänzung in §§ 39 b und d EStG nicht vorgenommen worden sei.

10

Mit dem Lohnsteuerabzug solle auch keine exakte Ermittlung der Jahreslohnsteuer erfolgen. Ungenauigkeiten habe der Gesetzgeber hingenommen. Zielsetzung der Lohnversteuerung für den Zeitraum der beschränkten Steuerpflicht sei nicht die möglichst genaue Ermittlung der voraussichtlichen Jahressteuer, sondern lediglich die zutreffende Berechnung der Lohnsteuer für den jeweiligen Zahlungsmonat.

11

Ergänzend verweist die Klägerin zur Untermauerung ihrer Argumentation auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 17. Dezember 2003 I R 75/03, BStBl II 2005, 96.

12

Die Klägerin beantragt,

den Haftungsbescheid vom xxx in Gestalt des Einspruchsbescheids vom xxx aufzuheben.

13

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

14

Er hält an seiner im Einspruchsbescheid geäußerten Rechtsauffassung fest.

Gründe

15

Die Klage ist unbegründet.

16

Der Haftungsbescheid vom xxx und der Einspruchsbescheid vom xxx sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin war nach § 38 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 EStG zum Lohnsteuerabzug hinsichtlich der Gratifikationen verpflichtet, auch wenn diese erst nach dem Ausscheiden und der Rückkehr der Arbeitnehmer nach Japan ausgezahlt wurden. Der Beklagte hat den Lohnsteuerabzug nach § 39 d EStG zu Recht unter Einbeziehung der während der Zeit der unbeschränkten Steuerpflicht bezogenen Löhne berechnet.

17

Die Klägerin war als inländische Arbeitgeberin nach§ 38 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 EStG zum Lohnabzug auch für die Gratifikationen verpflichtet, weil diese nach den vorgelegten Unterlagen im Rahmen des zwischen ihr und den Arbeitnehmern bestehenden Arbeitsverhältnisses von der japanischen Muttergesellschaft gezahlt worden sind und diese Verfahrensweise üblich war.

18

Die Klägerin war nach § 38 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG Arbeitgeberin der japanischen Arbeitnehmer während ihrer Tätigkeit in Deutschland. Arbeitgeber im steuerlichen Sinne ist nach § 1 Abs. 1 und 2 Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) derjenige, dem der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung schuldet, unter dessen Leitung er tätig wird oder dessen Weisungen er zu folgen verpflichtet ist. Dies ist regelmäßig die Person, die Vertragspartner des Arbeitnehmers aus dem Dienstvertrag ist. Entsendet eine Muttergesellschaft Arbeitnehmer an ihre Tochtergesellschaft, so wird diese Arbeitgeberin, sofern ein separater Dienstvertrag abgeschlossen wird und das Arbeitsverhältnis mit der Obergesellschaft während der Beschäftigungszeit ruht. Nur wenn der Arbeitnehmer während seiner Abordnung sein Gehalt weiterhin von der Obergesellschaft erhält und nur ihr gegenüber weisungsgebunden ist, bleibt er auch steuerrechtlich Arbeitnehmer der Obergesellschaft (BFH-Urteil vom 19. Februar 2004 VI R 122/00, BStBl II 2004, 620). Im Streitfall wurden zwischen der Klägerin und den Arbeitnehmern separate Arbeitsverträge geschlossen. Die Arbeitsverhältnisse mit der japanischen Muttergesellschaft ruhten während der Zeit der Beschäftigung in Deutschland.

19

Die gezahlten Gratifikationen unterlagen auch dem Lohnsteuerabzug nach § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG. Entgegen der Ansicht der Klägerin handelt es sich um Arbeitslohn, der im Rahmen des Dienstverhältnisses zur Klägerin für die Arbeitsleistung erbracht wurde. Die Zahlung durch die Muttergesellschaft war nach den Gepflogenheiten im Konzern üblich.

