Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 23.06.1998, Az.: 5 U 19/98
Erlöschen des Wertermittlungsanspruchs durch Erfüllung; Ermittlung des Wertes eines künstlerischen Nachlasses durch Sachverständigengutachten; Anforderungen an ein Wertermittlungsgutachten
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 23.06.1998
- Aktenzeichen
- 5 U 19/98
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1998, 28930
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:1998:0623.5U19.98.0A
Rechtsgrundlage
- § 2314 Abs. 1 S. 2 BGB
Fundstellen
- FamRZ 1999, 1099 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1999, 1974-1975 (Volltext mit amtl. LS)
- NJWE-FER 1999, 246
- OLGReport Gerichtsort 1998, 337-338
Amtlicher Leitsatz
Zur Bewertung eines künstlerischen Nachlasses durch Sachverständige - kein weiteres Gutachten bei bloßen Meinungsverschiedenheiten über die Wertansätze.
Entscheidungsgründe
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 1. Halbs. ZPO abgesehen.
Die zulässige Berufung hat in vollem Umfang Erfolg.
Die Beklagte ist ihrer aus § 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB sich ergebenden Verpflichtung zur Wertermittlung des künstlerischen Nachlasses ihres Ehemannes durch Vorlage des von ihr in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachtens Dr. Petersmann nachgekommen. Darüber hinausgehende Wertermittlungsansprüche des Klägers bestehen nicht. Zu Unrecht hat das Landgericht insoweit angenommen, dass die so erteilten Auskünfte unvollständig seien, weil es bezüglich der Verwertungsrechte jedenfalls an einer Darstellung der ,mehreren ernstlich in Betracht kommenden Bewertungsmethoden" fehle und es nicht genüge, einzelne Gegenstände ohne nähere Begründung lediglich als unverkäuflich darzustellen.
Auch der - selbstständige - Anspruch aus § 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB auf Ermittlung des Wertes von Nachlassgegenständen durch das Gutachten eines unparteiischen Sachverständigen dient dazu, dem Pflichtteilsberechtigten ein Bild über den Wert des Nachlasses zu verschaffen (BGH NJW 1975, 258 f; BGHZ 29, 25 ff, 29) [BGH 04.12.1958 - III ZR 95/57], wobei die praktische Bedeutung solcher Gutachten nicht überschätzt werden darf, da sie Meinungsverschiedenheiten über den Wert von Gegenständen des Nachlasses nicht entscheiden und allenfalls unter günstigen Umständen beenden helfen, sodass sich erfahrungsgemäß in einem anschließenden Rechtsstreit die Einholung weiterer Gutachten im allgemeinen nicht vermeiden lässt (BGHZ 107, 200 ff, 204) [BGH 19.04.1989 - IVa ZR 85/88]. Diesen Anforderungen genügt das eingeholte Gutachten Dr. Petersmann mit der Folge, dass der Wertermittlungsanspruch durch Erfüllung erloschen ist.
Unstreitig hat sich die Beklagte intensiv um einen kompetenten Sachverständigen für die nicht eben einfache Bewertung der zum künstlerischen Nachlass gehörenden Gegenstände bemüht. Bedenken gegenüber der Qualifikation und Unparteilichkeit des Kunsthistorikers und vereidigten Sachverständigen bestehen nicht und werden auch vom Kläger nicht geltend gemacht.
