Verwaltungsgericht Osnabrück
Urt. v. 01.04.2003, Az.: 1 A 52/02
Anhörung; Investitionszuschuss; Jahresfrist; positive Kenntnis; Rücknahme; Widerruf
Bibliographie
- Gericht
- VG Osnabrück
- Datum
- 01.04.2003
- Aktenzeichen
- 1 A 52/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 47978
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 28 VwVfG
- § 48 Abs 4 VwVfG
- § 49 Abs 3 S 2 VwVfG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Der Lauf der Jahresfrist der §§ 48 IV, 49 III 2 VwVfG wird in der Regel nicht in Lauf gesetzt, solange es an einer erforderlichen Anhörung nach § 28 VwVfG fehlt.
Tatbestand:
Herr I. gründete 1955 die Firma J. als Einzelfirma. 1965 erfolgte eine Betriebsaufspaltung in die Klägerin zu 1) und die Klägerin zu 2). Die Klägerin zu 1) ist das Besitzunternehmen, das folglich auch die Investitionen an den Anlagen und Einrichtungen vornimmt, die dem Betrieb der Klägerin zu 2) dienen. Die Klägerin zu 1) vermietet die Immobilie an die Klägerin zu 2). Die Klägerin zu 2) stellt fördertechnische Anlagen für Betonwerke in aller Welt her.
Im Oktober 1992 beantragten die Klägerinnen die Gewährung eines Investitionszuschusses aus Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GA-Mittel). Die Klägerin zu 1) beabsichtigte mit einem Investitionsvolumen von 6.865.500,- DM ihren Hallenkomplex zu erweitern und eine weitere Montagegrube sowie eine neue Lackieranlage zu errichten. Dazu führten die Klägerinnen aus, dass die Produktion in den vorhandenen Hallen an der Kapazitätsgrenze angelangt sei, durch das beabsichtigte Vorhaben die Kapazität wesentlich und im kleineren Umfang auch die Rentabilität gesteigert werden könne, die vorgesehene Betriebserweiterung aber kaum (personalwirtschaftliche) Rationalisierungseffekte mit sich bringe und das Investitionsvorhaben demgemäß nicht nur die vorhandenen Arbeitsplätze sicherer machen würde, sondern bei einigermaßen anhaltender Konjunktur etwa 30 bis 40 neue Arbeitsplätze schaffen dürfte.
Durch Bescheid vom 08.04.1994 bewilligte die Beklagte den Klägerinnen aus der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ - Programmteil 1994 - für das Vorhaben einen Investitionszuschuss bis zur Höhe von 624.000,- DM als zweckgebundene anteilige (9,6 %) Finanzierung. Die Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung - ANBestP - machte die Beklagte zum Bestandteil ihres Bescheides, den Bewilligungszeitraum setzte sie (zunächst) bis zum 31. Oktober 1995 und den Zweckbindungszeitraum auf fünf Jahre fest und unter Nr. 8 ihrer besonderen Nebenbestimmungen führte sie Folgendes aus:
„Mit dem Vorhaben sind die in Ihrem Antrag angegebenen 25 (davon 10 zusätzliche Ausbildungsplätze) zusätzlichen Dauerarbeitsplätze zu schaffen und zu besetzen (Erhöhung auf insgesamt mindestens 245 Dauerarbeitsplätze). Eine Nichterfüllung dieser Bedingung hat die Rückzahlung des Investitionszuschusses zur Folge.
