Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 10.06.1992, Az.: 5 TaBV 3/92
Erstattung von Reisekosten; Durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstandene Kosten; Informationspflicht aus dem Gebot zur vertrauensvollen Zusammenarbeit; Kenntnisnahme der Bedenken des Arbeitgebers durch den Betriebsrat
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 10.06.1992
- Aktenzeichen
- 5 TaBV 3/92
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1992, 10613
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:1992:0610.5TABV3.92.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Hildesheim - 06.12.1991 - AZ: 1 BV 3/91
Rechtsgrundlagen
- § 40 Abs. 1 BetrVG
- § 2 Abs. 1 BetrVG
Fundstelle
- BB 1993, 291 (amtl. Leitsatz)
Prozessführer
...
Prozessgegner
...
...
...
Redaktioneller Leitsatz
Die Erforderlichkeit der Arbeitsbefreiung ist nicht rückblickend von einem objektiven Standpunkt, sondern vom Zeitpunkt der Entscheidung des Betriebsrats aus zu beurteilen. Grundsätzlich ist die Erforderlichkeit zu bejahen, wenn der Betriebsrat wie ein vernünftiger Dritter bei gewissenhafter Überlegung und verständiger, ruhiger Abwägung aller Umstände zur Zeit seines Beschlusses zu dem Ergebnis gelangen durfte, dass die bezahlte Arbeitsfreistellung zur ordnungsgemäßen Durchführung seiner Aufgaben erforderlich ist.
hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Landesarbeitsgericht Dr. ... und
der ehrenamtlichen Richter ...
auf die Anhörung der Beteiligten am 10. Juni 1992
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Hildesheim vom 6. Dezember 1991 - 1 BV 3/91 - wird zurückgewiesen.
Gründe
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beteiligte zu 4. verpflichtet ist, die Reisekosten zu erstatten, die den Mitgliedern des Beteiligten zu 3., den Beteiligten zu 1. und 2., anläßlich einer Reise nach B. am 16. und 17. Juli 1991 entstanden sind. Die Beteiligten zu 1. bis 3. meinen, bei diesen Kosten in einer Gesamthöhe von 1.351,04 DM handele es sich um durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstandene Kosten, die die Beteiligte zu 4. gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG als Arbeitgeberin zu tragen habe. Diese meint dagegen, die Reise nach B. sei weder erforderlich gewesen noch habe der Beteiligte zu 3. sie für erforderlich halten dürfen.
In der Zeit vom 25. Februar bis 16. März 1991 machte die Beteiligte zu 4. durch einen Aushang in ihrem Werk ... folgendes bekannt:
Die ... und die ... planen, auf dem Gebiet Starterbatterien zusammenzuarbeiten, um ihre Stellung weltweit zu stärken. Beide Firmen beabsichtigen, ein Gemeinschaftsunternehmen zu gründen, an dem ... mehrheitlich und ... mit einer qualifizierten Minderheit beteiligt sein werden. Die Gesellschaft wird einen konsolidierten Umsatz von etwa 900 Millionen DM haben und rund 4 400 Mitarbeiter beschäftigen. Ihr Marktanteil in Europa liegt bei etwa 20 Prozent. Die kartellrechtliche Freigabe zur Gründung wird in den nächsten Tagen bei der EG-Kommission in ... beantragt. In dem Gemeinschaftsunternehmen werden alle Funktionen zur Entwicklung, Fertigung und Vermarktung von Starterbatterien unter einheitlicher Führung zusammengefaßt. Das sind bei ... die Fertigungsstätten in ... und ... - sowie weitere Fabriken in ... beschäftigt bei Starterbatterien etwa 3 650 Mitarbeiter.
Bei ... sind es 750 Mitarbeiter, davon 290 in wo die ... insgesamt 9 560 Mitarbeiter beschäftigt. An den Standorten ... entwickeln und fertigen 460 Mitarbeiter diese Erzeugnisse.
Die Marken von ... treten nach wie vor am Markt getrennt auf. Für die Marken ... werden innerhalb des Gemeinschaftsunternehmens weiterhin die bestehenden Vertriebsorganisationen verantwortlich bleiben.
