Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 31.01.2018, Az.: 6 W 8/18

Höhe des Stundensatzes für einen als Nachlasspfleger tätigen Rechtsanwalt; Anforderungen an die Begründung der Festsetzung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
31.01.2018
Aktenzeichen
6 W 8/18
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2018, 15350
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
AG Dannenberg - 23.11.2017 - AZ: 5 VI 262/15

Fundstellen

  • ErbStB 2018, 377
  • FGPrax 2018, 82-83
  • Rpfleger 2018, 463-464
  • ZAP EN-Nr. 400/2018
  • ZAP 2018, 717
  • ZEV 2018, 165

Amtlicher Leitsatz

Formelhafte "Begründungen" bei Festsetzung der Nachlasspflegervergütung, die ungeprüft die Angaben im Festsetzungsantrag übernehmen, genügen nicht den Anforderungen des § 38 Abs. 3 Satz 1 FamFG.

Ein Stundensatz für einen Rechtsanwalt in Höhe von 130 € kann allenfalls ganz ausnahmsweise in Betracht kommen.

In einem Fall ungenügender Begründung kann eine Aufhebung und Zurückverweisung nach § 69 Abs. 1 Satz 2 FamFG erfolgen.

Tenor:

Der angefochtene Beschluss und der Nichtabhilfebeschluss des Amtsgerichts vom 8. Januar 2018 werden aufgehoben.

Dem Amtsgericht wird aufgegeben, über einen Vergütungsantrag des Beteiligten zu 3 unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.

Gründe

Die Beschwerde, mit der die Beteiligten zu 1 und 2 sich gegen die vom Amtsgericht festgesetzte Vergütung für die Tätigkeit des Beteiligten zu 3 als Nachlasspfleger wenden, ist in dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang begründet.

1. Nach § 1915 Abs. 1 Satz 2, § 1836 Abs. 1 BGB richtet sich die Höhe der Vergütung des Berufspflegers eines Nachlasses, der - wie vorliegend - werthaltig und nicht mittellos ist, nach den für die zu führenden Pflegschaftsgeschäfte nutzbaren Fachkenntnissen des Pflegers sowie nach dem Umfang und der Schwierigkeit der Pflegschaftsgeschäfte. Das Amtsgericht hat es versäumt, im angefochtenen Beschluss zu den vorgenannten Kriterien Feststellungen zu treffen. Der Nichtabhilfebeschluss des Amtsgerichts vom 8. Januar 2018 enthält keine Begründung.

Die Festsetzung einer Stundenvergütung von 130 € gemäß dem Antrag des Beteiligten zu 3 vom 7. Juni 2017 ist ohne wesentliche Begründung. Ob überhaupt ein solcher Stundensatz in Betracht kommt, lässt der Senat offen. Er hat bislang bei einem werthaltigen Nachlass in einer relativ einfach gelagerten Sache einen Stundensatz von 67 € für einen Rechtsanwalt als angemessen erachtet (6 W 112/10). In einer weiteren Sache hat er die vom Amtsgericht angesetzten 75 € noch für angemessen erachtet; Nachlasspflegerin war eine Fachanwältin für Erbrecht, deren Tätigkeit im Wesentlichen in einfachem Schriftverkehr zur Verwaltung des Nachlasses sowie Handreichungen für das zum Nachlass gehörende Grundstück bestand (6 W 155/14). In begründeten Fällen kann auch ein höherer Stundensatz angemessen sein. Dabei dürfte jedoch auch zu beachten sein, dass zwischen der Höhe des Nachlasses und den Kosten seiner Verwaltung ein vertretbares Verhältnis besteht.

In diesem Zusammenhang verweist der Senat auch darauf, dass selbst das Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz (JVEG) einem als Sachverständigen tätigen Arzt, der ein langjähriges Hochschulstudium absolviert hat, maximal 100 € Honorar pro Stunde zubilligt (§ 9 JVEG, Honorargruppe M3).

Warum die Nachlasspflegschaft vorliegend insgesamt "schwierig" bzw. aufwändig" gewesen sein soll, begründet das Amtsgericht letztlich nicht. Das Amtsgericht wird auch zu berücksichtigen haben, dass bei der Feststellung besonderer Schwierigkeiten der Tätigkeit als Nachlasspfleger zu gelten hat, dass diese Schwierigkeiten nicht bereits über den höheren Zeitaufwand bei der Berechnung der Vergütungshöhe Berücksichtigung gefunden haben dürfen.

