Verwaltungsgericht Osnabrück
Urt. v. 24.04.2003, Az.: 4 A 15/01
Aufhebung; ausschließlich schädigungsbedingter Bedarf; Bedarf; Dauerverwaltungsakt
Bibliographie
- Gericht
- VG Osnabrück
- Datum
- 24.04.2003
- Aktenzeichen
- 4 A 15/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 48013
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 93a Abs 2 BSHG
- § 25c Abs 3 S 2 BVG
- § 48 Abs 1 S 1 SGB 10
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Die Neufassung des § 93 a BSHG, nach der die Pflegesätze in Grundpauschale und Maßnahmepauschale sowie Investitionsbetrag aufzugliedern sind, stellt keinen tragfähigen Anknüpfungspunkt dar, einen in der Vergangenheit erlassenen Dauerverwaltungsakt über die Gewährung von Kriegsopferfürsorgeleistungen nach § 48 SGB X aufzuheben.
Tatbestand:
Der am 23. Januar 1958 geborene Kläger erlitt infolge einer im Alter von 1 1/4 Jahren durchgeführten Pockenschutzimpfung einen Impfschaden. Vom Versorgungsamt Hannover wurde als auszugleichender Impfschaden „Hirnleistungsschwäche nach Impfenzephalitis“ anerkannt. Nachdem die berufliche Eingliederung des Klägers auf dem Arbeitsmarkt Anfang der 80iger Jahre scheiterte, weil der Kläger nicht in der Lage war, eine Lehre in dem von ihm gewählten Beruf eines Webers durchzustehen und sich abzeichnete, dass der Kläger dauerhaft auf die beschützende Umgebung und dauerhafte Hilfe einer Einrichtung angewiesen sein werde, wechselte der Kläger am 2. Mai 1982 zur „Lebensgemeinschaft e. V.“ in H.. Dort arbeitet er seitdem in der Werkstatt für Behinderte und lebt in einem angeschlossenen Wohnheim.
Mit Bescheid vom 22. Juli 1982 übernahm der Beklagte die Kosten der Heimunterbringung in der zuvor genannten Einrichtung, soweit diese nicht durch die vom Kläger selbst einzusetzenden Mittel gedeckt waren.
Mit Bescheid vom 5. Juli 1993 verfügte der Beklagte gegenüber der den Kläger damals betreuenden Mutter des Klägers, dass die Unterbringungskosten für den Kläger in dem Wohnheim der Einrichtung rückwirkend ab 1. August 1992 gem. § 27d Abs. 1 Nr. 6 BVG i. V. m. § 39 Abs. 3 BSHG i. v. m. § 15 EinglH-VO bis auf weiteres vollständig übernommen würden, solange die für das Kostenanerkenntnis maßgebenden Voraussetzungen vorliegen würden. Zur Begründung wurde Folgendes ausgeführt: Nach einem Erlass des Niedersächsischen Sozialministeriums sei in den Fällen einer stationären Unterbringung, in denen die Heimunterbringung ausschließlich schädigungsbedingt sei, der im Rahmen der Heimunterbringung durch den Pflege- und Tagessatz abgedeckte Unterbringungsbedarf in seiner Gesamtheit als ausschließlich schädigungsbedingt im Sinne von § 25c Abs. 3 Satz 2 BVG anzusehen. Für die Eingliederungshilfemaßnahme werde daher ab 1. August 1992 weder von dem Kläger noch von dessen Mutter eine Kostenbeteiligung gefordert.