Für den Verkauf von Starterbatterien der Marken ... und ... wird das Gemeinschaftsunternehmen die weltweite Vertriebsorganisation von ... nutzen. Diese Erzeugnisse werden damit ein fester Bestandteil des umfassenden Angebots und ... Kraftfahrzeugausrüstung bleiben.
Die Zusammenarbeit ist vor dem Hintergrund anderer europäischer Konzentrationen und einer Verschärfung des Wettbewerbs zu sehen. Die Partner werden ihre Entwicklungsaktivitäten konzentrieren, das Erzeugnisprogramm erweitern und die zunehmenden Kosten des Umweltschutzes auf eine breitere Basis stellen.
Der Beteiligte zu 3. wandte sich am 26. Februar 1991 mit folgendem Schreiben an die Geschäftsführung der
Sehr geehrter Herr ... sehr geehrte Herren, der Betriebsrat des ... für Starter- und Batteriefertigung ist zur Zeit sehr bestürzt über die völlig unzureichende Information, die bei einer so einschneidenden Maßnahme wie dem Herausbrechen der Batteriefertigung aus dem ... bisher erfolgt ist.
Wenn es zutrifft, daß aus Wettbewerbsgründen ein schnelles kurzfristiges Handeln tatsächlich notwendig war, wie Sie es, Herr ..., dem Wirtschaftsausschuß erläutert haben, mochten wir Sie aber nun bitten, die fehlenden Informationen so schnell als überhaupt möglich an den Betriebsrat in ... zu geben.
Grundsätzlich ist uns nicht daran gelegen, das geplante Gemeinschaftsunternehmen zu behindern.
Um aber die Auswirkungen und Umstrukturierungen auf die gesamte 3270 MA starke Belegschaft erkennen zu können und Ausgleich wie Anpassungsmaßnahmen zu vereinbaren, haben wir einen Fragenkatalog erstellt mit der Bitte, diesen schriftlich oder mündlich zu beantworten.
Da planmäßig am 01.03.1991 eine Betriebsversammlung im ... stattfindet, wäre der Sachlichkeit sehr gedient, wenn bis dahin die meisten Fragen beantwortet sind.
Der Betriebsrat ist auch bereit, zur Beantwortung der Fragen am Donnerstag, 28.02.1991 mit 3 Personen zur ... zu kommen, um die im Augenblick wichtigsten Existenzfragen zu besprechen.
In der Hoffnung auf Ihr Verständnis und schnellstmöglichen Kontakt verbleibe ich mit freundlichen Grüßen
Ihr
Nachstehend der Fragenkatalog zum geplanten Zusammenschluß von
Umstrukturierung
1.
Ab wann gibt es die konkreten Gespräche über den Zusammenschluß zwischen
2.
Wann ist der Vorvertrag abgeschlossen worden?
3.
Bitte Vorlage des Vorvertrages (Kopie)
4.
In welcher Form sind Umstrukturierungen vorgesehen (Bildung einer eigenen Gesellschaft?, Rechtsform?, Verteilung der Gesellschafteranteile?)
5.
Zusammensetzung der neuen Geschäftsführung?
6.
Sitz der Gesellschaft?
7.
Welchen genauen Betriebs-/Unternehmenszweck soll das neugegründete Unternehmen verfolgen?
8.
Wie wird die geplante Vertriebsorganisation vertraglich gestaltet?
9.
Welchen Zeitplan der Durchführung der Umstrukturierung haben Sie vorgesehen?
10.
Wie ist die Übertragung der Halle einschließlich Grund und Boden und Produktionsmittel an die neue Gesellschaft geplant?Auswirkungen
1.
Welche Auswirkungen hat der Zusammenschluß auf die bisherige Batterieproduktion? (Stückzahl, Umsatz ...)
2.
Bleibt die bisherige Batterieproduktion im bisherigen Umfang in ... erhalten?
3.
Bleibt die bisherige Leitungsstruktur im Batteriebereich erhalten?
4
.Auf welche Bereiche/Abteilungen hat die Umstrukturierung in ..., (konkret benennen) Auswirkungen? (personell, organisatorisch)
5.
Welche Beschäftigten (Namensliste) würden in die neue Gesellschaft übergehen?
6.