20

Die ausgezahlten Gratifikationen sind als nachträglicher Arbeitslohn der Arbeitnehmer zu werten. Zu den Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit gehören gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG neben Gehältern und Löhnen auch andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Dabei ist es gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht (§ 19 Abs. 1 Satz 2 EStG) oder unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie gewährt werden (§ 2 Abs. 1 Satz 2 LStDV). Für eine Beschäftigung werden Bezüge oder Vorteile gewährt, wenn sie durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst worden sind. Erforderlich ist nicht, dass sie eine Gegenleistung für eine konkrete einzelne Dienstleistung des Arbeitnehmers sind. Eine Veranlassung durch das individuelle Dienstverhältnis ist vielmehr zu bejahen, wenn die Einnahmen dem Empfänger mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis zufließen und sich als Ertrag der nichtselbstständigen Arbeit darstellen, d.h. wenn sich die Leistung des Arbeitgebers im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist (BFH-Urteil vom 30. Mai 2001 VI R 159/99, BStBl II 2001, 815 m.w.N.).

21

Arbeitslohn kann auch bei einer Zuwendung eines Dritten anzunehmen sein, wenn diese ein Entgelt "für" eine Leistung bildet, die der Arbeitnehmer im Rahmen des Dienstverhältnisses für seinen Arbeitgeber erbringt, erbracht hat oder erbringen soll. Voraussetzung ist, dass sie sich für den Arbeitnehmer als Frucht seiner Arbeit für den Arbeitgeber darstellt und im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis steht. Arbeitslohn liegt jedoch dann nicht vor, wenn die Zuwendung wegen anderer Rechtsbeziehungen oder wegen sonstiger, nicht auf dem Dienstverhältnis beruhender Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gewährt wird (BFH-Urteile vom 24. Januar 2001 I R 119/98, BStBl II 2001, 512; vom 19. August 2004 VI R 33/97, BStBl II 2004, 1076; BFH-Beschluss vom 30. Dezember 2004 VI B 67/03, JURIS STRE200550110).

22

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind die Zuwendungen, die die Arbeitnehmer von der japanischen Muttergesellschaft erhalten haben, als Arbeitslohn für die Tätigkeit in Deutschland anzusehen, soweit sie sich auf die in Deutschland geleistete Arbeit beziehen. Eine Rechtsbeziehung zwischen den Arbeitnehmern und der japanischen Gesellschaft, aufgrund derer die Zahlungen erfolgten, bestand nicht.

23

Nach den vorgelegten Arbeitsverträgen hatte die Klägerin ihren Arbeitnehmern als Entgelt für die geschäftliche Zielerreichung während ihrer Beschäftigung in Deutschland eine Gratifikation eingeräumt. Die Auszahlung dieser Zuwendung konnte nach dem Vertrag zwar durch die Muttergesellschaft erfolgen, jedoch nur für die Klägerin. Aus der Sicht der Arbeitnehmer stellte die in Japan erhaltene Zahlung eine zusätzliche freiwillige Entlohnung für ihre erfolgreiche Arbeitsleistung in Deutschland dar. Dies gilt umso mehr, als das Arbeitsverhältnis zur Muttergesellschaft während der Zeit in Deutschland ruhte, somit dort kein Anspruch auf diese Zusatzleistung erdient werden konnte.

24

Dieses Ergebnis wird durch die tatsächliche Handhabung der während der Beschäftigungszeit in Deutschland aus Japan gezahlten Sondervergütungen gestützt. Die Klägerin erstellte über diese Vergütungen neben den laufenden Gehältern Abrechnungen für die Arbeitnehmer und behielt die fälligen Lohnsteuerabzugsbeträge ein.

25

Entgegen der Ansicht der Klägerin folgt aus dem Umstand, dass sie bei der Bemessung der Gratifikation keine Einflussmöglichkeit auf die Entscheidung der Muttergesellschaft hatte und ihr die Zahlungen nicht weiterbelastet wurden, kein abweichendes Ergebnis. Für die Beurteilung eines Vorteils als Arbeitslohn ist die Sichtweise des Arbeitnehmers entscheidend. Dieser wird aber bei verständiger Würdigung die erhaltenen Sonderzahlungen nicht als Leistung der Muttergesellschaft betrachten, weil er ihr gegenüber keine Arbeitsleistung erbracht hat.

