Verwaltungsgericht Osnabrück
Urt. v. 25.04.2003, Az.: 2 A 45/02

Landwirtschaftliche Subvention; Mindestalter; Rindersonderprämie; Sanktion; Versendung ins Ausland

Bibliographie

Gericht
VG Osnabrück
Datum
25.04.2003
Aktenzeichen
2 A 45/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 48092
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die Gewährung einer Rindersonderprämie setzt in den Fällen, in denen eine Versendung prämienfähiger Tiere ins Ausland beabsichtigt ist, u.a. voraus, dass die Rinder, für die eine entsprechende Prämie beantragt wird, bereits im Zeitpunkt der Antragstellung - und nicht erst bei der (späteren) Versendung - mindestens 9 Monate alt sind.

Tatbestand:

1

Die Beteiligten streiten um die Auslegung der Vorschrift einer EG-Verordnung über die Gewährung von Rindersonderprämien.

2

Die Kläger betreiben die Landwirtschaft in Gestalt einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Im Rahmen ihres landwirtschaftlichen Betriebes befassen sie sich u.a. mit der Rinderzucht. Im Jahre 2000 beantragten sie mehrfach die Gewährung von Rindersonderprämien, u.a. mit dem Antrag Nr. 13 vom 30.10.2000 eine Sonderprämie für männliche Rinder für (jetzt noch im Streit befindliche) 25 Tiere. Sie benutzten dabei das für das Land Niedersachsen vorgesehene Antragsformular und kreuzten unter der Rubrik Vermarktungsform an, dass die Tiere in einen EU-Mitgliedsstaat versandt würden. Diesbezüglich war in dem Antragsformular die Ziff. 6.4 angekreuzt, in der es u.a. heißt:

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„Ich/Wir erkläre/n, dass alle Tiere, die ich/wir für die Versendung beantrage/n, mindestens 9 Monate alt sind.“

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Aus den Verwaltungsvorgängen des Beklagten - von den Klägern unbestritten - ergibt sich, dass 22 der Tiere zwar bei dem Versand in die Niederlande am 20.11.2000 9 Monate alt waren, nicht aber bei der Antragstellung.

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Mit Bescheid vom 29.06.2001 i.d.F. vom 07.11.2001 (die Bescheide betrafen die Abschlusszahlung für sämtliche von den Klägern für das Jahr 2000 beantragten Rindersonderprämien) lehnte der Beklagte die Gewährung der mit Antrag Nr. 13 vom 30.10.2000 begehrten Sonderprämie mit der Begründung ab, dass 22 der zur Vermarktung gemeldeten Tiere bei der Antragstellung noch nicht 9 Monate alt gewesen seien, so dass der Prämienanspruch diesbezüglich nicht bestanden habe mit der Konsequenz, dass die Prämie insgesamt nicht - auch nicht für die drei anderen Tiere - gezahlt werden könne, weil insoweit die für derartige Fälle vorgesehene Sanktionsregelung eingreife.

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Die Kläger haben dagegen Widerspruch eingelegt mit der Begründung, dass das Antragsformular nicht deutlich gemacht habe, dass der Zeitpunkt der Antragstellung für die Berechnung der 9 Monate ausschlaggebend sei. Im Übrigen hätten sie erfahren, dass im Lande Nordrhein-Westfalen für die Berechnung maßgebend das Datum der Versendung sei.

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Den Widerspruch wies die Bezirksregierung G. mit Bescheid vom 09.04.2002 als unbegründet zurück. Auch sie stellte sich auf den Standpunkt, dass maßgebend für die Einhaltung der 9-Monatsfrist das Datum der Antragstellung sei. Wenn dies in Nordrhein-Westfalen anders gehandhabt werde, widerspreche dies den EU-rechtlichen Vorschriften. Diese sähen darüber hinaus vor, dass, wenn die Differenz zwischen fehlerhaften und festgestellten Tieren mehr als 20% betragen, eine Beihilfe gar nicht gewährt werde. Hier betrage die Differenz 733%.

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Die Kläger haben rechtzeitig Klage erhoben und tragen vor: Nach den einschlägigen Regelungen werde die Sonderprämie höchstens einmal im Leben eines Bullen ab dem Alter von 9 Monaten gewährt. Diese Vorschrift werde im Antragsformular aufgegriffen, wenn es dort heiße, es werde bestätigt, dass die Tiere, für die die Versendung beantragt werde, mindestens 9 Monate seien. Zu Unrecht gehe der Beklagte davon aus, dass für die Frage maßgebend das Datum des Antrags und nicht das des Versandes sei. Soweit sich der Beklagte und die Bezirksregierung G. darauf beriefen, dass eine grammatikalische Auslegung ergäbe, dass das Datum der Antragstellung gemeint sei, weil die Form des Präsens und nicht die des Futur gewählt sei, überzeuge dies nicht. In der deutschen Sprache werde das Präsens auch dann genutzt, wenn in der Zukunft liegende Vorgänge beschrieben würden. Somit könne der fragliche Passus bei einer grammatikalischen Auslegung sowohl auf den Zeitpunkt der Antragstellung wie den des Versandes abstellen. Maßgebend sei der Sinn der Regelung, der sicherstellen solle, dass bezüglich des auszuführenden Rindes auch eine landwirtschaftliche Tätigkeit des Erzeugers entfaltet werde. Es solle vermieden werden, dass ein Rind geboren und bereits wenige Tage danach versandt werde, allein um die Prämie zu kassieren. Demgegenüber komme dem Datum der Antragstellung nur eine untergeordnete Bedeutung zu. Sie könnten sich darüber hinaus auf Vertrauensschutz berufen. Dies folge aus der Formulierung des Antragsformulars. Dass dies jedenfalls nicht eindeutig gewesen sei, folge daraus, dass die neueren Anträge nunmehr ausdrücklich darauf hinwiesen, dass maßgebend der Zeitpunkt der Antragstellung sei. Auch der Umstand, dass das Land Nordrhein-Westfalen als maßgebend das Datum des Versandes ansehe, belege die Richtigkeit ihrer Auffassung.

