Verwaltungsgericht Osnabrück
Urt. v. 02.04.2003, Az.: 3 A 23/02

Berufsausübungsfreiheit; Feststellungsinteresse; Feststellungsklage; Fleischerzeugnis; Fleischindustrie; gewerbsmäßige Herstellung; Gewürzmischung; Kennzeichnung; Lebensmittelkennzeichnung; Speisewürze; Stickstoffgehalt; Unbedenklichkeit; Verkehrsfähigkeit; Verkehrsverbot; Würze

Bibliographie

Gericht
VG Osnabrück
Datum
02.04.2003
Aktenzeichen
3 A 23/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 48043
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Es ist irreführend, Speisewürzen mit einem Gesamtstickstoffgehalt von mehr als 4,5% mit dem Zusatz "zur gewerbsmäßigen Herstellung von Fleischerzeugnissen" zu kennzeichnen.

Tatbestand:

1

Die Klägerin stellt unter anderem Gewürzmischungen und Würzen für die Fleischindustrie her. Sie beabsichtigt, für Kunden aus der Fleischindustrie Speisewürzen mit der Kennzeichnung „Zur Herstellung von Fleischerzeugnissen“ in den Verkehr zu bringen, die mehr als 4,5 % Gesamtstickstoff enthalten. Sie ist der Auffassung, dass dies bei angemessener Kennzeichnung des Stickstoffgehaltes zulässig sei. Zwar bestimme § 4 Abs. 1 Ziffer 5 lit c) der Fleischverordnung (FlVO), dass Fleischerzeugnisse - vorbehaltlich hier nicht einschlägige weiterer Bestimmungen - gewerbsmäßig nicht in den Verkehr gebracht werden dürften, wenn bei ihrer Herstellung u. a. Würzen verwendet worden seien, die zum unmittelbaren Verzehr bestimmt seien (gebrauchsfertige Speisewürzen), sofern sie mehr als 4,5 vom Hundert Gesamtstickstoff enthielten. Diese Vorschrift sei jedoch verfassungswidrig und deshalb nichtig. Der Verbraucherschutz sei durch eine Kennzeichnung des Fleischerzeugnisses in Bezug auf den Stickstoffgehalt der bei der Herstellung verwendeten Speisewürze gewährleistet; eines absoluten Verkehrsverbotes bedürfe es nicht.

2

Auf Anregung der Klägerin teilte der Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 31.01.2002 mit, dass eine Speisewürze mit einem Gesamtstickstoffgehalt von mehr als 4,5 % zwar hergestellt, aber nicht zur gewerbsmäßigen Herstellung von Fleischerzeugnissen verwendet werden dürfe. Daher sei, um Irreführungen zu vermeiden, beim Inverkehrbringen von Speisewürzen mit einem Gesamtstickstoffgehalt von mehr als 4,5 % zur Unterscheidung von herkömmlichen Würzen mit geringeren Gesamtstickstoffgehalten deutlich darauf hinzuweisen, dass die Speisewürzen nicht zur gewerbsmäßigen Herstellung von Fleischerzeugnissen geeignet sei.

3

Die Klägerin hat am 15.02.2002 Klage erhoben. Sie trägt vor: Sie habe ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass es nicht gegen § 17 Abs. 1 Nr. 5 b des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz - LMBG - verstoße, wenn sie Speisewürzen mit einem Gesamtstickstoffgehalt von mehr als 4,5 % zum Einsatz in Fleischerzeugnissen in den Verkehr bringe, ohne gesondert darauf hinzuweisen, dass die Würzen nicht zur gewerbsmäßigen Herstellung von Fleischerzeugnissen geeignet seien. Das Verbot aus § 17 Abs. 1 Nr. 5 b LMBG, Lebensmittel unter irreführender Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung gewerbsmäßig in den Verkehr zu bringen, sei nicht verletzt, wenn die fraglichen Speisewürzen mit dem Hinweis „Zur gewerbsmäßigen Herstellung von Fleischerzeugnissen“ gekennzeichnet würden. Denn § 4 FlVO sei verfassungskonform dahin auszulegen, dass ein Verkehrsverbot nicht gerechtfertigt sei, wenn der Schutzzweck der Rechtsnorm durch ein Kennzeichnungsgebot erreicht werde.

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Die Klägerin beantragt,

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festzustellen, dass es nicht gegen § 17 Abs. 1 Nr. 5 lit. b) LMBG verstoße, wenn sie Speisewürzen mit einem jeweils konkret deklarierten Gesamtstickstoffgehalt von mehr als 4,5 % zum Einsatz in Fleischerzeugnissen mit der Kennzeichnung „zur gewerbsmäßigen Herstellung von Fleischerzeugnissen bei angemessener Kennzeichnung des Endproduktes“ in den Verkehr bringe.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

8

Er trägt vor: Die von der Klägerin für ausreichend gehaltene Kennzeichnung des Produkts stelle eine irreführende Angabe über sonstige Umstände im Sinne des § 17 Abs. 1 Nr. 5 b LMBG dar. Die Kennzeichnung suggeriere, dass das Produkt zur gewerbsmäßigen Herstellung von Fleischerzeugnissen verwendet werden dürfe. Einer solchen Verwendung stehe aber § 4 FlVO entgegen.

