Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 18.01.2018, Az.: 11 U 121/17

Anspruch auf Zahlung zusätzlicher Vergütung im Rahmen eines Schülerbeförderungsvertrages

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
18.01.2018
Aktenzeichen
11 U 121/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2018, 18947
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hildesheim - 13.06.2017 - AZ: 3 O 157/13

Fundstellen

  • BauR 2018, 1922-1926
  • IBR 2018, 297
  • IBR 2018, 340
  • NZBau 2018, 314-318
  • VS 2018, 20
  • VS 2018, 32
  • Vergabe-Navigator 2018, 25-27
  • VergabeR 2018, 342-347
  • ZfBR 2018, 400-403

Redaktioneller Leitsatz

1. Es spricht viel dafür, dass Regelungen in einem vorformulierten Vertrag über Schülerbeförderungsleistungen unwirksam sind, soweit ein Preisanpassungsverlangen nur insoweit zugelassen wird, als sich die Zahl der beförderten Schüler um mindestens 10% nach oben oder nach unten verändert hat und dies nur drei Monate vor Ablauf des jeweiligen Vertragsjahres für das nächste Vertragsjahr schriftlich verlangt werden kann.

2. Einem Unternehmer ist es jedoch verwehrt, unter Berufung auf die Nichtigkeit dieser Vertragsklauseln eine Anpassung der Vergütung zu verlangen, da er diese zum Gegenstand eines Vergabenachprüfungsverfahrens hätte machen müssen.

In dem Rechtsstreit

Landkreis ...,

Beklagter und Berufungskläger,

Prozessbevollmächtigte:

Anwaltsbüro ...,

gegen

... GmbH, ...,

Klägerin und Berufungsbeklagte,

Prozessbevollmächtigte:

Anwaltsbüro ...,

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden

Richter am Oberlandesgericht ... sowie die Richter am Oberlandesgericht ... und ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21. Dezember 2017 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Grundurteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim vom 13. Juni 2017 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird festgesetzt auf 404.713,50 €.

Gründe

Die Klägerin begehrt aus einem Vertrag mit dem Beklagten über Schülerbeförderung ein zusätzliches Entgelt für die Schuljahre 2010/2011 und 2011/2012.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz und der darin gestellten Anträge wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage dem Grunde nach stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Anspruch der Klägerin auf Preisanpassung und damit auf Zahlung einer zusätzlichen Vergütung aus § 2 VOL/B folge. Durch Änderungen in der Beschaffenheit der Leistung hätten sich die Grundlagen der zwischen den Parteien vereinbarten Preise geändert. Diesem Anspruch der Klägerin aus § 2 VOL/B stehe auch nicht die Preisanpassungsregelung in Ziff. 5. des Schülerbeförderungsvertrages entgegen. Wegen der diesbezüglichen Begründung im Einzelnen wird Bezug genommen auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils.

Dagegen richtet sich die Berufung des Beklagten, mit der er seinen erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens weiterverfolgt. Wegen des diesbezüglichen Vorbringens im Einzelnen wird auf die in der Berufungsinstanz eingereichten Schriftsätze des Beklagten Bezug genommen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 13. Juni 2017 - Az.: 3 O 157/13 - abzuändern und die Klage abzuweisen,

hilfsweise:

das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 13. Juni 2017 - Az.: 3 O 157/13 - aufzuheben und den Rechtsstreit zur Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil unter Bezugnahme auf ihr Vorbringen aus dem ersten Rechtszug sowie ergänzendem Vortrag. Wegen des diesbezüglichen Vorbringens im Einzelnen wird auf die in der Berufungsinstanz eingereichten Schriftsätze der Klägerin Bezug genommen.

Auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen wird ergänzend verwiesen.

II.

Die Berufung hat Erfolg. Der Klägerin steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Zahlung zusätzlicher Vergütung zu.

1. Die Parteien haben unter Gliederungspunkt B. 5.1 des Schülerbeförderungsvertrages vom 29. September 2010 (im Folgenden nur noch: SBV) geregelt, dass die Vertragsparteien unter den Voraussetzungen des § 2 Nr. 3 VOL/B die Anpassung der mit dem Angebot abgegebenen Netto-Pauschalpreise je Beförderungskategorie und Beförderungstag zum jeweils nächsten Schuljahr, erstmalig nach Ablauf des ersten Vertragsjahres, losweise verlangen können, wenn sich die Gesamtanzahl der Beförderungsfälle im Durchschnitt eines Jahres um 10 % verändert hat. Ziff. 5.2 regelt hierzu sodann einen Ausnahmefall. Nach Ziff. 5.3 muss die Anpassung der Pauschalen drei Monate vor Ablauf des jeweiligen Vertragsjahres für das nächste Vertragsjahr schriftlich verlangt werden, rückwirkende Anpassungen finden nicht statt.