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Die Kläger beantragen,

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die Bescheide des Beklagten vom 29.06. und 07.11.2001 und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung G. vom 09.04.2002 aufzuheben und ihnen die mit dem Antrag Nr. 13 vom 30.10.2000 beantragte Rindersonderprämie zu gewähren.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

13

Die Erklärung, dass das Tier mindestens 9 Monate alt sei, könne nur zum Zeitpunkt der Antragstellung abgegeben werden, wenn die betroffenen Tiere dieses Alter bereits an diesem Tag erreicht hätten. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Hinweis der Kläger, dass das Präsens in der deutschen Sprache auch genutzt werde, um in der Zukunft liegende Vorgänge zu beschreiben. Dies möge für den umgangssprachlichen Bereich zutreffen. Die Sprache in Gesetzes- und Verordnungstexten sei jedoch regelmäßig wesentlich präziser, gerade auch im Hinblick auf die grammatikalische Richtigkeit.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.

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Anspruchsgrundlage für die von den Klägern begehrte Prämie ist Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1254/99 des Rates vom 17.05.1999 über die gemeinsame Marktorganisation für Rindfleisch. Nach dessen Abs. 1 Satz 1 können Erzeuger, die in ihrem Betrieb männliche Rinder halten, auf Antrag eine Sonderprämie erhalten, die nach Satz 2 auf Jahresbasis je Kalenderjahr und Betrieb im Rahmen der regionalen Höchstgrenzen für maximal 90 Tiere der in Abs. 2 festgelegten Altersklassen gewährt wird. Nach Art. 4 Abs. 2 a wird die Sonderprämie höchstens einmal im Leben eines Bullen gewährt, und zwar ab dem Alter von 9 Monaten. Nach Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 2342/99 der Kommission vom 28.10.1999 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EG) Nr. 1254/99 über die gemeinsame Marktorganisation für Rindfleisch hinsichtlich der Prämienregelung können die Mitgliedsstaaten die Sonderprämie zum Zeitpunkt der Schlachtung gewähren, und zwar bei Bullen für eine einzige Altersklasse. Abs. 2 der Vorschrift bestimmt, dass Mitgliedsstaaten, die beschlossen haben, die Regelung gemäß dem soeben zitierten Abs. 1 anzuwenden, vorsehen, dass die Prämie auch im Falle der Versendung prämienfähiger Tiere in einen anderen Mitgliedsstaat oder bei der Ausfuhr in ein Drittland gewährt wird. Für diesen Fall muss gemäß Abs. 6 der Vorschrift der Prämienantrag folgende Angaben enthalten:

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„a).,

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b).,

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c) die Erklärung, dass das Tier mindestens 9 Monate alt ist.“

19

Nach der Vorschrift ist der Prämienantrag einzureichen, bevor die Tiere das Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedsstaates verlassen.

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Die letztgenannten Anforderungen greift das Antragsformular des Landes Niedersachsen für die Gewährung dieser Rindersonderprämie auf, indem es dort heißt, dass der Prämienantrag mindestens 3 Werktage (Montag bis Freitag, mit Ausnahme von Feiertagen) vor dem Tag, an dem das männliche Rind den Bestand des Erzeugers verlassen wird, bei der Landwirtschaftskammer zu stellen ist und ferner der Antragsteller erklärt, dass alle Tiere, für die die Versendung beantragt wird, mindestens 9 Monate alt sind.

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Unter Berücksichtigung dieser Regelungen und deren Umsetzung im Antragsformular hat der Beklagte entgegen der Auffassung der Kläger zu Recht die Gewährung der Prämie bezüglich der im Antrag vom 30.10.2000 aufgeführten Bullen abgelehnt.

22

Für die Entscheidung ist der von den Klägern gegebene und von dem Beklagten bestätigte Hinweis auf die Praxis der zuständigen Behörden des Landes Nordrhein-Westfalen, für die Einhaltung der 9 Monate das Versendungsdatum als maßgeblich anzusehen, unbeachtlich. Die Kläger können sich darauf nicht mit Erfolg berufen, weil - wie darzulegen sein wird -, die Rechtsauffassung des Beklagten nicht zu beanstanden ist und sie keinen Anspruch darauf haben, gleichwohl ebenso behandelt zu werden, wie Antragsteller aus dem Nachbarland.

