Verwaltungsgericht Osnabrück
Urt. v. 24.04.2003, Az.: 3 A 2/02

Dienstunfall; Tinnitus

Bibliographie

Gericht
VG Osnabrück
Datum
24.04.2003
Aktenzeichen
3 A 2/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 48061
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

1

Der Kläger, der als Beamter im Dienste der Beklagten steht, war in der Zeit vom 13.10.2000 bis zum 06.12.2000 in einem Dienstraum tätig, in dem sich ein Datenverarbeitungssteuerungsgerät befand.

2

Nachdem der Kläger der Beklagte angezeigt hatte, dass bei ihm am 06.12.2000 gegen 18 Uhr plötzlich hochfrequente Ohrengeräusche (Tinnitus) aufgetreten waren und er jene auf die Geräuschbelastung durch das DV-Steuerungsgerät zurückführe, veranlasste die Beklagte eine Schallpegelmessung des Arbeitbereichs.

3

Mit Schreiben vom 13.03.2001 zeigte der Kläger diesen Vorfall an und beantragte unter Hinweis auf die festgestellten Schallpegel an seinem Arbeitsplatz die bei ihm festgestellte Hochtonschwerhörigkeit und die seit jener Zeit vorliegenden hochfrequenten Ohrengeräusche als Dienstunfall anzuerkennen. Er fügte zwei Atteste der ihn behandelnden Ärzte bei, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird.

4

Nachdem der Vertrauensärztliche/Personalärztliche Dienst zu dem Ergebnis gekommen war, dass die festgestellten Schallpegel nicht geeignet gewesen seien einen lärmbedingten Gehörschaden hervorzurufen, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 04.09.2001 den Antrag auf Anerkennung des Geschehens als Dienstunfall ab.

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Nach erfolgloser Durchführung des Widerspruchsverfahrens hat der Kläger Klage erhoben, die er im wesentlichen damit begründet, er habe infolge des Betriebsgeräusches des PC- Steuergerätes einen Körperschaden - nämlich einen beidseitigen Tinnitus sowie eine Hochtonschwerhörigkeit - und damit einen Dienstunfall erlitten.

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Der Kläger beantragt,

7

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 04.09.2001 in Form des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2001 zu verpflichten, den Unfall des Klägers als Dienstunfall anzuerkennen.

8

Die Beklagte beantragt aus den Gründen der Bescheide,

9

die Klage abzuweisen.

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Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage mit der der Kläger die Verpflichtung der Beklagten anstrebt, die seiner Ansicht nach durch seine Tätigkeit in dem mit einer PC- Steuereinheit besetzten Raum verursachten gesundheitsschädlichen Folgen als Dienstunfall anzuerkennen, ist unbegründet. Dieses Begehren findet weder in § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG noch in § 31 Abs. 3 BeamtVG eine Grundlage.

12

Nach der Legaldefinition des § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG ist ein Dienstunfall ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist.

13

Vorliegend fehlt es am Tatbestandsmerkmal der "Plötzlichkeit". Da auch nach Vortrag des Kläger der Tinnitus sowie die Hochtonschwerhörigkeit sich erst nach Verlassen des Dienstgebäudes realisierte und nicht auf einen einzelnen, konkret bestimmbaren Ton (Knall), sondern auf den mehrtägigen, dienstlich bedingten Aufenthalt in dem ihm zugewiesenen Amtsraum zurückgeht, scheidet eine Anerkennung als Dienstunfall nach § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG aus. Schädliche Dauereinwirkungen im dienstlichen Bereich, die einen Körperschaden hervorgerufen haben, sind nämlich nicht als plötzliches Ereignis im Sinne des § 31 Abs. 1 BeamtVG einzustufen und daher nicht geeignet, zur Anerkennung als Dienstunfall zu führen (vgl. Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, RdNr. 7 zu § 31 BeamtVG; Schütz, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, RdNr. 20 zu § 31 BeamtVG).

