Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 12.07.1985, Az.: 9 Sa 75/84

Rechtsschutz gegen fehlerhafte Festsetzung des Streitwertes ; Zulässigkeit der Befristung eines zwischen dem Land Niedersachsen und katechistischen Lehrkräften abgeschlossenen Dienstvertrages ; Begriff und Anforderungen des sachlichen Rechtfertigung eines befristeten Arbeitsverhältnisses; Maßgeblichkeit des in der Ausgangsinstanz festgesetzten Streitwerts für das Berufungsverfahren

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
12.07.1985
Aktenzeichen
9 Sa 75/84
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1985, 10462
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:1985:0712.9SA75.84.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Braunschweig - 11.04.1984 - AZ: 3 Ca 519/83

Verfahrensgegenstand

Feststellung

Prozessführer

...

Prozessgegner

...

In dem Rechsstreit
hat die 9. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 12. Juli 1985
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Stüfe und
die ehrenamtlichen Richter Klinkow und Plagge
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 11.04.1984 - 3 Ca 591/83 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Frage, ob zwischen ihnen spätestens seit dem 15.03.1983 ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht und die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin über den 31.01.1984 hinaus als Lehrkraft für evangelischen Religionsunterricht zu beschäftigen.

2

Gemäß Dienstvertrag vom 29.04.1982 war die Klägerin mit Wirkung vom 01.02.1982 für die Dauer des von der Schulaufsichtsbehörde erteilten Unterrichtsauftrages als Lehrerin für die Erteilung von Religionsunterricht längstens bis zum 31.01.1983 angestellt.

3

Das Dienstverhältnis regelte sich gemäß § 2 des Dienstvertrages auf der Grundlage des Gestellungsvertrages zwischen dem Land Niedersachsen und den evangelischen Kirchen in Niedersachsen über die Erteilung von Religionsunterricht vom 04.07.1967.

4

Auf Wunsch der Klägerin wurde das Dienstverhältnis, da nach Ansicht der Beklagten eine Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis nicht möglich sei, bis zum 31.01.1984 verlängert (Schreiben der Beklagten vom 28.03.1983).

5

Die Klägerin hält die Befristung für unzulässig und hat beantragt,

  1. 1.

    festzustellen, daß zwischen den Parteien spätestens seit dem 15.03.1983 ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht,

  2. 2.

    festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin über den 31.01.1984 hinaus als Lehrkraft für evangelischen Religionsunterricht weiter zu beschäftigen.

6

Die Beklagte hat beantragt,

7

die Klage abzuweisen.

8

Nach ihrer Ansicht ist die Befristung sachlich gerechtfertigt. Der Abschluß von Dienstverträgen mit katechetischen Lehrkräften könne jeweils nur für ein Jahr befristet erfolgen je nach Umfang der von dem Land Nieder Sachsen angeforderten Gestellung bzw. bereitgestellten Mitteln.

9

Wegen des Sach- und Streitstandes, wie er in der ersten Instanz zur Entscheidung vorgelegen hat, wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (§ 543 Abs. 1 ZPO) sowie ergänzend auf das gesamte Vorbringen der Parteien im ersten Rechtszug Bezug genommen. Der Sachstand hat sich in der Berufungsinstanz nicht geändert.

10

Durch Urteil vom 11.04.1984 hat das Arbeitsgericht Braunschweig die Klage abgewiesen, der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits auferlegt und den Streitwert auf 2.871,00 DM festgesetzt.

11

Im einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

12

Das Urteil ist der Klägerin zu Händen ihrer Prozeßbevollmächtigten am 10.05.1984 zugestellt worden. Sie hat am 07.06.1984 Berufung einlegen lassen, die mit einem dem Landesarbeitsgericht am 06.07.1984 zugegangenen Schriftsatz begründet worden ist.

13

Die Klägerin bekämpft das angefochtene Urteil mit den aus ihrer Berufungsbegründungsschrift vom 05.07.1984 ersichtlichen An- und Ausführungen.

14

Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Braunschweig nach den Anträgen erster Instanz zu entscheiden.

15

Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

16

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 02.08.1984.

17

Hinsichtlich des Vortrags der Parteien im einzelnen wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der in dem Berufungsrechtszug zu den Akten gereichten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe

18

Die von der Klägerin eingelegte Berufung ist nach der Höhe des in dem angefochtenen Urteil festgesetzten Streitwertes (Beschwer) statthaft (§ 64 Abs. 2 ArbGG). Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 66 Abs. 1 ArbGG, §§ 518, 519 ZPO) und damit insgesamt zulässig.

19

In der Sache selbst konnte die Berufung jedoch keinen Erfolg haben.

20

Das Arbeitsgericht Braunschweig hat sowohl im Ergebnis als auch mit zutreffender Begründung zu Recht die Klage abgewiesen.

