Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 21.09.2011, Az.: L 2 R 321/11

Eingliederungsprinzip; Krankheitszeit; Nachweis; Polen; Rentenversicherung

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
21.09.2011
Aktenzeichen
L 2 R 321/11
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2011, 45136
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG - 06.04.2011 - AZ: S 14 KN 15/06

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Allein die Möglichkeit vereinzelter Krankheitszeiten steht im Anwendungsbereich des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über Renten- und Unfallversicherung vom 09. Oktober 1975 nicht dem Nachweis von in Polen zurückgelegten und vom polnischen Rentenversicherungsträger bestätigten Beitragszeiten entgegen.

Tenor:

Das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 6. April 2011 wird aufgehoben, soweit die Beklagte verpflichtet worden ist, die Zeiten der Hauptbeschäftigung auch bezogen auf den Zeitraum vom 31. Oktober 1979 bis zum 30. November 1979 in vollem Umfang vorzumerken.

Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers aus dem Berufungsverfahren.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung dagegen, dass sie das Sozialgericht Bremen mit dem angefochtenen Urteil dazu verpflichtet hat, eine vom Kläger im Zeitraum 6. April 1970 bis 30. November 1979 im Rahmen einer Hauptbeschäftigung in Polen zurückgelegte Versicherungszeit sowie eine im Zeitraum 1. Oktober 1973 bis zum 30. September 1975 im Rahmen einer Nebenbeschäftigung dort zurückgelegte Versicherungszeit im Umfang von 6/6 und nicht nur von 5/6 vorzumerken.

Der 1946 geborene Kläger lebte bis zu seiner Übersiedlung am 31. Oktober 1979 in Polen. Im Bundesgebiet hat er von der Freien und Hansestadt Hamburg am 5. August 1980 den Ausweis für Vertriebene und Flüchtlinge A ausgestellt erhalten.

In Polen arbeitete der Kläger nach vorausgegangener Hochschulausbildung vom 6. April 1970 bis zum 30. Oktober 1979 bei einem Hochseefischereibetrieb ("Odra") in Swinoujcie (Swinemünde) vollzeitig als Radioinspektor. Abgesehen von zwei Einsätzen als Elektrikassistent bzw. Elektrikoffizier von Juni bis Oktober 1971 und von November 1975 bis Juni 1976 an Bord eines Schiffes dieses Betriebes, hat er diese Tätigkeit als Angestellter an Land ausgeübt.

Neben dieser Haupttätigkeit übte er vom 1. September 1973 bis zum 30. September 1975 halbtags eine Nebentätigkeit als Radiomechaniker bei dem (staatlichen) Unternehmen für die Seefunkbedienung der Schiffe in Gdingen aus.

Auf Nachfrage der BfA hat der polnische Versicherungsträger 1984 die vorstehend aufgeführten Zeiten als "bestätigte Versicherungszeiten, Beschäftigungszeiten oder diesen gleichgestellte Zeiten" anerkannt.

Mit Vormerkungsbescheid vom 6. Dezember 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26. Juli 2006 und des Änderungsbescheides vom 23. August 2010 hat die Beklagte die Versicherungsverlaufsdaten bis zum 31. Dezember 2003 verbindlich festgestellt. Dabei hat sie den Zeitraum vom 6. April 1970 bis zum 29. Oktober 1979 als Pflichtbeitragszeit nach dem Deutsch-Polnischen-Rentenabkommen vom 9. Oktober 1975 berücksichtigt, wobei sie jeweils die sich für die Qualifikationsgruppe 2 aus der Tabelle 10 (Bereich Lebensmittelindustrie) der Anlage 14 zum SGB VI sich ergebenden Werte zu 5/6 (nach Erhöhung um 1/5 gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 FRG) berücksichtigt hat. Für den Zeitraum 1. Oktober 1973 bis 30. September 1975 hat sie zusätzlich jeweils die Hälfte der sich für die Qualifikationsgruppe 2 aus der Tabelle 7 (Bereich Elektrotechnik, Elektronik, Gerätebau) der Anlage 14 zum SGB VI ergebenden Werte zu 5/6 (nach Erhöhung um 1/5) berücksichtigt.

Mit der am 8. August 2006 erhobenen Klage hat der Kläger u.a. eine Berücksichtigung der vorstehend aufgeführten Zeiten in vollem Umfang und nicht nur zu 5/6 begehrt. Diese Zeiten seien aufgrund ihrer Bestätigung durch den polnischen Rentenversicherungsträger als nachgewiesen und nicht nur als glaubhaft gemacht anzusehen.

