Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 22.01.2018, Az.: 9 W 8/18

Zulässigkeit der Beschwerde der Liquidatoren und des ehemaligen Geschäftsführers einer im Handelsregister gelöschten GmbH gegen die Gewährung von Akteneinsicht durch das Registergericht

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
22.01.2018
Aktenzeichen
9 W 8/18
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2018, 15346
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
AG Hannover - 05.12.2017 - AZ: HRB 211797

Fundstellen

  • DB 2018, 629-630
  • GmbH-StB 2018, 174-175
  • GmbH-Stpr. 2018, 117
  • GmbHR 2018, 371
  • NZG 2018, 265-266

Amtlicher Leitsatz

Einsichtsverlangen in die Bücher und Schriften einer gelöschten GmbH gemäß § 74 Abs. 3 GmbHG stellen vermögensrechtliche Angelegenheiten im Sinne des § 61 Abs. 1 FamFG dar, wenn sie der Vorbereitung der Geltendmachung vermögensrechtlicher Ansprüche dienen.

Auf solche Verfahren ist die Wertgrenze des § 61 Abs. 1 FamFG anwendbar.

Tenor:

1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin vom 04. Januar 2018 gegen den Beschluss der Rechtspflegerin des Amtsgerichts - Registergerichts - Hannover vom 05. Dezember 2017 wird als unzulässig verworfen.

2. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

4. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu € 100,- festgesetzt.

Gründe

I.

Das Amtsgericht - Registergericht - hat die Antragstellerin als vermeintliche Gläubigerin gemäß § 74 Abs. 3 Satz 2 GmbHG zur Einsichtnahme in die Bücher und Schriften der betroffenen vormaligen Rechtsanwalts-GmbH ermächtigt. Dagegen hat die Antragsgegnerin, eine Rechtsanwältin, die Geschäftsführerin und Liquidatorin der Gesellschaft war und deren Bücher und Schriften gemäß § 74 Abs. 2 GmbHG verwahrt, form- und fristgerecht Beschwerde erhoben.

II.

1.) Die grundsätzlich gemäß §§ 402 Abs. 1, 375 Nr. 6, 58 ff. FamFG statthafte Beschwerde gegen die vom Registergericht ausgesprochene Ermächtigung der Antragstellerin zur Einsichtnahme in die Bücher und Schriften der Gesellschaft ist bereits unzulässig, weil der nach § 61 Abs. 1 FamFG erforderliche Beschwerdewert von mehr als € 600,- nicht erreicht ist.

a) Die Vorschrift ist anwendbar, weil es sich um eine vermögensrechtliche Streitigkeit handelt. Dazu gehören nämlich auch auf Auskunft oder Einsichtsgewährung gerichtete Verfahren, wenn sie der Vorbereitung der Geltendmachung vermögensrechtlicher Ansprüche dienen (vgl. BGH, Beschluss vom 27. März 1991 - XII ZB 25/91 -, juris; Zöller/Feskorn, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 61 FamFG Rn. 4). Dies ist hier der Fall, weil die Antragstellerin als vormalige Steuerberaterin der betroffenen Gesellschaft angebliche Honoraransprüche gegen die Gesellschaft geltend macht.

b) Der Beschwerdewert bemisst sich nach dem Abwehrinteresse der Antragsgegnerin hinsichtlich der Gewährung der Einsicht, nicht hingegen nach dem hinter dem Einsichtsbegehren stehenden wirtschaftlichen Interesse der Antragstellerin am Erhalt der Informationen (vgl. nur Bahrenfuss/Kräft, FamFG, 3. Aufl. 2017, § 61 Rn. 8; Zöller/Herget, a.a.O., § 3 Rn. 16 s.v. "Auskunft" m.w.N.). Die Beschwer wird daher in erster Linie durch den voraussichtlichen Aufwand an Zeit und Kosten bestimmt, der mit der Einsichtsgewährung verbunden ist (BGH, Beschluss vom 08. Juli 2015 - XII ZB 286/14 -, juris; Zöller/Herget, a.a.O.). Dieser Aufwand ist angesichts der die Antragsgegnerin ohnehin treffenden Aufbewahrungspflicht (§ 74 Abs. 2 GmbHG) erkennbar geringfügig, so dass ihn der Senat auf höchstens € 100,- geschätzt hat.

2.) Darüber hinaus wäre die Beschwerde aber auch aus den ihr gegenüber zutreffenden Erwägungen der angefochtenen Entscheidung, denen der Senat beitritt und auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, unbegründet, weshalb ein vorheriger Hinweis auf die Unzulässigkeit im Streitfall unterbleiben konnte.

Die Ermächtigung zur Einsichtnahme ist einem Gläubiger zu erteilen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Einsichtnahme glaubhaft gemacht hat (OLG Braunschweig, Beschluss vom 10. August 1992 - 2 W 88/92 -, GmbHR 1993, 509; Roth/Altmeppen, GmbHG, 8. Aufl. 2015, § 74 Rn. 16). Dies ist hier angesichts der von der Antragstellerin gegen die Gesellschaft erhobenen Klage, die auf die Behauptung noch bestehender Vergütungsansprüche gestützt wird, sowie im Hinblick auf die seitens des Prozessgerichts angezweifelte Frage der Parteifähigkeit der Gesellschaft in jenem Verfahren der Fall.

Anders als die Beschwerdeführerin meint, ist auch keine sachliche Einschränkung des Einsichtsrechts vorzunehmen. Denn gerade weil das Einsichtsrecht der umfassenden Information der Gläubiger dient, ist grundsätzlich keine Einschränkung geboten. Nur so kann sich ein Gläubiger nämlich Gewissheit darüber verschaffen, ob alle gesetzlichen Vorgaben, die gerade auch dem Schutz der Gesellschaftsgläubiger dienen, der deshalb besonders angezeigt ist, weil ihnen grundsätzlich nur das beschränkte Haftungskapital zur Verfügung steht, von den Organen der Gesellschaft eingehalten worden sind. Anhaltspunkte dafür, dass vorliegend besondere Gesichtspunkte gegeben sein könnten, die demgegenüber ausnahmsweise eine Beschränkung des - nach den vorstehenden Ausführungen grundsätzlich weit zu fassenden - Einsichtsrechts erforderlich machen könnten, sind weder ersichtlich noch vorgetragen.

Ohne Belang ist schließlich der Hinweis der Beschwerdeführerin darauf, über keine "Bücher und Schriften" in physischer Form zu verfügen, weil die Buchhaltung elektronisch geführt worden sei. Denn der Begriff der "Bücher und Schriften" in § 74 GmbHG umfasst auch Unterlagen, die in - gemäß § 347 Abs. 4 HGB zulässiger - elektronischer Form vorhanden sind (Baumbach/Hueck/Haas, GmbHG, 21. Aufl. 2017, § 74 Rn. 7; Roth/Altmeppen, a.a.O., § 74 Rn. 12 i.V.m. § 51a Rn. 9).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG. Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde, § 70 FamFG, sind nicht gegeben.