Hinweis: Förderungsvoraussetzung ist, dass die Zahl der bei Investitionsbeginn in Ihrer Betriebsstätte bestehenden Dauerarbeitsplätze (220 lt. Antrag) um mindestens 15 % erhöht wird. Hierbei wird ein neu geschaffener Ausbildungsplatz wie zwei Ausbildungsplätze gewertet.“
Als Zeitpunkt des Beginns des Vorhabens nahm die Beklagte den 01.11.1992 an (s. „Meldebogen“) und die zusätzlichen Arbeitsplätze plante sie für 1993 mit 8, 1994 mit 8 und 1995 mit 9 ein („Projektbogen“). Auf Antrag der Kläger verlängerte sie den Bewilligungszeitraum durch Bescheid vom 12.12.1995 bis zum 30.06.1996 und durch Bescheid vom 19.08.1996 bis zum 31.12.1996. Bis zum 31.12.1996 riefen die Klägerinnen den Zuschuss in Höhe von 576.000,- DM ab. Nachdem die Beklagte im Juli 1997 die Vorlage des Verwendungsnachweises angemahnt hatte, teilten die Klägerinnen ihr im August 1997 im Wesentlichen Folgendes mit: Der Umsatz sei nach dem besonders guten Jahr 1993 jäh eingebrochen. Deshalb sei man in den Folgejahren gezwungen gewesen, die ausländischen Märkte schnellstens wieder intensiv zu bearbeiten. Derzeit führe man termingebundene Aufträge durch, für die sie für den Fall verspäteter Lieferungen hohe Konventionalstrafen hätten akzeptieren müssen. Sobald sich dieser Termindruck verringere, werde man die Betriebserweiterung sofort intensiver fortsetzen und sobald wie möglich vollenden. Die zugesagte Gesamtarbeitsplatzzahl habe man mit 241 Beschäftigten und fünf Auszubildenden bereits 1994 erreicht gehabt. Nach den enormen Umsatzeinbrüchen in den Jahren 1994 bis 1996 sei die Zahl der Beschäftigten aber auf 208 zzgl. Auszubildende gesunken. Dabei sei man froh gewesen, die Zahl der Beschäftigten nicht noch wesentlich stärker reduzieren zu müssen. Es werde gebeten, den Zeitraum bis zur Enderledigung der geförderten Maßnahmen zu strecken und den erhaltenen Zuschuss zu belassen, auch wenn in nächster Zukunft die Personalaufstockung noch nicht erfolgen könne. – Auf Aufforderung der Beklagten vom 05.02.1998 legten die Klägerinnen einen Verwendungsnachweis vor, mit denen sie die Ausgaben des Vorhabens auf 5.631.935,- DM bezifferten, die Anzahl der Arbeitskräfte für 1997 und 1998 mit 205 zzgl. Teilzeitarbeitskräfte angaben und als Fertigstellungszeitpunkt Ende 1998 nannten.
Durch Schreiben vom 21.06.1999 wies die Beklagte die Klägerinnen darauf hin, dass gemäß dem Verwendungsnachweis weder das Vorhaben im Bewilligungszeitraum abgeschlossen worden sei noch bis zum Ende des Bewilligungszeitraumes bzw. bislang die erforderlichen Arbeitsplätze geschaffen und besetzt worden seien, und führte sodann aus:
„Ich bitte Sie nunmehr, zum 31.12.1999 eine erneute Meldung zu den Dauerarbeitsplätzen vorzulegen. Ein entsprechender Bogen ist in der Anlage beigefügt. Gleichzeitig bitte ich um Stellungnahme, ob damit gerechnet werden kann, in einem überschaubaren Zeitraum die geforderten Arbeitsplätze schaffen und besetzen zu können. Anhand der mir dann vorliegenden Zahlen werde ich eine abschließende Entscheidung treffen.
Unabhängig von der Prüfung einer Rückforderung wegen Nichterreichens des Arbeitsplatzzieles, ist eine Rückforderung wegen Unterschreitung des bewilligten Investitionsstandes zu prüfen.
In Ihrem Verwendungsnachweis machen Sie förderungsfähige Kosten i.H.v. 5.631.935,- DM geltend. Der bei einem Förderungssatz von 9,6 % hierauf anteilig zustehende Zuschuss beträgt 540.665,76 DM. Da 576.000,- DM zu Auszahlung gelangten, ist die Rückforderung wegen der Inanspruchnahme eines nicht zustehenden Zuschussbeitrages und ggf. die Verzinsung des überzahlten Betrages zu prüfen.
Hierfür bitte ich, die in der Anlage beigefügten Vordrucke jeweils in zweifacher Ausfertigung zurückzusehen. Gleichzeitig bitte ich um Stellungnahme, ob und wann das Vorhaben tatsächlich abgeschlossen wurde.
