Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 02.10.2019, Az.: 7 K 75/19

Erhebung der Grunderwerbsteuer bei der Verlängerung eines Erbbaurechts

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
02.10.2019
Aktenzeichen
7 K 75/19
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2019, 69199
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - AZ: II B 80/19

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Steuerbarkeit der Verlängerung eines Erbbaurechts.

Unter dem 22. November 1960 bestellte A als Grundstückseigentümer erstmals ein Erbbaurecht an dem Grundstück X. Das Erbbaurecht hatte eine Laufzeit bis zum 30. September 2040.

Der Kläger erwarb das Erbbaurecht im Rahmen einer Zwangsversteigerung mit Zuschlagsbeschluss vom 11. Mai 2016.

Unter dem 11. Oktober 2016 erfolgte die 6. Nachtragsvereinbarung zu dem ursprünglichen Erbbaurechtsvertrag vom 22. November 1960.

Hierin wurde die Laufzeit des Erbbaurechtsvertrags über die ursprüngliche Laufzeit (30. September 2040) bis zum 30. September 2096 vorzeitig um 56 Jahre verlängert. Der jährliche Erbbaurechtszins wurde zudem mit Wirkung vom 1. Oktober 2016 auf 3.992 € erhöht. Die erste Fälligkeit des Erbbaurechtszinses (1. Oktober bis 30. September) wurde auf den 1. April 2017 bestimmt.

Der Notar zeigte die Verlängerung des Erbbaurechtsvertrags mit Schreiben vom 2. September 2017 gegenüber dem Beklagten an.

Dieser setzte die Grunderwerbsteuer mit Bescheid vom 21. September 2017 mit 2.536 € (5 % auf 50.722 €) fest. Hierbei legte er für die Bemessungsgrundlage den Jahreswert in Höhe von 3.992 € multipliziert mit einem Vervielfältiger von 13,277 (11. August 2017 bis 10. Oktober 2017) und multipliziert mit einem Vervielfältiger von 0,957 für eine Aufschubzeit (11. Oktober 2016 bis 10. August 2017) zugrunde.

Hiergegen wandte sich der Kläger mit Einspruch vom 6. Oktober 2017.

Er war der zunächst Ansicht, dass ein falscher Vervielfältiger zum Ansatz gebracht worden sei.

Des Weiteren sei der Vorgang nicht steuerbar, da bereits bei der erstmaligen Bestellung des Erbbaurechts Grunderwerbsteuer entrichtet worden sei. Bei der erstmaligen Begründung des Erbbaurechts werde die Steuer wie bei der Übertragung des Volleigentums erhoben und besteuert. Gegenüber dem Volleigentum werde jedoch nicht nur jede Übertragung, sondern auch die Aufrechterhaltung des Rechts bei der Verlängerung des Erbbaurechts besteuert. Die Bemessungsgrundlage ergebe sich durch die Multiplikation des Erbbauzinses mit einem Vervielfältiger in Abhängigkeit von der Laufzeit des Erbbaurechts (gemäß Anlage 9a zu § 13 des Bewertungsgesetzes - BewG -). Diese Tabelle ende bei einer Zeitdauer von 101 Jahren, so dass selbst ewige Erbbaurechte mit einem endlichen Faktor multipliziert und grunderwerbsteuerlich abgegolten seien. Dies gelte auch, wenn der Erbbauzins während der Vertragslaufzeit neu verhandelt werde.

Da sich keine Änderung bei den Vertragspartnern ergeben hätte, sei kein neues Recht begründet worden. Auf das Schreiben des Klägers vom 23. November 2017 wird Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 30. November 2017 wies der Beklagte darauf hin, dass die Grunderwerbsteuer in dem Bescheid vom 21. September 2017 zu niedrig festgesetzt worden sei, drohte die Verböserung an und gab Gelegenheit zur Rücknahme des Einspruchs. Es sei ein unzutreffender Berechtigungszeitraum zugrunde gelegt worden. Richtigerweise hätte der Zeitraum vom 1. Oktober 2040 bis zum 30. September 2096 erfasst werden müssen. Hierbei ergebe sich eine Bemessungsgrundlage von 70.858 € (3.992 € x Vervielfältiger gemäß Anlage 9a zum BewG für 56 Jahre = 17,750). Dieser Betrag sei nicht weiter abzuzinsen. Im Übrigen sei der Einspruch unbegründet. Der Kläger bat daraufhin, über den Einspruch zu entscheiden.