Nach Maßgabe dieser Bestimmungen besteht der geltend gemachte Anspruch der Klägerin auf zusätzliche Vergütung aus keinem Rechtsgrund.

a) Inhaltlich sind von den vorgenannten Regelungen sämtliche Ansprüche umfasst, die die Klägerin in dem vorliegenden Verfahren geltend macht. Das nimmt die Klägerin selbst auch gar nicht in Abrede. Wegen der diesbezüglichen näheren Begründung wird Bezug genommen auf die nachfolgenden Ausführungen unter Ziffer 2. b) aa).

b) Zwischen den Parteien ist ferner unstreitig, dass vorliegend weder die vorgenannten materiellen Voraussetzungen der Regelungen in Ziff. 5.1 und 5.2, noch die formellen Voraussetzungen in Ziff. 5.3 gegeben sind. Insoweit wird zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen Bezug genommen auf die Ausführungen des Beklagten auf Seiten 24 f. des Schriftsatzes vom 3. Juli 2013 (Bl. 69 f. d. A.), denen die Klägerin nicht entgegengetreten ist.

2. Ob Ziffern 5.1 - 5.3 des SBV gem. § 307 Abs. 1 BGB unwirksam sind, erscheint dem Senat als fraglich und hätte ihm, wäre es für die vorliegende Entscheidung darauf angekommen, Anlass gegeben, im Hinblick hierauf die Revision zuzulassen.

a) Es erscheint dem Senat bereits als problematisch, ob es sich bei den Regelungen in Ziff. 5.1 - 5.3 des SBV um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB handelt.

aa) Nach § 305 Abs. 1 BGB sind Allgemeine Geschäftsbedingungen alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss des Vertrags stellt. Aus dem Inhalt und der äußeren Gestaltung der in einem Vertrag verwendeten Bedingungen kann sich ein vom Verwender zu widerlegender Anschein dafür ergeben, dass sie zur Mehrfachverwendung formuliert worden sind. Das kann z. B. der Fall sein, wenn der Vertrag zahlreiche formelhafte Klauseln enthält und nicht auf die individuelle Vertragssituation abgestimmt ist. Vertragsbedingungen sind für eine Vielzahl von Verträgen bereits dann vorformuliert, wenn ihre dreimalige Verwendung beabsichtigt ist. Die Absicht der dreimaligen Verwendung ist auch dann belegt, wenn der Verwender die Klausel dreimal mit demselben Vertragspartner vereinbart (vgl. z. B. BAG, Urteil vom 1. März 2006 - 5 AZR 363/05, juris Rn. 20).

bb) Bei isolierter Betrachtung könnte man das Vorliegen dieser Voraussetzungen vorliegend als gegeben ansehen:

- Dass vorliegend der Inhalt und die äußere Gestaltung des SBV dergestalt sind, dass sich ein Anschein dafür ergibt, dass die darin enthaltenen Regelungen zur Mehrfachverwendung formuliert worden sind, erscheint dem Senat als nicht zweifelhaft.

- Unstreitig sind die Regelungen des SBV in allen acht Losen verwendet worden. Dass Vertragspartner in allen acht Losen die Klägerin gewesen ist, wäre nach Maßgabe der vorstehend dargestellten allgemeinen Grundsätze ohne Belang.

cc) Allerdings würde sich hier die von Seiten der Beklagten (z. B. Bl. 64 ff., 163 f., 258 f. d. A.) aufgeworfene Frage stellen, ob diese Grundsätze auch im Rahmen eines - wie hier - Vergabeverfahrens gelten. Fundstellen aus der Instanzrechtsprechung und/oder Literatur, die sich mit dieser Frage vertiefter auseinandersetzen, hat der Senat nicht auffinden können.

b) Würde es sich bei den Regelungen in Ziffern 5.1 - 5.3 des SBV um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB handeln, dürfte aus Sicht des Senats viel dafür sprechen, dass diese nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam sind.

aa) Die Regelungen in Ziff. 5. des SBV sind dahingehend auszulegen, dass sie sämtliche Fallkonstellationen umfassen, die in Ziff. 4. des SBV geregelt sind. Der Wortlaut der Regelung unter Ziff. 5. ist nämlich so zu verstehen, dass eine "Anpassung der mit dem Angebot abgegebenen Netto-Pauschalpreise" nur in den in Ziff. 5.1 und 5.2 geregelten Fällen möglich ist. Das gilt unabhängig davon, ob es sich bei den Regelungen in Ziff. 5 des SBV um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB handelt oder um Individualvereinbarungen.

Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden werden. Dabei sind die Verständnismöglichkeiten eines durchschnittlichen, rechtlich nicht vorgebildeten Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen. Ansatzpunkt für die bei einer Formularklausel gebotene objektive, nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierende Auslegung ist in erster Linie der Wortlaut (z. B. BGH, Urteil vom 20. Januar 2016 - VIII ZR 152/15, juris Rn. 17, 18). Wäre dagegen von einer Individualvereinbarung und mithin nicht von Allgemeinen Geschäftsbedingungen auszugehen, würden andere Grundsätze gelten (vgl. dazu z. B. BGH, Urteil vom 15. Oktober 2014 - XII ZR 111/12, juris Rn. 48; BGH, Urteil vom 14. Dezember 2005' - XII ZR 241/03, juris Rn. 13).

Vorliegend gelangt man unabhängig davon, ob es sich bei den Regelungen in Ziff. 5 des SBV um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB handelt, zu der Auslegung, dass eine "Anpassung der mit dem Angebot abgegebenen Netto-Pauschalpreise" generell nur in den in Ziff. 5 des SBV geregelten Fällen möglich ist. Hierfür spricht der Wortlaut der darin enthaltenen Regelungen. Dieser ist so formuliert, dass eine Anpassung der mit dem Angebot abgegebenen Pauschalpreise ausschließlich unter den Voraussetzungen gefordert werden kann, die in Ziff. 5 des SBV geregelt sind, unabhängig davon, aus welchen tatsächlichen Gründen eine Anpassung der Preise gefordert wird. Ein hiervon abweichendes Auslegungsverständnis macht im Übrigen auch die Klägerin nicht geltend.

bb) Unter Zugrundelegung des vorgenannten Auslegungsverständnisses würde aus Sicht des Senats viel dafür sprechen, dass die Regelung in Ziff. 5 des SBV - würde es sich hierbei um Allgemeine Geschäftsbedingungen i. S. v. § 305 Abs. 1 BGB handeln - gegen § 307 Abs. 1 BGB verstößt.

(1) Nach 307 Abs. 1 BGB ist eine formularmäßige Vertragsbestimmung unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Letzteres ist der Fall, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (z. B. BGH, Urteil vom 30. März 2017 - VII ZR 170/16, juris Rn. 17).

(2) Entgegen den Ausführungen des Landgerichts in dem angefochtenen Urteil (LGU Seite 8, letzter Absatz) ist es allerdings nicht unzweifelhaft, diese Voraussetzungen vorliegend allein deshalb zu bejahen, weil die Regelungen in Ziff. 5 des SBV der Regelung des § 2 Nr. 3 VOL/B entgegenstehen. Das berücksichtigt nicht, dass die VOL/B Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von §§ 305 ff. BGB sind (vgl. Kulartz in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, 3. Aufl., § 9 Rn. 3). In Bezug auf § 2 Nr. 3 VOB/B hat der Bundesgerichtshof bereits entschieden, dass diese Regelung nicht zu der für die Klauselbewertung maßgeblichen gesetzlichen Regelung im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB zählt (BGH, Urteil vom 8. Juli 1993 - VII ZR 79/92, juris Rn. 27). Ob dies auch im Fall des § 2 Nr. 3 VOL/B so ist, ist bislang höchstrichterlich nicht entschieden.

(3) Darauf dürfte es nicht ankommen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist nämlich eine Klausel gem. § 307 BGB unwirksam, nach der Ansprüche auf Anpassung der Vergütung nicht nur nach § 2 Nr. 3 VOB/B (ob dies auch für § 2 Nr. 3 VOL/B gilt, ist bislang höchstrichterlich nicht entschieden) ausgeschlossen sein sollen, sondern auch nach den Grundsätzen über die Störung der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juli 2017 - VII ZR 259/16, juris Rn. 24 f.; BGH, Beschluss vom 4. November 2015 - VII ZR 282/14, juris Rn. 25).