Gibt es Absichten, Arbeitsplätze nach ... oder an andere Fertigungsstätten zu verlagern oder bestimmte Bereiche zu konzentrieren?
7.
Ist gewährleistet, daß die bisherigen betrieblichen Bedingungen einschl. Betriebs Vereinbarungen, soziale Leistungen, Inanspruchnahme von sozialen Einrichtungen ..., betriebliche Altersversorgung, Arbeits- und Erfolgsprämie, BKK, auch nach der Umstrukturierung Anwendung finden?(vertragliche Zusicherungen?)
8.
werden die bisherigen Betriebszugehörigkeiten anerkannt?
Mit Schreiben vom 7. März 1991 antwortete der kaufmännische Leiter des Werks Hildesheim wie folgt:
Ihr Schreiben vom 26.02.1991
Die Geschäftsführung hat mich gebeten, zu Ihrem o.g. Schreiben Stellung zu nehmen und die Antworten auf Ihre Fragen wie folgt zu übermitteln:
Zu Frage 1
Mit ... werden seit einigen Monaten Verhandlungen über eine Zusammenarbeit geführt.
Zu Frage 2
Die Verträge mit ... wurden am Freitag, dem 22.02.1991, unterzeichnet.
Zu Frage 3
Aus Vertraulichkeitsgründen können wir Einsicht in Verträge mit Dritten nicht gewähren.
Zu Frage 4
Es ist die Bildung einer GmbH vorgesehen.
Die Verteilung der Geschäftsanteile ist vertraglich noch nicht endgültig vereinbart. Die Festlegung und Bewertung der Einbringung ist hierfür noch erforderlich. Voraussichtlich wird die ... mit 35% beteiligt sein.
Zu Frage 5
Die personelle Zusammensetzung der Geschäftsführung des Gemeinschaftsunternehmens steht noch nicht fest. Vorgesehen ist eine Geschäftsführung mit 5 Mitgliedern. Als Geschäftsführungsfunktionen sind Handelsvertrieb. Erstausrüstungsvertrieb, Entwicklung. Fertigung. Administration und Personal vorgesehen.
Zu Frage 6
Sitz der Gemeinschaftsunternehmens ist
Zu Frage 7
Zweck des Gemeinschaftsunternehmens ist die Entwicklung, Herstellung und der Vertrieb von Starterbatterien und deren Teile.
Zu Frage 8
Das Gemeinschaftsunternehmen wird eine eigene Vertriebsorganisation aufbauen. ... wird Jedoch weiterhin die kundennahen Verkaufsfunktionen (z.B. Akquisition, Verkauf, Kundenbetreuung, Kundenberatung, Gewährleistungsabwicklung) unter den Marken ... über die ... wahrnehmen. Die ... Vertriebsorganisation handelt dabei als Kommissionsagent des Gemeinschaftsunternehmens in eigenem Namen aber für Rechnung des Gemeinschaftsunternehmens.
Zu Frage 9
... sind daran interessiert, daß das Gemeinschaftsunternehmen möglichst schnell gegründet wird. Dies ist wesentlich von der Entscheidung des europäischen Kartellamtes abhängig. Das Gemeinschaftsunternehmen kann daher wahrscheinlich nicht vor Herbst 1991 seine Geschäfte aufnehmen.
Zu Frage 10
Grund und Gebäude, die derzeit von der ... benutzt werden, verbleiben bei ... und werden an das Gemeinschaftsunternehmen vermietet. Bewegliche Einrichtungen wie z.B. Produktionsmittel werden in das Gemeinschaftsunternehmen eingebracht.
Auswirkungen zu Frage 1, 2, 3, 6
Durch Bildung des Gemeinschaftsunternehmens unmittelbar erfolgt keine Änderung des Umfangs, der Organisation und des Standortes der ...
Es ist Aufgabe des Gemeinschaftsunternehmens, zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit alle Möglichkeiten der Kosteneinsparung zu nutzen. In diese Überlegungen werden alle Bereiche des Gemeinschaftsunternehmens einbezogen.