Den zahlenmäßigen Nachweis über Einnahmen und Ausgaben bitte ich zeitgleich mit der Arbeitsplatzerklärung (bestätigt durch Ihren Wirtschaftsprüfer) vorzulegen.“
Daraufhin ließen die Klägerinnen durch Schriftsatz ihrer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vom 04.02.2000 ihre Stellungnahme vom 31.12.1999 vorlegen, in der sie u.a. Folgendes ausführten: Die Ausbauarbeiten seien inzwischen weitestgehend fertiggestellt und die Hallenerweiterung werde bereits als Auslieferungssammellager genutzt. Der Einbau der neuen Lackieranlage in die letzte Halle werde in Kürze erfolgen. Die Auftragslage sei z.Z. zufriedenstellend. Um 25 weitere Mitarbeiter dauerhaft beschäftigten zu können, sei es jedoch erforderlich, das derzeitige Umsatzvolumen von rd. 40 Mio. DM bei gleichbleibender Arbeitsstruktur beständig um jährlich 5 Mio. DM zu erhöhen. Dieses Ziel sei grundsätzlich in den nächsten Jahren erreichbar, insbesondere aufgrund ihrer verstärkten Aktivitäten zur Bearbeitung ausländischer Märkte. Es sei aber auch selbstverständlich, dass der Erfolg einer langfristigen Umsatzsteigerung ganz wesentlich auch von anderen Faktoren abhängig sei. – Nach den der Stellungnahme beigefügten Unterlagen und Erklärungen waren am 30.09.1999 218 Dauerarbeitsplätze vorhanden. Das Investitionsvolumen berechnete die Klägerin per September 1999 auf 7.387.299,- DM zzgl. nachfolgender Kosten von 782.392,28 DM mithin auf insgesamt 8.169.691,28 DM. Die Stellungnahme und die Unterlagen sind bei der Beklagten am 07.02.2000 eingegangen.
Mit Schreiben vom 07.06.2001 teilte die Beklagte den Klägerinnen mit, dass „nach einer ersten Durchsicht dieser Unterlagen“ von ihr folgende Beanstandungen zu erheben seien: Der Bewilligungszeitraum sei hier ausnahmsweise über den 36-Monatszeitraum bis zum 31.12.1996 verlängert worden und die Klägerinnen seien ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass eine weitere Verlängerung des Bewilligungszeitraumes nicht mehr erfolgen könne. Trotzdem sei das Projekt nicht bis zum 31.12.1996 abgeschlossen worden und bis zum Jahreswechsel 1999/2000 stünden immer noch Arbeiten an. Damit sei der höchst zulässige Bewilligungszeitraum um mindestens drei Jahre überschritten worden. Außerdem hätten gemäß dem Bewilligungsbescheid nach Beendigung der Maßnahme 245 Dauerarbeitsplätze vorhanden sein müssen und die Klägerinnen seien ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass eine Nichterfüllung dieser Bedingung die Rückzahlung des Zuschusses zur Folge habe. Tatsächlich seien aber nach Beendigung der Maßnahme lediglich 218 Dauerarbeitsplätze, davon 6 Dauerausbildungsplätze, vorhanden und damit weniger als vor Maßnahmebeginn. Angesichts der erheblichen Verstöße werde beabsichtigt, den Bewilligungsbescheid zu widerrufen und die ausgezahlte Förderung in voller Höhe zurückzufordern. Gemäß § 28 Abs. 1 VwVfG werde Gelegenheit gegeben, sich zu den für die Entscheidung über den Widerruf des Bewilligungsbescheides und der Rückforderung der Zuwendung relevanten Tatsachen zu äußern.
Durch Schriftsatz ihrer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vom 26.07.2001 legten die Klägerinnen noch mal die Ursachen für die Verzögerung der Projektdurchführung und das Verfehlen des Arbeitsplatzzieles dar und machten geltend, die Ansprüche auf Rückzahlung der Zuschüsse seien gem. §§ 48 Abs. 4, 49 Abs. 3 Nr. 2 VwVfG verjährt.