Mit Urteil vom 6. April 2011 hat das Sozialgericht (sinngemäß unter Abweisung der Klage im Übrigen) die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verpflichtet, die Zeiten der Hauptbeschäftigung vom 6. April 1970 bis zum 30. November 1979 sowie die Zeiten der Nebenbeschäftigung vom 1. Oktober 1973 bis zum 30. September 1975 in vollem Umfang, d.h. zu 6/6 vorzumerken. Diese Zeiten habe der Kläger nicht nur glaubhaft gemacht, sondern insbesondere auch vermittels der im Verwaltungsverfahren eingeholten Bescheinigung des polnischen Rentenversicherungsträgers nachgewiesen.

Gegen dieses ihr am 13. Mai 2011 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten vom 23. Mai 2011. Die vordruckmäßig erteilte Bestätigung des polnischen Rentenversicherungsträgers ersetze nicht eine eigene richterliche Beweiswürdigung. Das Sozialgericht habe die vom BSG im Urteil vom 21. April 1982 (4 RJ 33/81) dargelegten Kriterien für den Nachweis von Versicherungszeiten nicht ausreichend berücksichtigt.

Insbesondere lasse die Bescheinigung des polnischen Versicherungsträgers nähere Auskünfte zu möglichen krankheitsbedingten Unterbrechungen des Versicherungsverhältnisses vermissen. Nach früherem polnischen Recht hätten erkrankte Arbeitnehmer keinen Lohn von ihrem Arbeitgeber, sondern Krankengeld von der Krankenkasse bezogen. Für die erkrankten Arbeitnehmer habe der Betrieb keine Beiträge zur Rentenversicherung entrichtet; diese Beiträge seien vielmehr als Gesamtbeitrag aus der Lohnsumme aller Arbeitnehmer gezahlt worden. Allerdings berücksichtige das polnische Rentenrecht alle Beschäftigungszeiten als Arbeitnehmer unter Einschluss eventueller krankheitsbedingter Unterbrechungen als Beitragszeit.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 6. April 2011 aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger, der bislang noch keine Rentenleistungen bezieht, beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Beklagten hat ganz überwiegend keinen Erfolg.

1. Das Sozialgericht hat die Beklagte zu Recht verpflichtet, die Zeiten der Hauptbeschäftigung vom 6. April 1970 bis zum 30. Oktober 1979 sowie die Zeiten der Nebenbeschäftigung vom 1. Oktober 1973 bis zum 30. September 1975 in vollem Umfang, d.h. zu 6/6 vorzumerken.

Nach § 149 Abs. 5 Satz 1 SGB VI stellt der Versicherungsträger, wenn er das Versicherungskonto geklärt oder hat der Versicherte innerhalb von sechs Kalendermonaten nach Versendung des Versicherungsverlaufs seinem Inhalt nicht widersprochen hat, die im Versicherungsverlauf enthaltenen und nicht bereits festgestellten Daten, die länger als sechs Kalenderjahre zurückliegen, durch Bescheid fest.

Der Kläger hat seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland vor dem 1. Januar 1991 genommen, so dass sich seine Ansprüche hinsichtlich der in Polen zurückgelegten Versicherungszeiten nach Maßgabe des Art. 27 Abs. 2 des Abkommens vom 8. Dezember 1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über soziale Sicherheit (BGBl. 1991 II, 743 = DPSVA 1990) noch nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über Renten- und Unfallversicherung vom 9. Oktober 1975 (BGBl 1976 II, 396 = DPSVA 75) richten. Nach Art. 4 Abs. 2 DPSVA 75 berücksichtigt der Träger des jeweiligen Wohnsitzstaates bei der Feststellung der Rente nach den für ihn geltenden Vorschriften Versicherungszeiten, Beschäftigungszeiten und diesen gleichgestellte Zeiten im anderen Staat so, als ob sie im Gebiet des ersten Staates zurückgelegt worden wären. Diese Zeiten sind gemäß Art. 2 Abs. 1 Satz 1 des Zustimmungsgesetzes zum DPSVA 75 vom 12. März 1976 (BGBl II 393 = RV/UVAbkPOLG) in der Fassung des Gesetzes zu dem Abkommen vom 8. Dezember 1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über soziale Sicherheit vom 18. Juni 1991 (BGBl. II, 741) bei der Feststellung einer Rente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung in Anwendung des Fremdrentengesetzes und des Fremdrenten- (FRG) und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) zu berücksichtigen, solange - wie weiterhin der Kläger im vorliegenden Fall - der Berechtigte im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nach dem Stand vom 2. Oktober 1990 wohnt.

Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 FRG stehen Beitragszeiten, die bei einem nichtdeutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherungen zurückgelegt sind, den nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gleich. Nach § 16 Satz 1 FRG steht eine nach vollendetem 17. Lebensjahr vor der Vertreibung in Polen, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Jugoslawien, Albanien, China, der Tschechoslowakei oder der Sowjetunion verrichtete Beschäftigung, soweit sie nicht in Gebieten zurückgelegt wurde, in denen zu dieser Zeit die Sozialversicherung nach den Vorschriften der Reichsversicherungsgesetze durchgeführt wurde, einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung in der Bundesrepublik Deutschland, für die Beiträge entrichtet sind, gleich, wenn sie nicht mit einer Beitragszeit zusammenfällt.

Für Zeiten der in §§ 15 und 16 genannten Art werden gemäß § 22 Abs. 1 FRG Entgeltpunkte in Anwendung von § 256b Abs. 1 Satz 1 erster Halbsatz, Satz 2 und 9 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch ermittelt. Hierzu werden für Zeiten nach dem 31. Dezember 1949 die in Anlage 14 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch genannten oder nach § 256b Abs. 1 Satz 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch festgestellten Durchschnittsjahresverdienste um ein Fünftel erhöht (und für Zeiten vor dem 1. Januar 1950 Entgeltpunkte auf Grund der Anlagen 1 bis 16 dieses Gesetzes ermittelt). Kindererziehungszeiten nach § 28b sind Entgeltpunkte zuzuordnen, wie wenn die Erziehung im Bundesgebiet erfolgt wäre.

Für Beitrags- oder Beschäftigungszeiten, die nicht nachgewiesen (sondern lediglich nach § 4 Abs. 1 FRG glaubhaft gemacht worden) sind, werden die so ermittelten Entgeltpunkte nach § 22 Abs. 3 FRG um ein Sechstel gekürzt.

Im vorliegenden Zusammenhang macht die Beklagte vergeblich geltend, dass die Entgeltpunkte für die für den Zeitraum 6. April 1970 bis zum 30. Oktober 1979, d.h. für diese von ihr ansonsten zutreffend unter Heranziehung von § 256b i.V.m. dem Anlagen 13 und 14 zum SGB VI berücksichtigten polnischen Beitragszeiten des Klägers, in Anwendung des § 22 Abs. 3 FRG nur zu 5/6 zu berücksichtigen sind. Der Senat teilt die Auffassung des Sozialgerichts, dass diese Beitragszeiten nicht lediglich glaubhaft gemacht worden, sondern auch als nachgewiesen anzusehen sind. Dies hat zur Folge, dass sie vollumfänglich (und nicht nur zu 5/6) zu berücksichtigen sind.

Die genannten Zeiträume sind von dem polnischen Versicherungsträger auf Ersuchen des deutschen Rentenversicherungsträgers in seiner Auskunft 1984 in vollem Umfang bestätigt worden. Der Senat hat keinen Anlass an der Richtigkeit dieser amtlichen Auskunft zu zweifeln. Dazu besteht umso weniger Anlass, als diese Auskunft in Übereinstimmung steht mit den im Verwaltungsverfahren vorgelegten weiteren Bescheinigungen und Unterlagen.

Konkrete Zweifel hat auch die Beklagte nicht aufzuzeigen vermocht. Namentlich hat auch die Beklagte keine greifbaren Anhaltspunkte dafür aufzuzeigen vermocht, dass der in dem zu beurteilenden Zeitraum 23 bis 32 Jahre alte Kläger seinerzeit krankheitsbedingt trotz fortbestehenden Beschäftigungsverhältnisses in einem nennenswerten Umfang keinen Lohn erhalten haben könnte. Der Kläger selbst hat glaubhaft dargelegt, dass er seinerzeit im Alter von 23 bis 32 Jahren keine nennenswerten Krankheitszeiten aufgewiesen habe. Der Umstand, dass der Kläger über einen Zeitraum von rund zwei Jahren hinweg neben seiner vollen Stelle im Rahmen der Haupttätigkeit noch einer Halbtagsbeschäftigung nachgehen konnte, macht eine besondere Belastbarkeit deutlich.

Im Übrigen hat das BSG ausdrücklich darauf abgehoben, dass das DPSVA 1975 gegenüber dem FRG wesentliche Verbesserungen in Form namentlich der vollen statt der 5/6-Anrechnung (§ 19 Abs 2 FRG; heute: § 22 Abs. 3 FRG) habe bewirken wollen (BSG vom 21. Juni 1989 - 1 RA 53/88 - SozR 6710 Art 4 Nr. 8).

