Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 27.08.1985, Az.: 14 Ta 10/85

Handlungsermessen des Gerichts für die Wertfestsetzung

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
27.08.1985
Aktenzeichen
14 Ta 10/85
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1985, 10464
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:1985:0827.14TA10.85.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Hannover -19.02.1985

Prozessführer

...

Prozessgegner

...

Sonstige Beteiligte

...

Der Bezirksrevisor als

Vertreter der Landeskasse

Tenor:

Auf die Beschwerde der Prozeßbevollmächtigten des Klägers wird der Wertfestsetzungsbeschluß des Arbeitsgerichts Hannover vom 19.02.1985 abgeändert.

Gründe

1

I.

Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 17.09.1965 als Angestellter mit einem monatlichen Verdienst von zuletzt DM 4.250,64 brutto beschäftigt.

2

Am 15.02.1983 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristgemäß.

3

Gegen diese Kündigung hat der Kläger Kündigungsschutzklage erhoben, der das Arbeitsgericht durch Urteil vom 27.09.1983 stattgegeben hat.

4

Im Berufungsrechtszug ist der Rechtsstreit am 10.09.1984 durch Vergleich dahingehend erledigt worden, daß das Arbeitsverhältnis mit bestimmten Modifizierungen ungekündigt fortbesteht.

5

Während des Berufungsverfahrens in dem Kündigungsrechtsstreit hat der Kläger am 10.07.1984 Klage erhoben mit dem Antrag, die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluß des Kündigungsrechtsstreits weiter zu beschäftigen.

6

Dieser Rechtsstreit ist am 21.08.1984 in 1. Instanz durch Vergleich erledigt worden.

7

Auf Antrag des Prozeßbevollmächtigten des Klägers hat das Arbeitsgericht den Gegenstandswert auf DM 4.250,64 festgesetzt.

8

Mit der hier gegen gerichteten Beschwerde hat der Antragsteller geltend gemacht, der Gegenstandswert sei auf DM 10.200,- als dem 3-fachen Monatsverdienst festzusetzen.

9

Auf eine Mitteilung des Beschwerdegerichts, daß eine Wertfestsetzung auf den Betrag von 2 Monatsvergütungen beabsichtigt sei, hat der Beschwerdeführer mitgeteilt, daß er mit einer derartigen Wertfestsetzung einverstanden sei.

10

II.

Die Beschwerde ist begründet.

11

Der Gegenstandswert ist im vorliegenden Fall gemäß §§ 3 ZPO, 12 VII ArbGG auf DM 8.501,28 als dem 2-fachen Monatsverdienst des Klägers festzusetzen.

12

Nur in dieser Höhe ist die Beschwerde aufgrund der Erklärung des Beschwerdeführers vom 25.07.1985 noch als aufrecht erhalten anzusehen.

13

Einer selbständigen Wertfestsetzung durch das Beschwerdegericht aufgrund einer eigenen vollständigen Sachprüfung steht nicht entgegen, daß es sich bei dem angefochtenen Beschluß um eine gemäß §§ 12 VII ArbGG, 3 ZPO getroffene Ermessensentscheidung handelt. Die genanten Vorschriften räumen dem Gericht für die Wertfestsetzung kein Handlungsermessen dahingehend ein, daß es den Streitwert nach billigem Ermessen festsetzen konnte mit der Folge, daß die Entscheidung im Beschwerdeverfahren möglicherweise lediglich auf Ermessensfehler überprüft werden könnte. Vielmehr besteht eine Bindung an den Streitgegenstand dahin, daß dessen voller Wert allein maßgeblich für die Wertfestsetzung ist, § 2 ZPO. Die Ausübung dieses gebundenen Ermessens ist im Beschwerdeverfahren als Tatsacheninstanz nach ganz überwiegender Auffassung voll überprüfbar (vgl. die Nachweise bei Schneider Streitwertkommentar 6. Aufl. 1983 Stichworte Streitwertbeschwerde Ermessen sowie bei Wenzel Anm. zu EzA § 12 ArbGG Nr. 6 unter IV).

14

Im vorliegenden Fall der Geltendmachung eines Weiterbeschäftigungsanspruchs im Wege einer normalen Leistungsklage bei bereits im Berufungsrechtszug anhängigem Kündigungsrechtsstreit ist eine Festsetzung des Gegenstandswerts auf den Betrag von 2 Monatsvergütungen sachgerecht.

15

Die Bewertung des Beschäftigungsantrags wird sich mangels anderweitiger Regelungen im Rahmen der nach § 3 ZPO gebotenen Ermessensausübung an die in § 12 Abs. VII ArbGG zum Ausdruck kommenden Wertungen anzulehnen haben, da es im Ergebnis schwer verständlich wäre, den Beschäftigungsantrag gleich oder hoher bewerten zu wollen als den Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit einer Kündigung (vgl. dazu Schneider Anm. zu Arbeitsgericht Münster EzA § 12 ArbGG Nr. 20 unter III 3).

16

Bei der Bewertung des Beschäftigungsantrags ist zu berücksichtigen, daß der titulierten und damit durchsetzbaren Verpflichtung des Arbeitgebers zur tatsächlichen Weiterbeschäftigung erhebliche Bedeutung auch im Hinblick darauf zukommt, auf diese Weise zu verhindern, daß nach Ablauf der Kündigungsfrist trotz laufenden Kündigungsschutzprozesses mit dem tatsächlichen Ausscheiden des gekündigten Arbeitnehmers aus dem Betrieb in gewisser Weise "vollendete Tatsachen" geschaffen werden. Hinzu kommt, daß eine Verurteilung zur vorläufigen Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluß eines anhängigen Kündigungsrechtsstreits regelmäßig für einen erheblich längeren Zeitraum als 3 Monate Bedeutung hat. Dies gilt auch, wenn der Kündigungsrechtsstreit sich wie hier bereits im Berufungsrechtszug befunden hat.

17

Aufgrund dieser Gesichtspunkte schließt die Kammer sich der im Vordingen begriffenen Auffassung an, daß der Beschäftigungsantrag mit dem Betrag von 2 Monatsvergütungen zu bewerten ist (ebenso LAG Hamm EzA § 12 Streitwert Nr. 19, sowie die Zusammenstellung bei Schneider a.a.O. unter IV, a.A. LAG Frankfurt EzA § 12 ArbGG Streitwert Nr. 33). Hierin liegt keine Abweichung von den Entscheidungen der Kammer 14 Ta 3/82 und 32/83, da in diesen Verfahren mit der Beschwerde lediglich eine Beschwerung des Weiterbeschäftigungsantrags mit dem Betrag einer Monatsvergütung beantragt war bzw. es sich um ein einstweiliges Verfügungsverfahren handelte, bei dem die geringere Bestandskraft der getroffenen Anordnung die niedrigere Bewertung rechtfertigt.

Streitwertbeschluss:

Der Gegenstandswert wird auf DM 8.501,28 festgesetzt.