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Soweit die Parteien aus der Formulierung der Umsetzung dieser Vorschriften in das Antragsformular Schlüsse für ihre jeweiligen Auffassungen ziehen wollen, haben beide Auffassungen durchaus etwas für sich, führen aber letztlich nicht weiter. Einerseits ist den Klägern durchaus zuzustimmen, dass im deutschen Sprachgebrauch auch für zukünftige Ereignisse das Präsens gebraucht wird. Dem hält der Beklagte ebenfalls durchaus zutreffend entgegen, dass die Gesetzes- und Verordnungssprache (jedenfalls regelmäßig) präziser ist und erwartet werden darf - eine Erwartung, die sich bekannterweise aber nicht stets erfüllt -, dass der Gesetz- und Verordnungsgeber genau umschreibt, was er wie und unter welchen Voraussetzungen regeln will. Dieser Argumentation fehlt im vorliegenden Fall aber die Überzeugungskraft zum einen deshalb, weil das Antragsformular weder ein Gesetz noch eine Verordnung ist und zum anderen es entgegen der Darstellung des Beklagten gerade nicht logisch und klar formuliert ist. Dies wird an der hier interessierenden Erklärung deutlich, wenn es dort heißt: „Ich .. erkläre .., dass alle Tiere, die ich .. für die Versendung beantrage .., mindestens 9 Monate alt sind“. Denn beantragt wird nicht die „Versendung“ der Tiere, sondern die Sonderprämie, für deren Gewährung ein Alter von 9 Monaten Voraussetzung ist.

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Gleichwohl gibt der Text von Art. 8 Abs. 6 der Verordnung (EG) Nr. 2342/1999 hinreichend Aufschluss über das maßgebliche Datum. Wenn danach der Prämienantrag vor Versendung der Tiere gestellt werden und der Prämienantrag die Erklärung enthalten muss, dass das Tier mindestens 9 Monate alt ist, dann kann das gar nicht anders gemeint sein, als dass das Alter bereits bei Stellung des Antrags erreicht sein muss. Insoweit kann und muss die Vorschrift sinngemäß wie folgt gelesen werden:

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„c) die Erklärung, dass das Tier heute/jetzt mindestens 9 Monate alt ist.“

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Nur in dieser Leseart ist die Vorschrift in sich stimmig.

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Dieses Ergebnis wird vom Sinn der Regelung bestätigt. Die Prämie soll nur gewährt werden für Bullen, die beim Versand älter als 9 Monate sind, um sicherzustellen, dass der Erzeuger, der in den Genuss der Sonderprämie gelangen soll, das Tier auch tatsächlich über einen längeren Zeitraum hinweg gehalten hat. Die Gewähr, dass das mit der Prämie verbundene Ziel tatsächlich erreicht wird, ist aber nur dann gegeben, wenn das Tier dieses Alter bereits bei Stellung des Antrages erreicht hat. Denn anderenfalls bestünde die Gefahr - die sich im Falle der Kläger allerdings nicht verwirklicht hat -, dass Tiere, nachdem für sie ein Antrag auf Gewährung der Sonderprämie gestellt worden ist, noch vor Erreichen des 9. Lebensmonats ins Ausland versandt werden und gleichwohl die Prämie bewilligt wird. Um der so umschriebenen Gefahr des Missbrauchs vorzubeugen, sind Art. 4 Abs. 2 a Verordnung (EG) Nr. 1254/99 i.V.m. Art. 8 Abs. 6 der Verordnung (EG) Nr. 2342/99 in dem eingangs dargelegten Sinne auszulegen.

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Dass es - wie dargelegt - im Falle der Kläger zu einem Missbrauch nicht gekommen ist, weil die Tiere bei der Versendung dann tatsächlich 9 Monate alt waren, ist unbeachtlich, weil - da die Tiere dieses Alter bei Antragstellung noch nicht erreicht hatten - es schon an den Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung der Prämie fehlte.

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Dass die Kläger sich auf ein wie immer geartetes Vertrauen nicht berufen können, liegt auf der Hand, da sie - wie sich aus den vorstehenden Überlegungen ergibt - lediglich die maßgebenden Vorschriften falsch ausgelegt haben, wozu das Antragsformular keinen Anlass bot.

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Da die Anspruchsvoraussetzungen im vorliegenden Falle für 22 der 25 Tiere, für die eine Prämie beantragt worden war, fehlten, war die Prämie insgesamt zu versagen. Denn die Differenz zwischen den festgestellten Tieren (diejenigen, für die die Anspruchsvoraussetzungen vorlagen) und den insoweit fehlerhaften Tieren (diejenigen, für die das nicht zutraf) lag über 20%, womit ein Prämienanspruch ausgeschlossen ist (vgl. dazu Art. 10 Abs. 2 b Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 der Kommission vom 23.12.1992 mit Durchführungsbestimmungen zum integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem für bestimmte gemeinschaftliche Beihilferegelungen).