Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 19.06.1992, Az.: 3 Sa 141/91

Steuererstattungsansprüche aus einem Heimarbeitsverhältnis

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
19.06.1992
Aktenzeichen
3 Sa 141/91
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1992, 10617
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:1992:0619.3SA141.91.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Hannover - 15.11.1990 - AZ: 7 Ca 332/90

Prozessführer

...

Prozessgegner

...

In dem Rechtsstreit
hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 19. Juni 1992
unter Mitwirkung
der Richter Brandhorst, Frohner und Grünheid
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 15.11.1990 - 7 Ca 332/90 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um Steuererstattungsansprüche aus einem Heimarbeitsverhältnis.

2

Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen,

3

Durch dieses Urteil vom 15.11.1990 hat die 7. Kammer des Arbeitsgerichts Hannover die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 1.566,75 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 16.07.1990 zu zahlen. Sie hat der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt und den Streitwert auf 1.566,75 DM festgelegt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe wiederum verwiesen.

4

Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihr erstinstanzliches Klagabweisungsbegehren nach näherer Maßgabe ihrer Berufungsbegründung vom 04.03.1991 weiter.

5

Sie beantragt nunmehr,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

6

Die Klägerin beantragte

die Berufung zurückzuweisen.

7

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 25.03.1991.

Entscheidungsgründe

8

Die Berufung ist unbegründet.

9

Das Arbeitsgericht hat den Rechtsstreit der Parteien zutreffend entschieden.

10

Der Klägerin steht der geltend gemachte Erstattungsanspruch zu.

11

Dieser Anspruch ist nicht verjährt. Er ist auch nicht aufgrund tarifvertraglicher Ausschlußfristen Bestimmungen verfallen. Dies ergibt sich schon daraus, daß auf das Rechtsverhältnis der Parteien der Manteltarifvertrag für den Niedersächsischen Einzelhandel nach dessen persönlichem Geltungsbereich keine Anwendung findet. Heimarbeiter sind nach gesicherter Rechtsauffassung keine Arbeitnehmer, da sie nicht persönlich abhängig sind. Von Bedeutung ist freilich, daß der arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Begriff des Arbeitnehmers mit dem steuerrechtlichen nicht übereinstimmt. So werden steuerrechtlich Heimarbeiter als Arbeitnehmer betrachtet. Sie sind lohnsteuerpflichtig. Jedoch hat der Unternehmer im Lohnkonto die Heiaarbeiterzuschläge getrennt auszuweisen, da sie zum Teil steuerfrei sind, z.B. eventuelle Zuschläge zur Abgeltung von Kosten für die Bereitstellung von Heizung, Beleuchtung u. s. w. Dem Arbeitsgericht ist darin beizupflichten, daß die Beklagte von dem Entgelt der Klägerin als Heimarbeiterin Lohnsteuer hätte abführen müssen und entsprechend entweder die Vorlage einer Steuerkarte verlangen müssen - was nicht geschehen ist - oder aber nach § 40 a EStG die pauschal berechnete Steuer abführen müssen, was die Beklagte ebenfalls unterlassen hat.

12

Das Einkommenssteuergesetz läßt in den §§ 40 bis 40 b bestimmte Pauschalierungen zu. Diese haben in erster Linie vereinfachenden Charakter. Die Pauschalierung nach § 40 b EStG enthält darüber hinaus auch eine materielle Steuervergünstigung. In allen diesen Pauschalierungsfällen hat der Arbeitgeber nach §§ 40 Abs. 3, 40 a Abs. 4, 40 b Abs. 3 EStG die pauschale Lohnsteuer zu übernehmen. Er wird damit Schuldner der pauschalen Lohnsteuer. Das Pauschalierungsverfahren ist ein Besteuerungsverfahren eigener Art, in das der Arbeitnehmer nicht eingeschaltet ist und das ihn im allgemeinen finanziell nicht belastet (BFH, BStBl. 1973 II, Seite 128; BStBl. 1974 II, Seite 664). Der Arbeitgeber wird statt des Arbeitnehmers Alleinschuldner und nicht etwa lediglich Mitschuldner neben dem Arbeitnehmer. Soweit der Bundesfinanzhof (BStBl. 1974 II, Seite 664) eine Gesamtschuldnerschaft annahm, betraf dies die vor 1975 geltende Rechtslage. Der pauschal besteuerte Arbeitslohn und die pauschale Lohnsteuer bleiben bei einer Veranlagung zur Einkommenssteuer und beim Lohnsteuer-Jahresausgleich außer Ansatz.

13

Die pauschale Lohnsteuer ist weder auf die Einkommenssteuer noch auf die Jahreslohnsteuer anzurechnen. Dies bedeutet, daß, wenn die Beklagte, wie es ihre Pflicht gewesen wäre, die pauschal berechnete Steuer abgeführt hätte, die Klägerin nicht nachträglich zusammen mit ihrem Ehemann zur Einkommenssteuer veranlagt worden wäre.

14

Die Übernahme der Steuerschuld im Wege der Pauschalierung hat primär nur steuerrechtliche Folgen in bezug auf die öffentlich-rechtlichen Beziehungen der Beteiligten. Die Vorschrift über die Pauschalierungsfälle verfolgen keine arbeitsrechtlichen Ziele. Deshalb kann allein aus den Bestimmungen des Einkommenssteuergesetzes nicht ohne weiteres gefolgert werden, daß damit auch im Innenverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber der für die Lohnsteuer aufzuwendende Betrag zu Lasten des Arbeitgebers geht. Es gibt keine Vorschrift, die bestimmt, daß der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Lohnsteuer abnehmen muß, wenn er sich für das Pauschallohnsteuerverfahren entscheidet. Die Abwälzung der pauschalen Lohnsteuer auf den Arbeitnehmer ist damit grundsätzlich zulässig (BAG, Der Betrieb 1978, Seite 2081). Freilich spricht bereits nach den üblichkeiten des Arbeitslebens schon im allgemeinen eine Vermutung dafür, daß die pauschalierte Lohnsteuer zu Lasten des Arbeitgebers geht. Diese allgemeine Vermutung wird hier verstärkt durch die konkrete Handhabung der Parteien. Es war, worauf das Arbeitsgericht bereits hingewiesen hat, zwischen den Parteien besprochen worden, daß die Klägerin ohne Steuerkarte arbeiten sollte, eine Steuerkarte ist von der Beklagten, wie bereits erwähnt, auch nie verlangt worden. Die Parteien haben sich immer bemüht, unterhalb der Sätze des monatlichen Entgeltes zu bleiben, der für eine Pauschalversteuerung in Frage gekommen ist. Nach alledem ist im Verhältnis der Parteien davon auszugehen, daß die Beklagte die pauschale Lohnsteuer übernehmen sollte. Wenn die Beklagte die Abführung dieser Lohnsteuer deshalb unterlassen haben sollte, weil sie die Klägerin nicht als Heimarbeiterin, sondern als Hausgewerbetreibende und damit steuerrechtlich als selbständige Gewerbetreibende angesehen hat (vgl. ihr Schreiben vom 12.07.1990, Bl. 3 d.A.), so geht dieser Irrtum zu ihren Lasten.

15

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

16

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.