Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 17.07.2007, Az.: 6 A 433/06
Unmöglichkeit der Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandung gegen Verkehrsvorschriften als Voraussetzung der Auferlegung einer Pflicht zur Fahrtenbuchführung; Tätigung von Angaben zu dem das Tatfahrzeug benutzenden Personenkreis als hinreichende Mitwirkung des Fahrzeughalters; Fehlen eines Fotos von ausreichender Qualität zur Bestimmung des Fahrzeugführers mit der für den Erlass eines Bußgeldbescheids erforderlichen Sicherheit als Voraussetzung einer Fahrtenbuchanordnung
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 17.07.2007
- Aktenzeichen
- 6 A 433/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 50170
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGBRAUN:2007:0717.6A433.06.0A
Rechtsgrundlage
- § 31a Abs. 1 S. 1 StVZO
Fundstellen
- SVR 2008, 116-118 (Volltext mit amtl. LS u. Anm.)
- VRR 2007, 323 (Kurzinformation)
Amtlicher Leitsatz
Ob der Bußgeldbehörde die Feststellung des verantwortlichen Fahrzeugführers anhand eines Fotos von der Verkehrsordnungswidrigkeit möglich gewesen ist und ein Fahrtenbuch daher nicht angeordnet werden durfte, bestimmt sich nicht nach der subjektiven Einschätzung einer Ermittlungsperson. Maßgeblich ist vielmehr, ob das Foto objektiv von solcher Qualität ist, dass die Bußgeldbehörde auf dieser Grundlage den Fahrzeugführer mit der für den Erlass eines Bußgeldbescheides im Ordnungswidrigkeitenverfahren erforderlichen Sicherheit bestimmen konnte. Dies setzt voraus, dass es keine vernünftigen Zweifel an der Täterschaft geben durfte.
T a t b e s t a n d:
Der Kläger wendet sich gegen die Anordnung, für die Dauer von 15 Monaten ein Fahrtenbuch zu führen, und gegen den hierfür ergangenen Kostenbescheid.
Er ist Halter des Personenkraftwagens mit dem amtlichen Kennzeichen D.. Mit diesem Fahrzeug wurde am 31. Juli 2006 gegen 13:41 Uhr innerhalb der geschlossenen Ortschaft von Wolfsburg die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h nach Abzug eines Toleranzwertes um 37 km/h überschritten. Der Geschwindigkeitsverstoß wurde durch ein Geschwindigkeitsmessgerät festgestellt und mit Fotos dokumentiert.
Unter dem 14. August 2006 unterrichtete die Stadt Wolfsburg als für die Ahndung der Verkehrsordnungswidrigkeit zuständige Behörde den Kläger über die begangene Verkehrsordnungswidrigkeit und gab ihm Gelegenheit, hierzu Stellung zu nehmen. Der Kläger teilte hierauf unter dem 21. August 2006 mit, dass er nicht der verantwortliche Fahrzeugführer gewesen sei und er den Verstoß nicht zugebe. Weitere Angaben zur Sache machte er nicht.
Die Stadt Wolfsburg stellte das gegen den Kläger gerichtete Ordnungswidrigkeitenverfahren ein und befragte ihn mit Schreiben vom 22. August 2006 - diesmal als Zeuge - erneut zu dem Geschehen vom 31. Juli 2006. Sie forderte ihn hierin auf mitzuteilen, wer als Verantwortlicher für den Verkehrsverstoß in Betracht komme beziehungsweise wer das Kraftfahrzeug geführt habe. Sollten ihm diese Angaben zum Fahrzeugführer / zur Fahrzeugführerin nicht möglich sein, solle er mitteilen, ob das Kraftfahrzeug mit dem Kennzeichen D. auch von anderen Personen geführt werde und wer gegebenenfalls zu diesem Personenkreis zähle. Der Kläger berief sich auf ein Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO und machte keine Angaben zur Sache.
Mitte September 2006 bat die Stadt Wolfsburg den zentralen Ermittlungsdienst des Beklagten, den verantwortlichen Fahrzeugführer zu ermitteln. Von dessen Wohnsitzgemeinde erhielt der Ermittlungsdienst ein Foto des Klägers. Zudem suchte ihn ein Mitarbeiter des Ermittlungsdienstes auf. Auch diesem gegenüber berief sich der Kläger jedoch auf ein Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO und machte wiederum keine Angaben zur Sache. Der Mitarbeiter des Ermittlungsdienstes meinte allerdings, den Kläger bei einem Abgleich mit dem von der Wohnsitzgemeinde übermittelten Foto und aufgrund des vor Ort gewonnenen Eindrucks auf dem Foto von der Verkehrsordnungswidrigkeit als Fahrzeugführer erkennen zu können und teilte dies auch der Stadt Wolfsburg mit.
