Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 16.01.2012, Az.: 7 B 11/12

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
16.01.2012
Aktenzeichen
7 B 11/12
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2012, 44302
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
OVG Niedersachsen - 07.06.2012 - AZ: 12 ME 31/12

Gründe

1.

a)

Der im Jahre 1988 geborene Antragsteller wendet sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis (Klasse B -u.a.-).

Er nahm am Samstag, den 6. August 2011, als Führer eines Kraftfahrzeuges am öffentlichen Straßenverkehr in … teil. Um 13.05 Uhr kontrollierten ihn Polizeibeamte und führten einen Protzek-Test durch, der positiv auf THC verlief. Nach der von dem Labor … GmbH, …, durchgeführten Untersuchung der entnommenen Blutprobe enthielt sein Blut laut Endbefund vom 19. August 2011 folgende Cannaboide:

THC     

  2,6 ng/ml

THC-OH

  1,9 ng/ml

THC-COOH

16,0 ng/ml.

Mit Schreiben vom 6. September 2011 forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller auf, zur Ausräumung der danach aufgetretenen Bedenken seiner Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ein ärztliches Gutachten beizubringen. Der Antragsteller unterzog sich unter dem 13. September 2011 dieser verkehrsmedizinischen Begutachtung bei der amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung des DEKRA e.V., …, die daraufhin ihr Gutachten vom 26. September 2011 erstellte. Im Rahmen der Anamnese (Seite 3 des Gutachtens) heißt es unter anderem, der Antragsteller gebe an, er möge keinen Alkohol und trinke lediglich zu besonderen Anlässen höchstens mal ein Glas Wein oder Bier. Im Jahre 2006 habe er erstmals an einem Joint, und zwar zwei- bis dreimal, gezogen, danach nie wieder, da ihm damals schlecht geworden sei. Am 5. August 2011 habe er ein Glas Absinth getrunken. Cannabis habe er nicht konsumiert und wisse nicht, woher das vorgefundene Cannabis stammen könne.

Das Gutachten kommt im Rahmen seiner zusammenfassenden Würdigung (Seite 6) zu einer im Sinne der Fragestellung ungünstig zu wertenden Befundlage, da der Vorfall vom 6. August 2011 einen zuvor erfolgten Konsum von Cannabis belege, der mit Blick auf den vom Antragsteller selbst eingeräumten Konsum aus dem Jahre 2006 nicht mehr einmalig sei. Dementsprechend hält das Gutachten am Ende (Seite 7) fest, dass es Hinweise auf zumindest mehr als einmaligen bzw. gelegentlichen Cannabiskonsum gebe.

Mit Schreiben vom 20. Oktober 2011 hörte die Antragsgegnerin den Antragsteller zu ihrer Absicht an, ihm die Fahrerlaubnis zu entziehen. Es sei zumindest von einem gelegentlichen Cannabiskonsum beim Antragsteller auszugehen. Auch fehle es am erforderlichen Trennungsvermögen.

Mit seiner Einlassung vom 11. November 2011 machte der Antragsteller dazu geltend, fehlendes Trennungsvermögen liege nicht vor. Richtig sei zwar, dass davon auszugehen sei, dass es vor der Fahrt vom 5./6. August 2011 bereits im Jahre 2006 einmal einen Konsum von Cannabis-Produkten gegeben habe. Wegen dieser Angabe sei hingegen nicht davon auszugehen, dass der Antragsteller seitdem gelegentlich Cannabis-Produkte zu sich genommen habe. Seine Angabe, dass er am Vorabend des 6. August 2011 nicht Cannabis-Produkte zu sich genommen, sondern Absinth getrunken habe, werde verkannt, soweit das Gutachten davon ausgehe, dass durch das alkoholische Getränk kein Blutbild erzeugt werde, bei dem der angeblichen Genuss von Cannabis-Produkten angezeigt werde. Die unterstellte medizinische Annahme sei falsch. Diese Argumentation vertiefte der Antragsteller auch unter Beifügung von verschiedenen Fundstellen aus der Literatur.

Die Antragsgegnerin holte dazu noch Stellungnahmen ein von Frau Dr. … (TÜV Nord) und Herrn Dr. … (DEKRA) sowie Herrn Dr. … MPH (Amtsarzt bei der Antragsgegnerin). Übereinstimmend kommen die drei Genannten zu dem Ergebnis, dass sich die festgestellten Cannaboide im Blut des Antragstellers nicht etwa mit dem Konsum von Absinth erklären ließen.