Auch die Beklagte geht davon aus, dass die o.g. Zeiträume nach polnischem Recht als Beitragszeiten vollumfänglich zu berücksichtigen sind. Die Festlegung in Art. 4 Abs. 2 DPSVA 75, wonach der Träger des jeweiligen Wohnsitzstaates bei der Feststellung der Rente nach den für ihn geltenden Vorschriften Versicherungszeiten, Beschäftigungszeiten und diesen gleichgestellte Zeiten im anderen Staat so, als ob sie im Gebiet des ersten Staates zurückgelegt worden wären, zu berücksichtigen hat, war aus polnischer Sicht verständigerweise in dem Sinne zu verstehen, dass im Bundesgebiet lebende ehemalige polnische Beitragszahler ihre polnischen Versicherungszeiten in vollem Umfang (und nicht etwa nur zu 5/6) berücksichtigt erhielten. Auf dieser Basis normierte Art. 12 DPSVA auch die wechselseitige Verpflichtung der beiden Vertragsstaaten zur Erteilung von Auskünften und Nachweisen insbesondere über den Versicherungsverlauf im Gebiet des jeweils anderen Staates. Dieser bindenden vertraglichen Regelung ist im Rahmen der gebotenen (vgl. etwa BVerwG, U.v. 28. Juli 2011 - 7 C 7/10 - ) völkerrechtsfreundlichen Interpretation, wie sie auch durch Art. 31 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge (BGBl II 1985, 926) vorgeschrieben wird, bei der Auslegung des Art. 2 Abs. 1 Satz 1 des RV/UVAbkPOLG Rechnung zu tragen.

Ein Anlass zu einer abweichenden Interpretation ist umso weniger ersichtlich, als sich der Gesetzgeber bei der Neufassung des Art. 2 Abs. 1 RV/UVAbkPOLG auch seinerseits ausdrücklich zu einer völkerrechtsfreundlichen Auslegung im vorstehend angesprochenen Sinne bekannt hat.

In seiner ursprünglichen Fassung von 1976 (BGBl II 393) enthielt Art. 2 Abs. 1 RV/UVAbkPOLG folgende Regelung: "Zeiten, die nach dem polnischen Recht der Rentenversicherung zu berücksichtigen sind, sind gemäß Artikel 4 Abs. 2 des Abkommens in demselben zeitlichen Umfang in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung in entsprechender Anwendung des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes vom 25. Februar 1960 (BGBl I S. 93) zu berücksichtigen, solange der Berechtigte im Geltungsbereich dieses Gesetzes wohnt."

Mit Art. 20 des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1992 - RRG 1992) vom 18. Dezember 1989 (BGBl. I 2261, 2375) ist Art. 2 Abs. 1 RV/UVAbkPOLG mit Wirkung zum 1. Juli 1990 (vgl. Art. 85 Abs. 6 RRG 1992) wie folgt neu gefasst worden: "Zeiten, die nach dem polnischen Recht der Rentenversicherung zu berücksichtigen sind, sind bei der Feststellung einer Rente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung in Anwendung des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes zu berücksichtigen, solange der Berechtigte im Geltungsbereich dieses Gesetzes wohnt."

Diese Regelung in Art. 2 Abs. 1 RV/UVAbkPOLG wurde mit Art. 2 Nr. 1 des Gesetzes zu dem Abkommen vom 8. Dezember 1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über soziale Sicherheit v. 18. Juni 1991 (BGBl II 741) mit Wirkung vom 23. Juni 1991 (Art. 6 Abs. 1 des Gesetzes) um folgende Bestimmung ergänzt: "Wohnt der Berechtigte in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet, sind für die Berücksichtigung der in Satz 1 genannten Zeiten die in diesem Gebiet geltenden Rechtsvorschriften maßgebend. Satz 2 gilt auch im Falle einer Verlegung des Wohnortes in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nach dem Stand vom 2. Oktober 1990, wenn der Berechtigte am 2. Oktober 1990 in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet wohnte." Schon da der Kläger des vorliegenden Verfahrens seit Ende 1979 fortlaufend seinen gewöhnlichen Aufenthalt in den alten Bundesländern hatte, kommt es im vorliegenden Fall auf diese 1991 in Kraft getretene Ergänzung des Art. 2 Abs. 1 RV/UVAbkPOLG nicht an.