So liegt es - in Bezug auf § 2 Nr. 3 VOL/B - hier. In der vorgenannten Entscheidung vom 8. Juli 1993 (VII ZR 79/92, juris Rn. 6) war die Fallkonstellation dergestalt, dass mit der dortigen Regelung ausdrücklich nur "Massenänderungen im Sinne von § 2 Nr. 3 VOB/B" angesprochen waren. Die Regelungen, die den beiden vorstehend genannten jüngeren Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zugrunde lagen, lauteten dagegen:

"Die dem Angebot des Auftragnehmers zugrunde liegenden Preise sind grundsätzlich Festpreise und bleiben für die gesamte Vertragsdauer verbindlich" (VII ZR 259/16, juris Rn. 3 a. E.)

bzw.

"Massenänderungen - auch über 10 % - sind vorbehalten und berechtigen nicht zur Preiskorrektur" (VII ZR 282/14, juris Rn. 2).

Mit den beiden zuletzt genannten Regelungen ist die vorliegende Regelung unter Ziff. 5 des SBV vergleichbar. Nach dem vorstehend vertretenen Auslegungsverständnis des Senats sind insbesondere auch die in Ziff. 4 des SBV geregelten Fallkonstellationen, die nicht ausdrücklich in Ziff. 5 genannt werden, nicht geeignet, eine Preisanpassung aufgrund nachträglich veränderter Umstände zu rechtfertigen. Nach diesem Auslegungsverständnis sind also - neben Ansprüchen nach § 2 Nr. 3 VOL/B - auch Ansprüche nach § 313 BGB oder aus anderen Anspruchsgrundlagen, wie z. B. §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB, ausgeschlossen.

3. Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung darüber, ob die Regelungen in Ziff. 5 des SBV nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam sind. Denn jedenfalls ist es der Klägerin in dem vorliegenden Verfahren verwehrt, sich auf diesen Aspekt zu berufen. Das beruht darauf, dass die Klägerin es versäumt hat, diese Frage in einem Nachprüfungsverfahren nach §§ 160 f. GWB n. F./107 f. GWB a. F. zur Überprüfung zu stellen. Dies hat zur Folge, dass es ihr verwehrt ist, diese Argumentation in einem späteren Zivilrechtsstreit wie dem vorliegenden zu halten.

a) Eine gesetzliche Norm, die Vorstehendes ausdrücklich regelt, besteht nicht. § 160 Abs. 3 GWB n. F. (= § 107 Abs. 3 GWB a. F.) bezieht sich unmittelbar lediglich auf das eigentliche Vergabeverfahren. §§ 179 f. GWB n. F. sind vorliegend ebenfalls unmittelbar nicht einschlägig. Dennoch wird in der Literatur vertreten, dass der von einem Vergabefehler betroffene Bieter Primärrechtsschutz in Anspruch nehmen muss, anderenfalls er in einem zivilrechtlichen Schadensersatzprozess damit ausgeschlossen ist, sich auf diesen Vergabeverstoß zu berufen (z. B. Kühnen, NZBau 2004, 427, 428; Antweiler in Beck'scher Vergaberechtskommentar, 3. Aufl., § 181 Rn. 16). Teilweise wird in diesem Rahmen keine generelle Präklusion angenommen, sondern vielmehr vertreten, dass einem Bieter in diesem Fall zumindest der Vorwurf des Mitverschuldens durch Nichtgebrauch eines Rechtsbehelfs entgegengehalten werden könne (z. B. Hänisch in: Kulartz/Kus/Portz/Prieß, Kommentar zum GWB-Vergaberecht, 4. Aufl., § 179 Rn. 2; Raabe in: Willenbruch/Wieddekind, Vergaberecht, 4. Aufl., § 179 GWB Rn. 3). Teilweise werden die vorgenannten Auffassungen generell abgelehnt (vgl. z. B. Wiese in: Kulartz/Kus/Portz/Prieß, a. a. O., § 160 Rn. 130).