Durch Bescheid vom 23.08.2001 widerrief die Beklagte ihren Zuwendungsbescheid vom 08.04.1994 und forderte die Klägerinnen auf, die in Höhe von 576.000,- DM gezahlte Zuwendung bis spätestens 30.09.2001 zurückzuzahlen, und kündigten zugleich den Erlass eines gesonderten Zinsbescheides an. Zur Begründung machte sie geltend, dass der Bewilligungszeitraum um mehr als drei Jahre überschritten und das Arbeitsplatzziel mit jetzt weniger Dauerarbeitsplätzen als vor Maßnahmebeginn verfehlt sei. Des weiteren führte sie aus: Nach der Rechtsprechung des Nds. Oberverwaltungsgerichts sei bei der Verletzung einer das Arbeitsplatzziel betreffenden Auflage allein die Entscheidung für den Widerruf des Bewilligungsbescheides ermessensfehlerfrei. Denn Haushaltsgrundsätze überwögen das Interesse des Begünstigten, den Zuschuss behalten zu dürfen, und verböten einen großzügigen Verzicht auf den Widerruf von Subventionen. Die Widerrufsfrist sei noch nicht abgelaufen, da diese nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erst beginne, wenn die Behörde den Auflagenverstoß erkannt habe und ihr die weiteren für die Widerrufsentscheidung erheblichen Tatsachen vollständig bekannt seien. Die Schwere der Verletzung der die Arbeitsplätze betreffenden Auflage und die Notwendigkeit des Widerrufs des Bewilligungsbescheides sei erst am 07.06.2001 dem nunmehr zuständigen Sachbearbeiter bewusst geworden. Erst zu diesem Zeitpunkt sei nicht nur verglichen worden, ob die im Bewilligungsbescheid geforderten Dauerarbeitsplätze vorhanden und besetzt seien, sondern es sei auch geklärt worden, ob wenigsten das Förderkriterium „15 % Zuwachs an Dauerarbeitsplätzen, gemessen an der Zahl der Dauerarbeitsplätze zum Zeitpunkt der Antragstellung“ erfüllt worden sei. Damit habe die Jahrefrist erst am 07.06.2001 zu laufen begonnen.
Den dagegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte durch Bescheid vom 23.04.2002 zurück.
Die Klägerinnen haben am 29.05.2002 Klage erhoben, zu deren Begründung sie im Wesentlichen vortragen: Die Voraussetzungen für einen Widerruf des Zuwendungsbescheides vom 08.04.1994 und den etwaigen Erlass eines entsprechenden Rückforderungsbescheides lägen nicht vor, da die Beklagte den möglicherweise vorliegenden Auflagenverstoß nicht innerhalb der Frist des § 49 Abs. 3 Satz 2 VwVfG i.V.m. § 48 Abs. 4 VwVfG geltend gemacht habe. Der Beklagten seien bereits im Februar 2000 alle für ihre Aufhebungsentscheidung aus ihrer Sicht erheblichen Tatsachen bekannt gewesen. Sie habe auch Kenntnis über die Schwere der Auflagenverstöße gehabt, ohne dass es dazu noch einer Anhörung bedurfte hätte. Sie habe gewusst, dass der Bewilligungszeitraum um mehr als drei Jahre überschritten worden sei und dass das Arbeitsplatzziel weder bis zum Ende des Bewilligungszeitraumes noch während der nachfolgenden drei Jahre erreicht worden sei, sondern die Zahl der Dauerarbeitsplätze seitdem beständig niedriger gewesen sei als vor Beginn der Maßnahme. Durch die Anhörung vom 07.06.2001 hätten sich für die Beklagte keine für die Widerrufsentscheidung maßgebenden neuen Tatsachen ergeben und hätten sich auch nicht ergeben können. In jenem Zeitpunkt habe die Widerrufsentscheidung für die Beklagte auch bereits festgestanden. Aus der Sicht der Beklagten habe sich ihr diese Entscheidung ohnehin bereits unmittelbar nach Eingang der Unterlagen im Februar 2000 geradezu aufgedrängt. Für diesen Zeitpunkt sei eine positive Kenntnis der Beklagten anzunehmen mit der Folge, dass die Jahresfrist im Februar 2000 in Lauf gesetzt worden sei. Zu Recht habe das OVG Münster ein anderes Normverständnis