Die Stadt Wolfsburg sah dennoch davon ab, den Kläger als Verantwortlichen der Verkehrsordnungswidrigkeit heranzuziehen, da er wegen der schlechten Bildqualität des Fotos vom Verkehrsverstoß nicht mit der erforderlichen Sicherheit als Fahrzeugführer zu erkennen gewesen sei.
Zunächst Mitte Oktober und ein weiteres Mal Anfang November 2006 hörte der Beklagte den Kläger schriftlich zu einer Fahrtenbuchauflage von 15 Monaten Dauer an. Eine Stellungnahme zur Sache erfolgte seitens des Klägers nicht.Am 30. November 2006 hat der Kläger gegen beide Bescheide Klage erhoben. Zur Begründung macht er im Wesentlichen Folgendes geltend: Es seien nicht hinreichende Bemühungen unternommen worden, den verantwortlichen Fahrzeugführer zu ermitteln. Weil er durch seine Auskunftsverweigerung gemäß § 55 StPO dokumentiert habe, den Fahrzeugführer zu kennen, aber nicht bereit zu sein, dessen Namen preiszugeben, sei es der Stadt Wolfsburg als zuständiger Ordnungswidrigkeitenbehörde zumutbar gewesen, andere Familienangehörige, die ebenfalls im Besitz einer Fahrerlaubnis sind, zu befragen und in Augenschein zu nehmen. Zudem habe der Mitarbeiter des Ermittlungsdienstes angegeben, ihn als verantwortlichen Fahrzeugführer erkennen zu können. Der Beklagte habe außerdem das ihm gemäß § 31a StVZO zustehende Ermessen nicht ausgeübt. Er habe vielmehr "schematisch" ohne Würdigung des Einzelfalls gehandelt und sei unzulässigerweise von einer Selbstbindung ausgegangen. Dies zeige sich auch an seinen Äußerungen im Schriftsatz an das Gericht vom 5. Februar 2007. Insbesondere habe es der Beklagte versäumt, Ermessenserwägungen dahingehend anzustellen, die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage ihm gegenüber nur anzudrohen.
Mit Bescheid vom 17. November 2006 gab der Beklagte dem Kläger auf, für das Fahrzeug mit dem Kennzeichen D. ein Fahrtenbuch für die Dauer von 15 Monaten zu führen; sofern er anstelle dieses Fahrzeugs ein Ersatzfahrzeug einsetze, erstrecke sich die Anordnung auch auf dieses Fahrzeug. Zur Begründung führte er unter anderem an, dass mit dem Fahrzeug des Klägers ein grober Verkehrsverstoß begangen worden sei, der mit einem Bußgeld von 100 Euro, der Eintragung von drei Punkten im Verkehrszentralregister sowie einem Fahrverbot von einem Monat geahndet worden wäre und nicht aufgeklärt werden konnte, weil der Kläger von seinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch gemacht habe. Zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung im Straßenverkehr sei die Anordnung zum Führen des Fahrtenbuches daher erforderlich und stelle - auch im Hinblick auf die festgesetzte Dauer von 15 Monaten - keine unverhältnismäßige Belastung des Klägers dar. Mit weiterem Bescheid vom selben Tag setzte der Beklagte die Verwaltungskosten hierfür auf 85,10 Euro fest. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die angefochtenen Bescheide verwiesen.
