Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 16.10.2019, Az.: 5 K 309/17
Steuerbare Binnenumsätze im Rahmen einer Organschaft bei einer Stiftung öffentlichen Rechts
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 16.10.2019
- Aktenzeichen
- 5 K 309/17
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2019, 69195
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - AZ: V R 40/19
Rechtsgrundlage
- § 3 Abs. 9a) Nr. 2 UStG
Tatbestand
Streitig ist die Frage, ob nichtsteuerbare Innenumsätze im Rahmen einer umsatzsteuerlichen Organschaft vorliegen.
Die Klägerin ist eine Stiftung öffentlichen Rechts. Sie besteht gem. § 4 Abs. 1 ihrer Satzung aus dem wirtschaftlich selbstständigen Teilvermögen Universität ohne Humanmedizin sowie der U. G. (...). Ziel der Klägerin ist die Unterhaltung und Förderung der Universität in deren Eigenschaft als Stiftung des öffentlichen Rechts. Dies umfasst insbesondere die Sicherung und Weiterentwicklung der Universität in ihren Funktionen der Forschung, Lehre, Krankenversorgung, Dienstleistungen im öffentlichen Gesundheitswesen, Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie Technologietransfer (§ 2 Abs. 2 der Satzung).
Die Klägerin hält 100% der Gesellschaftsanteile an der ... K, die im Streitjahr noch als ... R. Geschäftsführer der GmbH sind B und W. B ist zudem Geschäftsbereichsleiter des Geschäftsbereichs 3-6 Hotelleistungen der .... Dieser Geschäftsbereich ist dem Ressort Wirtschaftsführung und Administration untergeordnet. W ist Leiter des Bereichs G3-61"Hauswirtschaftlicher Dienst" des Geschäftsbereichs 3-6 Hotelleistungen. Die ... K führt für die Klägerin neben Reinigungs-, Hygiene- sowie Wäschereileistungen auch Patiententransportdienste aus. Die Reinigungsleistungen werden in den Räumen der Klägerin durchgeführt. Dies umfasst den gesamten Gebäudekomplex der ..., worunter neben Patientenzimmern, Fluren, Operationssälen etc. auch Hörsäle und Labore fallen. Während der eigentliche Krankenhausbereich der Versorgung der Patienten dient und damit dem wirtschaftlichen Bereich der Klägerin zuzuordnen ist, werden die Hörsäle, Labore und andere Räume für die Ausbildung der Studierenden und damit primär für den hoheitlichen Bereich genutzt. Der Anteil des hoheitlichen Bereichs der zu reinigenden Fläche beträgt 7,6 % der Gesamtfläche. Die ... K erhielt für ihre Dienstleistungen gegenüber der Klägerin im Jahre 2005 eine Vergütung von insgesamt 76.085,48 €.
Die Verfahrensbeteiligten gehen davon aus, dass zwischen der Klägerin als Organträgerin und der ... K als Organgesellschaft eine umsatzsteuerliche Organschaft besteht. Die umsatzsteuerliche Organschaft wurde durch den Beklagten im Rahmen einer verbindlichen Auskunft gem. § 89 Abs. 2 AO vom 20. September 2005 anerkannt.
Der Klägerin waren in der Vergangenheit für ihre verschiedenen Betriebe gewerblicher Art jeweils eigene Steuernummern erteilt worden; unter diesen Steuernummern gab die Klägerin gesonderte Umsatzsteuererklärungen ab. In den Umsatzsteuererklärungen für die Universitätsmedizin (Steuernummer ...) behandelte die Klägerin sämtliche Umsätze der GmbH als nicht steuerbare Binnenumsätze im Rahmen einer Organschaft. Der Beklagte stimmte der in 2007 abgegebenen Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr 2005 am 23. April 2007 zu, so dass sie einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichstand.
In der Zeit vom 9. Dezember 2009 bis zum 7. Oktober 2014 fand bei der Klägerin eine Außenprüfung durch das Finanzamt für Großbetriebsprüfung G statt. Die Außenprüfung kam zu dem Schluss, dass es sich bei den Betrieben gewerblicher Art der Klägerin um ein einheitliches Unternehmen handeln würde, für das nur eine Umsatzsteuererklärung abzugeben und dem nur ein Umsatzsteuerbescheid zu erteilen sei. Die bislang getrennten Steuererklärungen seien zusammenzufassen; die Zusammenfassung erfolge unter der neuen Steuernummer .... Dies ist zwischen den Verfahrensbeteiligten auch unstreitig.