Mit Bescheid vom 2. Dezember 1999 änderte der Beklagte nach Anhörung des Klägers ab 1. September 1999 seinen Kostenübernahmebescheid vom 5. Juli 1993 beschränkt auf die Wohnheimkosten dahingehend ab, dass der Kläger die auf die Grundpauschale und den Investitionsbetrag entfallenden Heimkosten selbst zu tragen habe. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass seit 1. September 1999 eine Änderung der Rechtslage dahingehend eingetreten sei, dass die Vergütungen für die Einrichtungen sich aus Grundpauschale, Maßnahmepauschale und Investitionsbetrag zusammensetzten. Damit werde es in tatsächlicher Hinsicht erstmalig bundesweit möglich, die Kosten für die vollstationäre Eingliederungshilfe differenziert danach zu beurteilen, inwieweit sie ausschließlich schädigungsbedingt i. S. d. § 25c Abs. 3 Satz 2 BVG seien. Bei der Gewährung von Leistungen der Kriegsopferfürsorge seien lediglich die Maßnahmekosten in Höhe der Maßnahmepauschale dem ausschließlich schädigungsbedingten Bedarf zuzurechnen. Die Kosten für Unterbringung und Verpflegung, die in der Grundpauschale erfasst seien, und der Investitionsbetrag seien nicht ausschließlich schädigungsbedingt, da auch erwachsene Nichtbeschädigte im Rahmen einer angemessenen Lebenshaltung entsprechende oder zumindest vergleichbare Kosten für Wohnraum und Verpflegung zu tragen hätten. Bei Bedarfslagen, die prinzipiell alle Menschen hätten, fehle es in der Regel am Ursachenzusammenhang zwischen der Schädigung und dem Bedarf. Sie könnten daher grundsätzlich nicht schädigungsbedingt sein. Seit der Gesetzesänderung seien daher nur noch die Maßnahmekosten in Höhe der Maßnahmepauschale als ausschließlich schädigungsbedingter Bedarf einkommens- und vermögensunabhängig zu gewähren. Die Kosten für Unterkunft und Verpflegung, die in der Grundpauschale erfasst seien, und die Investitionskosten seien ab 1. September 1999 nur noch zu übernehmen, soweit der Kläger die Kosten nicht aus einzusetzenden Einkommen oder Vermögen selbst aufbringen könne. Hierzu sei der Kläger jedoch durchaus in der Lage. Das einzusetzende Einkommen des Klägers betrage unter Berücksichtigung der zu gewährenden Freibeträge monatlich 3.126 DM, das einzusetzende Vermögen 139.111,47 DM. Die monatlichen Kosten für die Grundpauschale und den Investitionsbetrag - dies seien die Kosten für den Bedarf, der abhängig vom Einkommen und Vermögen zu decken sei - beliefen sich bei Monaten mit 29 Tagen auf 994,12 DM (Maßnahmepauschale: 798,37 DM, Investitionsbetrag 195,75DM), bei Monaten mit 30 Tagen auf 1.028,40 DM (Maßnahmepauschale 825,90 DM; Investitionsbetrag 202,50 DM) und bei Monaten mit 31 Tagen auf 1.062,68 DM (Maßnahmepauschale 853,43 DM; Investitionsbetrag 209,25 DM). Diese Kosten seien von dem Kläger direkt an die Einrichtung zu zahlen. Der Bescheid vom 5. Juli 1993 werde daher entsprechend den zuvor genannten Ausführungen angepasst. Grundsätzlich seien zwar regelmäßig die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers zu überprüfen. Hierauf könne aber verzichtet werden, da die Kosten für die Grundpauschale und den Investitionsbetrag nur dann übernommen werden könnten, wenn diese monatlich das jeweils einzusetzende Einkommen überstiegen und auch das nicht geschonte Vermögen verbraucht sei. Dies sei jedoch bei dem Kläger absehbar nicht der Fall.
Auf den hiergegen erhobenen Widerspruch hob der Beklagte mit Bescheid vom 5. Oktober 2000 den Ausgangsbescheid für die Zeit vom 1. September bis 30. November 1999 auf, da gem. § 48 Abs. 1 SGB X eine Aufhebung des Bescheides für die Vergangenheit nicht möglich sei. Nachdem der Prozessbevollmächtigte mitgeteilt hatte, dass der Kläger seinen Widerspruch im übrigen aufrechterhalte, wies der Beklagte diesen mit Widerspruchsbescheid vom 2. Januar 2001 unter Wiederholung der Gründe des Ausgangsbescheides zurück, soweit dem Widerspruch nicht bereits durch den Bescheid vom 5. Oktober 1999 abgeholfen worden sei.