Auswirkungen zu Frage 4, 5
Der genaue Umfang des einzubringenden Geschäfts und damit auch die exakte Abgrenzung des Mitarbeiterkreises, dessen Arbeitshältnis auf das Gemeinschaftsunternehmen übergeht, muß von den beiden Gesellschaften noch festgelegt werden. Erst danach lassen sich etwaige Auswirkungen auf andere ... und ggf. erforderliche ... für das Gemeinschaftsunternehmen feststellen.
Auswirkungen zu Frage 7, 8
Aufgrund der Bildung des Gemeinschaftsunternehmens ändern sich die arbeitsvertraglichen Rechte und Pflichten nicht. Hierbei wird die bisherige ... Betriebszugehörigkeitszeit berücksichtigt.
Für die bei RB erworbenen Rechte in der betrieblichen Altersversorgung unter Anerkennung der bisherigen Betriebszugehörigkeitszeit muß das Gemeinschaftsunternehmen einstehen; ob das Gemeinschaftsunternehmen darüber hinaus eine eigene Altersversorgung anbieten wird, legt das Gemeinschaftsunternehmen fest.
Ob Arbeits- und Erfolgsprämie. Vorsorgekuren oder ähnliche Sozialleistungen gewährt werden, wird das Gemeinschaftsunternehmen entscheiden.
Es ist vorgesehen, daß Mitarbeiter des Gemeinschaftsunternehmens auch künftig die Kantine und die "Für-Uns"-Verkaufsstelle in ... nutzen können.
Die Mitarbeiter, die der gesetzlichen Krankenversicherungspflicht unterliegen, werden nach Übergang des Arbeitsverhältnisses auf das Gemeinschaftsunternehmen Mitglied der zuständigen gesetzlichen Pflichtkasse. Sofern das Gemeinschaftsunternehmen keine Betriebskrankenkasse gründet, ist dies die ... Freiwillig bisher in der ... versicherte Mitarbeiter können auch weiterhin bei der ... versichert bleiben.
Am 18. April 1991 antwortet der kaufmännische Leiter des Werks auf eine Antrage des Beteiligten zu 3., die Robert ... gehe davon aus, es sei wenig wahrscheinlich, daß die EG-Kartellbehörde einem Gemeinschaftsunternehmen mit Varta zustimmen werde.
Da es dem Beteiligten zu 3. in der Folgezelt nicht gelang, nähere Einzelheiten über das geplante Gemeinschaftsunternehmen, welches auch Gegenstand von Presseveröffentlichungen war, in Erfahrung zu bringen, wandte sich der Beteiligte zu 3. schließlich nach Vermittlung durch den Vorsitzenden der Industriegewerkschaft Metall an das Mitglied des Wirtschafts- und Sozialausschusses der Europäischen Gemeinschaften ... um die Interessen der in der Batterieherstellung tätigen Arbeitnehmer der Beteiligten zu 4. zu wahren. ... der auch Leiter der Abteilung Besondere Aufgaben beim Vorstand der IG Metall ist, antwortete mit Schreiben vom 3. Juli 1991 (Fotokopie Bl. 13-14 d.A.) u.a. wie folgt:
Liebe Kollegin
nachdem es mit dem Telefonkontakt immer so schwierig ist, möchte ich Dir auf diesem Wege nähere Einzelheiten bezüglich eines Gespräches in ... mitteilen.
Wir haben heute vom Leiter der Task Force "Fusionskontrolle", Herrn ... einen Termin für den 17. Juli 1991 in erhalten.
Folgendes Programm wäre vorgesehen:
Mittwoch, 17. Juli 1991: 12.00 Uhr:
Vorgespräch im Verbindungsbüro-Montanausschuss in
14.30 Uhr:
Gespräch mit Herrn ... im Centre Borschette, rue Froissart, ... wir werden dort von unserem Büro aus gemeinsam hingehen;
15.00 Uhr:
Centre Borschette: Teilnahme an der öffentlichen Anhörung der EG Task Force "Fusionskontrolle"über den Zusammenschluß von
Ich glaube, daß wir durch diese Programmfolge und Zeiteinteilung auch sichergestellt haben, daß Ihr doch einen umfassenden Einblick in den Stand der derzeitigen Beratung erhalten könnt.