Der Kläger beantragt,
die beiden Bescheide des Beklagten vom 17. November 2006 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
und tritt den Ausführungen des Klägers entgegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten verwiesen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
Die zulässige Anfechtungsklage ist nicht begründet. Die angegriffenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Rechtsgrundlage für die gegenüber dem Kläger als Halter des Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen D. verfügte Fahrtenbuchauflage ist die Regelung in § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO. Nach dieser Vorschrift kann die Verwaltungsbehörde einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere Fahrzeuge auferlegen, ein Fahrtenbuch zu führen, wenn die Feststellung des Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
Die Feststellung der Person, die am 31. Juli 2006 mit dem Fahrzeug des Klägers den Geschwindigkeitsverstoß begangen hat, ist der Stadt Wolfsburg als zuständiger Ordnungsbehörde nicht möglich gewesen. Nicht möglich im Sinne des § 31a StVZO ist die Fahrerfeststellung dann gewesen, wenn die Behörde nach den Umständen des Einzelfalles nicht in der Lage gewesen ist, den Täter zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat. Angemessen sind die Maßnahmen, die die Behörde in sachgerechtem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen hat, die der Bedeutung des aufzuklärenden Verkehrsverstoßes gerecht werden und erfahrungsgemäß Erfolg haben können. Dabei können sich Art und Umfang der Ermittlungstätigkeit an der Erklärung des Fahrzeughalters ausrichten. Lehnt dieser erkennbar die Mitwirkung an einer Aufklärung des Verkehrsverstoßes ab, so ist es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende und kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben (BVerwG, Urt. vom 17.12.1982 - 7 C 3/80 -, Buchholz 442.16 § 31a StVZO Nr. 12 m.w.N.; Beschl. vom 21.10.1987 - 7 B 162/87 -, Buchholz, a.a.O., Nr. 18 m.w.N.; Beschl. vom 23.12.1996 - 11 B 84/96 -; Niedersächsisches OVG, Beschl. vom 17.02.1999 - 12 L 669/99 -, Beschl. vom 27.06.00 - 12 L 2377/00 -; Beschl. vom 04.12.2003 - 12 LA 442/03 -, DAR 2004, 607).
An einer hinreichenden Mitwirkung des Fahrzeughalters fehlt es bereits dann, wenn er keine weiteren Angaben zu dem Personenkreis macht, der das Tatfahrzeug benutzt (Niedersächsisches OVG, Beschl. vom 04.12.2003, a.a.O., und vom 08.11.2004 - 12 LA 72/04 -, DAR 2005, 231; VG Braunschweig, Urt. vom 21.01.2004 - 6 A 309/03 -, ständige Rechtsprechung). Eine ausdrückliche Frage der Ermittlungsbehörden nach dem in Betracht kommenden Personenkreis ist hierbei nicht erforderlich (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. vom 04.12.2003, a.a.O.). Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Bußgeldbehörde hier die angemessenen und zumutbaren Maßnahmen zur Ermittlung des Fahrzeugführers getroffen. Der Kläger hat an der Feststellung, wer das Fahrzeug am Tag des Vorfalls gefahren hat, nicht hinreichend mitgewirkt. Angaben zur Sache hat er stets - zuletzt gegenüber dem Mitarbeiter des Ermittlungsdienstes - unter Berufung auf ein Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO verweigert. Insbesondere hat er weder den Kreis der das Fahrzeug benutzenden Personen eingegrenzt noch diese Personen konkret benannt, obwohl die Bußgeldbehörde ihn bereits im Schreiben vom 22. August 2006 hierzu aufgefordert hatte.
Weitere Ermittlungen der Bußgeldbehörde sind in einem solchen Fall grundsätzlich nicht erforderlich. Insbesondere genügt es nicht, dass die Berufung auf das Auskunftsverweigerungsrecht auf einen Familienangehörigen als Fahrer hindeuten könnte. Beruft sich der Fahrzeughalter auf das Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrecht, so braucht die Ermittlungsbehörde nicht damit zu rechnen, dass Ermittlungen im Kreis der engeren Familie des Halters, der das gleiche Recht zusteht, zur namentlichen Feststellung des Fahrers führen würden (BVerwG, Beschl. vom 17.07.1986 - 7 B 234/85 -, NJW 1987, 143). Die Behörde darf in einem solchen Fall in aller Regel davon ausgehen, dass weitere Ermittlungen zeitaufwändig wären und kaum Aussicht auf Erfolg bieten würden, den Fahrer in der für Ordnungswidrigkeiten geltenden kurzen Verjährungsfrist zu ermitteln.