Nachdem die Außenprüfung zunächst den Standpunkt einnahm, dass die Reinigungsleistungen für den hoheitlichen Bereich sich außerhalb des umsatzsteuerlichen Organkreises befinden würden, änderte der Prüfer später seine Auffassung dahingehend, dass auch die Leistungen der ... K für den hoheitlichen Bereich der Klägerin im umsatzsteuerlichen Organkreis erbracht würden. Allerdings würden die Reinigungsleistungen eine unternehmensfremde Tätigkeit sein und eine unentgeltliche Wertabgabe gem. § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG bei der Klägerin auslösen. Da das gesamte Entgelt für die von der ... K an die Klägerin erbrachten Reinigungsleistungen im Streitjahr 2005 76.065,48 € betrug, errechnete der Prüfer unter Berücksichtigung des Anteils der Reinigung des hoheitlichen Bereichs von 7,6 % einen Anteil von 5.782,50 €, der auf die hoheitlichen Flächen entfallen würde. Abzüglich eines Gewinnzuschlags, den er mit 525,66 € ermittelte, errechnete er die Bemessungsgrundlage für die unentgeltliche Wertabgabe mit 5.257 €, was zu einer um 841,12 € höheren Umsatzsteuer führt.
Mit gem. § 164 Abs. 2 AO geändertem Umsatzsteuerbescheid 2005 vom 3. November 2015 machte sich der Beklagte die Feststellungen der Außenprüfung zu eigen, fasste die Besteuerungsgrundlagen der verschiedenen Betriebe gewerblicher Art unter einer Steuernummer zusammen und erhöhte in Bezug auf die angenommene unentgeltliche Wertabgabe die Steuerfestsetzung um 841,12 €. Entsprechende Änderungen ergingen auch für die übrigen Prüfungsjahre. Dagegen legte die Klägerin Einspruch ein. Der Beklagte hat mit Einspruchsbescheid vom 24. Oktober 2015 ausschließlich über den Einspruch gegen den Umsatzsteuerbescheid 2005 entschieden und diesen als unbegründet zurückgewiesen. Die weiteren Einsprüche sind noch anhängig.
Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Klage. Sie vertritt die Auffassung, dass die ... K sämtliche Reinigungsleistungen innerhalb der bestehenden umsatzsteuerlichen Organschaft erbringe, weshalb es sich um nicht steuerbare Innenumsätze handeln würde. Auch wenn die Klägerin eine juristische Person des öffentlichen Rechts sei, die auch öffentliche Gewalt ausübe, ändere dies nichts daran, dass sie die Stellung als Organträger einnehmen könne. Organträger könne jeder Unternehmer sein und damit auch juristische Personen des öffentlichen Rechts, wenn und soweit sie unternehmerisch tätig seien. Voraussetzung sei lediglich, dass die Körperschaft des öffentlichen Rechts nicht ausschließlich nicht wirtschaftlich tätig werde.
Auch der Umstand, dass Leistungen an den hoheitlichen Bereich erbracht werden, führe nicht dazu, dass diese konkreten Leistungen nicht mehr zum Organkreis gehören würden. Bestehe eine umsatzsteuerliche Organschaft, dann würden auch Leistungen an den hoheitlichen Bereich von der Organschaft erfasst.
Die streitigen Reinigungsleistungen seien nicht als unentgeltliche Wertabgabe nach § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG zu besteuern. Denn weder würden Leistungen unentgeltlich erbracht, noch würden Leitungen für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, durchgeführt.