21

Die Feststellung des Arbeitsgerichts, es ist sachlich gerechtfertigt, daß die Beklagte die Dienstverträge mit den von ihr dem Land Niedersachsen zu stellenden katechetischen Lehrkräften jeweils auf einen Anforderungszeitraum, das heißt auf ein Jahr, befristet, ist rechtlich nicht zu beanstanden.

22

Zutreffend geht das Arbeitsgericht davon aus, daß die Befristung eines Arbeitsverhältnisses grundsätzlich zulässig ist (§ 620 BGB), jedoch im Hinblick auf die Möglichkeit einer objektiven Umgehung des Kündigungsschutzes der sachlichen Rechtfertigung bedarf. Ein schutzwertes Interesse für eine solche Vertragsgestaltung entfällt nur dann, wenn sachliche Gründe für die Befristung fehlen, etwa, weil sie objektiv funktionswidrig verwendet werden, z.B., um den durch die Kündigungsschutzbestimmungen gewährleisteten Bestandsschutz des Arbeitsverhältnisses zu vereiteln. Auch hinsichtlich der Dauer muß die Befristung sachlich gerechtfertigt sein (vgl. BAG, Großer Senat, AP Nr. 16 zu § 620 BGB - Befristeter Arbeitsvertrag; BAG AP Nr. 59 bis 62 zu § 620 BGB - Befristeter Arbeitsvertrag - und BAG vom 13.04.1983 - 7 AZR 51/81).

23

Im Streitfall ist die sachliche Begründung der Befristung des Dienstverhältnisses zwischen den Parteien durch den Umstand gegeben, daß die Beklagte ihren Bedarf an für den Religionsunterricht zu stellenden katechetischen Lehrkräften nicht länger als ein Jahr im voraus planen kann. Nach dem Gestellungsvertrag vom 04.07.1967 liegt es in der freien Entscheidung des Landes Niedersachsen (Schulaufsichtsbehörde), in welchem Umfang das Land bei der Beklagten die Gestellung entsprechender Lehrkräfte anfordert. Die Beklagte hat keine rechtliche Möglichkeit, über den angeforderten Bedarf hinaus weitere Lehrkräfte im Religionsunterricht an den öffentlichen Schulen einzusetzen.

24

Bei dieser Konstellation kann die Rechtsprechung zur Frage der Drittfinanzierung und der beschränkten Haushaltsmittel nicht angewandt werden. Im Streitfall sind die Haushaltsmittel nur von sekundärer Bedeutung. Entscheidend ist die Feststellung des Bedarfs an katechetischen Lehrkräften durch das Land Niedersachsen und die entsprechende Anforderung bei der Beklagten. Die Beklagte selbst besitzt nämlich anders als in den Fällen der Drittfinanzierung keine eigene Betriebsstätte. Die Beklagte selbst kann ohne Schulaufsichtsbehörde keinen Unterrichtsauftrag erteilen. Insoweit ist sie völlig von den Schulaufsichtsbehörden abhängig.

25

Gemäß § 4 des Gestellungsvertrages unterstehen die katechetischen Lehrkräfte während des Unterrichtsauftrages der staatlichen Schulaufsicht und den Weisungen des Schulleiters; treten aber in kein Dienst- und Arbeitsverhältnis zum Land Niedersachsen. Gemäß § 6 des Gestellungsvertrages kann der Unterrichtsauftrag von der Schulaufsichtsbehörde im Einvernehmen mit der Kirchenbehörde verkürzt oder verlängert werden. Die Beklagte hat keine eigene Dispositionsfreiheit.

26

Aufgrund dieser besonderen Sachlage ist ein sachlicher Grund für die Befristung derartiger Arbeitsverträge rechtlich gegeben.

27

Der Meinung der Klägerin, die Bezirksregierung Braunschweig habe durch Verfügung vom 15.03.1982 den Lehrauftrag "bis auf weiteres" erteilt und somit von einer zeitlichen Befristung abgesehen, steht dem nicht entgegen. Arbeitgeber war nicht die Bezirksregierung Braunschweig, sondern, wie bereits ausgeführt, die Beklagte. Die spätere Befristung des unterrichtsauftrages durch die Bezirksregierung ... mit Verfügung vom 11.03.1983 ist durch § 6 Abs. 1 Ziff. 1 des Gestellungsvertrages gedeckt.

28

Ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, daß nunmehr die Möglichkeit von befristeten Arbeitsverträgen gesetzlich erweitert worden ist, und zwar durch das Beschäftigungsförderungsgesetz vom 26.04.1985.

29

Nach alledem war die Berufung der Klägerin zurückzuweisen mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO.

30

Der Gegenstand des Rechtsstreits ist der gleiche geblieben wie der des erstinstanzlichen Urteils. Die dort vorgenommene Streitwertfestsetzung (2.871,00 DM) behält gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG somit auch für das Berufungsverfahren Gültigkeit.

31

Gesetzliche Gründe (§ 72 Abs. 2 ArbGG), die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

32

Gegen dieses Urteil findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht nicht statt.

33

Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72 a ArbGG wird hingewiesen.