Der Beteiligte zu 3. beschloß daraufhin in seiner Sitzung am 7. Juli 1991, daß die Beteiligten zu 1. und 2. an der öffentlichen Anhörung der EG Task Force "Fusionskontrolle" am 17. Juli 1991 in ... über den Zusammenschluß ... teilnehmen sollten und teilte diesen Beschluß am gleichen Tage der Beteiligten zu 4. mit. Diese reagierte mit Schreiben des kaufmännischen Leiters ... vom 11. Juli 1991 (Fotokopie Bl. 16 d.A.) wie folgt:
Eine öffentliche Anhörung der "EG Task Force Fusionskontrolle" am 17.07.1991 zur geplanten Fusion ... ist uns nicht bekannt.
Schon aus diesem Grund ist es uns nicht möglich, der Reise von ... zuzustimmen.
Sollten Sie über andere Informationen verfügen, so bitten wir Sie, uns die entsprechenden Unterlagen zukommen zu lassen, um uns eine weitere Prüfung Ihres Wunsches zu ermöglichen.
Der Beteiligte zu 3. legte der Beteiligten zu 4. das Schreiben des Herrn nicht vor und erwähnte dessen Existenz auch nicht bei einem Gespräch mit dem kaufmännischen Leiter des Werks
In ... mußten die Beteiligten zu 1. und 2. feststellen, daß weder der Leiter der Task Force "Fusionskontrolle" ... zu einem Gespräch zur Verfügung stand noch daß eine öffentliche Anhörung der EG Task Force "Fusionskontrolle"über den Zusammenschluß ... stattfand. Die Beteiligten zu 1. und 2. führten jedoch ein Gespräch, über das der Beteiligte zu 2. die Arbeitnehmer des Werks ... wie folgt unterrichtete (Fotokopie Bl. 35, 36 d.A.):
Aktivitäten des Betriebsrates zur geplanten
Fusion
Aufgrund der mangelhaften Information von Werkleitung und Geschäftsführung sah sich der Betriebsrat gezwungen, über die IG Metall Kontakte zur EG-Kommission in ... zu knüpfen.
Am 17.07.1991 fand ein Gespräch in ... statt. Teilnehmer der Gesprächsrunde:
- Leiter der Abteilung. Besondere Aufgaben beim Vorstand der IG Metall. Mitglied des Wirtschafts- und Sozialausschusses der EG.
- ...
- ...
- Sozialreferent bei der ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der EG.
- ...
- Abteilungsleiter beim Wirtschafts- und Sozialausschuß der EG.
- von der EG Task Force "Fusionskontrolle" die Kommissionsmitglieder ...
- ...
- ...Bei dieser Unterredung stellte sich heraus, daß durch die unzureichenden Informationen bzw. Hinhaltetaktik der WEL/GF eine 4-Monate-Frist nach EG-Verordnung Nr. 4064/89, die eine Anhörung der Arbeitnehmer Vertreter ermöglicht hätte, abgelaufen ist. Die vom Betriebsrat vorgebrachten Argumente erzeugten aber bei den Gesprächsteilnehmern große Betroffenheit.
Der IG Metall-Vertreter in Brüssel hat diesen Vorgang noch am gleichen Tage in einem Brief an den Präsidenten der EG-Kommission - ... - geschildert. Gleichlautende Schreiben gingen an die Sozial-Kommissarin Frau
Inwieweit die in dem Brief aufgeführten Sorgen und Forderungen des Betriebsrates hinsichtlich der Standortsicherung und der sozialen Belange noch in die Entscheidung der Kommission einfließen können, bleibt abzuwarten.
Nach Aussage von ... (EG-Kommission) stehen Wettbewerbsbelange im Vordergrund bei der Beurteilung von Fusionsanträgen. Gleichwohl sollen auch soziale Belange zum Tragen kommen.
Von allen Gesprächsteilnehmern wurde bestätigt, daß erstmals Betriebsratsmitglieder bei der EG-Kommission vorstellig wurden, um die berechtigten Arbeitnehmer-Interessen vorzutragen.
Auf den Antrag der Beteiligten zu 1. bis 3. hat das Arbeitsgericht Hildesheim am 6. Dezember 1991 beschlossen:
Die Beteiligte zu 4) ist verpflichtet, an die Beteiligte zu 1) 668,61 DM zuzüglich 4% Zinsen seit dem 21.08.1991 und an den Beteiligten zu 2) 682,43 DM zuzüglich 4% Zinsen seit dem 21.08.1991 zu zahlen.
Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die Fahrt der beiden Mitglieder des Betriebsrats nach ... sei im Sinne von § 40 Abs. 1 BetrVG erforderlich gewesen.
Dabei sei die Erforderlichkeit der Arbeitsbefreiung nicht rückblickend von einem objektiven Standpunkt, sondern vom Zeitpunkt der Entscheidung des Betriebsrats aus zu beurteilen. Grundsätzlich sei die Erforderlichkeit zu bejahen, wenn der Betriebsrat wie ein vernünftiger Dritter bei gewissenhafter Überlegung und verständiger, ruhiger Abwägung aller Umstände zur Zeit seines Beschlusses zu dem Ergebnis habe gelangen dürfen, daß die bezahlte Arbeitsfreistellung zur ordnungsgemäßen Durchführung seiner Aufgaben erforderlich sei. Die Grenzen der Erforderlichkeit würden Überschritten, wenn die Arbeitsbefreiung ohne Aussicht auf Erfolg mutwillig durchgeführt oder der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit mißachtet werde. Für diese Abwägung stehe dem Betriebsrat ein gewisser Beurteilungsspielraum zu.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze habe der Betriebsrat die Reise der beiden Betriebsratsmitglieder nach ... für sachlich geboten halten dürfen. Er habe ein starkes Interesse daran gehabt, bei der geplanten Fusion im Interesse der betroffenen Mitarbeiter seinen Einfluß geltend zu machen. Der Betriebsrat habe sich im Rahmen der ihm gegebenen Möglichkeiten ausreichend darum bemüht zu erfahren, wie das Verfahren in ... ablief und auf welchem Wege er seine Vorstellungen dazu einbringen konnte. Seine umfangreichen Bemühungen hätten schließlich dazu geführt, daß er über das Mitglied des Deutschen Bundestages, Herrn Rappe, und über Herrn ... den Rat eines für ihn kompetenten Mitgliedes des Wirtschafts- und Sozialausschusses der EG erhalten habe. Der Betriebsrat habe - auch aus der Sicht eines vernünftigen Dritten - davon ausgehen dürfen, daß am 17. Juli 1991 in Brüssel eine Öffentliche Anhörung der EG Task Force "Fusionskontrolle"über den Zusammenschluß ... stattfinden würde. Das habe ihm Herr ... im Schreiben vom 3. Juli 1991 mitgeteilt. Den Hinweis der Arbeitgeberin vom 11. Juli 1991, eine öffentliche Anhörung der EG Task Force "Fusionskontrolle" am 17. Juli 1991 zur geplanten Fusion ... sei ihr nicht bekannt, habe der Betriebsrat unbeachtet lassen dürfen, da er sich besser informiert geglaubt habe als es die Geschäftsführung in ... Das in § 2 Abs. 1 BetrVG zum Ausdruck kommende Gebot zur vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber hätte die Beteiligte zu 4. dazu veranlassen dürfen, dem Betriebsrat genauere Informationen Über den Ablauf des Verfahrens in ... zukommen zu lassen.
Gegen diesen Beschluß, der ihr am 16. Dezember 1991 zugestellt worden ist, hat die Beteiligte zu 4. mit einem am 16. Januar 1992 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten Beschwerde eingelegt, die sie, nachdem die Beschwerdebegründungsfrist bis zum 17. März 1992 verlängert worden war, mit einem am 17. März 1992 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten begründet hat.