Unentgeltlichkeit liege vor, wenn die Abgabe keine zweckgerichtete Gegenleistung auslöse. Die Leistungen der ... K gegenüber der Klägerin würden aber gegen Entgelt und damit nicht unentgeltlich erbracht. Die ... K erhalte für die Ausführung der gesamten Reinigungsleistungen ein Entgelt i.H.v. 76.065,48 €, welches nicht nach der Art der zu reinigenden Räume separiert wurde. Es handele sich um eine einheitliche Leistung mit einheitlichem Entgelt. Es könne auch nicht etwa deshalb von einer unentgeltlichen Leistungserbringung ausgegangen werden, weil die Klägerin auf der ersten Stufe im Organkreis aufgrund der Organschaft nicht steuerbare Umsätze erziele. Unentgeltlich i.S.d. § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG könne nicht gleichgesetzt werden mit "gegen nicht umsatzsteuerbares Entgelt". Würde eine unentgeltliche Leistung vorliegen, läge möglicherweise schon kein steuerbarer Umsatz vor. Wäre die Leistung der ... K tatsächlich unentgeltlich, so käme es auf das Vorliegen eines Organschaftsverhältnisses nicht an. Im Übrigen sei es auch inkonsequent, wenn der Beklagte von einer unentgeltlichen Leistung ausgehe, dann aber das in Rechnung gestellte und um den Gewinnaufschlag gekürzte Entgelt als Bemessungsgrundlage verwende statt - wie dieses bei unentgeltlichen Leistungen zu geschehen habe - die Kosten als Mindestbemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 4 Nr. 3 UStG heranziehe. Faktisch habe der Beklagte selbst die gezahlte Gegenleistung als umsatzsteuerrechtlich relevant qualifiziert. Der Beklagte erkenne, dass er das für die Reinigung der hoheitlich genutzten Räumlichkeiten gezahlte Entgelt von der erbrachten Leistung abspalte und für umsatzsteuerliche Zwecke unterschiedlich behandle.
Für die Frage der Entnahmebesteuerung werde für die durch die Organgesellschaft erbrachte Leistung die umsatzsteuerliche Relevanz bejaht, indem sie als umsatzsteuerbare sonstige Leistung angesehen werde. Die mit dieser sonstigen Leistung synallagmatisch verbundene Zahlung, die nur deshalb von der Klägerin als Organträger erbracht werde, weil auch die Leistung von der Organgesellschaft erbracht wurde, werde hingegen nach Auffassung des Beklagten die umsatzsteuerliche Relevanz abgesprochen und darauf verwiesen, dass dies kein Entgelt sei, weil sie innerhalb des Organkreises erbracht wurde. Dies sei ein Wertungswiderspruch.
Nichts Anderes ergebe sich, wenn die zivilrechtliche Natur der anteiligen Zahlung der Klägerin an die ... K betrachtet werde. Bei Ablehnung der Entgelteigenschaft dieser Zahlung müsste konsequenterweise auch die Eigenschaft als Vergütung im Sinne eines Werk- oder Dienstvertrages gem. § 631 BGB bzw. § 611 BGB abgelehnt werde. Dies hätte zur Folge, dass ein einheitlicher Werk- oder Dienstvertrag, wie er zwischen der Klägerin und der ... K geschlossen wurde, künstlich aufgespalten werde.
Die Erbringung von Leistung der Organgesellschaft gegenüber dem hoheitlichen Bereich der Klägerin als Organträgerin erfolge ferner nicht für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen. Das Tatbestandsmerkmal des § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG "für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen" sei aus Sicht des unternehmenden Unternehmers zu beurteilen. Entscheidend sei allein, ob die Verwendung des Gegenstandes oder die Erbringung einer anderen sonstigen Leistung betrieblich motiviert sei, oder ob sie auf außerunternehmerischen Erwägungen beruhe. Nicht steuerbar sei daher die Gewährung unentgeltlicher Leistung aus unternehmerischen Gründen. Nach der Rechtsprechung des BFH seien Leistungen in dem nicht wirtschaftlichen Bereich des Organträgers nicht als Leistungen für unternehmensfremde Zwecke anzusehen. Außerhalb des Unternehmens würden danach nur solche Zwecke stehen, die private Zwecke eines Unternehmers bzw. des Personals des Unternehmers oder des Gesellschafters seien und insofern unternehmensfremd seien. Diese privaten Zwecke gebe es bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts gerade nicht, so dass die Verwendung von Leistungen im Hoheitsbereich eben nicht außerhalb des Unternehmens stattfinde. Die hier streitigen sonstigen Leistungen stellten nach der Rechtsprechung lediglich eine sog. nicht unternehmerische Tätigkeit dar, jedoch keine unternehmensfremde, sondern alleine eine nicht wirtschaftliche. Die nicht unternehmerischen Tätigkeiten würden die nicht wirtschaftlichen Tätigkeiten im engeren Sinne sowie die unternehmensfremden Tätigkeiten