Zu berücksichtigen ist insoweit auch, dass die Behörde nur die der Bedeutung des aufzuklärenden Verkehrsverstoßes und der letztlich drohenden Fahrtenbuchauflage angemessenen Ermittlungsschritte vornehmen darf. Das folgt aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Deshalb sind grundsätzlich solche staatlichen Maßnahmen jedenfalls nicht geboten, die die Belange des Betroffenen oder Dritter stärker beeinträchtigen als die Sanktion, auf die sie abzielen. Derartige Maßnahmen müssten aber vielfach ergriffen werden, wenn der Halter selbst nicht willens ist, das ihm Mögliche zur Aufklärung der Verkehrsordnungswidrigkeit beizutragen. So können behördliche Aufklärungsbemühungen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen berühren, wenn Dritte Kenntnis von der Verkehrsordnungswidrigkeit erlangen, Rückschlüsse auf das Aussageverhalten des Halters ziehen können oder aufgrund der Vorlage eines aussagekräftigen Täterfotos (etwa in der Nachbarschaft) den Täter sogar erkennen (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. vom 17.11.2006 - 12 LA 328/06 -). Daraus ergibt sich auch, dass die Behörden nach der Berufung des Halters auf sein Zeugnisverweigerungsrecht nicht allein deswegen zu weiteren Ermittlungen verpflichtet sind, weil ein Fahrerfoto vorliegt (vgl. auch Niedersächsisches OVG, Beschl. vom 02.11.2006 - 12 LA 177/06 -).
Besondere Umstände, die im konkreten Fall trotz der unzureichenden Mitwirkung des Klägers ausnahmsweise weitere Ermittlungen der Behörde erforderlich gemacht hätten, sind ebenfalls nicht ersichtlich. Insbesondere befreit die unzureichende Qualität eines bei der Geschwindigkeitsmessung angefertigten Fotos den Halter nicht von seiner Pflicht, den Kreis der Fahrzeugnutzer zu bezeichnen, und zwingt die Bußgeldbehörde damit nicht zu weiteren Ermittlungen (VG Braunschweig, Urt. vom 21.07.2006 - 6 A 16/06 -, bestätigt durch Niedersächsisches OVG, Beschl. vom 17.11.2006, s.o.).
Auch die zusätzlichen Bemühungen des Beklagten, trotz der unzureichenden Mitwirkung des Klägers den Fahrer noch zu ermitteln, ändern an dieser Rechtslage nichts. Sie deuten nicht darauf hin, dass weitere Maßnahmen zur Feststellung des Fahrzeugführers geboten gewesen sind (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. vom 17.11.2006, s.o.; ständige Rechtsprechung).
Der Bußgeldbehörde ist die Feststellung des verantwortlichen Fahrzeugführers schließlich auch nicht bereits mit dem betriebenen Ermittlungsaufwand möglich gewesen. Dem steht nicht entgegen, dass der Mitarbeiter des Ermittlungsdienstes gemeint hat, den Kläger als Fahrzeugführer auf dem Foto vom Verkehrsverstoß erkennen zu können. Ob anhand eines Fotos von einer Verkehrsordnungswidrigkeit der Nachweis des Fahrzeugführers möglich gewesen ist im Sinne von § 31a StVZO, beurteilt sich nicht nach der subjektiven Einschätzung einer Ermittlungsperson. Maßgeblich ist vielmehr, ob das Foto objektiv von solcher Qualität ist, dass die Bußgeldbehörde auf dieser Grundlage den Fahrzeugführer mit der für den Erlass eines Bußgeldbescheides im Ordnungswidrigkeitenverfahren erforderlichen Sicherheit bestimmen konnte. Dies setzt voraus, dass es keine vernünftigen Zweifel an der Täterschaft geben durfte; im Bußgeldverfahren gilt der Grundsatz "in dubio pro reo" (im Zweifel für den Angeklagten) entsprechend (vgl. Kurz in: Karlsruher Kommentar zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, 3. Aufl., § 65 Rn. 11). Nach diesen Maßstäben war es der Stadt Wolfsburg - entgegen der subjektiven Einschätzung des Mitarbeiters des Ermittlungsdienstes - unmöglich, den Kläger anhand der Fotos als verantwortlichen Fahrzeugführer der Geschwindigkeitsüberschreitung zu bestimmen. Das Foto lässt das Gesicht des Fahrzeugführers wegen der insgesamt sehr schlechten Bildqualität der Aufnahme nur schemenhaft erkennen. Einzelne Gesichtszüge sind gar nicht auszumachen. Es ist nicht einmal mit Sicherheit festzustellen, ob der Fahrzeugführer eine Kopfbedeckung trägt.
