Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 24.06.1998, Az.: 2 U 80/98

Durchführung von Handwerksarbeiten durch Fremdarbeiter; Zweckentfremdung von Möbeln des Auftragsgebers ; Beschädigung von Einrichtungsgegenstände durch Erfüllungsgehilfen; Abdeckung entstandener Schäden durch die Betriebshaftpflicht

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
24.06.1998
Aktenzeichen
2 U 80/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1998, 28973
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1998:0624.2U80.98.0A

Fundstellen

  • NVersZ 1998, 46-47
  • OLGReport Gerichtsort 1999, 4-5
  • zfs 1998, 428-429 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

Betriebshaftpflichtversicherung: Bearbeitungsschaden bei Verwendung von Sachen des Auftraggebers als "Tisch" für die Arbeiten des Handwerkers.

Entscheidungsgründe

1

Die Beklagte ist nicht verpflichtet, über die gezahlten 5.000,-- DM hinaus der Klägerin Deckungsschutz für den Schadenfall vom 09.09.1996 zu gewähren.

2

Der Klägerin steht ein weiterer Anspruch auf Gewährung von Deckungsschutz für Schäden am Positivmodell nicht zu. Die Haftungsbegrenzung der Beklagten folgt aus § 4 I 6 b) der dem Versicherungsvertrag zu Grunde liegenden AHB in Verbindung mit 3.11 der weiter vereinbarten "Risikobeschreibung zur Betriebshaftpflichtversicherung: - GLOBALPOLICE - Ausgabe APRIL 96". Danach besteht für so genannte Bearbeitungsschäden zwar Deckungsschutz, aber nur bis zur Höhe von 5.000,-- DM je Schadenereignis.

3

Das Positivmodell ist Ausschlussobjekt gemäß § 4 I 6 b) AHB. Nach dieser Bestimmung bezieht sich der Versicherungsschutz nicht auf Haftpflichtansprüche wegen Schäden, die an fremden Sachen durch eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Versicherungsnehmers an oder mit diesen Sachen (z.B. Bearbeitung, Reparatur, Beförderung, Prüfung u. dgl.) entstanden sind. Unter einer Tätigkeit an oder mit fremden Sachen ist grundsätzlich jedes bewusste und gewollte Handeln zu verstehen. Hierbei ist es unerheblich, ob die beschädigte Sache "im Mittelpunkt des Auftrags" stand; es genügt, dass der Versicherungsnehmer bewusst und gewollt auf diese eingewirkt hat, auch wenn dies nur als Mittel zu einem Zweck geschah, der eine andere Sache zum Gegenstand hatte. Es kommt auch nicht darauf an, ob die Einwirkung auf die Sache zur Erfüllung des Auftrags notwendig oder von den Vertragsschließenden übereinstimmend gewollt war oder von dem Versicherungsnehmer als zur Erledigung des Auftrags erforderlich angesehen wurde. Vielmehr können die Ausschlussvoraussetzungen auch dann gegeben sein, wenn die Tätigkeit an oder mit der beschädigten Sache weder geboten noch zweckmäßig, sondern falsch, unvernünftig oder verboten war oder aus einem sonstigen Grund offensichtlich dem Zweck des Auftrags oder dem Willen des Auftraggebers widersprach (BGH VersR 1960, 109; BGH VersR 1961, 601; BGH r+s 1998, 58; KG VersR 1977, 1141; OLG Hamm VersR 1989, 468[OLG Hamm 16.03.1988 - 20 U 168/87]). Eine Tätigkeit mit einer Sache liegt insbesondere dann vor, wenn bei der gebotenen natürlichen Betrachtungsweise eine instrumentale Verwendung einer anderen fremden Sache anzunehmen ist (Späte, Haftpflichtversicherung, § 4 Rdnr. 133, 156). So sind z.B. auch Gegenstände Ausschlussobjekt, die ein Maler besteigt oder beiseite schiebt, um an die zu bemalende Wand zu kommen (BGH VersR 1960, 109); werden bei Anstricharbeiten Rohrleitungen bestimmungswidrig als Steighilfe oder Ergänzung eines Gerüsts betreten, sind sie ebenfalls Ausschlussobjekt (BGH, VersR 1961, 601); nutzt ein Versicherungsnehmer bei Reinigungstätigkeiten am Fensterrahmen einen Tisch, um die Reinigungsflüssigkeit abzustellen, wird allein dadurch der Tisch zum Ausschlussobjekt (AG Köln ZfS 1980, 138; Späte a.a.O. § 4 Rdnr. 156).

4

Die Anwendung der dargelegten Grundsätze führt zu der Feststellung, dass die Ausschlussvoraussetzungen des § 4 I 6 b) AHB im vorliegenden Fall erfüllt sind. Nach dem eigenen Vortrag der Klägerin haben ihre Mitarbeiter das Untergestell auf die Negativform gehoben, die ihrerseits auf der Positivform lagerte, um das Untergestell an die Negativform anzupassen bzw. daran auszurichten; das Positivmodell hat "quasi" als "Tisch" gedient; man hätte "die Negativform auch auf das sich am Boden befindende Untergestell auflegen" können; "lediglich um sich das Bücken zu ersparen, entschieden die Arbeitnehmer der ... (Klägerin) sich dazu, die Negativform auf dem Urmodell zu belassen, um dann dort das Stahlgestell anpassen zu können."