umfassen. Unternehmensfremde Tätigkeiten seien die Entnahmen für den privaten Bedarf des Unternehmers als natürliche Person für den privaten Bedarf seines Personals oder für private Zwecke des Gesellschafters. Nicht wirtschaftliche Tätigkeiten im engeren Sinne seien alle nicht unternehmerischen Tätigkeiten, die nicht unternehmensfremd seien, wie z.B. hoheitliche Tätigkeiten juristischer Personen des öffentlichen Rechts. Daraus ergebe sich, dass sämtliche Bereiche, ob nun wirtschaftlich oder nicht wirtschaftliche Tätigkeiten im engeren Sinne der zugewiesenen Aufgabenerfüllung durch die Körperschaft des öffentlichen Rechts dienten. Insoweit könne es keine Bereiche außerhalb des Unternehmens geben. Dies werde auch dadurch deutlich, dass die gesamte juristische Person des öffentlichen Rechts umsatzsteuerlicher Unternehmer sei und eben gerade nicht nur jeweils im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Betätigung mit den unterschiedlichen Beträgen gewerblicher Art. Folglich sei der hoheitliche Bereich einer juristischen Person des öffentlichen Rechts dem Bereich der nicht wirtschaftlichen Tätigkeit im engeren Sinne zuzuordnen. Die Leistungen an diesem hoheitlichen Bereich seien daher zwar nicht unternehmerisch, nicht jedoch unternehmensfremd und insofern auch nicht außerhalb des Unternehmens i.S.d. § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG.
Darüber hinaus würde die Einbeziehung des nicht wirtschaftlichen Bereichs in die Organschaft, wie sie der BFH vorsehe, leerlaufen, wenn für Leistungen an diesen eine unentgeltliche Wertabgabe angenommen werden würde. Durch die bestehende umsatzsteuerliche Organschaft bildeten Organgesellschaft und Organträger ein Unternehmen. In dieses eine Unternehmen in Gestalt des Organkreises sei auch der hoheitliche Bereich des Organträgers einzubeziehen, so dass es sich auch bei Leistungen der Organgesellschaft an den hoheitlichen Bereich der Organträgerin um einen Innenumsatz handele. Diese Einbeziehung des nicht wirtschaftlichen Bereichs in die Organschaft würde durch die Besteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe in einem zweiten Schritt wieder rückgängig gemacht werden. Durch die Erweiterung des Organkreises auf den nicht wirtschaftlichen hoheitlichen Bereich werde dieser Bereich zum Unternehmen des Organkreises gezählt und insoweit als unternehmerisch behandelt. Insofern könne es sich dann auch nicht mehr um einen Bereich außerhalb des Unternehmens handeln. Für die Besteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe würde unter Außerachtlassung der Organschaft eine weitere Leistung vom unternehmerischen Bereich der Organträgerin an ihren nicht wirtschaftlichen Bereich fingiert. Dies entspreche jedoch nicht der tatsächlichen Leistungsbeziehung. Es bestehe lediglich eine Leistungsbeziehung zwischen Organgesellschaft und hoheitlichem Bereich der Organträgerin. Diese Leistung werde aufgrund der Organschaft umsatzsteuerlich als Innenumsatz qualifiziert. Für weitere umsatzsteuerliche Tatbestände sei kein Raum, denn deren Merkmale seien nicht verwirklicht worden. Ein und dieselbe Leistung könne nicht gleichzeitig innerhalb der Organschaft und außerhalb des Unternehmens liegen.
Schließlich verfange auch das Argument des Beklagten nicht, dass es zu einem nicht besteuerten Letztverbrauch innerhalb des Organkreises kommen würde, wenn die Leistungen an den Hoheitsbereich nicht besteuert würde. Der Beklagte übersehe dabei, dass die sonstigen Leistungen innerhalb und mit Mitteln des einheitlichen Unternehmens erbracht und dort auch wieder verbraucht würden. Umgekehrt würde sonst ein Vorgang besteuert werden, der umsatzsteuersystematisch gar nicht der Besteuerung unterliegt. Insofern käme es nicht zu einer Besserstellung, sondern zu einer Schlechterstellung der Klägerin.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Umsatzsteuerbescheides 2005 vom 3. November 2015 und der Einspruchsentscheidung vom 24. Oktober 2017 die Umsatzsteuer 2015 um 841,12 € niedriger festzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte räumt ein, dass zwischen der Klägerin als Organträgerin und der ... eine umsatzsteuerliche Organschaft bestehe und die Organgesellschaft Teil eines einheitlichen Unternehmens eines Unternehmers sei. Innerhalb des einheitlichen Unternehmens seien steuerbare Umsätze grundsätzlich nicht möglich. Der Beklagte gesteht ebenfalls zu, dass die Leistungen der Organgesellschaft an den hoheitlichen Bereich des Organträgers nicht steuerbare Innenumsätze darstellten.