Mit Bescheid vom 21. Februar 2019 wies der Beklagte den Einspruch vom 16. Oktober 2017 als unbegründet zurück und setzte die Grunderwerbsteuer auf 3.542 € (5 % auf 70.858 €) herauf.

Bei der Verlängerung eines Erbbaurechts handele es sich um ein Rechtsgeschäft im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 2 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG), da der Grundstückseigentümer dem Erwerber eine anderenfalls erlöschende, über den vorherigen Berechtigungszeitraum hinausgehe Berechtigung gewähre. Dies sei gerade aus der Zeitbestimmung des Erbbaurechts heraus zu sehen, da diese Zeitbestimmung zum Inhalt des Erbbaurechts gehöre und damit die Verlängerung nicht als bloße Inhaltsänderung verstanden werden könne. Die Besteuerung der Vertragsverlängerung sei somit rechtmäßig erfolgt. Im Einzelnen wird auf den Einspruchsbescheid Bezug genommen.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Klage vom 20. März 2018.

Unzweifelhaft sei die Bestellung eines Erbbaurechts ein grunderwerbsteuerpflichtiger Vorgang. Gleiches gelte für die Ausübung des Vorrechts auf Erneuerung des Erbbaurechts. Die Verlängerung eines bestehenden Erbbaurechts sei hingegen kein grunderwerbsteuerpflichtiger Vorgang.

Die grunderwerbsteuerpflichtige Übertragung von Grundstücken sei nicht von einem Zeitfaktor abhängig. Werde ein Grundstück übertragen, führe dies unabhängig von zeitlichen Szenarien zur Steuerpflicht. Eine vorübergehende Grundstücksleihe werde hingegen nicht besteuert. Weshalb dies unter Gleichstellungsgesichtspunkten bei Erbbaurechten (die grundsätzlich auch als unbegrenztes Recht konzipiert seien) anders sein solle, erschließe sich nicht. Komme es zu einer Verlängerung eines Erbbaurechts, bleibe das Erbbaurecht zivilrechtlich bestehen. Lediglich die Zeitdauer werde angepasst. Zivilrechtlich erfolge keine Neubestellung des Erbbaurechts.

Weiterhin würde auch kein Rechtsträgerwechsel bei der Verlängerung des Erbbaurechts stattfinden. Die Verlängerung führe lediglich zu einer Änderung hinsichtlich der Zeitdauer der Zuordnung. Es handele sich somit nur um die Inhaltsänderung eines bestehenden Erbbaurechts.

Auch bestehe bei der Verlängerung eines Erbbaurechts keine Vergleichbarkeit mit der Erneuerung eines Erbbaurechts. Anders als bei der Verlängerung erlösche bei der Erneuerung das bisherige Erbbaurecht nicht. Bei der Erneuerung werde das Grundbuch unrichtig, da das bestehende Erbbaurecht erlösche und ein neues Recht im Grundbuch eingetragen werden müsse.

