Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 07.09.2005, Az.: 7 K 561/02

Besteuerung des Erwerbs eines Anspruchs auf Übereignung eines Grundstücks; Berechnung der Grunderwerbsteuer anhand der Gegenleistung für das erworbene Grundstück; Bestimmung der Gegenleistung bei einem Grundstückserwerb; Bestimmung der Besteuerungsgrundlage für den Erwerb eines nicht erschlossenen Grundstücks bei Verpflichtung des Veräußerers selbiges zu erschließen; Verhinderung der Geltendmachung eines Steuertatbestandes durch das Finanzamt wegen der Zusage der Nichtgeltendmachung

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
07.09.2005
Aktenzeichen
7 K 561/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 33393
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2005:0907.7K561.02.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - 21.03.2007 - AZ: II R 67/05

Fundstellen

  • DStR 2006, XII Heft 44 (Kurzinformation)
  • DStRE 2007, 48-49 (Volltext mit amtl. LS)
  • NWB direkt 2006, 11

Tatbestand

1

Streitig ist, ob eine Zahlung der Kläger an die Veräußerin zur Abgeltung zukünftig durchzuführender Erschließungsmaßnahmen in die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage einzubeziehen ist.

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Die Kläger erwarben mit notariellem Kaufvertrag vom 18. Januar 2002 von der VOBA Beratungs- und Dienstleistungsgesellschaft der Volksbank B. mbH (im folgenden Voba) ein Baugrundstück von 650 qm Größe (vor Vermessung) in B. Neben dem Kaufpreis von 43,23 EUR/m² verpflichteten sich die Kläger zur Zahlung eines Betrages zur Abgeltung der zukünftigen Erschließung des Grundstücks in Höhe von 33,39 EUR/m² sowie zur Tragung der Vermessungskosten. In § 1 Abs. 3 des Grundstückskaufvertrages wurde darauf hingewiesen, dass die Voba mit der Stadt B. in naher Zukunft einen Erschließungsvertrag abschließen wolle, in dem sich die Voba zur Erschließung des gesamten Baugebietes - u.a. auch des Grundstücks der Kläger - verpflichte. Diese Verpflichtung übernahm die Voba ausdrücklich auch gegenüber den Klägern. Ein entsprechender Erschließungsvertrag i.S.d.§ 127 Abs. 1 des Baugesetzbuches (BauGB) wurde am 28. Januar 2002 dann auch zwischen der Stadt B. und der Voba geschlossen.

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Der Beklagte sah das Grundstück in seinem zukünftigen, erschlossenen Zustand als Erwerbsgegenstand an und setzte die Grunderwerbsteuer mit den angefochtenen Bescheiden vom 13. Februar 2002 auf je 899 EUR fest. Dabei legte er 650 qm zugrunde und bezog den Abgeltungsbetrag für Erschließungskosten in die Bemessungsgrundlage ein.

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Dagegen legten die Kläger Einspruch ein, mit dem sie beanstandeten, die Größe des Grundstücks betrage - nach Vermessung - nur 643 qm. Weiterhin dürfe der Abgeltungsbetrag für Erschließungskosten nicht in die Bemessungsgrundlage einbezogen werden, da das Grundstück in unerschlossenem Zustand erworben worden sei. Die Kläger berufen sich auf das BFH-Urteil vom 15. März 2001 II R 39/99, BStBl. II 2002, 93.

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Der Beklagte korrigierte im Einspruchsverfahren die Grunderwerbsteuerbemessungsgrundlage, indem er die zutreffende Größe des Grundstücks zugrunde legte und wies den Einspruch im übrigen zurück.

6

Dagegen richtet sich die Klage. Die Kläger vertreten weiterhin die Ansicht, weil sie ein im Zeitpunkt des Erwerbs unerschlossenes Grundstück erworben hätten, unterlägen die Erschließungskosten bzw. der dafür gezahlte Abgeltungsbetrag nicht der Grunderwerbsteuer. Der beurkundende Notar habe gegenüber dem Prozeßbevollmächtigten zu der Regelung in § 1 Abs. 3 letzter Satz des Kaufvertrages erklärt, durch diese Regelung habe sichergestellt werden sollen, dass die Erschließung durchgeführt werde, und zwar möglichst umgehend, damit das Grundstück habe bebaut werden können. Deshalb sei auch die Regelung in § 5 Abs. 2 des Kaufvertrages vereinbart, nach der Zahlungen der Kläger nicht hätten entrichtet werden müssen, bevor nicht die Baustraße befahrbar gewesen sei.