aus der Erwägung abgelehnt, dass es die Behörde andernfalls in der Hand hätte, den Fristbeginn selbst festzusetzen. Auch das Bundesverwaltungsgericht habe ausdrücklich festgestellt, dass § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG eine Auslegung verlange, die es ausschließe, dass eine Behörde nach Jahr und Tag erstmalig tätig werde, obwohl sie bewusst oder grob fahrlässig saumselig verfahren sei und gar in dem Betroffenen den Eindruck erweckt habe, sie wolle nicht gegen ihn vorgehen, und sie dadurch eine Art Vertrauenstatbestand geschaffen habe. So habe hier aber auch die Beklagte verfahren. Als der Beklagten am 07.06.2001 bewusst geworden sei, dass sie die Jahresfrist versäumt habe, habe sie versucht, mit angeblich fehlenden Tatsachen für die Ermessensausübung und ihrer Anhörung eine erneute Jahresfrist in Gang zu setzen, obwohl sie selbst zuvor wiederholt festgestellt habe, dass ein schwerer Auflagenverstoß vorgelegen habe und damit - aus ihrer Sicht – in Bezug auf den Widerruf eine Ermessensreduzierung auf Null eingetreten gewesen sei.
Die Klägerinnen beantragen,
den Bescheid der Beklagten vom 23.08.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.04.2002 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten im Vorbringen der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig.
Rechtsgrundlage für den Widerruf des Bewilligungsbescheides vom 08.04.1994 und die Rückforderung des gewährten Investitionszuschusses von 576.000,- DM sind - wie in den angefochtenen Bescheiden zutreffend dargelegt - die durch das Gesetz vom 02.05.1996 (BGBl. S. 656) in Kraft gesetzten bzw. modifizierten Regelungen der §§ 49 Abs. 3, 49 a VwVfG i.V.m. den Regelungen des Bescheides vom 08.04.1994 und dessen Nebenbestimmungen.
Nach § 49 Abs. 3 VwVfG kann ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder ein teilbare Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks gewährt oder hierfür Voraussetzung ist - auch nachdem er unanfechtbar geworden ist - über den Widerruf nach § 49 Abs. 2 VwVfG hinaus ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden, wenn die Leistung nicht, nicht alsbald nach der Erbringung oder nicht mehr für den in dem Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet wird oder mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese Auflage nicht oder nicht innerhalb der ihm gesetzten Frist erfüllt hat.
Hier hat die Beklagte den Widerruf des Bewilligungsbescheides auf die Widerrufsalternative der Nr. 2 gestützt und hat auch ihr Ermessen rechtsfehlerfrei betätigt. Die für den Widerruf zwingend erforderlichen Tatbestandsvoraussetzungen des § 49 Abs. 3 Nr. 2 VwVfG - und im Übrigen auch die des 49 Abs. 3 Nr. 1 VwVfG - sind hier ohne Frage durch die Nichterfüllung der Auflagen Nr. 8 und Nr. 10 des Bescheides gegeben. Durch diese Auflagen ist der Bewilligungszeitraum (letztlich) auf den 31.12.1996 begrenzt und die Erreichung von 245 Dauerarbeitsplätzen, die für den Zweckbindungszeitraum vom 01.01.1997 bis zum 31.12.2001 besetzt sein müssen, vorgeschrieben worden. Das stellen auch die Klägerinnen nicht in Frage. Gleiches gilt auch für die Beurteilung, dass die Schwere der Verstöße ermessensfehlerfrei den Widerruf des Bewilligungsbescheides und die Rückforderung des gesamten Zuwendungsbetrages zu rechtfertigen geeignet ist. Eine solche Ermessensfehlerfreiheit kann angesichts der Ausführungen des Nds. Oberverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 16.12.1997 (- II L 7985/95 -, Nds. VBl. 1998 S. 113) nicht zweifelhaft sein. Diese Ausführungen macht sich die Kammer zu eigen.