Der Sachverständige hat auch alle in dem notariellen Nachlassverzeichnis - Teil I und Teil II - aufgenommenen Kunstgegenstände seiner Begutachtung zugrunde gelegt, wie sich aus dem Gutachten und der Anlage entnehmen lässt. Der auch von der Berufungserwiderung wiederholte nicht näherspezifizierte Vorwurf, die Beklagte habe nicht alle Kunstgegenstände schätzen lassen trifft ebensowenig zu wie der Vorwurf einer unvollständigen Bewertung. Der Sachverständige hat die herangezogenen Bewertungskriterien in seinem Gutachten nachvollziehbar dargelegt. Auf dieser Grundlage hat er in ausreichender Weise erläutert, welche Gegenstände nach dem Gradmesser der Verkäuflichkeit in die Bewertungsliste mit einem bestimmten Wert aufzunehmen sind. Soweit der Kläger meint, auch unverkäufliche Gegenstände hätten einen Verkehrswert bzw. hätten einen "materiellen Wert auch für den, der diese Gegenstände einfach nur besitzt", vermag dies jedenfalls die Erfüllung der von ihm im Rahmen des § 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB allein zu beanspruchenden Bewertung durch einen geeigneten Sachverständigen nicht in Frage zu ziehen. Der Sachverständige hat hinreichend deutlich ausgeführt, dass und warum nur die von ihm in der Bewertungsliste aufgeführten Gegenstände einen in Geld definierbaren Wert besitzen. Meinungsverschiedenheiten darüber werden - wie oben bereits ausgeführt - nur selten ganz zu vermeiden sein; das gilt besonders, wenn es sich um die Bewertung von Kunstgegenstände geht, deren Objektivierbarkeit Grenzen gesetzt sind.
Sie sind aber nicht geeignet, den Vorwurf zu erhärten, der Erbe sei nur unvollkommen seiner Wertermittlungspflicht aus § 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB nachgekommen. Der Pflichtteilsberechtigte hat keinen Anspruch auf ein bestimmtes seinen Vorstellungen genügendes Gutachten, sondern nur auf eine Begutachtung, die den an die Tätigkeit von Sachverständigen zu stellenden Anforderungen genügt, dass der Gutachter die Einhaltung der sachverständigenseits zu erfüllenden Pflichten verletzt hätte, ist nicht ersichtlich. Insbesondere trifft es nicht zu, dass er einseitig nur eine von mehreren Bewertungsmethoden herangezogen habe. Solche anerkannten verschiedenen ernsthaften Bewertungsansätze, wie sie beispielsweise bei Unternehmensbewertungen vorkommen und deren Nichtbeachtung zu einer unzulässigen Methodeneinengung führen kann (vgl. OLG München NJW RR 1988, 390 ff) bestehen bei der Bewertung von Künstlernachlässen - auch das ist dem Gutachten zu entnehmen - offenbar nicht. Das gewählte Vorgehen, die Bedeutung der Nachlassgegenstände für den Kunstmarkt nach dem Grad der Verkäuflichkeit unter besonderer Berücksichtigung der regionalen Bedeutung des Künstlers und des Materialgutes und der Galeriepreise bei einer stattgefundenen Verkaufsausstellung in der Galerie H. herauszuarbeiten, gibt zu Beanstandungen hinsichtlich der Einhaltung der übernommenen Sachverständigenpflichten keinerlei Anlass.
Das gilt auch für die vom Kläger vermisste Verwertung der dem Galeristen H. übertragenen Urheber- und Verwertungsrechte. Zu Recht weist die Berufung darauf hin, dass nach dem Gutachten der bloßen Verwertungsmöglichkeit kein Geldwert zuzuordnen ist, sondern ein zu berücksichtigender Wert erst bei einer Realisierung zum Beispiel durch einen Abguss entstehen kann. Inwieweit die in der Literatur vertretene Auffassung, dass es sich im Rahmen eines Zugewinnausgleichs bei im Besitz eines Künstlers befindlichen Kunstwerken ohne konkrete Veräußerungsabsichten nicht um Vermögen mit objektivierbarem messbarem Wert handelt (vgl. Finger GRUR 1989, 881 ff), auf die hier vorzunehmende Bewertung übertragen werden kann, wie die Beklagte meint, bedarf daher keiner Erörterung.
Das vorgelegte Gutachten genügt mithin den Anforderungen des § 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB. Es versetzt den Kläger in die Lage, sich ein ausreichendes Bild vom Wert des Nachlasses zu machen. dass er selbst den Wert höher einschätzt, gibt ihm keinen Anspruch auf eine weitere bzw. ergänzende Begutachtung. Die Möglichkeit, dies in dem streitigen Verfahren weiterhin substantiiert vorzutragen, wird ihm dadurch nicht genommen. Ihre Auskunfts- und Wertermittlungsverpflichtungen hat die Erbin jedoch erfüllt.