Die Beteiligte zu 4. meint, bei zutreffender Bewertung des Sachverhalts habe der Beteiligte zu 3. nicht davon ausgehen dürfen, daß eine öffentliche Anhörung in ... bei der EG-Behörde stattfinden werde und daß er dort seine Bedenken öffentlich vortragen könne. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Erforderlichkeit der Reise der Beteiligten zu 1. und 2. sei im günstigsten Fall für den Beteiligten zu 3. der 9. Juli 1991 gewesen, der Tag seiner Beschlußfassung über die Entsendung der Beteiligten zu 1. und 2. zu dem angeblichen Termin am 17. Juli 1991 nach ... Der Beteiligte zu 3. habe sich nach seinem eigenen Vorbringen aber auch noch mit den Einwendungen der Beteiligten zu 4. gemäß deren Schreiben vom 11. Juli 1991 befaßt. Er habe die Einwendungen, daß ihr von einer öffentlichen Anhörung in ... nichts bekannt sei, mit dem Argument verworfen, daß allein das Schreiben des IG-Metall-Funktionärs ... maßgebend sei. Er habe in dieser Beschlußfassung nach dem 11. Juli 1991 die Einwendungen der Beteiligten zu 4. auch in Kenntnis des Umstandes verworfen, daß ihm nur ein Einladungsschreiben eines IG-Metall-Funktionärs, gerade aber kein Einladungsschreiben der Behörde selbst vorgelegen habe.
Bei solcher Sachlage habe ein vernünftiger Dritter bei gewissenhafter Überlegung und verständiger und ruhiger Abwägung dieser Umstände zur Zeit seines Beschlusses nur zu dem Ergebnis gelangen können, daß die Reise nach ... gerade nicht erforderlich im Sinne des § 40 Abs. 1 BetrVG sei. Wie das Arbeitsgericht zu einer entgegengesetzten Wertung habe kommen können, sei unerfindlich.
Für die Beteiligten zu 1. bis 3. komme erschwerend hinzu, daß sie trotz ihrer immensen Erfahrung im politischen und im Betriebsrats-Geschäft den rechtzeitigen entgegenstehenden Hinweis der Beteiligten zu 4. bewußt in den Wind geschlagen hätten. Alle diese Umstände übersehe das Arbeitsgericht und gelange deshalb konsequent zu einem rechtlich falschen und unhaltbaren Ergebnis.
Die Beteiligten zu 1. bis 3. müßten sich vielmehr vorhalten lassen, daß sie in voller Kenntnis aller Umstände trotz warnender Hinweise der Beteiligten zu 4. die Reise nach ... ohne hinreichenden Anlaß und ohne Aussicht auf Erfolg mutwillig durchgeführt hätten. Sie hätten nach den Hinweisen der Beteiligten zu 4. und den fehlenden Einladungsschreiben der Behörde selbst davon ausgehen müssen, daß objektiv eine Anhörung in ... nicht stattfinden werde. Von einer solchen Anhörung hätten sie unter diesen Umständen aber auch schon deshalb nicht ausgehen dürfen, weil das Schreiben des IG-Metall-Funktionärs ... vom 3. Juni 1991 sich ausgesprochen schwammig im Konjunktiv ergehe. Zur Darstellung weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten zu 4. wird auf die Beschwerdebegründung vom 10. März 1992 (Bl. 84 f. d.A.) Bezug genommen. Die Beteiligte zu 4. beantragt,
den Beschluß des Arbeitsgerichts Hildesheim vom 6. Dezember 1991 zu ändern und die Anträge der Beteiligten zu 1. bis 3. zurückzuweisen.
Die Beteiligten zu 1. bis 3. beantragen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigen den angefochtenen Beschluß als der Rechtslage entsprechend. Zur Darstellung der Einzelheiten ihres Vorbringens wird auf die Beschwerdeerwiderung vom 20. Mai 1992 (Bl. 96 f. d.A.) und auf den Schriftsatz vom 22. Mai 1992 (Bl. 102 d.A.) Bezug genommen.
Die gemäß § 87 Abs. 1 ArbGG statthafte Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist damit zulässig.
Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Die Kammer tritt der Entscheidung des Arbeitsgerichts im Ergebnis bei.