Der Beklagte meint jedoch, dass diese Leistungen nach § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG umsatzsteuerpflichtig seien. Ein Unternehmer sei grundsätzlich nur mit seinem unternehmerischen Bereich in eine Organschaft einbezogen. Die Klägerin nehme neben ihrer gewerblichen und beruflichen Tätigkeit auch hoheitliche Aufgaben wahr. Letztere würden nicht wirtschaftliche Tätigkeiten im engeren Sinne darstellen und gehörten zu ihrem nicht unternehmerischen Bereich. Leistungen der Organgesellschaft an den nicht unternehmerischen Bereich des Organträgers könnten demnach isoliert betrachtet keine nicht steuerbaren Innenumsätze darstellen, weil sie nicht innerhalb des Unternehmens erbracht würden. Der BFH habe aber entschieden, dass auch solche Leistungen der Organgesellschaft an den Organträger als nicht steuerbare Innenumsätze innerhalb des Organkreises bewertet würden, die der Organträger für nicht unternehmerische Zwecke verwende. Anderenfalls käme es bei einer solchen Verwendung zu einer partiellen Selbstständigkeit der Organgesellschaft, die mit der Behandlung als ein Unternehmer und als ein Steuerpflichtiger nicht zu vereinbaren wäre. Die Organgesellschaft sei vielmehr mit vollem Umfang als nicht selbstständig zu behandeln. Im Ergebnis würden also Leistungen der Organgesellschaft an einen Bereich außerhalb des Unternehmens nach dem Sinn und Zweck der Organschaft so behandelt, als wären sie innerhalb des Unternehmens erbracht worden.
Dies ändere jedoch nichts daran, dass trotzdem eine unentgeltliche Wertabgabe vorliegen könne. Davon gehe auch der BFH aus. Im Streitfall liege ein derartiger Umsatz in Form der unentgeltlichen Wertabgabe nach § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG vor. Insbesondere würden die streitigen Umsätze auch unentgeltlich für Zwecke außerhalb des Unternehmens erbracht. Da der hoheitliche Teil des Organträgers so behandelt werde, als gehöre er zum Unternehmen, könnten die von der Organgesellschaft an den Organträger für die nicht steuerbaren Innenleistungen gezahlten Zahlungen auch keine entgeltlichen Leistungen i.S.d. Umsatzsteuergesetzes sein, weil sie innerhalb des Unternehmens geflossen sind. Hierbei handele es sich vielmehr um innerbetriebliche Vorgänge. Sofern hierfür Belege mit gesondertem Steuerausweis ausgestellt würden, handele es sich umsatzsteuerlich nicht um Rechnungen, sondern um unternehmensinterne Buchungsbelege. Bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts gebe es anstelle der privaten Sphäre den hoheitlichen Bereich, in dem hinein die außerhalb des Unternehmens liegenden Zwecke verfolgt werden könnten. Es bestehe kein Widerspruch darin, auf der einen Seite eine nicht steuerbare Leistung innerhalb und auf der anderen Seite eine unentgeltliche Wertabgabe für Zwecke außerhalb des Unternehmens anzunehmen, weil erstere lediglich als eine Leistung innerhalb des Unternehmens fingiert würde. Anderenfalls würde die Organgesellschaft selbstständig auftreten. Dieses Ergebnis wäre nicht mit der Behandlung als ein Unternehmen zu vereinbaren.