Der Fahrtenbuchauflage steht auch nicht entgegen, dass nach den vorliegenden Unterlagen davon auszugehen ist, dass der Kläger den Anhörungsbogen nicht binnen zwei Wochen nach dem Verkehrsverstoß vom 31. Juli 2006 erhalten hat. Zwar kann grundsätzlich von einem hinreichenden Ermittlungsaufwand der Bußgeldbehörde nur dann ausgegangen werden, wenn der Halter unverzüglich (vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalls regelmäßig innerhalb von zwei Wochen nach dem Verkehrsverstoß) von der mit seinem Kraftfahrzeug begangenen Zuwiderhandlung in Kenntnis gesetzt wird, damit er die Frage, wer zur Tatzeit sein Fahrzeug geführt hat, noch zuverlässig beantworten und der Täter Entlastungsgründe vorbringen kann. Eine verzögerte Anhörung steht der Fahrtenbuchauflage jedoch nicht entgegen, wenn feststeht, dass die Verzögerung für die Erfolglosigkeit der Täterermittlung nicht ursächlich gewesen ist (vgl. BVerwG, Beschl. vom 25.06.1987 - 7 B 139/87 -, Buchholz 442.16 § 31 a StVZO Nr. 17; Beschl. vom 23.12.1996 -11 B 84/96 -; Beschl. vom 14.05.1997 - 3 B 28/97 -). Hiervon kann grundsätzlich ausgegangen werden, wenn sich der Fahrzeughalter nicht bereits im Ordnungswidrigkeitenverfahren auf eine fehlende Erinnerung an den Fahrzeugführer beruft oder wenn von einer Mitwirkungsverweigerung auszugehen ist (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. vom 08.11.2004, a.a.O.; Beschl. vom 03.06.2002 - 12 LA 469/02 -). Beides ist hier der Fall. Der Kläger hat sich im Bußgeldverfahren nicht auf ein fehlendes Erinnerungsvermögen berufen. Da er zudem keinerlei Angaben zur Sache gemacht hat, muss er sich auch entgegenhalten lassen, seine Mitwirkung an der Aufklärung der Ordnungswidrigkeit verweigert zu haben.
Die Fahrtenbuchanordnung lässt auch keine Ermessensfehler erkennen (vgl. § 114 Satz 1 VwGO). Entgegen der Ansicht des Klägers ist zunächst nicht von einem Ermessensfehler in Form eines Ermessensnichtgebrauchs auszugehen. Ein solcher liegt vor, wenn die Behörde gänzlich übersieht, dass eine Ermessensnorm anzuwenden ist, sie sich in ihrer Entscheidung gebunden fühlt und eine Zweckmäßigkeitsentscheidung nicht trifft (Wolff in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl., § 114 Rn. 85). Ob eine Behörde einen bestehenden Ermessensspielraum verkannt hat, bestimmt sich nach ihren Ausführungen in dem angegriffenen Bescheid, die erforderlichenfalls auszulegen sind (vgl. Rennert in: Eyermann, VwGO, 12. Aufl., § 114 Rn. 18). Der Beklagte hat jedoch, wie sich bereits aus der Begründung des angefochtenen Bescheids ergibt, Ermessenserwägungen angestellt. Neben der Subsumtion unter die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31a StVZO enthält der Bescheid Erwägungen zur Verhältnis- und Zweckmäßigkeit der Anordnung: Der Beklagte führt aus, dass die Schwere des Verkehrsverstoßes im konkreten Einzelfall das Führen eines Fahrtenbuches erforderlich mache; auch die angeordnete Dauer von 15 Monaten sei deswegen gerechtfertigt und stelle keine unverhältnismäßige Belastung dar.
Der Beklagte hat auch nicht ermessensfehlerhaft im Sinne einer Ermessensunterschreitung gehandelt. Eine Ermessensunterschreitung liegt vor, wenn die Behörde zwar erkennt, dass ihr grundsätzlich Ermessen zusteht, sie den Umfang ihres Ermessensspielraums aber in fehlerhafter Weise einschränkt, beispielsweise weil sie für einen Teilbereich ihrer Ermessensbetätigung fälschlicherweise davon ausgeht, in ihrer Entscheidung gebunden zu sein (vgl. Wolff, a.a.O., § 114 Rn. 187). Dies lässt sich für die Ermessensbetätigung des Beklagten nicht feststellen. Insbesondere ist dieser zu Recht davon ausgegangen, dass wegen einer Bindung an seine im Schriftsatz an das Gericht vom 5. Februar 2007 (Bl. 24 der Gerichtsakte) beschriebene ständige Verwaltungspraxis die bloße Androhung einer Fahrtenbuchauflage gegenüber dem Kläger nicht in Betracht gekommen ist.