Mit Bescheid vom 30. November 2011 entzog die Antragsgegnerin dem Antragsteller unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen der Klasse B (u.a.). Die durchgeführte chromatographische Bestätigungsanalyse (Labor … GmbH, …) beweise den Konsum von THC im Vorfeld der Verkehrskontrolle. Der Bescheid wurde am 2. Dezember 2011 zugestellt.

Am 2. Januar 2012 hat der Antragsteller Anfechtungsklage gegen diesen Bescheid erhoben (Az.: 7 A 10/12) und zugleich um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht.

Er legt den Schwerpunkt seiner Argumentation darauf geltend zu machen, dass die aufgrund der Blutprobe vom 6. August 2011 angetroffenen Werte an Cannaboiden in seinem Blut auf den Konsum von Absinth und nicht von Cannabis zurückzuführen seien.

Der Antragsgegner tritt dem entgegen und hält unter Wiederholung und Vertiefung der Gründe an seinem Bescheid vom 30. November 2011 fest.

b)

Der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu beurteilende Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der in der Hauptsache erhobenen Klage des Antragstellers ist begründet.

Für den Erfolg eines Antrags nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist entscheidend, ob das private Interesse eines Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage höher als das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes zu bewerten ist. Bei dieser Interessenabwägung sind mit der im vorläufigen Verfahren gebotenen Zurückhaltung die Aussichten des Begehrens im Hauptsacheverfahren zu berücksichtigen. Bei einer offensichtlich Erfolg versprechenden Klage überwiegt das Suspensivinteresse des Betroffenen das öffentliche Vollzugsinteresse. Der Antrag ist dagegen in aller Regel unbegründet, wenn der Antragsteller im Verfahren zur Hauptsache voraussichtlich keinen Erfolg haben wird, insbesondere wenn die angegriffene Verfügung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit rechtmäßig ist.

Hier wird die Klage des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 30. November 2011 voraussichtlich Erfolg haben. Der angegriffene Bescheid erweist sich aller Wahrscheinlichkeit nach als rechtswidrig. Zu Unrecht nimmt die Antragsgegnerin derzeit an, dass sich der Antragsteller i.S.v. § 3 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist und ihm deshalb nach dieser Vorschrift i.V.m. § 46 Abs. 1 Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung - FeV) die Fahrerlaubnis entzogen werden musste. Die Voraussetzungen dieser Vorschriften liegen voraussichtlich derzeit nicht vor.

Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen liegt gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV i.V.m. Ziff. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV insbesondere dann vor, wenn der Betroffene gelegentlich Cannabis einnimmt und das Führen von Kraftfahrzeugen davon nicht trennen kann.

Nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer (vgl. z.B. Beschlüsse vom 12. Mai 2009 - 7 B 1344/09 -, vom 30. Juni 2009 - 7 B 1770/09 -, vom 3. August 2009 - 7 B 2025/09 - und vom 18. November 2009 - 7 B 2953/09 -; Gerichtsbescheid vom 19. November 2009 - 7 A 1535/09 -), die durch die Rechtsprechung des Nds. Oberverwaltungsgerichts ergänzt wird (vgl. z.B. Beschlüsse vom 09. Oktober 2009 - 12 ME 09-165 -, vom 4. Dezember 2008 - 12 ME 298/08 -, vom 19. Februar 2008 - 12 ME 4/08 -, vom 26. Juni 2008 - 12 ME 138/08 -, vom 4. August 2008 - 12 ME 215/08 -, vom 19. September 2008 - 12 ME 202/08 - und vom 6. Oktober 2008 - 12 ME 213/08 -) reicht es – jedenfalls in aller Regel, grundsätzlich - für die Annahme eines gelegentlichen Konsums aus, wenn Cannabis mindestens zweimal in voneinander unabhängigen Konsumakten eingenommen wurde.

