NuWG,NI - Niedersächsisches unterstützende Wohnformengesetz

Niedersächsisches Gesetz über unterstützende Wohnformen (NuWG)

Bibliographie

Titel
Niedersächsisches Gesetz über unterstützende Wohnformen (NuWG)
Amtliche Abkürzung
NuWG
Normtyp
Gesetz
Normgeber
Niedersachsen
Gliederungs-Nr.
21141

Vom 29. Juni 2011 (Nds. GVBl. S. 196 - VORIS 21141 -)

Zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 22. September 2022 (Nds. GVBl. S. 593)

Der Niedersächsische Landtag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Präambel

Die Gesetzesfassung folgt dem neueren Sprachgebrauch "Menschen mit Behinderungen", der auch in der UN-Übereinkunft über die Rechte von Menschen mit Behinderungen verwendet wird, weil dieser Sprachgebrauch dem Gleichstellungsgedanken und den heutigen Vorstellungen der Betroffenen eher entspricht.
Dem § 6 des Gesetzes liegt die Auffassung zugrunde, dass sich die Menschen in unterstützenden Wohnformen regelmäßig wünschen, in einem Einzelzimmer leben zu können, und dass diese Wünsche mit Rücksicht auf die Achtung der Menschenwürde (Artikel 1 Abs. 1 des Grundgesetzes) von allen Beteiligten berücksichtigt werden sollten.

Inhaltsübersicht(1)§§
Zweck des Gesetzes1
Geltungsbereich2
Beratung und Information3
Mitwirkung der Bewohnerinnen und Bewohner4
Anforderungen an den Betrieb eines Heims5
Einzelzimmerwünsche6
Anzeigepflichten7
Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten8
Prüfungspflichten und -befugnisse der Behörden, Verpflichtung zur Auskunft9
Beratung bei Mängeln in Heimen10
Anordnungen bei Mängeln11
Untersagung von Betätigungen, Einsetzen einer kommissarischen Heimleitung12
Untersagung des Betriebs13
Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Klage14
Zusammenarbeit, Arbeitsgemeinschaften15
Befreiungen zur Erprobung neuer Betreuungs- oder Wohnformen16
Verordnungsermächtigungen17
Ordnungswidrigkeiten18
Zuständigkeiten19
Übergangsregelung20
Evaluierung21
Inkrafttreten22

Die Inhaltsübersicht wurde redaktionell angepasst.

§ 1 NuWG - Zweck des Gesetzes

Bibliographie

Titel
Niedersächsisches Gesetz über unterstützende Wohnformen (NuWG)
Amtliche Abkürzung
NuWG
Normtyp
Gesetz
Normgeber
Niedersachsen
Gliederungs-Nr.
21141

(1) Das Gesetz soll darauf hinwirken, dass sich das Angebot unterstützender Einrichtungen (Heime, ambulant betreute Wohngemeinschaften, Formen des betreuten Wohnens und Einrichtungen der Tagespflege) weiterentwickelt.

(2) Zweck des Gesetzes ist es,

  1. 1.

    die Würde sowie Interessen und Bedürfnisse der Bewohnerinnen und Bewohner in allen Einrichtungen nach Absatz 1 vor Beeinträchtigungen zu schützen,

  2. 2.

    den Bewohnerinnen und Bewohnern von Einrichtungen nach Absatz 1 eine angemessene und individuelle Lebensgestaltung zu ermöglichen, insbesondere ihre Selbständigkeit, Selbstbestimmung, Selbstverantwortung sowie Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben innerhalb und außerhalb von Einrichtungen zu wahren und zu fördern,

  3. 3.

    die Einhaltung der den Betreibern der Einrichtungen gegenüber den Bewohnerinnen und Bewohnern obliegenden Pflichten zu sichern,

  4. 4.

    die Mitwirkung der Bewohnerinnen und Bewohner zu gewährleisten,

  5. 5.

    eine dem allgemein anerkannten Stand der fachlichen Erkenntnisse entsprechende Qualität des Wohnens und der Betreuung zu sichern,

  6. 6.

    die Beratung in Angelegenheiten der Einrichtungen nach Absatz 1 zu fördern sowie

  7. 7.

    die Zusammenarbeit der für die Durchführung dieses Gesetzes zuständigen Behörden mit den Betreibern von Einrichtungen nach Absatz 1 und deren Verbänden, den Pflegekassen und deren Verbänden, dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung sowie den Trägern der Sozialhilfe zu fördern.