14

Derartige Dauerbelastungen können allenfalls im Rahmen des § 31 Abs. 3 BeamtVG Bedeutung gewinnen. Aber auch dessen Voraussetzungen liegen nicht vor. Nach § 31 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG setzt die Anerkennung einer Erkrankung im Sinne der Anlage 1 der Berufskrankheitenverordnung (BKVO) vom 30.10.1997 (BGBl III 860-7-2) als Dienstunfall voraus, dass der Beamte nach "der Art seiner dienstlichen Verrichtung" der Gefahr einer solchen Krankheit besonders ausgesetzt (gewesen) ist. Die Anerkennung des Tinnitus und der Hochtonschwerhörigkeit des Klägers als Berufskrankheit scheitern - unabhängig davon, dass der Tinnitus schon nicht in die Liste der in Betracht kommenden Krankheiten aufgenommen wurde - bereits daran daran, dass der Kläger der Gefahr einer solchen Erkrankung nicht nach Art seiner dienstlichen Verrichtung besonders ausgesetzt war. Der Gesetzgeber hat sich in § 31 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG dafür entschieden, auf die Art der dienstlichen Verrichtung abzustellen, nicht aber auf die sonstigen dienstlichen Bedingungen, zu denen etwa die Beschaffenheit der Diensträume zählt. Das gesetzliche Tatbestandsmerkmal der "Art der dienstlichen Verrichtung" kann daher nicht aufgehoben und etwa durch das Tatbestandsmerkmal "dienstliche Verrichtung unter besonderen räumlichen Bedingungen", ersetzt werden (vgl. auch Plog/Wiedow, RdNr. 35 zu § 31 BeamtVG; Schütz, RdNr. 107 zu § 31). Der Gefahr der Erkrankung im Sinne des § 31 Abs. 3 BeamtVG ist daher nur der Beamte besonders ausgesetzt, dessen konkrete Tätigkeit ihrer Art nach erfahrungsgemäß eine hohe Wahrscheinlichkeit mit sich bringt, gerade an der betreffenden in der Anlage 1 der Berufskrankheitenverordnung (BKVO) aufgeführten Krankheit zu erkranken. Der Kläger hat Verwaltungstätigkeiten ausgeübt. Solche bergen erfahrungsgemäß nicht die besondere Gefährdung in sich, an einer lärmbedingten Krankheit zu erkranken. Mithin scheidet im Falle des Klägers, selbst wenn man dessen Vortrag hinsichtlich der Ursache der gesundheitlichen Beschwerden als zutreffend unterstellt, ein Anspruch aus § 31 Abs. 3 BeamtVG aus, da nicht die spezielle Art der dienstlichen Verrichtung für die Erkrankung ursächlich war, sondern allenfalls die besondere Beschaffenheit seines Dienstzimmers.

15

Der Einwand des Klägers, der Anspruch müsse sich jedenfalls daraus ergeben, dass die Beklagte von der Lärmbelastung der Amtsräume gewusst habe, führt zu keinem anderen rechtlichen Ergebnis. Im Rahmen des § 31 Abs. 3 BeamtVG kommt es nämlich nicht darauf an, ob der Dienstherr von der besonderen Gefahr der Erkrankung gewusst und diese in Kauf genommen hat. Derartige Gesichtspunkte sind nicht im Zusammenhang mit der angestrebten Anerkennung von Beschwerden als Dienstunfall zu berücksichtigen, sondern allenfalls bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wegen Verletzung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn, die darauf gestützt werden, dass bestimmte körperliche Beschwerden auf gesundheitsschädliche Dauereinwirkungen wegen der Beschaffenheit der Diensträume zurückzuführen sind. Ein solcher Anspruch, der eine Pflichtverletzung des Dienstherrn, die Kausalität einer solchen für einen Schaden des Beamten sowie ein Verschulden des Beamten voraussetzt, ist unabhängig von der Frage der Erfolgsaussicht indes nicht Gegenstand dieses Klageverfahrens.