Die Annahme einer Organschaft werde von der gleichzeitigen Anwendung des § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG auch nicht ausgehöhlt, weil die Verwirklichung dieses Tatbestands überhaupt nicht mit dem Argument der partiellen Selbstständigkeit kollidiere. Hinsichtlich der Beurteilung der Frage der Steuerbarkeit der von der Organgesellschaft erbrachten Leistungen sei die Fiktion erforderlich, weil ansonsten ein mit den Grundsätzen der Organschaft nicht zu vereinbarendes Ergebnis entstünde. Die Verwirklichung des Tatbestandes des § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG führe hingegen überhaupt nicht zu einem derartigen Problem, da die Annahme einer unentgeltlichen Wertabgabe in keinem Widerspruch zu den Grundsätzen der Organschaft stehe. Die Ablehnung unentgeltlicher Wertabgaben würde im Ergebnis dazu führen, dass Organträger Leistungen für ihren privaten bzw. hoheitlichen Bereich über eine Organgesellschaft beziehen könnten und die anschließende und von Anfang an beabsichtigte private bzw. hoheitliche Verwendung nicht der Umsatzbesteuerung unterworfen werden müsse. Dies würde zu einem nicht besteuerten Letztverbrauch innerhalb des Organkreises führen. Hierin wäre eine nicht zu rechtfertigende Besserstellung gegenüber anderen Unternehmen zu sehen, die sich nicht einer Organschaft bedienen könnten.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Soweit die ... K Reinigungs- und Krankentransportleistungen an die Klägerin erbringt, handelt es sich bei diesen Umsätzen insgesamt um nicht steuerbare Binnenumsätze im Rahmen einer Organschaft.
1. Ein Unternehmen übt nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG seine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig aus, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft). Die Wirkungen der Organschaft sind auf Innenleistungen zwischen den im Inland gelegenen Unternehmensteilen beschränkt. Diese Unternehmensteile sind als ein Unternehmen zu behandeln. Leistungen zwischen der Organgesellschaft und dem Organträger sind nicht steuerbar.
Im Streitfall besteht zwischen der ... K als Organgesellschaft und der Klägerin als Organträgerin ein umsatzsteuerliches Organschaftsverhältnis. Die finanzielle Eingliederung ... K in die Klägerin ergibt sich aus dem Umstand, dass die Klägerin 100% der Gesellschaftsanteile an der ... K hält. Die GmbH-Geschäftsführer B und W begründen durch ihre gleichzeitige Beschäftigung als Bereichsleiter bei der Klägerin die organisatorische Eingliederung. Eine organisatorische Eingliederung ist gegeben, wenn sichergestellt ist, dass eine vom Willen des Organträger abweichende Willensbildung bei der Organtochter nicht stattfindet (BFH Urteil vom 1. April 2004 V R 24/03 BStBl. II 2004, 905). Da die Geschäftsführer der GmbH als Bereichsleiter dem Vorstand der Klägerin unterstellt sind, kann aufgrund ihrer Weisungsabhängigkeit gegenüber dem Vorstand dieser seinen Willen auch bei der Organgesellschaft durchsetzen. Für die wirtschaftliche Eingliederung wiederum genügt es, dass zwischen der Organgesellschaft und dem Unternehmen des Organträgers ein vernünftiger wirtschaftlicher Zusammenhang im Sinne einer wirtschaftlichen Einheit, Kooperation oder Verflechtung vorhanden ist. Die Tätigkeiten von Organträger und Organgesellschaft müssen aufeinander abgestimmt sein und sich dabei fördern und ergänzen (BFH Urteil vom 29. Oktober 2008 XI R 74/07, BStBl. II 2009, 256). Dieser wirtschaftliche Zusammenhang ist hier gegeben, weil die medizinische Behandlung der Patienten durch die Universitätsklinik und die Reinigungsdienstleistungen durch die ... K aufeinander abgestimmte Leistungen sind, die beide zwingend erforderlich sind, um eine sachgerechte Patientenbetreuung zu erbringen. Nicht schädlich für die Annahme eines Organschaftsverhältnisses ist im Streitfall der Umstand, dass die Klägerin eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist. Auch eine juristische Person des öffentlichen Rechts kann Organträger sein, wenn sie unternehmerisch tätig ist (BFH Urteil vom 9. Oktober 2002 V R 64/99, BStBl. II 2003, 375). Da die Klägerin mit ihrem Universitätsklinikum einen Betrieb gewerblicher Art unterhält und damit unternehmerisch tätig wird, kann sie prinzipiell auch Organträgerin sein. Im Übrigen ist der Beklagte schon aufgrund seiner verbindlichen Auskunft an seine Einschätzung gebunden, dass zwischen der Klägerin und der ... K eine umsatzsteuerliche Organschaft besteht.