26

Dass die Zahlungen gerade "für eine Arbeitsleistung im Rahmen des Dienstverhältnisses" im Sinne des § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG, nämlich zur Honorierung der in Deutschland in der Vergangenheit geleisteten Tätigkeit erbracht worden sind, folgt unmittelbar aus dem Umstand, dass der Bedeutungsgehalt dieser Tatbestandsmerkmale nach der Rechtsprechung des BFH mit dem Merkmal des Arbeitslohns identisch ist (BFH-Urteil vom 24. Oktober 1997 VI R 23/94, BStBl II 1999, 323).

27

Die vom BFH bei der Anwendung des § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG zusätzlich aufgestellte Voraussetzung, der Arbeitgeber müsse bei einer Lohnzahlung durch Dritte über deren Höhe in Kenntnis gesetzt werden (BFH-Urteile vom 24. Oktober 1997 VI R 23/94, a.a.O., und vom 30. Mai 2001 VI R 123/00, BStBl II 2002, 230), ist im Streitfall ebenfalls erfüllt. Die Klägerin hatte - bevor sie die Lohnabrechnungen für ihre Arbeitnehmer erstellte und den Lohnsteuerabzug vornahm - entsprechende Erkundigungen bei der japanischen Muttergesellschaft eingeholt und auch zutreffende Angaben erhalten.

28

Wenn die Klägerin demgegenüber darauf abstellt, dass die Klägerin auf die Bemessung der Gratifikation und die Auszahlung keinen Einfluss hatte, stellt sie auf die Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 13. März 1974 VI R 212/70, BStBl II 1974, 411) vor der Einfügung des § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG 1975 ab, die der BFH als überholt ansieht. ImÜbrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin bei der Auszahlung der Gratifikationen schon deshalb mitgewirkt hat, weil sie durch den Abschluss der Arbeitsverträge mit der Klausel in Art. 6 Abs. 4 den wirtschaftlichen Anlass für die Auszahlung gesetzt hat und zudem mit der zahlenden Muttergesellschaft im Rahmen des Organschaftsverhältnisses eng verbunden war (vgl. BMF-Schreiben vom 27. September 1993, BStBl I, 814).

29

Schließlich war die Zahlung der Gratifikationen durch die japanische Muttergesellschaft nach dem Vortrag der Klägerin im Konzern auch üblich. Zur Überzeugung des Gerichts ist für die Frage, ob eine Drittzahlung üblich ist, auf den Kenntnisstand des konkreten Arbeitgebers abzustellen, weil dieser vor einer übermäßigen Verpflichtung zur Einbehaltung und Abführung von Lohnabzugsbeträgen geschützt werden soll. Nach dem Vortrag der Klägerin ist es in japanischen Unternehmen gängige Praxis, die Arbeitnehmer mit zusätzlichen Bonuszahlungen am Ergebnis des Unternehmens zu beteiligten. Es liegt nahe, dass ein japanischer Arbeitnehmer nur dann bereit ist, sich zeitweise an ein deutsches Tochterunternehmen abordnen zu lassen, wenn ihm dieser Standard erhalten bleibt. Aus diesem Grund hatte die Klägerin den Passus über die halbjährlichen Gratifikationen in alle vorgelegten Arbeitsverträge aufgenommen. Von einer gängigen Praxis ist daher auszugehen.

30

Entgegen der Auffassung der Klägerin folgt auch kein anderes Ergebnis aus dem Umstand, dass mit Wirkung vom 1. Januar 2004 eine Regelung über die Arbeitnehmerentsendung in § 38 Abs. 1 EStG eingefügt worden ist, wonach der aufnehmende Betrieb als inländischer Arbeitnehmer anzusehen ist, wenn er den Arbeitslohn für die ihm geleistete Arbeit wirtschaftlich trägt. Mit dieser Novellierung hat der Gesetzgeber auf die Rechtsprechung des BFH zur Abgrenzung des steuerrechtlichen Arbeitgeberbegriffs von dem nach den Doppelbesteuerungsabkommen reagiert (vgl. Drenseck, in: Schmidt, EStG, 24. Aufl. 2005, § 38 Rdnr. 5). Zwar wurde in diesem Zusammenhang auch die Regelung über den Lohnsteuerabzug bei Zahlungen Dritter modifiziert (§ 38 Abs. 1 Satz 3 EStG n.F.), jedoch dort dieses Kriterium nicht eingeführt.