Die zuvor zum 1. Juli 1990 in Kraft getretene Neufassung dieser Bestimmung gibt keinen Anlass, die nachgewiesenen polnischen Versicherungszeiten nur zu 5/6 zu berücksichtigen. Soweit die ursprüngliche Fassung des Art. 2 Abs. 1 RV/UVAbkPOLG noch eine Berücksichtigung der polnischen Versicherungszeiten "in demselben zeitlichen Umfang" vorsah, wohingegen die 1990 in Kraft getretene Neufassung lediglich deren "Berücksichtigung" fordert, handelt es sich nur um eine redaktionelle Änderung im Zuge der Umgestaltung des deutschen Rentenrechts vermittels des RRG 1992. Die Neufassung sollte dem Umstand Rechnung tragen, dass mit dem RRG 1992 die Rentenformel geändert worden ist: Während zuvor Ausgangspunkt für die Ermittlung des Rentenbetrages die Zahl der "anrechnungsfähigen Versicherungsjahre" war (§§ 30, 31 AVG, entsprechend §§ 1253, 1254 und 1258 RVO), stellen seit Inkrafttreten des SGB VI dessen §§ 63 und 64 auf die Zahl der Entgeltpunkte ab. Da die polnischen Versicherungszeiten schon aufgrund dieses geänderten Ausgangspunktes nicht mehr als solche, sondern erst nach ihrer Umwertung in Entgeltpunkte (in Anwendung des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes) in die deutsche Rentenberechnung einfließen konnten, war der Anlass weggefallen, vor dessen Hintergrund der Gesetzgeber sich 1976 zu der ausdrücklichen Klarstellung entschlossen hatte, dass die polnischen Versicherungszeiten "in demselben zeitlichen Umfang" zu berücksichtigen waren.

Eine inhaltliche Änderung für Fallgestaltungen der vorliegenden Art sollte damit aber nicht verbunden sein. Die vorstehend erläuterte Regelung des Art. 20 ist im Zuge der Beratungen im Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung in den Entwurf des RRG 1992 (seinerzeit noch als Art. 14a nummeriert) eingeführt worden. In der Begründung ist ausdrücklich hervorgehoben worden, dass das DPSVA 1975 entsprechend seinem Wortlaut, Geist und Ziel auszulegen und anzuwenden sei. Es ist eigens betont worden, dass die von diesem Abkommen erfassten Personen für die bei polnischen Versicherungsträgern zurückgelegten Zeiten entsprechend dem im DPSVA 1975 vereinbarten Eingliederungsprinzip "die gleichen Leistungen" wie hiesige Versicherte für hier zurückgelegte Zeiten erhalten sollen (BT-Drs. 11/5530, S. 69).

Gerade dieses Ziel verfehlt die von der Beklagten befürwortete Gesetzesinterpretation, die darauf hinausläuft, dass die Betroffenen für die bei polnischen Versicherungsträgern zurückgelegten Zeiten gerade nicht "die gleichen Leistungen" wie hiesige Versicherte für hier zurückgelegte Zeiten, sondern nur 5/6 dieser Leistungen erhalten würden (sofern sich nicht in atypischen Ausnahmefällen trotz des jahrzehntelangen Zeitablaufs auch noch vereinzelte Arbeitsunfähigkeitstage lückenlos feststellen lassen).

Soweit in dem o.g. Ausschussbericht des Weiteren darauf hingewiesen wird, dass umgekehrt eine Besserstellung von polnischen im Vergleich zu in Deutschland zurückgelegten Zeiten insbesondere durch eine weitergehende Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten, von Zeiten der Pflege eines Familienmitgliedes oder von Ausbildungszeiten ohne Abschluss vermieden werden solle, betrifft dies nicht den vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt. In den streitbetroffenen Zeiträumen hat der Kläger weder Kindererziehungs- oder Pflegezeiten noch Ausbildungszeiten ohne Abschluss zurückgelegt.

Das von der Beklagten herangezogene Urteil des BSG vom 21. April 1982 (4 RJ 33/81) gibt schon deshalb keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung, weil sich dieses mit der Bewertung sowjetischer Beitragszeiten befasste, auf die die DPSVA von vornherein keine Anwendung finden.

2. Im Zeitraum vom 31. Oktober bis zum 30. November 1979 hatte der Kläger bereits als Vertriebener Aufnahme im Bundesgebiet gefunden; auch hatte er hier ab dem 19. November 1979 schon Beitragszeiten zurückgelegt. Er kann daher nicht die Bewertung dieser Zeiträume als polnische Beitragszeiten beanspruchen, da dies der Systematik des DPSVA 75 widerspräche.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht gegeben.