Der Beklagte hat sich hiernach dahingehend festgelegt, bei Geschwindigkeitsüberschreiungen der vorliegenden Größenordnung das Führen eines Fahrtenbuches grundsätzlich nicht bloß anzudrohen, sondern anzuordnen. Wegen des aus dem Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG folgenden Postulats der gleichmäßigen Ermessensausübung muss eine Behörde vergleichbare Fälle grundsätzlich gleich entscheiden; sie darf ohne Grund nicht von ihrer bisherigen ständigen Verwaltungspraxis abweichen, es sei denn, der entsprechende Fall ist anders gelagert (Wolff, a.a.O., § 114 Rn. 154). Anhaltspunkte für das Vorliegen einer atypischen Fallgestaltung sind aber weder vom Kläger - insbesondere auch nicht in Reaktion auf die Anhörungsschreiben - dargelegt worden noch sonst ersichtlich gewesen.
Schließlich hat der Beklagte auch nicht ermessensfehlerhaft "schematisch" gehandelt. Schematisches Handeln begründet einen Ermessensfehler, wenn dies dazu führt, dass die Behörde ohne Berücksichtigung der nach dem Zweck und der Wertung des Gesetzes zu berücksichtigenden besonderen Situation des Einzelfalles entscheidet (Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 114 Rn. 16). Der Beklagte hat jedoch gerade auf die Umstände des konkreten Einzelfalls abgestellt (Höhe der Geschwindigkeitsüberschreitung und Schwere des Verkehrsverstoßes im konkreten Fall, Art und Umfang der Mitwirkung des Klägers bei der Aufklärung der Ordnungswidrigkeit) und anhand dieser seine Entscheidung über die Anordnung des Fahrtenbuches getroffen.
Die Fahrtenbuchanordnung lässt auch im Übrigen keine Ermessensfehler erkennen. Insbesondere verstößt sie nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass bereits eine einmalige Geschwindigkeitsüberschreitung von mehr als 20 km/h regelmäßig eine so erhebliche Verkehrsübertretung darstellt, dass die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage geboten ist und nur eine Androhung derselben nicht ausreicht. Dies gilt selbst dann, wenn durch die Geschwindigkeitsübertretung, die eine der hauptsächlichen Unfallursachen ist, eine konkrete Gefährdung nicht eingetreten ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerwG, Urt. vom 17.05.1995 - 11 C 12.94 -, BVerwGE 98, 227 = NZV 1995, 460 m.w.N.; Beschl. v. 12.07.1995 - 11 B 18/95 -, NJW 1995, 3402; Beschl. vom 09.09.1999 - 3 B 94.99 -, NZV 2000, 386; Niedersächsisches OVG, Urt. vom 08.05.1995 - 12 L 7501/94 -; Beschl. vom 20.04.1998 - 12 L 1886/98 -; Beschl. vom 27.06.2000 - 12 L 2377/00 -; VG Braunschweig, Urt. vom 10.10.2000 - 6 A 322/99 - und 19.12.2003 - 6 A 738/02 -).