5

a)

Eine gezielte und bewusste Einwirkung auf das Positivmodell liegt zunächst darin, dass die Mitarbeiter der Klägerin das Untergestell mit vier Schraubzwingen an dem Positivmodell befestigt haben. Zwar behauptet die Klägerin in der Berufungserwiderung, es sei versehentlich nur eine Schraubzwinge statt mit dem Negativmodell mit dem Positivmodell verbunden worden. Sollte dieser Vortrag richtig sein, könnte die Befestigung der Schraubzwingen möglicherweise als zufälliges und nicht bewusstes Einwirken auf das Positivmodell bewertet werden. Der Vortrag in der Berufungsinstanz steht jedoch nicht nur in Widerspruch zu dem ausweislich des Tatbestands des angefochtenen Urteils unstreitigen Vorbringen der Klägerin im ersten Rechtszug; auf Grund der Aussage des im ersten Rechtszug vernommenen Zeugen W steht vielmehr auch fest, dass "die Schraubzwingen", also nicht nur eine, am Tisch, d. h. am Positivmodell, fixiert worden sind. Die Klägerin bringt gegen die Richtigkeit der Aussage des von ihr benannten Zeugen nichts vor und stellt ihren Vortrag insoweit in der Berufungsinstanz auch nicht weiter unter Beweis. Ist mithin davon auszugehen, dass vier Schraubzwingen am Positivmodell befestigt worden sind, besteht kein Zweifel daran, dass diese Handlung bewusst und nicht versehentlich vorgenommen worden ist.

6

b)

Selbst wenn man jedoch den neuen Vortrag der Klägerin im Berufungsverfahren zugrundelegen wollte, wäre das Positivmodell Ausschlussobjekt. Allein die Nutzung des Positivmodells als Tisch stellte eine bewusste und gewollte Tätigkeit mit der fremden Sache dar. Denn das Positivmodell wurde als Hilfsmittel genutzt, um die eigentliche Tätigkeit, das Anpassen des Untergestells an die Negativform, leichter durchführen zu können.

7

Die - angeblich nach dem Vortrag der Berufungserwiderung - versehentliche Befestigung der ersten Schraubzwinge am Positivmodell wäre - sollte der neue Vortrag der Klägerin richtig sein - bereits die schadenstiftende, nämlich die planwidrige und versehentliche Handlung. Dass diese bewusst und gewollt vorgenommen wird, ist nicht notwendig. Es reicht, wenn sie nur in den Rahmen der bewussten und gewollten Tätigkeit - hier also der Nutzung des Positivmodells als Tisch - fällt (BGH VersR 1955, 706; BGH r+s 1998, 58).

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c)

Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt es nicht darauf an, ob die Anpassung des Untergestells an das Negativmodell bzw. das Hinaufheben des Untergestells auf das auf dem Positivmodell befindliche Negativmodell objektiv für die Erfüllung der geschuldeten Werkleistung der Klägerin erforderlich war. Wie bereits dargelegt ist, ist es unerheblich, ob die Handlung des Versicherungsnehmers notwendig oder auch nur sinnvoll ist. Entscheidend ist allein, dass es im Rahmen der Tätigkeit zum Schadenseintritt kommt. Dies ist auch dann der Fall, wenn das den Schaden verursachende Verhalten des Unternehmers - auch - darin besteht, dass er den Umfang der geschuldeten Leistung verkennt. Denn auch ein derartiger Sachverhalt wird vom Schutzzweck des § 4 I 6 b) AHB erfasst. Der Sinn der Bestimmung liegt nämlich darin, dem Versicherungsnehmer das unternehmerische Risiko aufzubürden, welches er bei seiner gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit bewusst in Bezug auf fremde Sachen eingeht (BGH VersR 1960, 109; Späte a.a.O. § 4 Rdnr. 128).

9

d)

Die Voraussetzungen des Ausschlusstatbestands sind auch nicht auf Grund von § 4 I 6 b) 2. Hs AHB zu verneinen. Das Landgericht hat zutreffend festgestellt, dass es sich bei dem Positivmodell um eine bewegliche Sache handelte. Dagegen bringen die Parteien nichts vor.

10

Im Übrigen kommt es für die Entscheidung des Falls nicht einmal darauf an, ob es sich bei dem Positivmodell um eine bewegliche oder unbewegliche Sache handelte. Denn sowohl nach dem ersten als auch nach dem zweiten Halbsatz des § 4 I 6 b) AHB sind die Sache oder die Sachteile, die selbst den Gegenstand der unternehmerischen Tätigkeit des Versicherungsnehmers bilden, als Ausschlussobjekt anzusehen, und vorliegend steht fest, dass das Positivmodell selbst Objekt der unternehmerischen Tätigkeit der Klägerin war.