2. Die Organschaft beschränkt sich schließlich auch nicht gegenständlich auf den unternehmerischen Bereich der Klägerin. Für die Nichtsteuerbarkeit von Innenleistungen einer Organschaft kommt es nicht darauf an, ob der Organträger die von der Organgesellschaft bezogene Leistung für unternehmerische oder nichtunternehmerische Zwecke verwendet. Ansonsten käme es bei einer Verwendung der von der Organgesellschaft erbrachten Leistung für unternehmerische und nichtunternehmerische Zwecke zu einer partiellen Selbständigkeit (im Umfang der Leistungsverwendung für nichtunternehmerische Zwecke), die mit der Behandlung als ein Unternehmen und als ein Steuerpflichtiger (EuGH-Urteil vom 22. Mai 2008 C-162/07 "Ampliscientifica und Amplifin", UR 2008, 534) nicht zu vereinbaren wäre (BFH Urteil vom 20. August 2009 V R 30/06, BStBl. II 2010, 863).
3. Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten liegt auch keine unentgeltliche Wertabgabe vor, soweit die ... K Reinigungsleistungen für den hoheitlichen Bereich der Klägerin erbringt. Nach § 3 Abs. 9a) Nr. 2 UStG werden die unentgeltliche Erbringung einer anderen sonstigen Leistung durch den Unternehmer für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen, einer sonstigen Leistung gegen Entgelt werden gleichgestellt.
Die Besteuerung der von der ... K für den hoheitlichen Bereich erbrachten Leistungen nach § 3 Abs. 9a) Nr. 2 UStG gelingt deshalb nicht, weil sich der verwirklichte Lebenssachverhalt nicht unter den Wortlaut der Norm subsumieren lässt. Die ... K erbringt keine unentgeltlichen Leistungen, soweit sie die Hörsäle und Labore reinigt. Vielmehr haben ... und ... K ein einheitliches Honorar für die gesamten von der ... Klinikservice zu erbringenden Reinigungsleistungen vereinbart, so dass dieses anteilig auch auf die nichtwirtschaftlich genutzten Flächen entfällt. Soweit der Beklagte "nicht steuerbare" Leistungen mit "unentgeltliche" Leistungen gleichsetzt, ist dieses schon deshalb unrichtig, weil unentgeltlich erbrachte Leistungen nach dem Umsatzsteuergesetz unter Umständen der Besteuerung unterliegen können, nicht aber -wie sich schon aus dem Begriff ergibt - nicht steuerbare Leistungen. Zutreffend weist die Klägerin auch darauf hin, dass es widersprüchlich ist, dass der Beklagte zunächst von einer unentgeltlichen Leistung ausgeht, dann aber das von der Klägerin gezahlte Entgelt, gekürzt um einen Gewinnaufschlag, als Bemessungsgrundlage der unentgeltlichen Wertabgabe berücksichtigt.
Der Senat kann dem Beklagten auch nicht darin folgen, dass die streitigen Reinigungsleistungen für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, erbracht wurden. Sowohl Rechtsprechung EuGH Urteile vom 12. Februar 2009 C-515/07 "Vereniging Noordelijke Land- en Tuinbouw Organisatie", DStR 2009, 369 [BFH 10.12.2008 - XI R 1/08]; vom 15. September 2016 C-400/15 "Landkreis Potsdam-Mittelmark", DStR 2016, 2219 [EuGH 15.09.2016 - C-516/14], BFH Urteil vom 16. November 2016 XI R 15/13, BStBl. II 2018, 237) als auch die Finanzverwaltung (UStAE 2.3. Abs. 1a) gehen davon aus, dass die nichtunternehmerischen Tätigkeiten die nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten im engeren Sinne und die unternehmensfremden Tätigkeiten umfassen. Unternehmensfremd in diesem Sinne sind - entsprechend der Regelung in Art. 26 Abs. 1 MwStSystRL - die Verwendung von Gegenständen oder Leistungen für den privaten Bedarf des Unternehmers, für den privaten Bedarf seines Personals oder für private Zwecke des Gesellschafters (BFH Urteile vom 3. März 2011 V R 23/10, BStBl. II 2012, 74; vom 12. Januar 2011 XI R 9/08, BStBl. II 2012, 58; UStAE 2.3. Abs. 1a). Demgegenüber gehört der hoheitliche Tätigkeitsbereich eines Unternehmers zu den nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten im engeren Sinne, nicht aber zu den unternehmensfremden Zwecken (BFH Urteil vom 3. März 2011 V R 23/1, BStBl. II 2012, 74). Erbringt - wie im Streitfall - der Betrieb gewerblicher Art einer juristischen Person des öffentlichen Rechts eine Leistung an den hoheitlichen, nichtwirtschaftlichen Bereich, liegt keine Leistung für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, vor (so auch Sölch/Ringleb, Kommentar zum UStG, § 3 Rn. 342); die Regelung des § 3 Abs. 9a) UStG passt in derartigen Fällen nicht, da es nicht um eine unternehmensfremde Verwendung geht (ebenso Sölch/Ringleb, Kommentar zum UStG, § 3 Rn. 625a).
