Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 10.02.1992, Az.: 2 Ta 34/92
Zur Bindung des Gerichts durch die Gestattung des Nachreichens von Unterlagen antragsgemäß Prozesskostenhilfe zu bewilligen , wenn die nachgereichten Unterlagen vorgelegt werden
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 10.02.1992
- Aktenzeichen
- 2 Ta 34/92
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1992, 10612
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:1992:0210.2TA34.92.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- Arbeitsgerichts Hannover - AZ: 9 Ca 444/91
Rechtsgrundlage
- § 127 Abs. 2 ZPO
Fundstelle
- MDR 1993, 91 (Volltext mit amtl. LS)
Prozessführer
...ArbG Hannover...
Prozessgegner
...
Tenor:
Auf die Beschwerde der Klägerin vom 20.01.1992, bei Gericht eingegangen am 22.01.1992, wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Hannover vom 08.01.1992 - 9 Ca 444/91 - abgeändert.
Der Klägerin wird Prozeßkostenhilfe ab 01.11.1991 unter Beiordnung des Rechtsanwalts bewilligt.
Gründe
Mit ihrer am 05.09.1991 vor dem Arbeitsgericht Hannover erhobenen Klage wehrt sich die Klägerin gegen eine von der Beklagten ausgesprochenen Kündigung. Im übrigen macht sie Zahlungsansprüche für den Monat August 1991 geltend.
In der Güteverhandlung vom 20.09.1991 schlossen die Parteien einen Widerrufsvergleich. Dieser Vergleich wurde von der Klägerin widerrufen. Daraufhin wurde Kammertermin bestimmt. In der Kammerverhandlung überreichte der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 01.11.1991. Diese Erklärung ist unvollständig ausgefüllt. Unter C - Einkünfte - sind keine Angaben gemacht. Es ist dort handschriftlich vermerkt "wird nachgereicht". Unter E - Verbindlichkeiten - ist handschriftlich eingefügt "werden konkretisiert". Nach Erörterung der Sach- und Rechtslage schlossen die Parteien sodann in der Kammerverhandlung vom 01.11.1991 einen das Verfahren beendenden Vergleich.
Durch Beschluß vom 06.11.1991 gab das Arbeitsgericht Hannover der Klägerin auf, ihre Angaben zum PKH-Antrag zu konkretisieren und entsprechende Belege bis zum 21.11.1991 bei Gericht einzureichen. Durch Schreiben vom 22.11.1991 erinnerte das Arbeitsgericht die Klägerin an die Erfüllung des Auflagenbeschlusses vom 06.11.1991.
Am 06.12.1991 reichte die Klägerin eine aktuelle Verdienstbescheinigung sowie Unterlagen über Kredittilgungen beim Arbeitsgericht Hannover ein. Das Arbeitsgericht Hannover bewilligte sodann mit Beschluß vom 06.12.1991 der Klägerin Prozeßkostenhilfe ab 06.12.1991.
Durch Schreiben vom 13.12.1991 bat die Klägerin, die Beiordnung der Prozeßkostenhilfe rückwirkend ab 01.11.1991 auszusprechen. Das Arbeitsgericht Hannover teilte daraufhin der Klägerin mit, daß eine Bewilligung vor dem 06.12.1991 nicht in Betracht komme, da ein formgerechter Antrag samt der dazu erforderlichen Unterlagen zu einem früheren Zeitpunkt nicht vorgelegen habe und eine rückwirkende Beiordnung ausgeschlossen sei. Durch Schreiben vom 06.01.1992 bat die Klägerin erneut um rückwirkende Bewilligung der Prozeßkostenhilfe. Diesen Antrag beschied das Arbeitsgericht Hannover unter dem Datum des 08.01.1992 und wies den Antrag zurück, da vor dem 06.12.1991 ein formgerecht ausgefüllter PKH-Antrag nicht vorgelegen habe. Die Klägerin habe keine Angaben über ihren Verdienst gemacht.
Gegen diese Entscheidung von 08.01.1992 legte die Klägerin durch Schreiben von 20.01.1992 Beschwerde ein. Das Arbeitsgericht Hannover hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie zur Entscheidung dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen vorgelegt.
Die gemäß § 127 Abs. 2 ZPO zulässige Beschwerde ist begründet.
Es ist dem Arbeitsgericht Hannover zuzustimmen, daß die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe grundsätzlich nicht rückwirkend erfolgt, sondern erst ab dem Zeitpunkt, an dem ein ordnungsgemäß ausgefüllter Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe vorgelegt wird (vgl. Zöller, ZPO 16. Auflage § 119 Rdziff. 17).
Wenn das Arbeitsgericht angenommen hat, der Antrag in der Form der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 01.11.1991 genüge den Erfordernissen an einen ordnungsgemäßen Antrag nicht, so hätte es diesen Antrag bereits am 01.11.1991 zurückweisen können.
Das Arbeitsgericht hat jedoch ausweislich des Protokolls vom 01.11.1991 auf Zweifel an der Ordnungsgemäßheit des Antrages nicht hingewiesen, sondern im Gegenteil durch Beschluß vom 06.11.1991 die Klägerin aufgefordert, ihre Angaben im PKH-Antrag zu konkretisieren und entsprechende Belege bis zum 21.11.1991 vorzulegen. Das Arbeitsgericht hat sodann erneut durch Schreiben vom 22.11.1991 an die Vorlage dieser Unterlagen erinnert. Damit mußte die Klägerin den Eindruck haben, ihr werde Prozeßkostenhilfe ab Antragstellung, d. h. vor Abschluß des Verfahrens am 01.11.1991, bewilligt, denn die Bewilligung zu einem späteren Zeitpunkt ist wirtschaftlich für die Klägerin bedeutungslos, da nach Abschluß des Vergleichs vom 01.11.1991 keine weiteren Gebührentatbestände entstehen konnten.
Gibt das Gericht aber weder bei Vorlage der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse noch zu einem späteren Zeitpunkt zu erkennen, daß der Prozeßkostenhilfeantrag für nicht ordnungsgemäß gehalten wird, sondern macht es im Gegenteil der Klägerin Auflagen zur Ergänzung ihrer Angaben, so durfte die Klägerin darauf vertrauen, daß das Gericht in der Antragstellung vom 01.11.1991 die gesetzlichen Mindestanforderungen als erfüllt ansieht. Durch die Gestattung des Nachreichens von Unterlagen bindet sich das Gericht insoweit, als es antragsgemäß Prozeßkostenhilfe zu bewilligen hat, wenn die nachgereichten Unterlagen vorgelegt werden (vgl. dazu Zöller a. a. O.).
Danach war wie erfolgt zu entscheiden.
Gegen diesen Beschluß ist ein Rechtsmittel nicht gegeben (§ 78 Abs. 2 ArbGG).