Der Kläger hat daraufhin rechtzeitig Klage erhoben, zu deren Begründung Folgendes geltend gemacht wird:
Die Voraussetzungen des § 48 SGB X seien nicht gegeben. Die Vorschrift setze eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen voraus. Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt. Für den vorliegenden Fall dürfte allein entscheidend sein, inwieweit die in der Einrichtung anfallenden Kosten schädigungsbedingt seien. Diese Feststellung bzw. Differenzierung sei aber bereits seit vielen Jahren, mit Sicherheit aber bereits seit Anfang der 90iger Jahre möglich gewesen und nicht erst seit der Einführung des § 93a Abs. 2 BSHG. Denn seit jeher seien die Pflegesatzverhandlungen auf der Grundlage sog. Selbstkostenblätter geführt worden, auf denen die Kostenstruktur der Einrichtung aufgeschlüsselt sei. Aus diesen Kostenblätter sei ohne weiteres ermittelbar gewesen, welcher Anteil des Pflegesatzes auf die sog. „Hotelkosten“ entfiele. Die Einführung des § 93a Abs. 2 BSHG mache diese Differenzierung lediglich einfacher. Im übrigen sei auch die Frist nach § 48 Abs. 4 SGB X i. V. m. § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X nicht eingehalten (wird ausgeführt). Soweit der Beklagte nunmehr bei seiner im Streit befindlichen Berechnung davon ausgegangen sei, dass Grundpauschale und Investitionsbetrag nicht ausschließlich schädigungsbedingt seien, treffe dies im übrigen nicht zu. In beiden Teilen des Vergütungssatzes für die Einrichtung seien auch ausschließlich schädigungsbedingte Kosten enthalten (wird ausgeführt).
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 2. Dezember 1999 in der Fassung des Bescheides vom 5. Oktober 2000 und seinen Widerspruchsbescheid vom 2. Januar 2001 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er wiederholt und vertieft die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden. Die bisher geübte Praxis führe zu einer Überversorgung der Kriegsopferfürsorgeberechtigten, die mit dem Sinn und Zweck des Schädigungsrechts nicht vereinbar und vom Gesetzgeber auch nicht gewollt sei, weil durch die Unterbringung in einem Heim Unterhaltsbedarf abgedeckt werde, der auch ohne die Schädigung bestehen würde. In diesem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen, dass vom Gesetzgeber vorgesehen sei, den § 25c Abs. 3 BVG i. S. der hier vertretenen Auffassung zu ergänzen.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat Erfolg.
Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig. Zwar ist das Rechtsschutzbegehren des Klägers darauf gerichtet, dass vom Beklagten die gesamten Kosten für die Unterbringung im Wohnheim in H. übernommen werden. Ein derartiges Rechtsschutzziel ist in der Regel im Wege einer Verpflichtungsklage zu verfolgen. Im vorliegenden Fall besteht jedoch die Besonderheit, dass der Beklagte durch Bescheid vom 5. Juli 1993 die Kosten für die Unterbringung in dem Wohnheim ohne den Einsatz von Einkommen und Vermögen "bis auf weiteres", solange sich die für den Erlass jenes Bescheides maßgebenden Verhältnisse nicht ändern, bewilligt hat. Dieser Bewilligungsbescheid ist bei verständiger Würdigung als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung anzusehen. Denn der Bescheid erschöpft sich nicht in der einmaligen Bewilligung einer Fürsorgeleistung für einen bestimmten Zeitabschnitt, sondern regelt das Fürsorgeverhältnis mit dem Kläger in der Weise, dass die Wohnheimkosten ab dem in dem Bescheid genannten Zeitpunkt für die Zukunft einkommens- und vermögensunabhängig nach § 27d BVG übernommen werden. Insofern wurde mit Erlass des Bescheides vom 5. Juli 1993 - anders als es im Kriegsopferfürsorgerecht an sich näher läge - die Hilfe auf unbestimmte Zeit für die Zukunft geregelt. Demzufolge stellt sich die mit dem hier streitigen Bescheid vom 2. Dezember 1999 erfolgte Umstellung auf eine einkommens- und vermögensabhängige Hilfegewährung als Entzug der in der Vergangenheit begründeten Rechtsposition des Klägers dar. Hiervon geht offenbar auch der Beklagte selbst aus, hält er doch ausweislich des hier im Streit befindlichen Bescheides die Aufhebung des in der Vergangenheit erlassenen Bewilligungsbescheides vom 5. Juli 1993 für erforderlich. Zur Erreichung des Klageziel ist daher im vorliegenden Fall lediglich die Aufhebung des Bescheides vom 2. Dezember 1999 der Fassung des Bescheides vom 5. Oktober 2000 und des Widerspruchsbescheides erforderlich, so dass die Anfechtungsklage die statthafte Klageart ist, da mit der Aufhebung des angefochtenen Bescheides der erstrebte Zustand wieder auflebt und das Klageziel erreicht ist.
Die Anfechtungsklage ist auch begründet. Der angefochtene Bescheid ist aufzuheben, da dieser Bescheid in der Fassung, die er durch den Abhilfebescheid und den Widerspruchsbescheid erhalten hat, den Kläger in eigenen Rechten verletzt, weil er rechtswidrig ist.