(3) Die Selbständigkeit der Betreiber von Einrichtungen nach Absatz 1 in Zielsetzung und Durchführung ihrer Aufgaben bleibt unberührt.

§ 2 NuWG - Geltungsbereich

Bibliographie

Titel
Niedersächsisches Gesetz über unterstützende Wohnformen (NuWG)
Amtliche Abkürzung
NuWG
Normtyp
Gesetz
Normgeber
Niedersachsen
Gliederungs-Nr.
21141

(1) 1Dieses Gesetz gilt für Heime (Absatz 2) in Niedersachsen. 2Auf die unterstützenden Wohnformen nach Absatz 3 (ambulant betreute Wohngemeinschaften) und Absatz 4 (Formen des betreuten Wohnens) sind die Vorschriften über Heime anzuwenden, soweit nichts anderes bestimmt ist. 3Dieses Gesetz ersetzt das Heimgesetz in der Fassung vom 5. November 2001 (BGBl. I S. 2970), zuletzt geändert durch Artikel 3 Satz 2 des Gesetzes vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2319), mit Ausnahme der §§ 14, 21 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 Nr. 3 des Heimgesetzes.

(2) Heime sind Einrichtungen für Volljährige, die in ihrem Bestand unabhängig von Wechsel und Zahl der Bewohnerinnen und Bewohner dem Zweck dienen, gegen Entgelt

  1. 1.

    ältere Menschen, pflegebedürftige Menschen oder Menschen mit Behinderungen aufzunehmen,

  2. 2.

    ihnen Wohnraum zu überlassen und

  3. 3.

    für sie Pflege- oder Betreuungsleistungen zur Verfügung zu stellen oder vorzuhalten.

(3) 1Ambulant betreute Wohngemeinschaften im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 sind vorbehaltlich des Absatzes 5 Satz 1 solche Wohngemeinschaften, in denen volljährigen Personen Wohnraum überlassen wird zum Zweck des Lebens in einer Haushaltsgemeinschaft, in der sie von Dienstleistern aufgrund einer mit dem Mietverhältnis verbundenen vertraglichen Verpflichtung entgeltliche ambulante Pflege- oder Betreuungsleistungen in Anspruch nehmen. 2Auf die Wohngemeinschaften nach Satz 1 sind neben den Vorschriften über Heime anstelle des § 4 Abs. 1 bis 5 und des § 17 Abs. 2 die § 4 Abs. 6 und § 17 Abs. 3 sowie ergänzend § 20 anzuwenden.

(4) 1Formen des betreuten Wohnens im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 sind vorbehaltlich des Absatzes 5 Satz 2 solche Wohnformen, in denen volljährigen Personen Wohnraum überlassen wird und in denen sie von Dienstleistern aufgrund einer mit dem Mietverhältnis verbundenen vertraglichen Verpflichtung Leistungen in Anspruch nehmen, die über allgemeine Unterstützungsleistungen wie Notrufdienste, Informations- und Beratungsleistungen oder die Vermittlung von Leistungen der hauswirtschaftlichen Versorgung, Pflege- oder Betreuungsleistungen hinausgehen. 2Auf die Formen des betreuten Wohnens nach Satz 1 sind neben den Vorschriften über Heime anstelle des § 4 Abs. 1 bis 5 und des § 17 Abs. 2 die § 4 Abs. 6 und § 17 Abs. 3 anzuwenden.

