Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 18.02.1992, Az.: 14 Ta 340/91
Vollstreckung eines pfändbaren Nettobetrages
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 18.02.1992
- Aktenzeichen
- 14 Ta 340/91
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1992, 10616
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:1992:0218.14TA340.91.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Hannover - 11.10.1991 - AZ: 4 Ca 292/90
Fundstellen
- DB 1992, 1148 (Volltext mit amtl. LS)
- NZA 1992, 713-714 (Volltext mit amtl. LS)
Prozessführer
...
Prozessgegner
...
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde wird der Beschluß des Arbeitsgerichtes Hannover vom 11.10.1991, Az.: 4 Ca 292/90, abgeändert.
Der Antrag des Beschwerdegegners vom 29.08.1991 wird als unzulässig abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beschwerdegegner.
Gründe:
Durch rechtskräftiges Urteil des Arbeitsgerichtes Hannover vom 15.01.1991 wurde die Beschwerdeführerin u.a. verurteilt, an den Kläger 7.200,00 DM brutto zu zahlen mit der Maßgabe, daß der pfändbare Nettobetrag jeweils aus der Summe von 3.600,00 DM brutto an die ... Bank ... hilfsweise an den Prozeßbevollmächtigten des Klägers zu zahlen ist.
Die Beteiligten streiten darum, ob die Beschwerdeführerin ihrer Verpflichtung aus diesem Teil des Urteiles vollständig nachgekommen ist.
Der Beschwerdegegner begehrt unter Nachweis der Vollstreckungsvoraussetzungen, nämlich des Titels, der am 21.10.1991 erteilten Vollstreckungsklausel und der Zustellung des Urteils am 05.02.1991, die Ersatzvornahme in der Weise, daß der Beschwerdegegner ermächtigt wird, die nach dem vollstreckbaren, rechtskräftigen Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 15.01.1991, - Az.: 4 Ca 292/90 - dem Schuldner noch obliegende Zahlung eines Betrages von 1.200,00 DM netto an die ... Bank ... durch den Rechtsanwalt ... vornehmen zu lassen und die Beschwerdeführerin zu verpflichten, die durch die Vornahme der Handlung entstehenden Kosten unbeschadet des Rechts auf eine Nachforderung von zunächst 1.200,00 DM zu bezahlen.
Der Beschwerdeführerin hat das Arbeitsgericht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 10 Tagen gegeben. Diese haben sich bis zur Beschlußfassung des Arbeitsgerichtes nicht geäußert.
Durch den angefochtenen Beschluß vom 11.10.1991 hat das Arbeitsgericht dem Antrag im vollen Umfange entsprochen und den Antragsteller und Gläubiger ermächtigt, die nach dem vollstreckbaren, rechtskräftigen Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 15. Januar 1991 - Az.: 4 Ca 292/90 - dem Schuldner noch obliegende Zahlung eines Betrages von 1.200,00 DM netto an die ... Bank ... durch den Rechtsanwalt ..., Hannover, vornehmen zu lassen und hat darüber hinaus die Antragsgegnerin und Schuldnerin verpflichtet, die durch die Vornahme der Handlung entstandenen Kosten unbeachtet des Rechts auf eine Nachforderung von zunächst 1.200,00 DM zu zahlen.
Dieser Beschluß ist den Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführerin am 22.10.1991 zugestellt worden.
Gegen diesen Beschluß hat die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 05.11.1991, der am selben Tag beim Arbeitsgericht Hannover eingegangen ist, sofortige Beschwerde eingelegt.
Die Beschwerdeführerin rechtfertigt ihre Beschwerde damit, daß zwei Zahlungen in Höhe von 408,20 DM erfolgt seien. Im übrigen hätten sich die Parteien vor dem Arbeitsgericht Hannover am 18.07.1991 dahingehend verglichen, daß alle gegenseitigen Ansprüche der Parteien aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung erledigt seien. Der Antrag sei aus diesem Grunde nicht begründet.
Der Beschwerdegegner demgegenüber trägt vor, daß nicht in vollem Umfange der Betrag in Höhe von 7.200,00 DM brutto abzüglich des im Tenor genannten Nettobetrages an die Deutsche Bank AG in Lübeck gezahlt sei. Vielmehr sei in Höhe von 1.200,00 DM die Aufrechnung mit eigenen Forderungen erklärt worden. Damit sei der Anspruch teilweise nicht erfüllt.
Die von der Beschwerdeführerin zitierte Erledigungsklausel im Parallelverfahren erfasse nur die gegenseitigen Ansprüche zwischen den Parteien, nicht aber die Ansprüche, die der ... Bank ... zustünden.
Die gemäß § 793 ZPO statthafte sofortige Beschwerde ist rechtzeitig innerhalb der Notfrist von 2 Wochen gemäß § 577 Abs. 2 Satz 1 ZPO bei dem Arbeitsgericht Hannover eingegangen und damit insgesamt zulässig.
Die sofortige Beschwerde ist auch begründet.
Der Antrag des Beschwerdegegners vom 29.08.1991 ist unzulässig, da ein vollstreckbarer Titel nicht vorliegt.
Das Urteil vom 15.01.1991 verurteilt die Beklagte in zulässiger Weise zu einer Bruttoforderung in Höhe von 7.200,00 DM. Gleichzeitig erfolgt die Verurteilung jedoch mit der Maßgabe, daß der pfändbare Nettobetrag von jeweils 3.600,00 DM an eine dritte Person zu zahlen ist.
Es ist grundsätzlich zulässig, zu einer Bruttoforderung zu verurteilen abzüglich eines Nettobetrages. Ein solcher Anspruch ist tatsächlich auch vollstreckbar, solange dieser Nettobetrag genau feststeht.