Entgegen der Auffassung des Beklagten kann der angefochtene Bescheid nicht auf § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X gestützt werden, weil die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht erfüllt sind. Zwar verpflichtet diese Regelung die Behörde zwingend einen Dauerverwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Dies gilt jedoch nur, soweit in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Dabei sind die tatsächlichen Verhältnisse der Inbegriff der für die rechtliche Regelung durch den Verwaltungsakt wesentlichen Tatsachen. Demgegenüber sind die rechtlichen Verhältnisse die Gesamtheit der von der Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes als relevant erachteten Rechtsregeln, also Gesetze, Verordnungen, Satzungen und Grundsätze gefestigter Rechtsprechung. Ob eine Änderung der Verhältnisse wesentlich ist, ist eine Frage des Einzelfalls. Grundvoraussetzung ist, dass die Änderung tatsächliche oder rechtliche Verhältnisse betrifft, die für den Erlass des Dauerverwaltungsaktes maßgebend waren. Demnach sind wesentlich alle Änderungen, die dazu führen, dass die Behörde unter den nunmehr objektiv vorliegenden Verhältnissen den Verwaltungsakt nicht oder nicht wie geschehen hätte erlassen dürfen. Hieran gemessen liegen die Voraussetzungen für eine auf § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X gestützte Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 5. Juli 1993 nicht vor.
Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass sich weder die für die Entscheidung maßgebenden wesentlichen tatsächlichen noch die rechtlichen Verhältnisse geändert haben, seitdem der Beklagte die Entscheidung getroffen hat, dem Kläger für den stationären Aufenthalt in der Einrichtung einkommens- und vermögensunabhängig Eingliederungshilfeleistungen zu gewähren. Die insoweit für die Leistungsgewährung maßgebenden gesetzlichen Leistungstatbestände haben sich - hiervon geht auch der Beklagte aus - seit Erlass des Bescheides vom 5. Juli 1993 nicht geändert. Denn weder § 25c Abs. 3 Satz 2 BVG - in dieser Vorschrift ist geregelt, dass bei ausschließlich schädigungsbedingtem Bedarf einkommensabhängig zu leisten ist - noch § 26f Abs. 1 BVG - diese Vorschrift verweist bezüglich des Vermögenseinsatzes auf § 25c Abs. 3 Satz 2 BVG - sind seit Erlass des Bescheides geändert worden.
Die durch das Gesetz zur Reform des Sozialhilferechts vom 23. Juli 1996 neu eingefügte und zum 1. Januar 1999 in Kraft getretene Vorschrift des § 93a BSHG, die der Beklagte im Zusammenhang mit der Aufhebung des Bescheides vom 5. Juli 1993 nennt, regelt lediglich die inhaltliche Gestaltung und Ausfüllung der in § 93 BSHG zwischen dem Sozialhilfeträger und der Einrichtung zu treffenden Leistungs- und Entgeltvereinbarungen, nicht jedoch den hier für die einkommens- und vermögensunabhängige Gewährung maßgebenden Leistungstatbestand im Hinblick auf den Leistungsempfänger. Wenn der Beklagte in dem angefochtenen Bescheid ausführt, aufgrund der in § 93a Abs. 2 BSHG vorgesehenen Aufteilung des Vergütungssatzes in Grund- und Maßnahmepauschale sowie Investitionsbetrag sei eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse eingetreten, weil es nunmehr erstmals möglich gewesen sei, die Wohnheimkosten danach zu differenzieren, inwieweit sie ausschließlich schädigungsbedingt i. S. d. § 25c Abs. 3 Satz 2 BVG seien oder nicht, so trifft dies nicht zu. Denn dieser Gesichtspunkt erfüllt die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X nicht. In der genannten Gesetzesänderung liegt schon keine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse, die für die Entscheidung vom 5. Juli 1993 wesentlich war und daher eine Aufhebung des fraglichen Bescheides erlaubt hätte. Bereits im Jahre 1993 wäre es dem Beklagten vielmehr unschwer möglich gewesen, die Wohnheimkosten entsprechend aufzugliedern. Zwar trifft es zu, dass in der Vergangenheit ein Vergütungssatz für Heime einheitlich festgelegt wurde, ohne danach zu differenzieren, ob es sich - wie dies nach der Gesetzesänderung der Fall ist - um Unterkunfts-, Verpflegungs- oder Maßnahmekosten handelt. Dieser Umstand ist aber nicht wesentlich, weil der Beklagte diese Kosten auch schon in der Vergangenheit hätte unschwer ermitteln können. Denn 1993 wurde der Vergütungssatz wegen des damals gültigen Selbstkostendeckungsprinzips noch auf der Grundlage sog. Selbstkostendeckungsblätter festgesetzt, die sogar noch eine sehr viel detailliertere Aufschlüsselung der einzelnen Kosten zuließ (vgl. Vereinbarung über die Pflegesatzgestaltung in freigemeinnützigen, sozialen Einrichtungen in Niedersachsen, Erl. d. MS v. 31.7.1980, Nds.MBl. 1980, S. 1135 ff.). Insofern war es dem Beklagten schon 1993 durchaus durch Einsichtnahme in die Selbstkostendeckungsblätter möglich, den in der Einrichtung abgedeckten Bedarf entsprechend danach zuzurechnen, inwieweit dieser ausschließlich auf die anerkannte Impfschädigung zurückzuführen war oder nicht.