(5) 1Abweichend von Absatz 3 nicht als Heime gelten ambulant betreute Wohngemeinschaften von nicht mehr als zwölf Personen, in denen die Bewohnerinnen und Bewohner spätestens ein Jahr nach der Gründung der Wohngemeinschaft die Dienstleister für die in Absatz 3 genannten Leistungen und die Art und den Umfang der Leistungen frei wählen können. 2Abweichend von Absatz 4 nicht als Heime gelten Formen des betreuten Wohnens, in denen die Bewohnerinnen und Bewohner spätestens ein Jahr nach dem Einzug der Bewohnerin oder des Bewohners die Dienstleister für die im Sinne des Absatzes 4 über allgemeine Unterstützungsleistungen hinausgehenden Leistungen frei wählen können. 3Die Möglichkeit, frei zu wählen, besteht in den Fällen der Sätze 1 und 2 auch, wenn die Bewohnerin oder der Bewohner insoweit durch eine für sie oder ihn handelnde Person vertreten wird. 4Sozialhilferechtliche Einschränkungen der Wahlfreiheit bleiben außer Betracht.

(6) Die Anzeige- und Mitteilungspflichten nach § 7 Abs. 6 und 7, die Beratungspflichten des § 3 Nrn. 2 und 3 sowie § 18 Abs. 1 Nr. 3 betreffen auch unterstützende Wohnformen, die gemäß Absatz 5 nicht als Heime gelten.

(7) 1Dieses Gesetz gilt auch für Einrichtungen der Tagespflege. 2§ 4 dieses Gesetzes sowie § 14 Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 3 des Heimgesetzes und die Verordnung über die Pflichten der Träger von Altenheimen, Altenwohnheimen und Pflegeheimen für Volljährige im Falle der Entgegennahme von Leistungen zum Zwecke der Unterbringung eines Bewohners oder Bewerbers vom 24. April 1978 (BGBl. I S. 553), geändert durch Artikel 18 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3022), (Heimsicherungsverordnung) finden keine Anwendung. 3Nimmt die Einrichtung in der Regel mindestens sechs Menschen auf, so findet § 4 Abs. 4 Anwendung. 4Die Sätze 2 und 3 gelten entsprechend, wenn Heime oder Teile von Heimen ausschließlich einer bis zu drei Monate dauernden Aufnahme volljähriger Menschen (Kurzzeitheime) dienen.

(8) Dieses Gesetz gilt nicht für Krankenhäuser, für Internate der Berufsbildungs- und Berufsförderungswerke, für Hospize, für Einrichtungen der Nachtpflege und nicht für Einrichtungen, die stationäre Leistungen zur medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation erbringen.

§ 3 NuWG - Beratung und Information

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Niedersächsisches Gesetz über unterstützende Wohnformen (NuWG)
Amtliche Abkürzung
NuWG
Normtyp
Gesetz
Normgeber
Niedersachsen
Gliederungs-Nr.
21141

Die Heimaufsichtsbehörden beraten und informieren

  1. 1.

    die Bewohnerinnen und Bewohner von Heimen sowie deren Bewohnervertretungen, Bewohnerfürsprecherinnen und Bewohnerfürsprecher über die jeweiligen Rechte und Pflichten,

  2. 2.

    Personen, die ein berechtigtes Interesse haben, über Heime und andere unterstützende Wohnformen und über die dort jeweils bestehenden Rechte und Pflichten der Beteiligten und

  3. 3.

    die Träger von Betreuungsdiensten, die Leistungen der ambulanten Versorgung für Wohngemeinschaften erbringen oder erbringen wollen, über ihre Rechte und Pflichten.