Fehlendes Trennungsvermögen ist anzunehmen, wenn der Fahrerlaubnisinhaber unter dem Einfluss von Cannabis ein Fahrzeug im Straßenverkehr geführt hat. Das Nds. Oberverwaltungsgericht vertritt hierbei (ebenso wie die Kammer) in seiner ständigen Rechtsprechung die Auffassung, bei THC-Werten von mindestens 1 ng/ml sei von einer Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit und einem mangelnden Vermögen zur Trennung des Cannabiskonsums vom Führen eines Kraftfahrzeugs auszugehen (vgl. Nds. OVG, Beschlüsse vom 18. Oktober 2007 - 12 ME 338/07 - und vom 11. Juli 2003 - 12 ME 287/03 -).

Ein Konsum dieser Art muss aber zudem auch nach Gewicht und unter zeitlichen Gesichtspunkten sowie nach seinem Konsummuster von der Art sein, dass von einem gelegentlichen Konsum tatsächlich gesprochen werden kann. Denn eine gelegentliche Cannabiseinnahme setzt einen inneren und zeitlichen Zusammenhang der Konsumereignisse voraus. Es gibt keine zeitlich starre Grenze und schematische Lösungen verbieten sich. Ein gelegentlicher Konsum liegt nach der o.a. ständigen Rechtsprechung nicht nur der Kammer, sondern auch des Nds. Oberverwaltungsgerichtes zwar in aller Regel schon bei einer mehr als nur einmaligen Einnahme von Cannabis vor - insoweit genügt also ein zumindest zweimaliger Konsum -. Allerdings kann nicht jeder beliebig weit in der Vergangenheit liegende Cannabiskonsum als Grundlage für die Annahme eines gelegentlichen Konsums herangezogen werden; der erfolgte Konsum muss vielmehr nach Gewicht und unter zeitlichen Gesichtspunkten von der Art sein, dass von einem gelegentlichen Konsum gesprochen werden kann, denn eine gelegentliche Cannabiseinnahme setzt einen inneren und zeitlichen Zusammenhang der Konsumereignisse voraus (vgl. zum Ganzen bis hierher m.w.N.: Urteil der Kammer vom 3. August 2010 - 7 A 997/10 - und Beschluss des Nds. Oberverwaltungsgerichtes vom 4. Dezember 2008 - 12 ME 298/08 -). In einer Vielzahl von Fällen wird der erforderliche innere Zusammenhang bereits durch Anzahl, Zeitpunkte und Intensität der einzelnen Konsumakte, oft auch durch die Höhe der im Blut festgestellten Werte der Cannaboide indiziert, so dass es zu weiteren Ermittlungen im Tatsächlichen nicht zu kommen braucht. Anderes muss allerdings bei bestimmten Besonderheiten gelten, die im Einzelfall auftreten. Die eingangs angeführte Rechtsprechung übersieht dies nicht, beansprucht insoweit aber Gültigkeit für den einfach gelagerten Regelfall. Denn insoweit ist geklärt, dass sich abweichend davon schematische Lösungen und generalisierende Betrachtungsweisen, insbesondere ohne Berücksichtigung des Einzelfalles von vornherein verbieten, siehe zuvor. Ein - wie hier anzunehmen ist - sehr langer Zeitraum zwischen lediglich zwei Konsumakten, noch dazu einer von geringerer Intensität, gibt zwingend Anlass zu genaueren Betrachtungen hinsichtlich des erforderlichen Vorliegens ihres Zusammenhangs, erst recht wenn einer der Konsumakte innerhalb der Minderjährigkeit des Betroffenen liegt und sich auf den Mitkonsum an einem Joint (im Umfang von zwei, drei Zügen) beschränkt, anders als etwa vier, fünf Konsumakte jeweils eigenen Cannabis innerhalb von bspw. ein, zwei Jahren. Zudem kann unter Umständen auch festzustellen sein, dass zwischen einzelnen Konsumakten eine so gravierende Zäsur besteht, dass die zurückliegenden tatsächlichen Konsumakte nicht mehr für die Frage der Gelegentlichkeit berücksichtigt werden dürfen (Nds. OVG, Beschluss vom 8. Dezember 2008, ebenda).

