Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 17.05.2018, Az.: 3 WF 57/18
Höhe der Vergütung eines anwaltlichen Ergänzungspflegers in einem Höfe- und Nachlassverfahren
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 17.05.2018
- Aktenzeichen
- 3 WF 57/18
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2018, 28961
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Wittmund - 12.02.2018 - AZ: 6 F 32/15 PF
Rechtsgrundlagen
- VBVG § 1 Abs. 1
- VBVG § 1 Abs. 3
- BGB § 1915
Fundstellen
- ErbR 2018, 543
- FamRZ 2018, 1858
- Rpfleger 2018, 549-550
Amtlicher Leitsatz
Zur Vergütung des anwaltlichen Pflegers.
Redaktioneller Leitsatz
Für die Höhe des vom Gericht nach Ermessen zu bestimmenden Stundensatzes eines anwaltlichen Verfahrenspflegers kommt es entscheidend auf die Schwierigkeit der Tätigkeit und in diesem Zusammenhang auf die Qualifikation des Pflegers an, während sich der Umfang des notwendigen Einsatzes erst auf die Anzahl der abrechenbaren Stunden auswirkt. Im Fall eines anwaltlichen Pflegers ist zudem zu berücksichtigen, dass die Vergütung kostendeckend sein , also auch den Büroaufwand berücksichtigen muss. In Anlehnung an die Sätze des § 9 JVEG wird die Vergütung regelmäßig in dem Bereich zwischen 65 und 125 EUR festzusetzen sein. Bei leicht überdurchschnittlichen juristischen Anforderungen erscheint ein Stundensatz in Höhe von 110 EUR (netto) angemessen.
Tenor:
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1.) bis 3.) wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Wittmund vom 12. Februar 2018 abgeändert.
Die dem Beteiligten zu 5.) für seine Tätigkeit von den Beteiligten zu 1.) bis 3.) als Gesamtschuldner zu erstattende Vergütung wird auf 4.362,90 Euro festgesetzt.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren tragen der Beteiligte zu 5.) einerseits und die Beteiligten zu 1.) bis 3.) je zur Hälfte; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 10.217,58 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Beteiligte zu 5.) ist mit Beschluss des Familiengerichts vom 20. Januar 2015 zum Ergänzungspfleger mit dem Wirkungskreis "Vertretung in dem Höfe- und Nachlassverfahren 42 Lw 65/14" bestellt worden. Der Ergänzungspfleger ist von Beruf Rechtsanwalt und Notar. Das Familiengericht hat festgestellt, dass er das übertragene Amt berufsmäßig ausübt.
Der Wert des in dem Verfahren vor dem Landwirtschaftsgericht gegenständlich gewesenen Nachlasses beläuft sich auf 947.000,00 Euro.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Familiengericht nach Abschluss des Verfahrens vor dem Landwirtschaftsgericht die Vergütung des Beteiligten zu 5.) antragsgemäß auf 10.217,58 Euro (brutto) festgesetzt.
Dagegen wenden sich die betroffenen Kinder mit ihrer Beschwerde.
Der Senat hat mit Verfügungen des Berichterstatters vom 13. April 2018 sowie vom 4. Mai 2018 Gelegenheit zur Erläuterung der Abrechnung gegeben. Darüber hinaus hat er die Akten des Landwirtschaftsgerichts beigezogen.
II.
1.) Die Beschwerde hat teilweisen Erfolg.
Der angefochtene Beschluss ist zu ändern und die Vergütung des Beteiligten zu 5.) ist gemäß § 168 FamFG auf 4.362,90 Euro einschließlich Umsatzsteuer festzusetzen.
Gemäß §§ 1835 f., 1909, 1915 BGB i. V. m. §§ 1 Abs. 2, 3 VBVG erhält der berufsmäßig tätige Ergänzungspfleger eine Vergütung.
Ist - wie im vorliegenden Fall - der Pflegling nicht mittellos, bestimmt sich die Höhe der Vergütung gemäß § 1915 Abs. 1 Satz 2 BGB nach den für die Führung der Pflegschaftsgeschäfte nutzbaren Fachkenntnissen des Pflegers sowie nach dem Umfang und der Schwierigkeit der Pflegschaftsgeschäfte.
a) Maßgeblich für die Bemessung der Höhe des Stundensatzes sind deshalb nicht starre Regeln, auch nicht allein die berufliche Qualifikation des Pflegers oder der Wert des betroffenen Vermögens, sondern die Umstände des Einzelfalls (vgl. Götz, in: Palandt, 77. Aufl., § 1836 Rn. 10; Weidlich, in: Palandt, § 1960 Rn. 23).
Es gibt in diesem Kontext insbesondere grundsätzlich keine Mindest- oder Höchstsätze (vgl. Götz, a. a. O.)