§ 4 NuWG - Mitwirkung der Bewohnerinnen und Bewohner

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Niedersächsisches Gesetz über unterstützende Wohnformen (NuWG)
Amtliche Abkürzung
NuWG
Normtyp
Gesetz
Normgeber
Niedersachsen
Gliederungs-Nr.
21141

(1) 1Die Bewohnerinnen und Bewohner eines Heims wirken durch eine Bewohnervertretung in Angelegenheiten des Heimbetriebs wie Unterkunft, Verpflegung, Aufenthaltsbedingungen, Betreuung oder Freizeitgestaltung mit. 2Die Mitwirkung ist auf die Verwaltung sowie die Geschäfts- und Wirtschaftsführung des Heims zu erstrecken, wenn Leistungen im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 3 des Heimgesetzes erbracht worden sind. 3Die Bewohnervertretung kann bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben und Rechte fach- oder sachkundige Personen ihres Vertrauens hinzuziehen; diese sind zur Verschwiegenheit verpflichtet. 4Die Bewohnervertretung soll mindestens einmal im Jahr zu einer Bewohnerversammlung einladen, zu der jede Bewohnerin und jeder Bewohner eine Vertrauensperson hinzuziehen kann.

(2) 1Die Mitglieder der Bewohnervertretung in einem Heim werden von dessen Bewohnerinnen und Bewohnern gewählt. 2Wählbar sind die Bewohnerinnen und Bewohner des Heims. 3Es können in angemessenem Umfang auch volljährige Angehörige und sonstige volljährige Vertrauenspersonen der Bewohnerinnen und Bewohner, Mitglieder von örtlichen Seniorenvertretungen und von örtlichen Behindertenorganisationen sowie von der Heimaufsichtsbehörde vorgeschlagene Personen in die Bewohnervertretung gewählt werden.

(3) Die Heimaufsichtsbehörden sorgen für die Unterrichtung der Bewohnerinnen und Bewohner und der Mitglieder von Bewohnervertretungen über die Wahl zu den Bewohnervertretungen und deren Befugnisse sowie über die Möglichkeiten der Mitwirkung.

(4) 1Für die Zeit, in der eine Bewohnervertretung in einem Heim nicht gebildet werden kann, werden ihre Aufgaben durch eine Bewohnerfürsprecherin oder einen Bewohnerfürsprecher wahrgenommen, die oder der von der Heimaufsichtsbehörde im Benehmen mit der Heimleitung bestellt wird. 2Die Bewohnerfürsprecherin oder der Bewohnerfürsprecher ist ehrenamtlich tätig. 3Die Heimaufsichtsbehörde kann von der Bestellung einer Bewohnerfürsprecherin oder eines Bewohnerfürsprechers absehen, wenn die Mitwirkung der Bewohnerinnen und Bewohner auf andere Weise gewährleistet ist.

(5) 1Der Betreiber erläutert der Bewohnervertretung oder den sonstigen nach Absatz 4 Mitwirkungsberechtigen rechtzeitig vor Aufnahme von Verhandlungen über Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarungen nach dem Elften oder dem Zwölften Buch des Sozialgesetzbuchs unter Vorlage nachvollziehbarer Unterlagen die Gründe sowie die Angemessenheit einer angestrebten Entgelterhöhung und gibt ihr oder ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme; auf Verlangen gewährt er zur Vorbereitung der Stellungnahme Einsicht in die Kalkulationsunterlagen. 2Die Stellungnahme ist den Kostenträgern vor Beginn der Verhandlungen durch den Betreiber zur Kenntnisnahme zu übermitteln.

(6) 1Für die in § 2 Abs. 1 Satz 2 genannten unterstützenden Wohnformen gilt abweichend von den Absätzen 1 bis 5, dass die Heimaufsichtsbehörde auf Antrag der Mehrheit der Bewohnerinnen und Bewohner eine Bewohnerfürsprecherin oder einen Bewohnerfürsprecher bestellen kann. 2In diesem Fall gelten die in § 17 Abs. 3 Nr. 3 genannten Vorschriften entsprechend.