31

Die Klägerin war verpflichtet, bei der Berechnung des Lohnsteuerabzugs auf die Gratifikationen die von ihr zuvor ausgezahlten laufenden Löhne im Rahmen der Ermittlung des voraussichtlichen Jahresarbeitslohns zu berücksichtigen.

32

Nach § 39 d Abs. 3 Satz 4 EStG ist für das Verfahren des Lohnsteuerabzugs bei beschränkt Steuerpflichtigen das Verfahren für den Lohnabzug bei unbeschränkt Steuerpflichtigen in § 39 b Abs. 2 bis 6 EStG anzuwenden, soweit die Regelungen in § 39 d Abs. 1 und 2 EStG keine abweichenden Regelungen enthalten. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Beklagte bei der Berechnung der Lohnsteuer die Angaben der Bescheinigungen nach § 39 d Abs. 2 EStG beachtet hat.

33

Bei der Berechnung der Bemessungsgrundlage für den sonstigen Bezug ist der voraussichtliche Jahresarbeitslohn nach § 39 b Abs. 3 EStG zu ermitteln. Entgegen der Auffassung der Klägerin folgt aus der Verweisung in § 39 d Abs. 3 Satz 4 EStG nicht, dass nur der voraussichtliche Jahresarbeitslohn während der Zeit der beschränkten Steuerpflicht herangezogen werden kann. Mit der Einschränkung "im Übrigen" in Satz 4 verdeutlicht das Gesetz lediglich, dass die in § 39 d Abs. 1 und 2 EStG genannten Abweichungen im Verhältnis zum Lohnsteuerabzugsverfahren bei unbeschränkt Steuerpflichtigen vorrangig zu berücksichtigen sind; von diesen Ausnahme abgesehen werden unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer gleich behandelt (vgl. Eisgruber, in: Kirchhof, EStG, 5. Aufl. 2005, § 39 d Rdnr. 3; Wermelskirchen, in: Lademann, EStG , Loseblattsammlung, Stand: Januar 2000, § 39 d Rdnr. 13; Thürmer, in: Blümich, EStG-KStG-GewStG, Loseblattsammlung, Stand: März 2005, § 39 d Rdnr. 50; Frotscher, in: Frotscher, EStG, Loseblattsammlung, Stand: 9/2003, § 39 d Rdnr. 24; Becht, in: Hermann/Heuer/Raupach, EStG-KStG, Losblattsammlung, Stand: Oktober 2003,§ 39 d EStG Anm. 10). Die hiergegen von der Klägerin geäußerten Zweifel greifen nicht durch.

34

Der Klägerin ist zunächst zuzugeben, dass der Gesetzgeber zwei unterschiedliche Verfahren zur Ermittlung des Lohnsteuerabzugs bei beschränkter und unbeschränkter Steuerpflicht des Arbeitnehmers in § 39 b und § 39 d EStG vorgesehen hat. Die Besonderheiten bei den jeweiligen Verfahren hat er aber nach der Systematik in § 39 d Abs. 3 Satz 4 EStG dadurch berücksichtigt, dass er für den Fall der beschränkten Steuerpflicht Ausnahmetatbestände geschaffen und im Übrigen dann für das Verfahren auf § 39 b EStG verwiesen hat.

35

Aus der Trennung des Lohnsteuerabzugsverfahrens nach beschränkter und unbeschränkter Steuerpflicht folgt nicht, dass nur der Jahresarbeitslohn, der während der beschränkten Steuerpflicht bezogen wurde, der Lohnsteuer zu unterwerfen ist. § 39 d Abs. 3 Satz 4 EStG verweist nach seinem eindeutigen Wortlaut ohne ausdrückliche Einschränkung auf die Berechnung nach§ 39 b Abs. 3 EStG. Eine teleologische Reduktion der Norm ist im Hinblick auf die Systematik der Norm nicht geboten.