b) Der Bundesgerichtshof (Urteil vom 19. April 2016 - X ZR 77/14, uris Rn. 21 ff.) hat in Bezug auf die Vorschrift des § 20 Abs. 3 VOF eine Entscheidung getroffen, die zwar nicht unmittelbar einschlägig für die vorliegende Fallkonstellation ist, die aber anhand von allgemeinen vergaberechtlichen Grundsätzen begründet worden ist (insbesondere Rn. 29, 30 und 32), die nach Auffassung des Senats auch auf die vorliegende Fallkonstellation übertragbar sind.

c) Nach Auffassung des Senats ist die vorstehend unter a) dargestellte Auffassung richtig, dass ein von einem Vergabefehler betroffener Bieter in einem Vergabeverfahren Primärrechtsschutz in Anspruch nehmen muss, anderenfalls er in einem nachträglichen zivilrechtlichen Schadensersatzprozess damit ausgeschlossen ist, sich auf diesen Vergabeverstoß zu berufen (dazu nachfolgend aa). Jedenfalls aber wäre der Klägerin vorliegend ein Mitverschuldenseinwand entgegen zu halten, der zur Folge hat, dass etwaige Nachzahlungsansprüche im Ergebnis nicht bestehen (dazu nachfolgend bb).

aa) Für die Auffassung, dass ein von einem Vergabefehler betroffener Bieter Primärrechtsschutz in Anspruch nehmen muss, anderenfalls er in einem zivilrechtlichen Schadensersatzprozess damit ausgeschlossen ist, sich auf diesen Vergabeverstoß zu berufen spricht, dass anderenfalls die Gefahr bestünde, dass allgemeine Grundsätze des Vergaberechts unterlaufen werden.

Das Vergaberecht basiert auf dem Grundgedanken, dass alle Bieter dieselben Ausgangspositionen und Chancen haben und einzelne Bieter gerade nicht Vorteile haben sollen, die es ihnen ermöglichen, ihr Angebot wirtschaftlich günstiger auszugestalten, als es die anderen Bieter machen können. Mit diesem Grundsatz wäre es unvereinbar, wenn ein Bieter, dem im Rahmen eines Vergabeverfahrens ein Auftrag erteilt worden ist, nachträglich die Möglichkeit hätte, in einem Zivilverfahren geltend zu machen, dass einzelne Regelungen der Ausschreibung unwirksam gewesen und nunmehr durch eine für ihn in wirtschaftlicher Hinsicht günstigere Regelung zu ersetzen seien: Wäre beispielsweise der Klägerin bereits zu einem frühen Zeitpunkt im Vergabeverfahren bewusst gewesen, dass - unterstellt - die Regelungen in Ziff. 5. des SBV unwirksam sind, weil sie gegen § 307 Abs. 1 BGB verstoßen, und hätte die Klägerin erkannt, dass ihr dies ermöglichen könnte, nachträglich von dem Beklagten eine höhere Vergütung zu fordern, als nach dem Ausschreibungsinhalt möglich, hätte die Klägerin die Möglichkeit gehabt, im Hinblick auf diesen von ihr als wahrscheinlich erkannten späteren Nachforderungsanspruch ein Angebot abzugeben, das eigentlich für sie wirtschaftlich nicht auskömmlich ist. Dies hätte zur Folge gehabt, dass der Klägerin auf ihr - bewusst niedrig gehaltenes - Angebot der Zuschlag erteilt worden wäre. Hieran anschließend hätte die Klägerin die eigentliche Unauskömmlichkeit ihres Angebotes dadurch beseitigen können, dass sie in einem Zivilverfahren Ansprüche auf zusätzliche Vergütung geltend macht.

Der Senat möchte klarstellen, dass er der Klägerin nicht unterstellen will - was im Hinblick auf den zivilprozessualen Beibringungsgrundsatz allerdings auch gar nicht möglich wäre, da der Beklagte Derartiges nicht behauptet -, dass die Klägerin vorliegend in diesem Sinne subjektiv vorgegangen ist. Der Senat möchte anhand dieses Beispiels lediglich illustrieren, dass und aus welchen Gründen das Vorgehen der Klägerin in dem vorliegenden Zivilverfahren aus seiner Sicht mit den Grundsätzen des Vergaberechts nicht in Einklang zu bringen ist. Das Verhalten der Klägerin würde sich in diesem Fall nämlich als ein "dulde und liquidiere" darstellen, was der Gesetzgeber indes allerdings bereits anderweitig ausdrücklich als mit dem Grundgedanken des Bürgerlichen Gesetzbuches nicht vereinbar geregelt hat (z. B. § 839 Abs. 3 BGB).