Für die Höhe des von dem Gericht nach Ermessen zu bestimmenden Stundensatzes kommt es entscheidend auf die Schwierigkeit der Tätigkeit und in diesem Zusammenhang auf die Qualifikation des Pflegers an, während sich der Umfang des notwendigen Einsatzes erst auf die Anzahl der abrechenbaren Stunden auswirkt (vgl. OLG Düsseldorf, FamRZ 2014, 1662; Götz, ebenda, m. w. N.).
Im Fall eines anwaltlichen Pflegers ist zudem zu berücksichtigen, dass die Vergütung kostendeckend sein, also auch den Büroaufwand berücksichtigen muss, weil der Anwalt die Tätigkeit im Rahmen seines Berufs ausübt und ihn das Gericht deshalb bestellt hat (Weidlich, a. a. O.).
Der Senat hält es für gerechtfertigt, sich bei der Ausübung des Ermessens grundsätzlich an den Sätzen des § 9 JVEG zu orientieren (vgl. ebenso OLG Düsseldorf, a. a. O., Juris Rn. 9; Weidlich, a. a. O.), so dass eine Vergütung regelmäßig in dem Bereich zwischen 65,- und 125,- Euro festzusetzen sein wird. Auf der anderen Seite wird eine Vergütung eines anwaltlichen Pflegers mit einem Stundensatz von 130,- Euro (netto) allenfalls nur ganz ausnahmsweise in Betracht kommen können (vgl. OLG Celle, Beschl. v. 31. Jan. 2018, Az. 6 W 8/18 (BeckRS 2018, 874)).
Im vorliegenden Fall handelt es sich um einen Sachverhalt, der juristisch leicht überdurchschnittliche Anforderungen gestellt hat. Der dem Verfahren vor dem Landwirtschaftsgericht zugrundeliegende, notariell beurkundete Antrag beruhte auf einer unrichtigen Rechtsauffassung zur Einordnung des landwirtschaftlichen Anwesens als Hof im Sinne der Höfeordnung. Der Ergänzungspfleger hat diesen Fehler erkannt und die richtige rechtliche Bewertung im Interesse seiner Pfleglinge im Ergebnis durchgesetzt. Zudem hat er nachvollziehbar auch die Frage der Testierfähigkeit des durch Suizid verstorbenen Kindesvaters und Erblassers ins Spiel gebracht.
Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass Gegenstand der Auseinandersetzung ein vergleichsweise großes Vermögen gewesen ist.
Insgesamt erscheint es dem Senat vor diesem Hintergrund als angemessen, einen Stundensatz von 110,- Euro (netto) anzusetzen. Dieser trägt auch dem Umstand Rechnung, dass die Kostenstruktur der Kanzlei des Beteiligten zu 5.) in einer Kleinstadt und ländlichen Umgebung in Ostfriesland im Vergleich zu einer Großstadt eher günstig sein dürfte.
b) Was den Umfang der abgerechneten Tätigkeit angeht, ist nicht maßgebend, ob die einzelne Tätigkeit des Pflegers ex post betrachtet zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich war. Entscheidend ist vielmehr die Lage, wie sie sich im Zeitpunkt seines Tätigwerdens darstellte (vgl. OLG München, FamRZ 2018, 515). Maßgebend ist sodann der objektiv erforderliche Zeitaufwand, der allerdings individuell, mithin unter Berücksichtigung nutzbarer Fachkenntnisse des konkreten Pflegers, zu ermitteln ist. Zu beachten ist auch, dass der Pfleger seine Aufgaben grundsätzlich in eigener Verantwortung wahrnimmt (vgl. OLG München, a. a. O., Juris Rn. 15 m. w. N.). Fehlen hinreichende Anhaltspunkte, ist der Aufwand zu schätzen (vgl. OLG Köln, FamRZ 2009, 76; Götz, ebenda, Rn. 10).
Der Berichterstatter hat dem Beteiligten zu 5.) zuletzt konkrete Hinweise zur notwendigen Begründung des geltenden gemachten Zeitaufwands erteilt. Die dazu gemachten Erläuterungen in dem Schriftsatz vom 14. Mai 2018 beantworten die aufgeworfenen Fragen nur rudimentär, wofür es allerdings gemäß den Angaben in dem Schriftsatz eine Erklärung gibt bzw. geben mag.
Der Senat geht nunmehr von folgendem, plausibel erscheinenden Aufwand aus:
Für das (sorgfältige) Studium der Nachlassakten (einschließlich erster Überlegungen/Wertungen) mit einem Umfang von seinerzeit 35 Seiten ein Aufwand von 60 Minuten.