36

Die Lohnsteuer auf der Grundlage der §§ 38 ff. EStG ist keine selbstständige Steuer, sondern nur eine besondere Erhebungsform der Einkommensteuer. Da die Einkommensteuer nach § 36 Abs. 1 EStG erst mit Ablauf des Veranlagungszeitraums entsteht, die Lohnsteuer aber nach § 38 Abs. 2 Satz 2 EStG bereits mit dem Zufluss von Arbeitslohn, also zu einem Zeitpunkt, zu dem die Einkommensteuer noch nicht entstanden ist, handelt es sich bei der Lohnsteuer um eine Vorauszahlung auf die Einkommensteuer, letztlich also um einen verfahrensmäßig besonders ausgestalteten Unterfall des § 37 EStG. Entsprechend dieser Zielsetzung ist die Lohnsteuer so zu bemessen, dass sie der voraussichtlichen Jahreseinkommensteuer entsprechen bzw. angenähert sein soll (BFH-Urteil vom 18. Juli 1985 VI R 208/82, BStBl II 1986, 152; BFH-Beschluss vom 29. April 1992 VI B 152/91, BStBl II 1992, 752). Da bei einem Wechsel zwischen beschränkter und unbeschränkter Steuerpflicht innerhalb eines Veranlagungsjahres nach§ 2 Abs. 7 Satz 3 EStG die während der beschränkten Steuerpflicht erzielten inländischen Einkünfte in die Veranlagung zur unbeschränkten Einkommensteuerpflicht einzubeziehen sind, entspricht es der Zielsetzung des Lohnsteuerabzugs nach § 39 d Abs. 3 EStG, bei der Berechnung der einzubehaltenen Lohnsteuer für einem sonstigen Bezug die voraussichtlich auch während der unbeschränkten Steuerpflicht erhaltenen Lohnzahlungen zu berücksichtigen (so auch Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn, EStG, Loseblattsammlung, Stand: April 2002,§ 39 b Rdnr. D 4; Wermelskirchen, in Lademann, EStG, Stand: Juli 2003, § 39 b Rdnr. 83). Soweit in der Literatur dagegen unter Hinweis auf die Verfügung der OFD Münster vom 11. Juli 1979 S 2368 - 19 - St 12 - 31, BB 1979, 1754 die gegenteilige Ansicht vertreten wird (Barein, in: Littmann/Bitz/Pust, EStG, Loseblattsammlung, Stand: Mai 2004, § 39 d Rdnr. 36), folgt der Senat dieser Auffassung nicht, weil sie sich zur Begründung ausdrücklich auf die vor der Einfügung des § 2 Abs. 7 Satz 3 EStG geltende Rechtslage beruft.

37

Aus dem Urteil des BFH vom 17. Dezember 2003 I R 75/03, BStBl II 2005, 96, folgt nichts anderes. Dort hatte das Gericht entschieden, dass der Werbungskostenpauschbetrag nach § 9 a Satz 1 Nr. 1 a EStG auch dann in voller Höhe zu gewähren ist, wenn der Steuerpflichtige nur zeitweise in Deutschland gearbeitet und im Übrigen Einkünfte bezogen hat, die nur im Rahmen des§ 32 b Abs. 1 Nr. 3 EStG zu berücksichtigen sind. Dies gilt auch dann, wenn bei den letzteren Einnahmen höhere Werbungskosten angefallen sind. Das Gericht begründet seine Ansicht mit der Überlegung, dass der Pauschbetrag ein Jahresbetrag ist, der mangels entgegenstehender Regelung nicht auf die Monate der Einkunftserzielung gekürzt werden dürfe. Eine Schattenveranlagung sieht § 32 b EStG nicht mehr vor.

38

Die Überlegungen des BFH sind auf den Streitfall nichtübertragbar, weil in §§ 39 d Abs. 3 Satz 4, 39 b Abs. 3 EStG ausdrücklich eine Berechnung unter Berücksichtigung des voraussichtlichen gesamten Jahresarbeitslohns vorgeschrieben ist.