Dem will offenbar auch der Erlass des zuständigen Landesministeriums zur hier maßgeblichen Frage gerecht werden - die einschlägige Passage der sog. Arbeitsanweisung des Nds. MW [Erlass vom 4. August 2008 „Überprüfung der Kraftfahreignung bei Drogenauffälligkeiten“, FeV § 14, MWNds. Aktenzeichen: 43-300130430 (ersetzt bisherige Arbeitsanweisung zu § 14 FeV vom 27. Februar 2007), Ziffer 14] lautet wie folgt:

"1.4 einmaliger Konsum von Cannabis und fehlendes Trennungsvermögen:

Fallbeispiel: Der Betroffene führt ein Fahrzeug unter Cannabis mit nachgewiesener Konzentration von 1 ng/ml THC. Es kommt zu einer Verkehrskontrolle und im Anschluss zu einer Blutentnahme und zu einem rechtsmedizinischen Gutachten. Aus den THC-COOH-Werten des Gutachtens ergibt sich kein gelegentlicher Konsum. Auch ansonsten ergeben sich keine Erkenntnisse, die auf gelegentlichen Konsum hinweisen.

Maßnahme:

Ärztliches Gutachten (VGH Mannheim, 29.09.2003 - 10 S 1294/03) nach § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 FeV zur Abklärung des aktuellen Konsumverhaltens.

Ergibt sich bei dieser ärztlichen Begutachtung, dass der Betroffene weiterhin Cannabisprodukte konsumiert, so liegt gelegentlicher Konsum vor. Bei gegebener Zeitnähe ist nach Nr. 1.1 zu verfahren. Sind seit dem Delikt mehr als sechs Monate vergangen, so ist ein medizinisch-psychologisches Gutachten nach § 14 Abs. 1 Satz 4 FeV anzuordnen, um festzustellen, inwieweit der Betroffene trotz des weitergehenden Konsums in Zukunft gewährleisten kann, dass Konsum und Fahren voneinander getrennt werden können (bei dieser Anordnung ist Ermessen auszuüben!)

ergibt sich kein weiterer Konsum von Cannabisprodukten, ist die Überprüfung einzustellen.

Von gelegentlichem Konsum ist auch auszugehen, wenn das im Rahmen der fachärztlichen Begutachtung durchgeführtes Screening zwar keine Erkenntnis auf aktuellem Konsum ergibt, der Proband jedoch während der ärztlichen Befragung einräumt, bereits einmal zuvor Cannabis geraucht zu haben. In diesem Fall kann das ärztliche Gutachten nicht zu der Feststellung gelangen, es liege kein gelegentlicher Konsum vor und daher eine positive Beurteilung aussprechen. Jeder wiederholte Konsum von Cannabisprodukten ist zumindest dem gelegentlichen Konsum zuzuordnen (vgl. Ziffer 2.4).

Von der Entziehung der Fahrerlaubnis sollte trotz gegebener Zeitnähe abgesehen werden, wenn der gelegentliche Konsum mit Ausnahme der Fahrt unter Cannabiseinfluss mehr als drei Jahre zurückliegt. In diesen Fällen ist die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens die verhältnismäßige Maßnahme." (Hervorhebung durch das Gericht)

Für den vorliegenden Einzelfall, der im Übrigen in etlichen Facetten demjenigen aus der hervorgehoben zitierten Passage des Erlasses sehr ähnelt, geht die Kammer nach allem Voranstehenden aus zwei selbständig tragenden Gründen nebeneinander von der Rechtswidrigkeit der angegriffenen Entziehung der Fahrerlaubnis aus: Es bestehen erhebliche und für das vorliegende Verfahren durchgreifende Zweifel am Fehlen der Eignung des Antragstellers, weil

(1) die Gelegentlichkeit eines Cannabis-Konsums nicht feststeht und (noch) nicht aufgeklärt ist und

(2) zudem die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung das mildere Mittel im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gewesen wäre.

Danach dürfte voraussichtlich die hier ausgesprochene Entziehung der Fahrerlaubnis im Hauptsacheverfahren aufzuheben sein, weshalb der vorliegende Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zur Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage führen muss.