Die Abrechnung eines Aufwandes für die Auswertung von "Urkunden" im Umfang von 280 Minuten akzeptiert der Senat. Tatsächlich hat der Beteiligte zu 5.) ausweislich seines Schriftsatzes vom 9. März 2015 im Lw-Verfahren Unterlagen (u. a. Akten von dem Steuerberater des Verstorbenen) angefordert und erhalten. Auch hat der Pfleger das Testament analysieren müssen. Daneben kommt dann aber ein zusätzlicher Aufwand (von 480 Minuten) für die "Überprüfung der steuerlichen Wertnachweise" nicht in Betracht.
Es ist für den Senat weiter plausibel, dass der Ergänzungspfleger verschiedene Auskünfte und Informationen einholen musste. Der Senat hat auch keinen Anlass anzuzweifeln, dass tatsächlich 10 Ermittlungsschreiben verfasst und 20 Telefonate geführt bzw. E-Mails versendet wurden. Der Gesamtaufwand von 350 Minuten für diese Tätigkeiten ist nicht zu beanstanden.
Entsprechendes gilt für den Besprechungstermin mit der Mandantschaft am 5. März 2011 im Umfang von 100 Minuten.
Gemäß der Stellungnahme des Beteiligten zu 5.) ist davon auszugehen, dass es am 24. Oktober 2015 keinen Termin gegeben hat, so dass die Position "Vorbereitung zum Termin am 24.10.2015" entfallen muss.
Welche "Korrespondenzanwälte" aus welchem Grund wann und wie kontrolliert worden sein sollen, bleibt unklar, so dass der insoweit geltend gemachte Aufwand außer Betracht zu bleiben hat.
Mit dem "1. Bericht an das Landwirtschaftsgericht" ist offenkundig der Schriftsatz vom 9. März 2015 in dem Lw-Verfahren gemeint. Der abgerechnete Aufwand von 280 Minuten ist in Ordnung.
Der Ansatz von insgesamt 300 Minuten für die Vorbereitung und Durchführung des Termins vom 8. Mai 2015 vor dem Landwirtschaftsgericht ist nicht zu beanstanden.
Der Ansatz von 300 Minuten für die "Wertung" des Beweisbeschlusses des Landwirtschaftsgerichts vom 13. Mai 2015 ist nicht nachvollziehbar. Der Beweisbeschluss trägt gerade dem Vorbringen und der Rechtsauffassung des Ergänzungspflegers Rechnung und entspricht zudem der vorangegangenen Erörterung im Termin vor dem Landwirtschaftsgericht. Selbst wenn man davon ausgeht, dass in diesem Zusammenhang eine weitere Besprechung mit der Kindesmutter stattgefunden hat, erscheint nur ein Ansatz von 150 Minuten als plausibel.
Der Ansatz für die Bewertung des Hinweisbeschlusses des Landwirtschaftsgerichts vom 30. Juni 2015 mit 120 Minuten ist nicht zu beanstanden.
Entsprechendes gilt für den Ortstermin auf dem landwirtschaftlichen Anwesen mit ebenfalls 120 Minuten. Die Durchführung eines Lokalaugenscheins durfte der Beteiligte zu 5.) für erforderlich halten; diese Vorgehensweise erscheint auch objektiv als sachgerecht.
Inwieweit und wem gegenüber zum Ergebnis des Ortstermins Stellung genommen wurde, bleibt hingegen unklar. Die insoweit abgerechneten 90 Minuten müssen deshalb außer Betracht bleiben.
Die "Wertung der Stellungnahme des Landwirtschaftsgerichts" nimmt offenbar auf die Verfügung des zuständigen Richters im Anschluss an seine Beratung mit den Landwirtschaftsrichtern vom 1. März 2016 Bezug. Der Ansatz von 150 Minuten ist nicht zu beanstanden.
Entsprechendes gilt für die Bewertung des verfahrensabschließenden Beschlusses des Landwirtschaftsgerichts vom 6. April 2016 mit einem Aufwand 90 Minuten.
Was mit "Stellungnahme zum Abschlussbericht" (60 Minuten) gemeint ist, erschließt sich hingegen nach wie vor nicht. Auch was mit "Schlussberichtsanfertigung" (360 Minuten) gemeint ist, bleibt unklar. Beide Positionen können daher nicht berücksichtigt werden.
c) Daraus ergibt sich ein Gesamtaufwand von 2.000 Minuten bzw. 33,33 Stunden. Ein solcher Aufwand erscheint im Lichte der Bedeutung und rechtlichen Schwierigkeit der Angelegenheit auch insgesamt als angemessen.
Die Nettovergütung beläuft sich bei einem Stundensatz von 110,- Euro also auf 3.666,30 Euro.
Auf die Vergütung fällt gemäß § 3 Abs. 1 Satz 3 VBVG i. V. m. § 4 Nr. 25 Satz 3 Buchstabe c) UStG Umsatzsteuer an (vgl. auch OLG Rostock, FamRZ 2017, 1231, Juris Rn. 2).
Die festzusetzende Vergütung beträgt schlussendlich 4.362,90 Euro.
2.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 FamFG.