Unterstellt, wöchentliche Begutachtungen einer Immobilie seien, wie das Amtsgericht gemeint hat, "nicht unüblich", so ist doch dem Begründungserfordernis nicht ausreichend Rechnung getragen, weil nicht auf den konkreten Sachverhalt abgestellt worden ist; eine Villa in der Großstadt kann nicht wie ein altes und heruntergekommenes Fertighaus, dessen Sachwert der Sachverständige S. mit 25.000 € angegeben hat und das zudem in einer strukturschwachen Gegend liegt, behandelt werden.

2. Der Senat hat den angefochtenen Beschluss aufgehoben und die Sache an das Amtsgericht zurückverwiesen (§ 69 Abs. 1 Satz 2 FamFG).

Vorliegend hat das Ausgangsgericht zwar unter dem 23. November 2017 der Form nach eine Entscheidung getroffen. Diese aber enthält nur eine weitgehend formelhafte und zu den wesentlichen Grundlagen der Festsetzung keine Begründung, was umso erstaunlicher ist, als bereits vor der erfolgten Festsetzung, nämlich mit Anwaltsschriftsatz vom 9. Juli 2017 sowie mit Schreiben der Beteiligten zu 1 vom 17. August 2017 und Schreiben der Beteiligten zu 2 vom 21. August 2017, in mehrfacher Hinsicht Bedenken gegen die beantragte Festsetzung erhoben worden waren. § 38 Abs. 3 Satz 1 FamFG ist nicht entsprochen, ein Fall einer ausnahmsweisen Entbehrlichkeit einer Begründung nach § 38 Abs. 4 FamFG liegt nicht vor. Von dieser einfachgesetzlichen Verpflichtung abgesehen sind angreifbare gerichtliche Entscheidungen auch von Verfassungs wegen immer zu begründen (Art. 20 Abs. 3 GG), wobei formelhafte Begründungen unzulässig sind (vgl. BVerfG, 1 BvR 2015/02, Beschluss vom 21. November 2002; OLG Hamm, 23 W 527/90, Beschluss vom 8. Oktober 1990, je zit. nach juris). Eine ausreichende Begründung enthält auch der rein formelhafte Nichtabhilfebeschluss vom 8. Januar 2018 nicht.

Zu den Voraussetzungen einer Aufhebung und Zurückverweisung wird im Übrigen auf den Senatsbeschluss vom 29. November 2017 in 6 W 190/17 verwiesen (zur Veröffentlichung bestimmt).

3. Das Amtsgericht hat den Sachverhalt aufzuklären und damit die Voraussetzungen für eine neue Entscheidung herbeizuführen.

Es wird dem Nachlasspfleger, dem Beteiligten zu 3, Gelegenheit zu geben haben, seinen Vergütungsantrag zu ergänzen, insbesondere zu den Fragen:

welche für die Führung der konkreten Pflegschaftsgeschäfte nutzbaren Fachkenntnisse sind eingesetzt worden (§ 1915 Abs. 1 Satz 2 BGB) und worin soll die besondere Schwierigkeit der Pflegschaftsgeschäfte bestanden haben (der - hohe - Stundensatz von 130 € ist für die gesamte Tätigkeit geltend gemacht, auch für die "Immobilienkontrolle", die zeitanteilig den größten Teil der Tätigkeit des Beteiligten zu 3 ausgemacht zu haben scheint)?

warum ist erst im März 2017 und nicht schon früher ein "externer Sachverständiger" (?) mit der "Immobilienkontrolle" beauftragt worden?

sind die wöchentlichen Kontrollen von dem Beteiligten zu 3 selbst durchgeführt worden und falls ja, warum sind diese - einfachen - Arbeiten nicht delegiert worden?

warum wurden wöchentliche Kontrollen durchgeführt (ein Einbruch war unter Zugrundelegung der Beschreibung des Zustandes des Grundstücks und des Hauses durch den Beteiligten zu 3 kaum zu befürchten; eine Räumung soll ungeachtet der behaupteten "hohen Brandlast", an der auch Kontrollen für sich genommen nichts geändert haben dürften, auch erst 2017 erfolgt sein) und was war jeweils "vor Ort" zu tun?; eine versicherungsrechtlich begründete Notwendigkeit wöchentlicher Kontrollen ist nicht dargelegt.

mit welchem Aufwand und welchem Ergebnis ist die Erbenermittlung betrieben worden, wie hoch war der Anteil dieser Tätigkeit an der gesamten in Rechnung gestellten Tätigkeit?

Den Stundensatz hält der Senat bislang für überhöht. Empfehlungen irgendwelcher Arbeitsgemeinschaften binden die Gerichte nicht.

Das Amtsgericht hat schließlich alle Erbprätendenten am Verfahren zu beteiligen, insbesondere die bereits bekannten T. B. und B. D. (s. a. Bl. 124 und 133 d. A.).