(1) Zunächst geht die Kammer davon aus, dass das Vorliegen des Merkmals der Gelegentlichkeit des Konsums von Cannabis bei dem Antragsteller noch nicht hinreichend abgeklärt ist. Der Antragsteller hat zwar - und dies unterstellt die Kammer zunächst hier zu seinen Ungunsten, um mit den folgenden Überlegungen fortfahren zu können - zweimalig Cannabis konsumiert, nämlich einmal im Jahre 2006, mithin in einem Alter von etwa 17/18 Lebensjahren, und sodann, wie sich aus den Laborwerten wohl voraussichtlich ergeben dürfte, vor der Fahrt im öffentlichen Straßenverkehr vom 6. August 2011. Allerdings, und dies ist der Antragsgegnerin zuzugeben, liegt damit der Verdacht nahe, dass er gelegentlich Cannabis konsumiert. Fest steht dies indessen jedoch nicht. Für die Frage der Eignung im oben angeführten Sinne muss indessen die Gelegentlichkeit feststehen. Insoweit besteht hier weiterer Aufklärungsbedarf und hätte die Antragsgegnerin insbesondere vor Erlass des angegriffenen Bescheides weitere Tatsachenaufklärung betreiben müssen. Dazu stehen ihr die Mittel aus § 14 FeV auch zu Gebote, insbesondere die jedenfalls gedankliche Möglichkeit der Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung zur Abklärung eines Konsummusters von Cannabis bei dem Antragsteller. Nach Auffassung der Kammer ist nämlich im vorliegenden Einzelfall der Begriff der Gelegentlichkeit des Konsums von maßgeblicher Bedeutung und nicht hinreichend abgeklärt, so dass jedenfalls derzeit noch nicht von dem Fehlen der Fahreignung ausgegangen werden kann. Zwar hat die Fahrerlaubnisbehörde - die Antragsgegnerin – einen bestimmten Gefahrenverdacht und insoweit sachgerecht von § 14 Abs. 1 Satz 1 FeV Gebrauch gemacht und zur Vorbereitung ihrer Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet, dass ein ärztliches Gutachten beizubringen ist, weil Tatsachen die Annahme begründen, dass Einnahme von Betäubungsmitteln vorliegt (Nr. 2 der Vorschrift). Allerdings kann sie nach Vorlage dieses Gutachtens, in dem erstmalig auf den Umstand der Gelegentlichkeit ein Hinweis enthalten ist, nicht sofort auf die Gelegentlichkeit im voranstehenden Sinne schließen; insoweit bedarf es noch weiterer Abklärung. Dazu kann sie (und hätte sie gemusst / muss sie voraussichtlich) Gebrauch machen von § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV, wonach die Beibringung einer medizinisch-psychologischen Begutachtung angeordnet werden kann, wenn gelegentliche Einnahme von Cannabis vorliegt und weitere Tatsachen Zweifel an der Eignung begründen. Diese Vorschrift ist im vorliegenden Kontext und im hier gegebenen Einzelfall dahin zu verstehen, dass auch hinsichtlich der Gelegentlichkeit diese Aufklärungsmaßnahme von Bedeutung ist. Der Wortlaut der Norm ist insoweit hinreichend weit gefasst und eröffnet die Anordung auch , wenn „weitere Tatsachen Zweifel an der Eignung begründen“. Auch dürfte eine medizinisch-psychologische Untersuchung den ersten Konsumakt aus dem Jahre 2006 näher beleuchten müssen, insbesondere nach seinem Gewicht, seiner Intensität und seiner Wirkung, um die Frage zu beantworten, ob dieser Akt überhaupt in verantwortlicher Art und Weise in die Herleitung einer Gelegentlichkeit einbezogen werden kann bzw. darf. Dass sodann die insoweit eröffnete Ermessensbetätigung gleichsam auf „Null reduziert“ sein dürfte, ergibt sich für die Behörde zudem aus dem o.a. Erlass, der die Antragsgegnerin, d.h. bei Annahme einer Ermessensbetätigung, bindet. Das Gericht indessen ist zwar an einen solchen Erlass nicht gebunden, kann aber auch nicht von sich aus das Fehlen der Eignung feststellen, weil auch für das Gericht noch weiterer Aufklärungsbedarf als gegeben betrachtet wird, dem die Behörde - hier die Antragsgegnerin - aber vor Erlass des Entziehungsbescheides nicht nachgekommen ist. Dieser weitere Aufklärungsbedarf ergibt sich auch schon aus dem eingeholten DEKRA-Gutachten vom 26. September 2011, das am Ende - der behördlichen Fragestellung gerecht werdend - festhält, dass es lediglich „Hinweise auf … einmaligen bzw. gelegentlichen Cannabiskonsum“ gibt, also keine diesbezügliche Feststellung enthält.