Entgegen der Auffassung der Klägerinnen steht dem Widerruf des Bewilligungsbescheides aber auch nicht die Regelung des § 48 Abs. 4 VwVfG i.V.m. § 49 Abs. 3 Satz 2 VwVfG entgegen. Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme gemäß § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Zu Unrecht meinen die Klägerinnen, dass die Beklagte bereits im Februar 2000 in diesem Sinne Kenntnis von allen für die Rücknahmeentscheidung maßgebenden Tatsachen gehabt habe.
Zu § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG hat der Große Senat des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Beschluss vom 19.12.1984 - BVerwG Gr. Sen. 1 und 2.84 - (BVerwGE 70, 356) Folgendes ausgeführt:
„2. Die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG beginnt zu laufen, wenn die Behörde die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts erkannt hat und ihr die für die Rücknahme außerdem erheblichen Tatsachen vollständig bekannt sind.
a) Die Frist zur Entscheidung über die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts beginnt nach der angeführten Vorschrift mit dem Zeitpunkt, in dem die Behörde Kenntnis von Tatsachen erhält, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen. Hierzu gehört zunächst die Kenntnis davon, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, und damit die Kenntnis derjenigen Tatsachen, aus denen sich die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts ihrerseits ergibt. Das sind die Tatsachen, die den im Einzelfall unterlaufenen Rechtsanwendungsfehler und die Kausalität dieses Fehlers für den Inhalt des Verwaltungsakts ausmachen: Es sind mit anderen Worten die konkreten Entscheidungsfehler - in den Vorlagefällen: Die unzutreffende Fristberechnung (BVerwG 6 C 142.82) und die unzutreffende Anrechnung von Vordienstzeiten (BVerwG 2 C 101.81) -, die im Einzelfall den Verwaltungsakt als "rechtswidrig" im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG qualifizieren.
Die Kenntnis davon, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, setzt für sich allein die Rücknahmefrist nicht in Lauf. § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG verlangt vielmehr, daß der Behörde sämtliche für die Rücknahmeentscheidung erheblichen Tatsachen vollständig bekannt sind. Schon der Wortlaut fordert die Kenntnis von Tatsachen, die die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts "rechtfertigen", und stellt damit klar, daß die Erkenntnis der Rechtswidrigkeit für sich allein den Fristenlauf nicht auszulösen vermag, sondern hierzu die vollständige Kenntnis des für die Entscheidung über die Rücknahme des Verwaltungsakts erheblichen Sachverhalts nötig ist. Hierzu gehören auch alle Tatsachen, die im Falle des § 48 Abs. 2 VwVfG ein Vertrauen des Begünstigten in den Bestand des Verwaltungsakts entweder nicht rechtfertigen oder ein bestehendes Vertrauen als nicht schutzwürdig erscheinen lassen, sowie die für die Ermessensausübung wesentlichen Umstände. Die Frist beginnt demgemäß zu laufen, wenn die Behörde ohne weitere Sachaufklärung objektiv in der Lage ist, unter sachgerechter Ausübung ihres Ermessens über die Rücknahme des Verwaltungsakts zu entscheiden. Das entspricht dem Zweck der Jahresfrist als einer Entscheidungsfrist, die sinnvollerweise erst anlaufen kann, wenn der zuständigen Behörde alle für die Rücknahmeentscheidung bedeutsamen Tatsachen bekannt sind.
Wollte man dagegen die Erkenntnis der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts für den Fristbeginn ausreichen lassen, so könnte der drohende Fristablauf die Behörde zu einer Entscheidung über die Rücknahme zwingen, obwohl ihr diese mangels vollständiger Kenntnis des insofern erheblichen Sachverhalts noch nicht möglich wäre. Damit würde die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG zu einer Bearbeitungsfrist für die Behörde, was dem Wortlaut der Vorschrift widerspricht und von ihrem Sinn und Zweck nicht getragen wird. Es hängt nämlich häufig keineswegs allein vom Willen und von der Aktivität der Behörde ab, daß die Sache bis zum Ablauf eines Jahres seit Kenntnis der Rechtswidrigkeit auch tatsächlich entscheidungsreif ist; die Herbeiführung der Entscheidungsreife kann sich aus unterschiedlichen Gründen durchaus länger hinziehen.“ ....