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Darüber hinaus verstoße die Einbeziehung des Abgeltungsbetrags gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, denn eine Mitarbeiterin der Grunderwerbsteuerstelle des Beklagten habe gegenüber dem beurkundenden Notar telefonisch erklärt, der Vorgang sei insoweit steuerfrei.

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Die Kläger beantragen,

die festgesetzte Grunderwerbsteuer um jeweils 375,72 EUR niedriger festzusetzen.

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Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

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Er hält an seiner im Einspruchsbescheid vertretenen Auffassung fest.

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Wegen des weiteren Sachverhaltes und Vorbringens wird auf den Inhalt der Steuerakten, der gewechselten Schriftsätze und das Protokoll der mündlichen Verhandlung sowie die in der mündlichen Verhandlungübereichten Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage hat keinen Erfolg.

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1.Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 unterliegt der Erwerb eines Anspruchs auf Übereignung eines inländischen Grundstücks der Grunderwerbsteuer. Bemessungsgrundlage ist gemäß § 8 Abs. 1 GrEStG 1983 die Gegenleistung. Bei einem Grundstückskauf gilt nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 als Gegenleistung u.a. der Kaufpreis einschließlich der vom Käuferübernommenen sonstigen Leistungen. Danach gehören alle Leistungen des Erwerbers zur grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung (Bemessungsgrundlage), die dieser nach den vertraglichen Vereinbarungen gewährt, um das Grundstück zu erwerben. Entscheidend für den Umfang der Bemessungsgrundlage ist dabei, in welchem tatsächlichen Zustand das Grundstück zum Gegenstand des Erwerbsvorgangs gemacht wurde (vgl. z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 11. März 1981 II R 77/78, BFHE 133, 230, BStBl II 1981, 537; vom 24. Januar 1990 II R 94/87, BFHE 160, 284, BStBl II 1990, 590; vom 27. Oktober 1999 II R 17/99, BFHE 189, 550, BStBl II 2000, 34).

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Ist das Grundstück im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrages noch nicht "erschlossen", verpflichtet sich jedoch der Veräußerer, das Grundstück dem Erwerber in erschlossenem Zustand zu verschaffen, so ist das Grundstück in diesem Zustand Gegenstand des Erwerbsvorgangs i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983. Der auf die Erschließung entfallende Teil des Kaufpreises ist Entgelt für den Grundstückserwerb (vgl. BFH-Urteile vom 9. Mai 1979 II R 56/74, BFHE 128, 92, BStBl II 1979, 577; vom 15. März 2001 II R 39/99, BStBl. II 2002, 93).

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So liegen die Verhältnisse im Streitfall. Zwar war das von den Klägern erworbene Grundstück nicht erschlossen; der Veräußerer hatte sich jedoch sowohl gegenüber der Gemeinde als auch gegenüber den Klägern verpflichtet, die Erschließung zuübernehmen. Damit haben die Kläger - wie es auch ihren Interessen entsprach - im Ergebnis (wirtschaftlich) ein bebaubares Grundstück erworben. Vor dem Hintergrund der zitierten BFH-Rechtsprechung macht es für die grunderwerbsteuerliche Beurteilung dann keinen Unterschied, ob die Kläger das Grundstück unerschlossen mit der Verpflichtung des Veräußerers zur Erschließung (wie im Streitfall) oder bereits erschlossen erworben haben. Der Senat kann deshalb die in das Wissen des beurkundenden Notars gestellte Behauptung, die in § 1 Abs. 3 des Kaufvertrages auch gegenüber den Klägern enthaltene Verpflichtung des Veräußerers, die Erschließung vorzunehmen, habe eine zügige Erschließung sicherstellen sollen, als richtig unterstellen.

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2.

Ein Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben liegt nicht vor, weil die von der Rechtsprechung dazu entwickelten Voraussetzungen im Streitfall nicht vorliegen.