Zutreffend weist zwar die Beteiligte zu 4. darauf hin, daß eine Verpflichtung zur Übernahme der durch die Betriebsratstätigkeit entstandenen Kosten gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG nur dann besteht, wenn der Kostenaufwand für die Betriebsratstätigkeit notwendig gewesen ist, bzw. wenn der Betriebsrat den zu verursachenden Kostenaufwand für die Betriebsratstätigkeit als erforderlich ansehen durfte. Dabei ist, wie das Bundesarbeitsgericht in dem von allen Beteiligten zur Stützung ihrer Rechtsansicht zitierten Beschluß vom 28. August 1991 - 7 ABR 72/70 - ausgeführt hat, die Erforderlichkeit der Kostenverursachung nicht rückblickend nach einem rein objektiven Maßstab, sondern vom Zeitpunkt der Entscheidung des Betriebsrats aus zu beurteilen. Der Betriebsrat hat dabei wie ein vernünftiger Dritter gewissenhaft zu überlegen und verständig und ruhig alle Umstände zur Zeit seines Beschlusses abzuwägen. Er muß ferner auch nach einem bereits gefaßten Beschluß von Seiten des Arbeitgebers gegen die Erforderlichkeit der kostenverursachenden Maßnahme erhobenen Bedenken zur Kenntnis nehmen und würdigen, um auch auf diese weise dem in § 2 Abs. 1 BetrVG normierten Gebot einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zu entsprechen.
Unter diesem Aspekt wäre zwar zu erwarten gewesen, daß der Beteiligte zu 3. der Beteiligten zu 4. das Schreiben des Mitglieds des Wirtschafts- und Sozialausschusses der Europäischen Gemeinschaften ... vom 3. Juli 1991 jedenfalls insoweit zur Kenntnis gebracht hätte, als darin für den 17. Juli 1991 um 15.00 Uhr eine öffentliche Anhörung der EG Task Force "Fusionskontrolle"über den Zusammenschluß ... mitgeteilt worden war, an der die Beteiligten zu 1. und 2. nach dem Beschluß des Beteiligten zu 3. teilnehmen sollten. Andererseits mußte der Beteiligte zu 3. davon ausgehen, daß jedenfalls der Geschäftsführung der ... der Termin einer derartigen öffentlichen Anhörung bekannt sein würde. Es ist nämlich kein Grund ersichtlich, warum der Beteiligte zu 3. der Ansicht hätte sein müssen, die in dem Schreiben vom 3. Juli 1991 erwähnte öffentliche Anhörung werde in Wirklichkeit nicht stattfinden. Die Kammer teilt nicht die Auffassung der Beteiligten zu 4., schon die in dem Schreiben vom 3. Juli 1991 gewählten Formulierungen hätten insoweit den Argwohn des Beteiligten zu 3. wecken müssen. Vielmehr muß jeder unbefangene Leser dieses Schreibens den Eindruck gewinnen, daß es sich um eine seriöse Information gehandelt hat, über den Grund, weswegen die in dem Schreiben gegebenen Informationen, Jedenfalls teilweise, unzutreffend waren, bedarf es keiner nachträglichen Erwägungen; denn es sind keine Umstände hervorgetreten, aus denen die Beteiligten zu 1. bis 3. hätten schließen müssen, daß der Hauptzweck der Reise der Beteiligten zu 1. und 2. nach Brüssel nicht werde erreicht werden können.
Dagegen, daß der Beteiligte zu 3. überhaupt versucht hat, seine Besorgnisse wegen des geplanten Gemeinschaftsunternehmens für Starterbatterien bei der zuständigen EG-Behörde in ... zu artikulieren, sind insgesamt auch angesichts des Umstandes, daß der Beteiligte zu 3. über die näheren Einzelheiten der Geschäftspolitik des geplanten Gemeinschaftsunternehmens nicht informiert war, Bedenken nicht zu erheben. Es ist nämlich eine nicht selten zu beobachtende Tatsache, daß unternehmerische Entscheidungen der von der Beteiligten zu 4. und der ... geplanten Art nicht ohne Einfluß auf Arbeitnehmerinteressen zu sein pflegen. In Artikel 18 Abs. 4 der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. L 395 vom 30.12.1989) ist denn auch die Möglichkeit einer Anhörung von rechtlich anerkannten Vertretern der Arbeitnehmer der Unternehmen, die einen Zusammenschluß planen, vorgesehen.
Gegen die Höhe der Reisekosten, deren Erstattung die Beteiligten zu 1. bis 3. von der Beteiligten zu 4. begehren, sind Bedenken nicht ersichtlich, so daß die Beschwerde erfolglos bleiben muß. Gründe, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, sind nicht vorhanden. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nicht gegeben.