Hilfsweise trägt der Kläger vor, dass die Verlängerung des Erbbaurechts als Abänderung der grunderwerbsteuerlichen Bemessungsgrundlage zu behandeln sei. Der kapitalisierte Erbbauzins als Teil der Gegenleistung sei auf den Differenzbetrag zwischen dem kapitalisierten Betrag für die verlängerte Gesamtlaufzeit abzüglich des kapitalisierten Betrags für die bisherige Gesamtlaufzeit zu beschränken. Vorliegend sei die ursprüngliche Laufzeit von 80 Jahren um 56 Jahre auf insgesamt 136 Jahre ausgedehnt worden. Die Bemessungsgrundlage für den (neuen) Gesamtnutzungszeitraum von 136 Jahren betrage 74.251,20 € (3.992 € × 18,600 - Deckelung gemäß Anlage 9a zu § 13 BewG auf 101 Jahre). Hiervon sei die Bemessungsgrundlage des bisherigen Nutzungszeitraums von 80 Jahren in Höhe von 73.548,61 € (3.992 € × 18,424) abzuziehen. Dies ergebe eine Bemessungsgrundlage in Höhe von 702,59 €. Da die Bemessungsgrundlage mangels zusätzlich vereinbarter Gegenleistung 2.500 € nicht übersteige, sei der Vorgang nach § 3 Nr. 1 GrEStG nicht zu besteuern. Im Einzelnen wird auf den Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten vom 30. Juli 2019 Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 21. September 2017 über Grunderwerbsteuer in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. Februar 2019 aufzuheben.

Hilfsweise die Grunderwerbsteuerfestsetzung gemäß Bescheid vom 21. September 2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. Februar 2019 auf 0 € zu reduzieren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezieht er sich vollumfänglich auf den Einspruchsbescheid vom 21. Februar 2019.

Entscheidungsgründe

Der Bescheid vom 21. September 2017 über Grunderwerbsteuer in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. Februar 2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-).

Die Klage war aus den in der Einspruchsentscheidung dargelegten Gründen abzuweisen, denn der Beklagte hat dort die Rechtslage zutreffend wiedergegeben. Der Senat sieht deshalb gemäß § 105 Abs. 5 Finanzgerichtsordnung (FGO) von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Ergänzend weist der Senat auf Folgendes hin:

Bereits mit Urteil vom 18. August 1993 (Az.: II R 10/90, BStBl II 1993, 766) hat der Bundesfinanzhof (BFH) unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass nicht nur die (erstmalige) Bestellung, sondern auch die Verlängerung eines Erbbaurechts als Rechtsgeschäft im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegt. Der Senat schließt sich der Rechtsprechung an und sieht keinen Anlass, von ihr abzuweichen.

Auch der Hilfsantrag hat keinen Erfolg. Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Bemessungsgrundlage nicht auf den Differenzbetrag zwischen dem kapitalisierten Betrag für die verlängerte Gesamtlaufzeit abzüglich des kapitalisierten Betrags für die bisherige Gesamtlaufzeit zu beschränken.

Die Grunderwerbsteuer bemisst sich gemäß § 8 Abs. 1 GrEStG nach dem Wert der Gegenleistung. Bei der Begründung bzw. Verlängerung eines Erbbaurechts ist - neben etwaigen weiteren Leistungen des Erbbauberechtigten - der Wert der zu zahlenden Erbbauzinsen maßgeblich. Erbbauzinsen sind als wiederkehrende Leistungen, die auf bestimmte Zeit beschränkt sind, nach § 13 Abs. 1 BewG mit ihrem Kapitalwert anzusetzen. Dieser entspricht dem aus Anlage 9a zu § 13 BewG zu entnehmenden Vielfachen des Jahreswertes. Bei der Verlängerung eines Erbbaurechts ist der auf die Laufzeit der Verlängerung des Erbbaurechts kapitalisierte Erbbauzins maßgeblich. Der Beklagte hat zudem zu Recht den kapitalisierten Erbbauzins auch nicht gemäß § 12 Abs. 3 BewG oder § 13 Abs. 3 BewG auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Erbbaurechtsänderungsvertrages abgezinst (BFH Urteil vom 18. August 1993, II R 10/90, BStBl II 1993, 766; FG Münster, Urteil vom 10. April 2014, 8 K 3046/11 GrE, EFG 2014, 1220; Loose in Boruttau, 19. Auflage § 9 GrEStG, Rn. 536, Pahlke, 6. Auflage, § 9 GrEStG, Rn. 172).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.