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Nach den Grundsätzen von Treu und Glauben kann ein Finanzamt gehindert sein, einen nach dem Gesetz entstandenen Steueranspruch geltend zu machen, wenn es einem Steuerpflichtigen zugesichert hat, einen Sachverhalt bei der Veranlagung in einem bestimmten Sinn zu beurteilen. Die AO 1977 regelt nur die verbindliche Zusage im Anschluss an eine Außenprüfung (vgl.§§ 204 bis 207 AO 1977). Das schließt jedoch nicht aus, dass die Finanzbehörde auch in anderen Fällen Auskünfte mit bindender Wirkung (sog. Zusage) erteilen kann. Ob eine Auskunft (Zusicherung) außerhalb der Außenprüfung die Finanzbehörde bindet, entscheidet sich nach den von der Rechtsprechung zur Rechtslage nach der Reichsabgabenordnung (AO) aus Treu und Glauben abgeleiteten Grundsätzen.

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Nach § 118 Satz 1 AO 1977 ist Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet desöffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Die Zusage, ein bestimmter Sachverhalt werde bei der späteren Veranlagung in bestimmter Weise beurteilt, kann zwar begrifflich die nach § 118 Satz 1 AO 1977 an einen Verwaltungsakt zu stellenden Anforderungen erfüllen. Davon zu unterscheiden ist indes die Frage, auf welche Art und Weise und vor allem in welcher Form verbindlich über die Festsetzung von Steuern entschieden werden darf. Insoweit treffen die §§ 155 ff. AO 1977 besondere und abschließende Regelungen. Danach werden die Steuern, d.h. entstandene Steueransprüche (§§ 37, 38 AO 1977), soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, durch Steuerbescheid festgesetzt (§ 155 Abs.1 Satz 1 AO 1977), d.h. durch eine nach Form und Inhalt gesetzlich geregelte (vgl. § 155 Abs.1 Satz 2 und § 157 AO 1977) besondere Art von Steuerverwaltungsakt. Unter welchen Voraussetzungen und wie eine solche Entscheidung durch andere Hoheitsmaßnahmen beeinflusst werden kann, ist ebenfalls gesetzlich festgelegt: So z.B. in den §§ 172 ff. AO 1977 hinsichtlich einer Änderung und in den§§ 179 ff. AO 1977 für die verselbständigte Feststellung einzelner Besteuerungsgrundlagen.

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Von dem Grundsatz, dass nur über einen bereits entstandenen Steueranspruch und nur durch Steuerbescheid bzw. ggf. durch Feststellungsbescheid unmittelbar verbindliche Regelungen getroffen werden dürfen, macht die gesetzliche Regelung der Zusage aufgrund einer Außenprüfung (§§ 204 ff. AO 1977) eine Ausnahme. Danach ist eine verbindliche Entscheidung über einen noch nicht entstandenen Steueranspruch zwar zulässig, jedoch nur in Bezug auf einen für die Vergangenheit im Rahmen einer Außenprüfung geprüften Sachverhalt. Auch insoweit sind Voraussetzungen, Verfahren, Form, Bindungswirkung und Bestandskraft ausdrücklich gesetzlich geregelt. Auf andere Zusicherungen in bezug auf einen noch nicht entstandenen Steueranspruch lässt sich diese Ausnahmeregelung nicht entsprechendübertragen. Anders als in § 38 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) hat der Gesetzgeber keine allgemeine Regelung über Zusicherungen getroffen und auch nicht treffen wollen (vgl. BTDrucks 7/4292, zu §§ 204 bis 207 AO 1977; BFH-Urteil vom 29. Oktober 1987 X R 1/80 , BFHE 151, 118, BStBl II 1988, 121). Soweit für das allgemeine Verwaltungsverfahren wegen der gesetzlichen Regelung in § 38 VwVfG der Verwaltungsaktcharakter einer Zusicherung allgemein anerkannt wird (z.B. Knack, Verwaltungsverfahrensgesetz, 3. Aufl. 1989, § 38 Anm. 3. 3; Stelkens in Stelkens/Bonk/Leonhardt, Verwaltungsverfahrensgesetz, 2. Aufl. 1983, § 38 Anm.4; Obermayer in Festschrift für Th. Maunz zum 80. Geburtstag 1981, S.247 f., 250 m.w.N.; a.A. Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht, 9. Aufl. 1974,§ 45 II b; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, 3. Aufl. 1986, § 49 I 1), ist dies für das Besteuerungsverfahren ohne Bedeutung, weil die AO 1977 keine vergleichbare allgemeine Regelung der Zusicherung enthält. Andere als die in den §§ 204 ff. AO 1977 geregelten Zusicherungen können daher im Regelungsbereich von Steuerbescheiden allenfalls nach den Grundsätzen von Treu und Glauben im Einzelfall zu einer Bindung des FA führen.