b) Die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG wird in Lauf gesetzt, wenn die Behörde positive Kenntnis von den Tatsachen, die die Rücknahme des Verwaltungsakts rechtfertigen, erhalten hat. Die Auffassung, zur Auslösung der Jahresfrist genüge, daß die die Rücknahme des Verwaltungsakts rechtfertigenden Tatsachen aktenkundig - aus den Akten ersichtlich - seien, wird dem Charakter der Jahresfrist nicht gerecht, die der Behörde zur sachgerechten Entscheidung über die Rücknahme eingeräumt ist und deshalb nicht in Lauf gesetzt wird, bevor sich die Behörde der Notwendigkeit bewußt geworden ist, wegen der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts über die Rücknahme entscheiden zu müssen. Die Behörde erlangt diese positive Kenntnis, wenn der nach der innerbehördlichen Geschäftsverteilung zur Rücknahme des Verwaltungsakts berufene Amtswalter oder ein sonst innerbehördlich zur rechtlichen Überprüfung des Verwaltungsakts berufener Amtswalter die die Rücknahme des Verwaltungsakts rechtfertigenden Tatsachen feststellt.“
Zur Frage, welche Bedeutung eine Anhörung nach § 28 VwVfG für den Lauf der Jahresfrist hat und ob eine hinausgeschobene Anhörung zu einer Verwirkung des Widerufsrechtes führen kann, hat das Bundesverwaltungsgerichts in seinem zum Verfahren 8 B 137/00 ergangenen Beschluss vom 07.11.2000 (NVwZ-RR 2001, 198 [BVerwG 07.11.2000 - BVerwG 8 B 137.00]) Folgendes ausgeführt:
„Die Beschwerde bezeichnet die Frage als klärungsbedürftig:
Ist es mit § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG, insbesondere unter den Gesichtspunkten des Vertrauensschutzes und der behördlichen Gesetzesbindung, vereinbar, den Beginn der Jahresfrist von der Durchführung einer Anhörung abhängig zu machen, wenn die Behörde diese Anhörung über mehrere Jahre hinweg pflichtwidrig unterlässt?
In dieser Allgemeinheit könnte sich die Frage in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen. Das Verwaltungsgericht hat nämlich festgestellt, die fehlende Anhörung sei erforderlich gewesen, weil der Beklagte bei Anlegung eines objektiven Maßstabes nicht ohne weiteres habe davon ausgehen dürfen, dass es an einer Vertrauensbetätigung der Klägerin fehlte. Diente die Anhörung demnach noch zur Ermittlung weiterer entscheidungserheblicher Tatsachen, so ergibt sich aus der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ohne weiteres, dass die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG noch nicht zu laufen begonnen hatte. Es entspricht seit der Entscheidung des Großen Senats vom 19. Dezember 1984 - BVerwG Gr. Sen. 1 und 2.84 - (BVerwGE 70, 356Buchholz 316 § 48 VwVfG Nr. 33) der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. zuletzt Urteil vom 20. Dezember 1999 - BVerwG 7 C 42.98 - BVerwGE 110, 226 <233>), dass die Frist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG erst zu laufen beginnt, wenn die Behörde die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts erkannt hat und ihr die für die Rücknahmeentscheidung außerdem erheblichen Tatsachen vollständig bekannt sind. Zu diesen Tatsachen gehören ohne weiteres auch alle Umstände, die für die Frage von Bedeutung sind, ob der Begünstigte in schutzwürdiger Weise auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat (§ 48 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 VwVfG). Demgegenüber kann der von der Beschwerde erhobene Vorwurf der mehrjährigen pflichtwidrigen Unterlassung der Anhörung nur im Zusammenhang mit einer möglichen Verwirkung des Rechts auf Rücknahme des Bescheides (vgl. dazu Urteil vom 20. Dezember 1999 - BVerwG 7 C 42.98 - a.a.O. S. 236 f.) oder gegebenenfalls im Rahmen eines Amtshaftungsanspruchs von Bedeutung sein.