Nach dieser Maßgabe ist es der Klägerin vorliegend verwehrt, ihren Anspruch auf (zusätzliche) Vergütung damit zu begründen, dass die Regelungen in Ziff. 5 des SBV nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam seien. Denn dies hätte sie bereits in einem Nachprüfungsverfahren nach §§ 160 f. GWB n. F. geltend machen können. Insbesondere handelt es sich bei den Regelungen in Ziffern 5 des SBV um "Vergabevorschriften" im Sinne dieser Vorschrift. Darunter fallen nämlich insbesondere die materiell-rechtlichen Regelungen, die die Vergabestelle zum Inhalt ihrer Ausschreibung macht. Demgemäß hat vorliegend die Klägerin mit Schriftsatz vom 21. Juni 2006 in dem Verfahren der Vergabekammer Lüneburg - VgK35/2010 - auch - zunächst - genau die Regelungen als Vergabefehler gerügt, auf die sie nunmehr ihre Klage stützt (Bl. 15 ff. der Beiakte VK Lüneburg - VgK35/2010). Obwohl - wie vorstehend ausgeführt - die Klägerin im Hinblick hierauf ein Nachprüfungsverfahren tatsächlich zunächst eingeleitet hat, ist sie nach Maßgabe der vorstehend gemachten Ausführungen dennoch mit der diesbezüglichen Argumentation in dem vorliegenden Zivilverfahren präkludiert. Denn die Klägerin hat es unterlassen, über diese Frage auch tatsächlich eine Entscheidung der Vergabekammer oder ggf. des Vergabesenates herbeizuführen. Sie hat nämlich ausweislich Bl. 258 der Beiakte mit Schriftsatz vom 5. Juli 2010 ihren Nachprüfungsantrag zurückgenommen, bevor die Vergabekammer über diesen eine Entscheidung getroffen hat. Eine derartige Vorgehensweise ist aber nicht hinreichend, um eine Präklusion in dem vorgenannten Sinn auszuschließen. Denn der vorstehend aufgezeigte Sinn und Zweck eines Nachprüfungsverfahrens wird gerade nicht erreicht, wenn ein derartiger Nachprüfungsantrag zwar zunächst gestellt, später dann aber wieder zurückgenommen wird, ohne dass die über diesen Antrag zuständige Stelle hierüber eine Entscheidung getroffen hat. Ob anderes zu gelten hat, wenn beispielsweise die Vergabekammer einen - hinreichend begründeten - Hinweis erlassen hätte, nach dem der Nachprüfungsantrag unbegründet sei und der Bieter (erst) hierauf seinen Nachprüfungsantrag zurücknimmt, kann dahinstehen. Denn dass Derartiges oder Vergleichbares vorliegend der Fall gewesen ist, macht die Klägerin nicht geltend (insbesondere nicht in dem Schriftsatz vom 27. November 2017, in dem die Klägerin zu der Berufungsbegründung des Beklagten Stellung genommen hat, in der wiederum der Beklagte die vorstehend aufgezeigte Problematik zum zentralen Gegenstand seiner Berufung gemacht hat, vgl. dazu z. B. BGH, Beschlüsse vom 23. April 2009 - IX ZR 95/06, juris Rn. 6 und vom 20. Dezember 2007 - IX ZR 207/05, juris Rn. 2, und auch nicht in der mündlichen Verhandlung vom 21. Dezember 2017, in der - s. die diesbezügliche Sitzungsniederschrift - diese Problematik von dem Senat mit den Parteien diskutiert worden ist) und ergibt sich im Übrigen auch aus der beigezogenen Beiakte nicht.