39

Wenn die Klägerin darüber hinaus rügt, dass gerade bei einer beschränkten Steuerpflicht die Ermittlung des voraussichtlichen Jahresarbeitslohns nach § 39 b Abs. 1 Satz 1 EStG für den Arbeitgeber zu besonderen Schwierigkeiten führt, weil der bislang bezogene Arbeitslohn auf der Bescheinigung nicht vermerkt wird, so handelt es sich dabei um Schwierigkeiten, die auch bei einer Berechnung des Lohnsteuerabzugs bei einem sonstigen Bezug für einen unbeschränkt Steuerpflichtigen nach § 39 b Abs. 3 EStG auftreten können, wenn z.B. der Arbeitnehmer seinen Arbeitplatz gewechselt hat oder die Lohnbezüge aus einem früheren Arbeitsverhältnis dem Arbeitgeber nicht bekannt sind.

40

Das Argument, die Erstreckung des zu berücksichtigenden voraussichtlichen Jahresarbeitslohns auch auf den während der unbeschränkten Steuerpflicht führe zu Unsicherheiten und letztlich zu einer Doppelbelastung, weil beim Steuerabzug nach § 39 b EStG die bescheinigte Steuerklasse auf der Lohnsteuerkarte und beim Steuerabzug nach § 39 d EStG die Steuerklasse I zu berücksichtigen sei, ist ebenfalls nicht stichhaltig. Zwar hat ein Arbeitgeber nach dem eindeutigen Wortlaut des § 39 d Abs. 1 EStG grundsätzlich die Steuerklasse I zu berücksichtigen. Dies gilt aber sowohl für die anzustellende Berechnung nach der Jahreslohnsteuertabelle ohne den sonstigen als auch inklusive des sonstigen Bezugs. Als Steuerabzugsbetrag verbleibt aber nur die Differenz zwischen beiden Beträgen, eine Nachversteuerung der bereits nach§ 39 b EStG dem Lohnsteuerabzug unterworfenen Löhne findet somit nicht statt.

41

Ein abweichendes Auslegungsergebnis folgt auch nicht aus dem Umstand, dass die vom Arbeitgeber anzustellende Prognoseentscheidung nachträglich nicht mehr korrigiert werden kann. Soweit in der Literatur gegen die sich hieraus ergebenden Unsicherheiten Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Verfahrens erhoben werden (Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn, EStG, § 39 d Rdnr. D2 f; Becht, in: Hermann/Heuer/Raupach, EStG-KStG, § 39 d EStG Anm. 10), teilt der Senat diese Auffassung nicht. Der BFH hat die in § 50 Abs. 5 Satz 1 EStG geregelte Abgeltung der Einkommensteuer für Einkünfte, die dem Steuerabzug vom Arbeitslohn unterliegen als verfassungsgemäß eingestuft, weil sie den Besonderheiten eines typisierten beschränkt Steuerpflichtigen im Vergleich zu einem unbeschränkt Steuerpflichtigen Rechnung trägt (BFH-Urteil vom 14. Februar 1975 VI R 210/72, BStBl II 1975, 497). Unter Berücksichtigung der Rechtsausführungen des BFH, denen sich der Senat anschließt, wäre es mit Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) unvereinbar, einen beschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmer dadurch zu bevorzugen, dass die vor dem Erhalt eines sonstigen Bezugs ausgezahlten Löhne bei der Berechnung des anzuwendenden Steuersatzes nicht berücksichtigt werden.

42

Gegen die Berechnung der danach einzubehaltenden und abzuführenden Lohnsteuerabzugbeträge hat die Klägerin keine Einwände erhoben, Fehler sind nach Aktenlage auch nicht ersichtlich.

43

Die Revision wurde nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, weil die Frage, ob der während der unbeschränkten Steuerpflichtigen bezogene Arbeitslohn in die Berechnung des Lohnsteuerabzugs für einen sonstigen Bezug nach § 39 d EStG einzubeziehen ist, noch nicht höchstrichterlich geklärt ist.

44

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.