Entgegen der Ansicht der Beschwerde beruht das angefochtene Urteil auch nicht auf einer Abweichung von dem Urteil vom 20. Dezember 1999 - BVerwG 7 C 42.98 - (a.a.O.). Dabei kann dahinstehen, ob dem verwaltungsgerichtlichen Urteil - wie die Beschwerde geltend macht - unausgesprochen der Rechtssatz zugrunde liegt, dass auch in den Fällen, in denen die Behörde die erforderliche Anhörung vor der Rücknahmeentscheidung verzögert und dadurch den Beginn der Rücknahmefrist hinausschiebt, § 48 Abs. 4 VwVfG eine abschließende Regelung darstellt und der Rückgriff auf die Grundsätze der Verwirkung nicht gerechtfertigt ist. Denn jedenfalls hat das Verwaltungsgericht der Sache nach die Frage einer möglichen Verwirkung geprüft, indem es auf S. 8 f. des Urteils ausführt, das Verhalten der Beklagten könne nicht als treuwidrig bezeichnet werden. Im Übrigen habe der Beklagte der Klägerin auch keinen hinreichenden Anlass für die Annahme gegeben, er werde den Bestand des Bescheides vom 5. November 1991 unangetastet lassen.“
Unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist davon auszugehen, dass die Beklagte die Jahresfrist gewahrt hat. Die Jahresfrist war bis zum 07.06.2001 noch nicht in Lauf gesetzt worden.
Voraussetzung ist die positive Kenntnis des zuständigen Amtswalters von der Rechtswidrigkeit des Bescheides und aller sonstigen für die Rücknahmeentscheidung maßgebenden Tatsachen. Hier gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass die zuständiger Amtswalterin nach Erhalt der Unterlagen im Februar 2000 überhaupt eine abschließende Rechtmäßigkeitsbeurteilung vorgenommen hat und sie die dafür maßgebenden Gesichtspunkte und Tatsachen in den Blick genommen hat. Vielmehr ist davon auszugehen, dass ihr Kenntnis- und Beurteilungsstand auch danach noch weitgehend demjenigen entsprach, der sich aus ihrem Schreiben vom 21.06.1999 ergibt. Des weiteren gab es das Erfordernis der Anhörung. Es drängte sich auch keineswegs auf, dass bei der hier gegebenen Sachlage nur eine uneingeschränkte Aufhebung und Rückforderung in Betracht kommen könnte. Die Klägerinnen haben immerhin nachvollziehbar dargelegt, dass die Nichteinhaltung des Bewilligungszeitraumes und das Nichterreichen des Arbeitsplatzzieles für sie weitgehend unvermeidbar gewesen sei. Unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens dürften ihnen kaum Vorwürfe zu machen sein. Bereits aufgrund der Komplexität der Fragestellungen und der Bedeutung der Rückforderung für die wirtschaftliche Situation der Klägerinnen konnte sich hier eine solche Entscheidung nicht ohne Weiteres aufdrängen. Vielmehr bedurfte es auch von Rechts wegen noch der Anhörung der Klägerinnen. Ohne die Anhörung und damit ohne Kenntnis der Umstände, die aus der Sicht der Klägerinnen einer Rückforderung des Zuschusses entgegenstünden, hatte die Beklagte keine Kenntnis von allen für die Widerrufsentscheidung maßgebenden Tatsachen und sonstigen Umständen. Das zögerliche Verhalten der Beklagten kann man hier auch nicht als ein bewusstes oder grob fahrlässiges saumseliges Verfahren ansehen, das bei den Klägerinnen den Eindruck erwecken konnte, die Beklagte wolle nicht mehr gegen sie vorgehen. Die Beklagte hat den Klägerinnen im gesamten Bewilligungsverfahren immer sehr viel Zeit gelassen und hat sich insbesondere auch selbst immer wieder erst nach langen Zeiträumen rückgeäußert. Von dem Schaffen eines Vertrauenstatbestandes kann insofern keine Rede sein.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.