Eine Vollstreckung erfolgt in der Weise, daß der Gerichtsvollzieher den Geldbetrag beim Schuldner abholt, sich für die Bruttosumme entweder eine Abrechnung geben läßt, aus dem sich der Nettobetrag ergibt und kann dann den im Urteil aufgeführten abzusetzenden Nettobetrag gegenrechnen und den Restbetrag mitnehmen. Wird dem Gerichtsvollzieher eine Abrechnung seitens des Schuldners nicht präsentiert, so wird der gesamte Bruttobetrag gepfändet abzüglich des im Urteil genannten Nettobetrages, wobei sodann der Gläubiger verpflichtet ist, Steuern und Sozialversicherung auf diesen Betrag selbst abzuführen (vgl. BGH AP 13 zu § 611 BGB Lohnanspruch).
Voraussetzung für eine Vollstreckung ist jedoch stets eine genaue Bestimmbarkeit der Forderung. Es ist deswegen erforderlich, den anrechenbaren Nettobetrag im Tenor genau zu bezeichnen, damit der Gerichtsvollzieher eine entsprechende Vollstreckung gemäß § 803, 808 ZPO durchführen kann. Eine Vollstreckung von Geldforderungen erfolgt nämlich durch den Gerichtsvollzieher in das bewegliche Vermögen durch Pfändung der im Gewahrsam des Schuldners befindlichen Sachen in der weise, daß der Gerichtsvollzieher diese Sachen in Besitz nimmt, insbesondere das Geld beim Schuldner abholt.
Der Titel ist aber nicht hinreichend bestimmt, da der pfändbare Nettobetrag aus der Summe von 3.600,00 DM sich weder aus dem Tenor noch aus den Urteilsgründen selbst ergibt. Eine Forderung muß aber so genau bezeichnet sein, daß ohne genauere Nachprüfung der zu pfändende Geldbetrag zu errechnen ist (vgl. Zöller, Kommentar zur ZPO, 17. Aufl., § 724, Randnr. 7).
Der pfändbare Nettobetrag aus der Summe von 3.600,00 DM richtet sich aber nach der im Tenor nicht erkennbaren Steuerschuld des Beschwerdegegners, der nicht erkennbaren Höhe der Sozialversicherungsbeiträge, da eine Schwankung bei der Höhe der Krankenversicherungsbeiträge der einzelnen Krankenkassen vorliegt, sowie nach der Anzahl der unterhaltsberechtigten Personen entsprechend § 850 c ZPO.
Diese Beträge sind vielmehr nur zu ermitteln aus weiteren Tatsachen, die nicht erkennbar sind.
Ein nicht ausreichend bestimmter Titel auf Vollstreckung einer Geldforderung, auch an einen Dritten, führt auch nicht aufgrund der Tatsache, daß weitere Ermittlungen erforderlich sind, zu einer Vollstreckungsmöglichkeit aufgrund einer vertretbaren Handlung gemäß § 887 ZPO.
Gemäß § 887 ZPO ist der Gläubiger von dem Prozeßgericht des ersten Rechtszuges auf Antrag zu ermächtigen, auf Kosten des Schuldners eine Handlung vornehmen zu lassen, deren Vornahme durch einen Dritten erfolgen kann, wenn der Schuldner die Verpflichtung nicht erfüllt, diese Handlung vorzunehmen.
Die Erfüllung der Forderung gemäß dem Zahlungsurteil ist eine Geldforderung, die die Beschwerdeführerin zu erfüllen hat mit einer bestimmten Maßgabe, einen Teil dieses Betrages an einen Dritten zu zahlen. Entscheidend ist deshalb die Zahlungspflicht, nicht die konkrete Handlung der Zahlung an eine bestimmte Person.
Jedenfalls aber ist die Höhe des pfändbaren Nettobetrages aus der Summe von 3.600,00 DM aus dem Tenor selbst nicht ersichtlich und kann deshalb nicht dazu führen, außerhalb des bisherigen Urteilsverfahrens eine Berechnung vorzunehmen, die diesen pfändbaren Nettobetrag erst bestimmt.
Vielmehr hätte bereits im Tenor der pfändbare Nettobetrag bezeichnet werden müssen. Die Beklagte hätte für diesen Fall verurteilt werden müssen, diesen genau bezeichneten Nettobetrag nicht an den Kläger, sondern an die dritte Person zu zahlen. Dieses hätte sodann in der Weise vollstreckt werden können und müssen, daß der Gerichtsvollzieher im Falle der Nichtzahlung gleichwohl im Auftrag des Klägers diesen Betrag vollstreckt hätte, den pfändbaren Nettobetrag an die ... Bank ... überwiesen hätte und den Restbetrag an den Kläger.
Die irrige Erteilung der Vollstreckungsklausel vom 21.10.1991 steht dieser Entscheidung nicht entgegen, denn die irrige Erteilung einer Vollstreckungsklausel macht einen Titel nicht zu einem vollstreckbaren. Entscheidend ist vielmehr der Wortlaut des Titels selbst (vgl. Zöller a.a.O., § 724 Randnr. 14). Aus diesen Gründen war bereits der Antrag des Beschwerdegegners unzulässig. Der Kläger muß auf ein neues Klageverfahren verwiesen werden. Die sofortige Beschwerde erweist sich deshalb im vollen Umfange als begründet.
Die Kostenentscheidung erfolgt gemäß §§ 91, 97 ZPO.
Die Höhe des Beschwerdewertes ergibt sich aus § 3 ZPO.
Streitwertbeschluss:
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 1.200,00 DM festgesetzt.