Auch im Hinblick auf die angeordnete Dauer der Fahrtenbuchauflage sind keine Ermessensfehler ersichtlich. Um die Fahrzeugbenutzung wirksam überwachen und den Fahrzeughalter künftig im Falle eines Verkehrsverstoßes zur Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrzeugführers anhalten zu können, ist eine gewisse, nicht zu geringe Dauer der Fahrtenbuchauflage erforderlich. Bei der Bemessung der Frist sind das Gewicht des festgestellten Verkehrsverstoßes und das Verhalten des Fahrzeughalters im Zusammenhang mit den Bemühungen der Bußgeldstelle zur Tataufklärung zu berücksichtigen (VGH Baden-Württemberg, Beschl. vom 28.05.2002 - 10 S 1408/01 -, DAR 2003, 90; VG Braunschweig, Urt. vom 16.08.2004 - 6 A 477/03 -). Für die Beurteilung der Schwere des Verkehrsverstoßes darf sich die Behörde an den in der Anlage 13 zur Fahrerlaubnis-Verordnung geregelten Punktzahlen und den darin zum Ausdruck gekommenen Wertungen orientieren. Danach ist ein Ermessensfehler des Beklagten bei der Bemessung der Fahrtenbuchauflage auf 15 Monate nicht erkennbar, weil das Verhalten des Klägers im Ordnungswidrigkeitenverfahren als Mitwirkungsverweigerung zu werten ist und eine schwerwiegende Geschwindigkeitsüberschreitung vorlag (nach Abzug eines Toleranzwertes 37 km/h über der zulässigen Höchstgeschwindigkeit), die zu einer Eintragung von 3 Punkten in das Verkehrszentralregister, einem Bußgeld in Höhe von 100 Euro und einem Fahrverbot von einem Monat geführt hätte (Nr. 5.4 der Anlage 13 zur FeV, Nr. 11.3.6 BKatV). Da der Beklagte nach seiner dem Gericht bekannten und von ihm gebilligten Verwaltungspraxis in solchen Fällen die Dauer des Fahrtenbuches grundsätzlich mit 15 Monaten bemisst (vgl. etwa Urt. vom 09.06.2005 - 6 A 191/05 - und Urt. vom 10.06.2005 - 6 A 202/05 -), ist der Kläger weder übermäßig noch gleichheitswidrig betroffen.
Die angegriffene Fahrtenbuchanordnung widerspricht auch nicht dem Zweck des § 31a StVZO. Die Fahrtenbuchanordnung soll nicht nur Verkehrszuwiderhandlungen durch den Fahrzeughalter vorbeugen, sondern hat eine umfassendere Aufgabe. Mit ihr soll sichergestellt werden, dass bei künftigen Verkehrsverstößen mit dem Fahrzeug die Feststellung des Fahrers, anders als in dem Anlassfall, ohne Schwierigkeiten möglich ist. Sie richtet sich an den Fahrzeughalter, weil dieser die Verfügungsbefugnis und die Möglichkeit der Kontrolle über sein Fahrzeug besitzt. Auch wenn von dem Fahrzeughalter selbst keine Verkehrszuwiderhandlungen zu befürchten wären, stünde dies der Fahrtenbuchanordnung nicht entgegen. Ein "doppeltes Recht", nach einem Verkehrsverstoß einerseits im Straf- und/oder Ordnungswidrigkeitenverfahren die Aussage zu verweigern und zugleich trotz fehlender Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrzeugführers auch von einer Fahrtenbuchauflage verschont zu bleiben, besteht nicht (BVerwG, Beschl. vom 22.06.95 - 11 B 7/95 -, Buchholz 442.16 § 31a StVZO Nr. 22 m. w. Nw.; Niedersächsisches OVG, Beschl. vom 10.12.1997 - 12 L 5612/97 -; VG Braunschweig, Urt. vom 05.11.1997 - 6 A 61210/97 -; Urt. vom 23.06.1999 - 6 A 103/99 -).
Frei von Ermessensfehlern ist die Fahrtenbuchanordnung auch, soweit sie sich auf ein Ersatzfahrzeug erstreckt. Die Anordnung eines Fahrtenbuchs für ein Ersatzfahrzeug, die ihre Rechtsgrundlage in § 31a Abs. 1 Satz 2 StVZO findet, ist mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in aller Regel vereinbar. Nur so kann bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens sichergestellt werden, dass die Regelungen in § 31a StVZO nicht leerlaufen und der Halter sich seiner Verpflichtung nicht durch den Verkauf des von der Fahrtenbuchanordnung unmittelbar erfassten Fahrzeugs entzieht. Anhaltspunkte, die für den vorliegenden Fall eine Ausnahme rechtfertigen würden, sind nicht ersichtlich.
Gegen die Gebührenfestsetzung durch den Beklagten, gegen die auch der Kläger keine gesonderten Einwände erhoben hat, bestehen unter Berücksichtigung der Ausführungen in dem angegriffenen Kostenfestsetzungsbescheid keine rechtlichen Bedenken (vgl. dazu VG Braunschweig, Urt. vom 02.04.2003 - 6 A 83/02 -; Urt. vom 21.01.2004 - 6 A 57/03 -).