Amtsgericht Osnabrück
Urt. v. 29.06.2004, Az.: 48 C 161/03 (XXIII)

"Vereinbarung" von Kündigungsfristen durch Formularklauseln; Geltung von Art. 229 § 3 X Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) für bis zum 31.12.2002 ausgesprochene Kündigungen

Bibliographie

Gericht
AG Osnabrück
Datum
29.06.2004
Aktenzeichen
48 C 161/03 (XXIII)
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 33012
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGOSNAB:2004:0629.48C161.03XXIII.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
LG Osnabrück - 19.11.2004 - AZ: 12 S 515/04

Fundstelle

  • WuM 2004, 498 (red. Leitsatz)

In dem Rechtsstreit
hat das Amtsgericht Osnabrück
ohne mündliche Verhandlung
durch
die Richterin am Amtsgericht ...
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Die Klage wird abgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

  3. 3.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger verlangt restlichen Mietzins und Schadensersatz wegen unterlassener Schönheitsreparaturen nach beendetem Mietverhältnis.

2

Durch schriftlichen Mietvertrag vom 01.02.1997 mietete die Beklagte von dem Kläger eine Wohnung im Obergeschoss des Hauses Maximilian-Kolbe-Straße 5 in 49134 Wallenhorst mit Wirkung zum 01.02.1997. Zu diesem Zeitpunkt war die Wohnung unrenoviert. Der zuletzt vertraglich geschuldete Mietzins beträgt monatlich 437,15 EUR zuzüglich Nebenkosten in Höhe von 51,80 EUR. Nach § 11 Nr. 1 des Formularvertrages war der Mieter zur Durchführung der Schönheitsreparaturen auf eigene Kosten verpflichtet. Wenn bei Beendigung des Mietverhältnisses Schönheitsreparaturen nach Fristenplan noch nicht fällig waren, sollten gemäß § 11 Nr. 3 die Schönheitsreparaturen anteilig nach dem Grad der Abnutzung ausgeführt werden, oder - nach Wahl des Vermieters - der Mieter einen Anteil der Kosten tragen, die eine im Falle des vollen Fristenablaufs bei Ende des Mietverhältnisses durchzuführende Schönheitsreparatur verursachen würde.

3

In Ziffer 2 des Vertrages war entsprechend dem Gesetzestext des § 565 Abs. 2 BGB a.F. vereinbart, dass jede der Parteien den Vertrag spätestens am 3. Werktag eines Kalendermonats für den letzten Tag des übernächsten Kalendermonats kündigen durfte. Nach 5, 8 und 10 Jahren seit Überlassung des Wohnraums sollte sich die Kündigungsfrist um jeweils 3 Monate verlängern.

4

Mit Schreiben vom 29.04.2003 kündigte die Beklagte das Mietverhältnis zum 31.07.2003.

5

Der Kläger verlangt Zahlung des Mietzinses für die Monate August bis Oktober 2003 in Höhe von 1.466,85 EUR. Er meint, die Kündigung habe das Mietverhältnis erst mit Wirkung zum 31.10.2003 beenden können. Die Kündigungsregelung des § 573 c Abs. 4 BGB n.F. sei gemäß Artikel 229 § 3 EGBGB nicht anzuwenden.

6

Der Kläger verlangt weiterhin Ersatz für das Streichen von 7 Türzargen, die unstreitig zuletzt 1 Jahr nach Einzug der Beklagten gestrichen worden sind, in Höhe von insgesamt 140,00 EUR.

7

Der Kläger beantragt,

  1. 1.

    die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger und Ilona Bockstette, Beethovenstraße 3, 49134 Wallenhorst, 1.466,85 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus 488,95 EUR jeweils seit dem 05.08.2003, 05.09.2003 sowie 05.10.2003 zuzahlen,

  2. 2.

    die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger und Ilona Beckstette, Beethovenstraße 3, 49134 Wallenhorst, 140,00 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hierauf seit dem 18.09.2003 zu zahlen.

8

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

9

Sie meint, die Kündigung sei zum 31.07.2003 wirksam geworden. Die Beklagte hält die Überleitungsvorschrift des Artikel 229 § 3 X EGBGB für nicht anwendbar, weil diese nur für bis 31.12.2002 ausgesprochene Kündigungen gelte.

10

Wegen des weiter gehenden Vorbringens der Parteien wird auf die jeweils gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

11

Die Klage ist unbegründet.

12

Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf restlichen Mietzins für die Monate August bis Oktober 2003 in Höhe von 1.466,85 EUR gemäß § 535 Abs. 2 BGB in Verbindung mit dem Mietvertrag nicht zu.

13

Die Kündigung der Beklagten vom 29.04.2003 beendete das Mietverhältnis gemäß § 573 c Abs. 1, 4 BGB bereits zum 31.07.2003. Gemäß § 573 c Abs. 1 BGB ist die Kündigung spätestens am 3. Werktag eines Kalendermonats zum Ablauf des übernächsten Monats zulässig. Es ist davon auszugehen, dass die Kündigung vom 29.04.2003 der Beklagten nach dem regelmäßigen Lauf des Postbetriebes spätestens am 3. Werktag des Monats

14

Mai 2003 zugegangen ist, sodass sie gemäß § 573 c Abs. 1 BGB zum 31.07.2003 wirksam wurde. Die entgegenstehende Regelung in § 2 des Mietvertrages, wonach sich die Kündigungsfrist nach Ablauf von 5 Jahren seit Übergabe der Wohnung um weitere 3 Monate verlängert, ist gemäß § 573 c Abs. 4 BGB unwirksam, weil es sich um eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung handelt.