bb) Hilfsweise sind etwaige Zahlungsansprüche der Klägerin nach dem Rechtsgedanken (bei den streitgegenständlichen Ansprüchen der Klägerin handelt es sich um keine Schadensersatzansprüche) des § 254 Abs. 1 BGB deshalb ausgeschlossen, weil der Klägerin aus dem vorgenannten Umstand, dass sie den von ihr in dem vorliegenden Zivilverfahren geltend gemachten Vergabeverstoß schon im Rahmen des Vergabeverfahrens erkannt, im Hinblick darauf zunächst auch ein Nachprüfungsverfahren eingeleitet, den Nachprüfungsantrag aber wieder zurückgenommen hat, bevor die Vergabekammer hierüber eine Entscheidung getroffen hat, ein Mitverschuldensvorwurf in einem derartigen Maße zu machen ist, dass (Nachzahlungs-)Ansprüche nicht bestehen. Insoweit ist dem Senat bewusst, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs es im Rahmen des § 254 BGB nur im Ausnahmefall in Betracht kommt, eine vollständige Überbürdung des Schadens auf einen der Beteiligten unter dem Gesichtspunkt der Mitverursachung in Betracht zu ziehen (vgl. z. B. BGH, Urteil vom 28. April 2015 - VI ZR 206/14, juris Rn. 10). Angesichts dessen, dass die Klägerin ausweislich des Nachprüfungsantrages vom 21. Juni 2006 in dem Verfahren VK Lüneburg - VgK-35/2010 - den - unterstellten - Vergabefehler, den sie nunmehr zum zentralen Bestandteil ihrer Zahlungsklage macht, genau erkannt, es sodann aber ohne nachvollziehbaren Grund unterlassen hat, hierüber auch eine Entscheidung der Vergabekammer herbeizuführen, sieht der Senat den Verstoß der Klägerin gegen die ihr gegenüber bestehenden Obliegenheiten aber als derartig schwerwiegend an, dass es im Hinblick darauf nicht in Betracht kommt, der Klägerin auf Basis dieser rechtlichen Argumentation Nachzahlungsansprüche zuzugestehen.

4. Nach Maßgabe der vorstehend gemachten Ausführungen kann es der Senat dahinstehen lassen, ob das Landgericht zulässigerweise ein Grundurteil erlassen hat und ggf., ob der Senat anderenfalls im Hinblick auf den Hilfsantrag des Beklagten in der Berufungsbegründung vom 25. September 2017 sein ihm diesbezüglich zukommendes Ermessen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 10. März 2005 - VII ZR 220/03, juris Rn. 17) dahingehend ausgeübt hätte, die Sache zur weiteren Aufklärung an das Landgericht zurückzuverweisen. Anmerken möchte der Senat aber, dass es ihm als fraglich erscheint, ob das Grundurteil vom Landgericht prozessual fehlerfrei erlassen worden ist und dass in diesem Fall viel dafür gesprochen hätte, die Sache an das Landgericht zurück zu verweisen.

a) Ein Grundurteil darf nur ergehen, wenn ein Anspruch nach Grund und Höhe streitig ist, grundsätzlich alle Fragen, die zum Grund des Anspruchs gehören, erledigt sind, und wenn nach dem Sach- und Streitstand zumindest wahrscheinlich ist, dass der Anspruch in irgendeiner Höhe besteht (z. B. BGH, Urteil vom 8. September 2016 - VII ZR 168/15, juris Rn. 21).

b) Der Bundesgerichtshof hat nach Maßgabe dieser allgemeinen Grundsätze bereits einmal eine Entscheidung eines Berufungsgerichtes aufgehoben, der Ansprüche nach §§ 2 Nr. 5, Nr. 6 und § 6 Nr. 6 VOB/B zugrunde lagen (BGH, Urteil vom 9. November 2006 - VII ZR 151/05, juris Rn. 17).

Ob die Begründung des Landgerichts auf Seiten 7 f. des angefochtenen Urteils ausreicht, um den vorgenannten Anforderungen gerecht zu werden, erscheint dem Senat als fraglich. Mit der vorgenannten Problematik eng verbunden ist die weitere Frage, ob die Klägerin ihren Vergütungsanspruch nach § 2 Nr. 3 VOL/B überhaupt schlüssig vorgetragen hat. Das hat die Beklagte in Abrede genommen bzw. argumentativ angezweifelt (Bl. 61 f., 70 f., 74 f., 160 f., 171 f. d. A.). Ob dieses erstinstanzliche Verteidigungsvorbringen des Beklagten derartig knapp abgetan werden kann, wie es das Landgericht vorliegend getan hat (S. 7 - 9 des angefochtenen Urteils), erscheint als fraglich.

III.

1. Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

2. Der Senat lässt nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO die Revision zu. Die Frage, ob ein Bieter, der es versäumt hat, in einem vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren Vergabeverstöße geltend zu machen, daran gehindert ist, derartige Verstöße nachträglich zum Gegenstand eines Zivilrechtsverfahrens zu machen, bedarf einer höchstrichterlichen Entscheidung.