Zu Unrecht beruft sich der Beklagte zudem auf ein obiter dictum in dem oben genannten BFH Urteil vom 20. August 2009 V R 30/06, BStBl. II 2010, 863. Zwar gibt der BFH nach der Feststellung, dass die Organschaft zwischen Organträger und Organgesellschaft auch die für den nichtunternehmerischen Bereich erbrachten Leistungen umfasst, den Hinweis, dass beim Organträger eine Entnahmebesteuerung nach dem im Streitjahr geltenden § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a bis c UStG zu prüfen sei, worüber im konkreten Klageverfahren der Organgesellschaft nicht zu entscheiden sei. Streitjahr des Revisionsverfahren war jedoch das Jahr 1986. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 UStG in der Fassung des Jahres 1986 unterliegt der Eigenverbrauch im Erhebungsgebiet der Umsatzsteuer. Eigenverbrauch liegt danach vor, wenn ein Unternehmer a) Gegenstände aus seinem Unternehmen für Zwecke entnimmt, die außerhalb des Unternehmens liegen, b) im Rahmen seines Unternehmens sonstige Leistungen der in § 3 Abs. 9 bezeichneten Art für Zwecke ausführt, die außerhalb des Unternehmens liegen c) Aufwendungen tätigt, die unter das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Nr. 1 bis 7 und Abs. 7 EStG fallen. Im Unterschied zu § 3 Abs. 9a) Nr. 2 UStG knüpft der Gesetzeswortlaut der damaligen Eigenverbrauchsbesteuerung damit aber nicht an einer unentgeltlichen Erbringung einer anderen sonstigen Leistung an. Von daher kann der Beklagten aus dem obiter dictum des BFH nichts für den aktuell zu entscheidenden Fall für sich herleiten.
Letztlich beruht die Argumentation des Beklagten im Streitfall auf einem Zirkelschluss: Er unterstellt als gegeben, dass die für den hoheitlichen Bereich des Organträgers erbrachten Leistungen zu besteuern sind. Da nach der Rechtsprechung des BFH aber auch Leistungen der Organgesellschaft für den nichtunternehmerischen Bereich des Organträgers von der Organschaft umfasst sind, folgert der Beklagte daraus, dass dann eine unentgeltliche Wertabgabe anzusetzen sei, weil dies als einzige Möglichkeit der Besteuerung verbleibe. Dabei übersieht der Beklagte, dass bereits seine Prämisse der Steuerbarkeit der Leistungen unzutreffend ist.
Der Senat weist ergänzend darauf hin, dass sich die Problematik des Streitfalles auf einem anderen Wege lösen lässt: Soweit eine Organgesellschaft Leistungen an den nichtunternehmerischen Bereich des Organträgers erbringt, besteht entsprechend § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG kein Vorsteuerabzug. Die Frage der Vorsteueraufteilung gem. § 15 Abs. 4 UStG stellt sich im konkreten Fall nur deshalb nicht, weil die Klägerin mit der ... ohnehin steuerfreie Ausgangsleistungen erbringt, die den Vorsteuerabzug ausschließen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der Senat lässt die Revision gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zu, weil die verfahrensgegenständliche Rechtsfrage bislang noch nicht höchstrichterlich entschieden ist.