15

Der Anwendung des § 573 c Abs. 4 BGB steht Artikel 229 § 3 X EGBGB nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift findet § 573 c Abs. 4 BGB keine Anwendung - d.h. eine Abweichung zum Nachteil des Mieters wäre möglich -, wenn die Kündigungsfristen vor dem 01.09.2001 durch Vertrag verlängert worden sind. Zwar sind diese Voraussetzungen vorliegend gegeben. Nach der Rechtsprechung des BGH (u.a. Urteil vom 18.06.2003, NJW 2003 2739 ff.) gelten als "Vereinbarung" in diesem Sinne auch Formularklauseln wie die hier in § 2 des Mietvertrages, die nur die damalige gesetzliche Regelung des § 565 Abs. 2 BGB a.F. sinngemäß wiedergeben. Artikel 229 § 3 X EGBGB gilt aber nur für Kündigungen, die bis zum 31.12.2002 ausgesprochen worden sind. Dies folgt aus der Überleitungsvorschrift zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz des Artikel 229 § 5 Satz 2 EGBGB, wonach für Dauerschuldverhältnisse ab 01.01.2003 das BGB in der dann geltenden Fassung anzuwenden ist. Mietverträge sind aber Schuldverhältnisse im Sinne des Artikel 229 § 5 Satz 2 EGBGB (Palandt, BGB, 62. Auflage, Artikel 229 § 5 EGBGB Rdn. 7; Staudinger/Löbisch, BGB, Neubearbeitung 2003, Artikel 229 § 5 Rdn. 41; Schmidt-Kessel, NJW 2003, 3749 [LG Hamburg 08.07.2003 - 316 S 43/03]) und werden von dieser Regelung erfasst. Artikel 229 § 3 X EGBGB ist insoweit nicht lexspezialis und geht der Regelung in Artikel 229 § 5 Satz 2 EGBGB nicht vor. Der Gesetzgeber hat vielmehr in Kenntnis der Übergangsregelungen zum Mietrechtsreformgesetz nachträglich in Artikel 229 § 5 Satz 2 EGBGB eine Regelung speziell für Dauerschuldverhältnisse getroffen, die gegenüber Artikel 229 § 3 X EGBGB vorrangig ist. Dem entspricht der Vereinheitlichungszweck des Artikel 229 § 5 Satz 2 EGBGB, der vermeiden soll, dass über Jahre hinaus doppeltes Recht gilt (vgl. Schmidt-Kessel, a.a.O.).

16

Da die Kündigung vorliegend nach dem 01.01.2003 ausgesprochen wurde, ist demnach das aktuelle Recht des § 573 c IV anzuwenden mit der Folge, dass die Bestimmung in § 2 des Mietvertrages unwirksam ist und das Mietverhältnis in Anwendung des § 573 c Abs. 1 BGB bereits zum 31.07.2003 beendet wurde.

17

Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass der Kläger die Kündigung zum 31.07.2003 angesichts des Übergabeprotokolls vom 26.07.2003 offenbar auch akzeptiert hat und insoweit auch von einer einvernehmlichen Mietaufhebung zum 31.07.2003 auszugehen ist.

18

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 140,00 EUR wegen unterlassener Schönheitsreparaturen gemäß § 11 Ziffer 3 des Mietvertrages. Nach dieser Regelung steht dem Kläger ein Wahlrecht auf Erstattung eines Kostenanteils für Renovierungskosten nur zu, wenn bei Ende des Mietverhältnisses Schönheitsreparaturen nach dem in Ziffer 2 genannten Fristenplan noch nicht fällig sind. Daran fehlt es vorliegend. Nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten sind die Türzargen ca. 1 Jahr nach ihrem Einzug, der im Februar 1997 erfolgte, gestrichen worden, sodass bei Auszug Ende Juli 2003 nach 5 Jahren bereits ein Erfüllungsanspruch auf Erledigung der Arbeiten bestand. Dieser Erfüllungsanspruch kann nur unter den Voraussetzungen des § 281 BGB, d.h. nach Setzen einer angemessenen Frist zur Bewirkung der Leistung, geltend gemacht werden. Eine solche Frist hat der Kläger der Beklagten nicht gesetzt. Sie war auch nicht gemäß § 281 Abs. 2 BGB wegen ernsthafter und endgültiger Leistungsverweigerung ausnahmsweise entbehrlich. Die Tatsache, dass die Beklagte bei Wohnungsübergabe am 26.07.2003 die Meinung geäußert hat, sie sei zum Streichen der Türzargen nicht verpflichtet, ist für eine endgültige und ernsthafte Erfüllungsverweigerung im Sinne des § 281 BGB nicht ausreichend. Solche Äußerungen können im Einzelfall eine endgültige Ablehnung darstellen. Vorliegend ist aber nicht einmal ersichtlich, dass der Kläger die Beklagte konkret zur Leistung aufgefordert hat. Deshalb kann auch nicht angenommen werden, dass die Beklagte, sozusagen als ihr letztes Wort, die Erfüllung endgültig abgelehnt hat.

19

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr. 11,711 Satz 2 ZPO.