(2) Selbst wenn man Voranstehendem nicht folgen wollte und der Meinung wäre, sämtliche Tatsachen seien bereits hinreichend erkannt und stünden fest, soweit es um die quantitative Gelegentlichkeit des Konsums gehe, so erweist sich dennoch die Entziehung der Fahrerlaubnis als rechtswidrig. Auch mit dieser Annahme wäre nämlich zunächst noch eine medizinisch-psychologische Begutachtung durchzuführen, bevor sofort - wie aber hier geschehen - die Entziehung der Fahrerlaubnis ausgesprochen wird. Dies ergibt sich aus dem allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Zu der Frage, ob insbesondere im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wegen bestehender Eignungsbedenken im Sinne von § 46 Abs. 3 FeV die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens gemäß § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV gefordert werden müsse, z.B. um zu ermitteln, ob der Antragsteller zwischen der Einnahme von Cannabis und der motorisierten Teilnahme am Straßenverkehr zu trennen in der Lage war, verweist die Kammer ergänzend auf die Ausführungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes (Bay.-VGH) in seinem Beschluss vom 4. Juni 2007 - 11 CS 06.2806 - juris - und schließt sich dem insoweit an. Im vorliegenden Einzelfall gewinnt und beansprucht dieser verfassungsimmanente Grundsatz insbesondere daher Geltung, weil hier der mutmaßlich erste Konsumakt bereits rund fünf Jahre zurückliegt, seine näheren Umstände unbekannt sind und der Antragsteller zudem zu jenem Zeitpunkt aller Voraussicht nach auch noch minderjährig oder aber allenfalls gerade 18 Lebensjahre alt gewesen war. Bei einer solchen Sachlage ist zu berücksichtigen, dass zunächst einmal das mildere Mittel anzuwenden ist und dies stellt hier - bezogen auf den Einzelfall - die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zur Abklärung des Konsummusters dar.

Bei Allem verkennt die Kammer gerade nicht, dass die Glaubhaftigkeit der Angaben des Antragstellers insgesamt äußerst zweifelhaft ist, insbesondere was den bekundeten Absinth-Konsum angeht. So nimmt die Kammer zusätzlich zu den durch von der Antragsgegnerin ergänzend hinzugezogenen Stellungnahmen dreier Fachleute gestützten Zweifeln auch die Angabe des Antragstellers im verkehrsmedizinischen Gutachten in den Blick, Alkohol nicht zu mögen und allenfalls ein Glas Wein oder Bier zu sich zu nehmen, die in Widerspruch stehen dürfte zur Behauptung des Absinth-Konsums. Diese Problematik führt aber in den Augen der Kammer hier auch dann, wenn der Absinth-Konsum als unglaubhaft zu betrachten wäre, nicht gleichsam automatisch zu durchgreifenden Eignungszweifeln, die ohne weiteres zur Entziehung der Fahrererlaubnis als unverrückbarer konditionaler Folge führen müssen und hier auch nicht dürfen. Damit kann sich die Kammer im vorliegenden Verfahren den konkreten Schlüssen insoweit nicht anschließen, die die Antragsgegnerin aus der Rechtsprechung heranzieht (VG Hannover, Urteil vom 17. Januar 2011 – 9 A 3461/08 -). Zugleich verkennt die Kammer nicht die zusätzlichen praktischen Hürden, die sie der Antragsgegnerin mit ihrer Entscheidung gerade im schwierigen vorliegenden Einzelfall aufbürdet, wenn sie weiterhin die Entziehung der Fahrerlaubnis in den Blick nehmen und verfolgen sollte, ohne aber deshalb anders entscheiden zu können.

Bei dieser Sachlage ist die im Bescheid getroffene Anordnung, den Führerschein abzuliefern, vorläufig rückgängig zu machen (vgl. § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

2.

Damit zugleich war Prozesskostenhilfe für dieses Verfahren zu bewilligen, §§ 166 VwGO, 114 ff ZPO.

3.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG und orientiert sich an Nr. 46.2 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327 ff.). Der danach maßgebliche Wert von 5.000,00 € ist in diesem Verfahren nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gemäß Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs zu halbieren.