Sozialgericht Hannover
Beschl. v. 19.01.2005, Az.: S 51 So 2/05 ER
Anspruch auf Übernahme von Mietrückständen nach § 34 Sozialgesetzbuch -Zwölftes Buch (SGB XII); Aufteilung von Unterkunftskosten und Mietrückständen nach Kopfteilen; Verhältnis der Leistungen nach dem SGB XII zu den Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch -Zweites Buch (SGB II)
Bibliographie
- Gericht
- SG Hannover
- Datum
- 19.01.2005
- Aktenzeichen
- S 51 So 2/05 ER
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2005, 31790
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGHANNO:2005:0119.S51SO2.05ER.0A
Rechtsgrundlagen
- § 5 Abs. 2 S. 1 SGB II
- § 7 Abs. 1 Nr. 2 SGB II
- § 22 Abs. 5 SGB II
- § 28 SGB II
- § 37 SGB II
- § 2 Abs. 1 SGB XII
- § 34 SGB XII
- § 86b Abs. 2 SGG
Fundstellen
- FStBW 2005, 867-868
- FStHe 2005, 725-726
- FStNds 2006, 378-379
- GV/RP 2006, 144-145
- info also 2005, 85 (Volltext mit red. LS)
In dem Rechtsstreit
hat das Sozialgericht Hannover - 51. Kammer -
am 19. Januar 2005
durch
den Richter am Verwaltungsgericht Schade
beschlossen:
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt seine außergerichtlichen Kosten des Verfahrens selbst und hat die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin zu erstatten.
Gründe
Der zulässige Antrag des Antragstellers,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die rückständige Miete in Höhe von 2.729,42 EUR zu übernehmen,
ist unbegründet.
Gemäß § 86 b Absatz 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist begründet, wenn sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund vorliegen. Dabei bezieht sich der Anordnungsanspruch auf den materiellen Anspruch, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird. Es müssen in der Hauptsache überwiegende Erfolgsaussichten bestehen. Für das Vorliegend eines Anordnungsgrundes ist Voraussetzung, dass dem Antragsteller unter Berücksichtigung seiner Interesse, aber auch der öffentlichen Interessen, nicht zumutbar ist, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten. Grundsätzlich ist es dabei nicht Zweck des vorläufigen Rechtsschutzes, die endgültige Entscheidung der Hauptsache vorweg zu nehmen.
Diese Voraussetzung sind vorliegend nicht erfüllt. Dem Antragsteller ist es nicht gelungen, einen Anspruch auf die begehrte Leistung glaubhaft zu machen.
Zwar ist eine Anwendung der Vorschriften des SGB XII nicht schon wegen § 5 Abs. 2 Satz 1 SGB II ausgeschlossen. Denn ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II besteht erst nach Stellung eines entsprechenden Antrages nach § 37 SGB II. Dieser Antrag hat konstitutive Wirkung, so dass es ohne Antrag auch nicht zu einer Anspruchsberechtigung nach dem SGB II kommt (Luthe, in Hauck/Noftz, SGB II, 2005, § 5 Rdnr. 10). Ein Anspruch auf Übernahme der Mietrückstände nach § 34 SGB XII ist aber schon deshalb ausgeschlossen, weil der Antragsteller sich selbst helfen kann, § 2 Abs. 1 SGB XII. Der Antragsteller kann einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II stellen und in diesem Rahmen dann eine Übernahme der Mietschulden nach § 22 Abs. 5 SGB II begehren. Nur für andere Rückstände würde trotz einer Anspruchsberechtigung nach dem SGB II gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 SGB II weiterhin auch Leistungen nach dem § 34 SGB XII in Betracht kommen, nicht aber für Mietrückstände.
Zwar ist nicht bekannt, ob der Antragsteller in eigener Person die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Nr. 2 SGB II erfüllt. Er hat aber - einen Antrag nach § 37 SGB II vorausgesetzt - zumindest einen Anspruch auf Sozialgeld nach § 28 SGB II. Denn seine Ehefrau, mit der er zusammenlebt, ist unzweifelhaft - wie sich aus seinem eigenen Vortrag ergibt - erwerbsfähig.
Ist nach alledem ein Anspruch nach § 34 SGB XII im Hinblick auf § 2 Abs. 1 SGB II ausgeschlossen, besteht - wenigstens derzeit - aber auch kein Anspruch nach § 22 Abs. 5 SGB II. Denn hierfür ist zwingend ein Antrag nach § 37 SGB II vorgeschrieben. Obwohl der Antragsteller durch das Gericht auf die Notwendigkeit eines Antrages hingewiesen wurde, hat er die Antragstellung nicht glaubhaft gemacht. Aus den Verwaltungsvorgängen ergibt sich kein entsprechender Antrag.
Nur der Vollständigkeit halber weist das Gericht darauf hin, dass zurzeit für den Antragsteller selbst bei Erfüllen der Antragsvoraussetzung sein an das Gericht gerichteter Eilantrag keinen Erfolg haben kann. Nach § 22 Abs. 5 SGB II können Mietschulden darlehensweise übernommen werden, wenn dadurch die Wohnungslosigkeit abgewendet werden kann.
Dem Antragsteller könnte in eigener Person selbst im Falle eines erfolgreichen Antrages jedoch nur hinsichtlich 1/3 der Mietrückstände erstreiten. Denn er bewohnt die Wohnung zusammen mit seiner Ehefrau und einem Kind. Die Unterkunftskosten und mithin auch die Mietrückstände sind nach Kopfteilen aufzuteilen. Mit der Übernahme von nur 1/3 der Mietschulden könnte die Wohnungslosigkeit aber wohl kaum abgewendet werden. D.h., alle Personen der Bedarfsgemeinschaft, in Fällen von Mietrückständen ist es erforderlich, dass alle Bewohner der Wohnung, mithin hier die Ehefrau und das Kind des Antragstellers, einen Antrag nach § 86b Abs. 2 SGG bei Gericht stellen. § 38 SGB II steht dem nicht entgegen. Diese Vorschrift spricht lediglich die Vermutung aus, dass der erwerbsfähige Hilfebedürftige bevollmächtigt ist, für die weiteren Personen der Bedarfsgemeinschaft Anträge zu stellen. Er müsste diese Anträge aber nach wie vor auch im Namen dieser anderen Personen und nicht nur im eigenen Namen stellen.