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Das FA kann nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gebunden sein, wenn es einem Steuerpflichtigen zugesichert hat, einen konkreten Sachverhalt, dessen steuerrechtliche Beurteilung zweifelhaft erscheint und der für die wirtschaftliche Disposition des Steuerpflichtigen bedeutsam ist, bei der Besteuerung in einem bestimmten Sinn zu beurteilen (z.B. BFH-Urteile vom 4. August 1961 VI 269/60 S, BFHE 73, 813, BStBl III 1961, 562; vom 19. März 1981 IV R 49/77, BFHE 133, 144, BStBl II 1981, 538, und vom 16. März 1983 IV R 36/79, BFHE 138, 223, BStBl II 1983, 459). Insoweit kann auch eine dem Gesetz widersprechende Zusage des FA binden, es sei denn, der Steuerpflichtige hat die Gesetzwidrigkeit erkannt oder erkennen können (BFH-Urteil vom 9. Mai 1967 II 176/63, BFHE 89, 20, BStBl III 1967, 522). Voraussetzung für eine Bindung in solchen Fällen ist allerdings, dass der vom Steuerpflichtigen mitgeteilte Sachverhalt in allen wesentlichen Punkten richtig und vollständig dargestellt wurde, so von der auskunftserteilenden Person verstanden wurde und offensichtlich ist, dass von der Auskunft gewichtige wirtschaftliche Entscheidungen des Steuerpflichtigen abhängen. Weitere Voraussetzung ist, dass der im Zeitpunkt der Auskunftserteilung für die spätere Entscheidung im Veranlagungsverfahren zuständige Beamte oder der Vorsteher die Auskunft erteilt hat (Urteil in BFHE 73, 813, BStBl III 1961, 562, sowie BFH-Urteile vom 29. Oktober 1962 IV 146/59, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung -HFR- 1963, 229; vom 20. Juli 1962 VI 167/61 U, BFHE 76, 64, BStBl III 1963, 23, und vom 19. Juni 1975 VIII R 225/72, BFHE 117, 195, BStBl II 1976, 97). Verbindliche Auskünfte (Zusagen) werden in der Praxis im allgemeinen schriftlich gegeben. Grundsätzlich kann das FA aber auch an eine (fern-) mündliche Auskunft gebunden sein (BFHE 89, 20, BStBl III 1967, 522). Da bei mündlichen Auskünften die Annahme nahe liegt, dass nur eine unverbindliche Meinungsäußerung erstrebt und gegeben worden ist (BFHE 73, 813, BStBl III 1961, 562 sowie BFH-Urteil vom 27. Januar 1965 I 251/63, HFR 1965, 368), sind an den Nachweis der eine Bindung des FA begründenden Merkmale strenge Anforderungen zu stellen. Insbesondere muss zweifelsfrei feststehen, dass der Sachverhalt und die steuerrechtliche Frage zutreffend dargelegt sowie von dem Auskunft erteilenden Beamten richtig verstanden worden sind, und dass dieser für die spätere Veranlagung des um Auskunft bittenden Steuerpflichtigen zuständig war. Unklarheiten im Sachverhalt gehen zu Lasten dessen, der sich auf die Verbindlichkeit einer Auskunft beruft (HFR 1965, 368, sowie BFH-Urteile vom 12. Juni 1959 VI 306/57, HFR 1961, 39, und vom 19. Juli 1961 II 267/59, HFR 1962, 97).

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Daran fehlt es im Streitfall, denn die - vom Vorsteher des FA in dessen Entschuldigungsschreiben vom 1. Juli 2002 als "daneben gegangen" bezeichnete - Auskunft ist unstreitig weder vom Sachgebietsleiter noch vom Vorsteher erteilt worden, sondern von einer Sachbearbeiterin der Grunderwerbsteuerstelle. Dies war dem Notar auch bekannt, wie seine Ausführungen auf Seite 2 dritter Absatz seines (vom Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlungüberreichten) Schreibens an das Finanzamt vom 18. Juni 2002 zeigen.

22

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

23

Der Senat hat die Revision zugelassen, weil die Frage, inwieweit Erschließungskosten in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer einzubeziehen sind, grundsätzliche Bedeutung hat und von der Rechtsprechung noch nicht eindeutig geklärt ist.