Insofern stellt der vom Beklagten angeführte Gesichtspunkt bezüglich der Aufgliederung des Vergütungssatzes keinen tragfähigen Anknüpfungspunkt für eine auf § 48 Abs. 1 SGB X gestützte Aufhebung des Bescheides vom 5. Juli 1993 dar.
Auch im übrigen lassen sich keine tragfähigen Anknüpfungspunkte für eine solche Entscheidung finden. Maßgebend für die im Juli 1993 getroffene Entscheidung Beklagten, die Kosten der Unterbringung ab 1. August 1992 anders als in der Zeit davor nur noch einkommens- und vermögensunabhängig zu gewähren, war der Erlass des MS v. 30. Juli 1992 (Az. 105-43 209/2). Nach dem genannten Erlass hing die Übernahme der gesamten Heimkosten lediglich davon ab, ob die Heimunterbringung nach Einschätzung des Ministeriums ausschließlich schädigungsbedingt war oder nicht. Denn wegen § 25b Abs. 1 Satz 2 BVG, wonach die Hilfe in einer Anstalt, einem Heim oder in einer gleichartigen Einrichtung auch den notwendigen Lebensunterhalt und die darüber hinaus erforderlichen einmaligen Leistungen umfasst, ging der Beklagte ausweislich des Erlasses von einer sog. „einheitlichen Betrachtungsweise“ aus. Dies bedeutet: War die Notwendigkeit einer Betreuung in einer stationären Einrichtung ausschließlich schädigungsbedingt, war wegen § 25b Abs. 1 Satz 2 BVG der gesamte in der Einrichtung gedeckte Bedarf als ausschließlich schädigungsbedingt anzusehen. Diese für die Auffassung des Beklagten maßgebenden Vorschrift hat sich jedoch nicht geändert. Denn § 25b Abs. 1 Satz 2 BVG ist seit dem Erlass des Bescheides nicht geändert worden. Wenn der Beklagte nunmehr die Aufgliederung des Vergütungssatzes zum Anlass nimmt, die Hilfe zu modifizieren, beruht dies in Wahrheit auf einer Änderung der eigenen Rechtserkenntnis. Abgesehen von einer Änderung in der höchstrichterlichen Rechtsprechung, die in § 48 Abs. 2 SGB X ausdrücklich genannt ist, erfüllt eine solche Änderung der Rechtsauffassung nicht die in Rede stehenden Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 SGB X. Vielmehr handelt es sich um die Korrektur einer bei Erlass des Bescheides vom 5. Juli 1993 vorliegenden Fehlinterpretation maßgebenden Rechts, die ausschließlich nach Maßgabe des § 45 SGB X zu erfolgen hat.
Die Kammer kann jedoch vorliegend dahinstehen lassen, ob der fragliche Bescheid, der ausdrücklich und ausschließlich auf § 48 SGB X gestützt ist, auch auf § 45 SGB X gestützt werden könnte. Denn selbst wenn der fragliche Bewilligungsbescheid - wofür nach Auffassung der Kammer manches spricht - von Anfang an rechtswidrig gewesen sein sollte, so käme die Aufhebung eines solchen rechtswidrigen Dauerverwaltungsaktes nach § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe in Betracht. Vorliegend sind jedoch mehr als sechs Jahre seit seiner Bekanntgabe verstrichen. Auch die in den Sätzen 2 und 3 der Vorschrift aufgeführten Ausnahmetatbestände, bei denen die Zweijahresfrist nicht gilt (Satz 2) bzw. statt der Zweijahresfrist eine Zehn-Jahres-Frist gilt (Satz 3), sind im vorliegenden Fall ersichtlich nicht erfüllt.