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Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig. Die Klägerin hat ein schutzwürdiges Interesse an einer gerichtlichen Feststellung, ob ihre Rechtsauffassung zur lebensmittelrechtlichen Unbedenklichkeit einer Kennzeichnung der von ihr in den Verkehr gebrachten Speisewürze als zur gewerbsmäßigen Herstellung von Fleischerzeugnissen geeignet zutrifft. Denn die Lebensmittelüberwachungsbehörde des Beklagten, die Verstöße der Klägerin gegen das Lebensmittelrecht verfolgen und unterbinden müsste, vertritt den gegenteiligen Standpunkt. Der Klägerin drohen straf- oder ordnungsrechtliche Sanktionen, wenn sie das Produkt wie beabsichtigt auf den Markt bringt. Sie kann nicht darauf verwiesen werden, solche Sanktionen abzuwarten und gegebenenfalls im Straf- oder Ordnungswidrigkeitsverfahren ihren Rechtsstandpunkt zur Geltung zu bringen. Sie kann vielmehr vorausgreifend durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit klären lassen, welcher der von den Beteiligten eingenommene lebensmittelrechtliche Standpunkt der zutreffende ist.

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Die Klage ist jedoch nicht begründet.

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Nach § 17 Abs. 1 Nr. 5 des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes - LMBG -ist es verboten, Lebensmittel unter irreführender Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung gewerbsmäßig in den Verkehr zu bringen oder für Lebensmittel allgemein oder im Einzelfall mit irreführenden Darstellungen oder sonstigen Aussagen zu werben. Eine Irreführung liegt insbesondere dann vor, wenn zur Täuschung geeignete Bezeichnungen, Angaben, Aufmachungen, Darstellungen oder sonstige Aussagen über die Herkunft der Lebensmittel, ihrer Menge, ihr Gewicht, über den Zeitpunkt der Herstellung oder Abpackung, über ihre Haltbarkeit oder über sonstige Umstände, die für ihre Bewertung mitbestimmend sind, verwendet werden (§ 17 Abs. 1 Nr. 5 lit. b) LMBG).

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Die Bezeichnung einer Speisewürze als „zur gewerbsmäßigen Herstellung von Fleischerzeugnissen bei angemessener Kennzeichnung des Endproduktes“ geeignet ist irreführend. Zwar ist es nicht verboten, Fleischerzeugnisse gewerbsmäßig unter Verwendung von Speisewürzen herzustellen, die einen Gesamtstickstoffgehalt von mehr als 4,5 % aufweisen. Insofern ist die fragliche Kennzeichnung nicht unrichtig. Fleischerzeugnisse werden aber gewerbsmäßig ausschließlich zu dem Zweck hergestellt, sie in den Verkehr zu bringen. Deshalb verbindet der gewerbsmäßige Hersteller von Fleischerzeugnissen mit der Kennzeichnung eines Lebensmittels als zur gewerbsmäßigen Herstellung von Fleischerzeugnissen geeignet naturgemäß die Vorstellung, dass das so hergestellte Fleischerzeugnis in den Verkehr gebracht werden darf. In diesem Sinne möchte die Klägerin die Kennzeichnung auch verstanden wissen. Nur wenn die unter Verwendung ihrer Speisewürze hergestellten Fleischerzeugnisse verkehrsfähig sind, kann die Klägerin die Würze zum Zecke der gewerbsmäßigen Hersteller von Fleischerzeugnissen vermarkten.

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Gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 5 lit. c) der Fleischverordnung- FlVO - dürfen Fleischerzeugnisse gewerbsmäßig nicht in den Verkehr gebracht werden, bei deren Herstellung eiweiß-, stärke- oder dextrinhaltige Stoffe pflanzlicher Herkunft sowie Eiweißhydrolysate einschließlich eiweißfreier Extrakte und Würzen verwendet worden sind, es sei denn, es handelte sich um zum unmittelbaren Verzehr bestimmte Würzen (gebrauchsfertige Speisewürzen), die nicht mehr als 4,5 vom Hundert Gesamtstickstoff, davon mindestens die Hälfte Aminosäurestickstoff, enthalten. Die Kennzeichnung einer nicht diesen Einschränkungen entsprechenden Speisewürze als zur gewerbsmäßigen Herstellung von Fleischerzeugnisses geeignet ist daher irreführend. Die Kennzeichnung ist ihrerseits geeignet, über die Verkehrsfähigkeit der unter Verwendung der Würze hergestellten Fleischerzeugnisse und damit über Umstände, die für die Bewertung der Würze mitbestimmend sind, zu täuschen. Daran ändert der Umstand nichts, dass die Klägerin beabsichtigt, die Würze unter Angabe ihres Gesamtstickstoffgehaltes in den Verkehr zu bringen. Zwar versetzt diese Angabe den Verbraucher in die Lage, mit Blick auf § 4 FlVO die Verkehrsfähigkeit gewerbsmäßig unter Verwendung der Würze hergestellter Fleischerzeugnisse zu beurteilen. Die Kennzeichnung der Würze als für den durch § 4 FlVO sanktionierten Zweck geeignet kann bei dem Verbraucher jedoch den Eindruck erwecken, einer solchen Beurteilung bedürfe es nicht, weil der Hersteller der Würze, wie es letztlich dem Anliegen der Klägerin entspricht, die Verkehrsfähigkeit gewerbsmäßig unter Verwendung der Würze hergestellter Fleischerzeugnisse bereits mit einem positiven Ergebnis geprüft habe.

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Eine andere rechtliche Beurteilung wäre allenfalls dann angezeigt, wenn der Standpunkt der Klägerin zuträfe, das in § 4 Abs. 1 FlVO nach den dort zu Nr. 5 lit. b) geregelte Verkehrsverbot sei unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Berufsausübungsfreiheit verfassungswidrig und nichtig. Es bestehen schon Bedenken, ob mit dem Verkehrsverbot nach § 4 Abs. 1 FlVO überhaupt im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG regelnd in die Berufsausübung der Klägerin eingegriffen wird. Die Klägerin darf Speisewürzen mit einem Gesamtstickstoffgehalt von mehr als 4,5 vom Hundert herstellen und in den Verkehr bringen. Sie ist nicht gewerbsmäßige Herstellerin von Fleischerzeugnissen. Das Verkehrsverbot trifft sie in ihrem Interesse, gewerbsmäßigen Herstellern von Fleischerzeugnissen Speisewürzen mit einem Gesamtstickstoffgehalt von mehr als 4,5 vom Hundert anzudienen, nur mittelbar und dürfte kaum objektiv eine Tendenz zur Regelung der Berufsausübung der Hersteller von Speisewürzen erkennen lassen. Dies kann jedoch dahingestellt bleiben. Denn dem Standpunkt der Klägerin, das Verkehrsverbot sei verfassungswidrig, ist nicht beizupflichten. Zwar geht die Klägerin zutreffend davon aus, dass ein lebensmittelrechtliches Verkehrsverbot, wie es Gegenstand der vorgenannten Regelung ist, gegen Art. 12 Abs. 1 GG verstößt, wenn durch eine ausreichende Kennzeichnung in geringerem Maße in die Berufsausübung eingegriffen werden kann, um dem mit dem Verkehrsverbot verfolgten Schutzanliegen gerecht zu werden (vgl. dazu BVerfG, B. v. 16.01.1980 -  1 BvR 249/79 -, BVerfGE 53, 135-147). Eine solche Situation ist hier aber nicht gegeben. Das Verkehrsverbot nach § 4 FlVO dient dem Schutz des Verbrauchers gegen Täuschung über die Eigenschaften des Fleischerzeugnisses (zur Entstehungsgeschichte und amtlichen Begründung: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Band III, C 235, § 4, RN 1 ff.). Ein für die Beurteilung von Fleischerzeugnissen wesentliches Kriterium ist der Fleischeiweißgehalt. Dieser wird analytisch durch die Stickstoffsubstanz bestimmt (Zipfel/Rathke, a.a.O., C 235, Vorb, RN 51). Der Zusatz von Würzen kann zu einer Erhöhung des Stickstoffgehaltes führen und damit einen höheren Fleischgehalt vortäuschen (Zipfel/Rathke, a.a.O., C 235 § 4 RN 33). Eine Kennzeichnung des Fleischerzeugnisses in der von der Klägerin für ausreichend erachteten Weise, nämlich durch Angabe des Gesamtstickstoffgehaltes der bei der Herstellung verwendeten Speisewürze, würde nichts daran ändern, dass die Bestimmung des Fleischeiweißgehaltes anhand des Stickstoff-Parameters und damit die Überprüfung der Angabe zum Schutze des Verbrauchers in Frage gestellt wäre. Deshalb greift das Verbot, Fleischerzeugnisse in den Verkehr zu bringen, die unter Verwendung von Speisewürzen mit mehr als 4,5 vom Hundert Gesamtstickstoffgehalt hergestellt worden sind, nicht in einem vom Verbraucherschutz nicht gerechtfertigen Maß in die Berufsausübung ein.