Amtsgericht Osnabrück
Urt. v. 17.02.2004, Az.: 5 S 68/03 (9)

Erstattung von Mietwagenkosten nach einem Verkehrsunfall; Anmietung eines Ersatzfahrzeugs zu einem Unfall-Ersatzwagen-Tarif; Verpflichtung zum Vergleich von Angeboten; Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht

Bibliographie

Gericht
AG Osnabrück
Datum
17.02.2004
Aktenzeichen
5 S 68/03 (9)
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 33719
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGOSNAB:2004:0217.5S68.03.9.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Osnabrück - 15.01.2003 - AZ: 47 C 253/02 (XXXII)

Verfahrensgegenstand

Schadensersatz

In dem Rechtsstreit
wegen Schadensersatzes
hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht ... als Einzelrichter
auf die mündliche Verhandlung vom 17. Februar 2004
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 15. Januar 2003 verkündete Urteil des Amtsgerichts Osnabrück geändert.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, dem Kläger weitere 259,--EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24. September 2002 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 259,- EUR

Gründe

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I.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§540, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen, weil die Revision mangels Zulassung und die Nichtzulassungsbeschwerde mangels Erreichens des nach § 26 Nr. 8 EGZPÖ erforderlichen Beschwerdewerts unzweifelhaft nicht zulässig sind (§§ 543, 544 ZPÖ).

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II.

Die Berufung ist begründet.

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Der Kläger hat Anspruch auf Ersatz der restlichen geltend gemachten Mietwagenkosten von 259,- EUR.

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Er hat von einer Schiermeier Autohaus GmbH & Co, KG, Osnabrück, für 4 Tage ein Ersatzfahrzeug zum Preis von 609,- EUR angemietet (täglich 131,25 EUR zuzügl. MWSt). Die Beklagten haben 350,- EUR (pro Tag also 87,50 EUR) erstattet. Sie machen geltend, der Kläger habe den Ersatzwagen nicht zum weit überhöhten Unfallersatztarif anmieten dürfen, sondern einen günstigeren Tarif wählen müssen. Das Amtsgericht hat ausgeführt, der Kläger habe das Fahrzeug nur zu dem von dem Autohaus Schiermeier angebotenen Normaltarif von täglich 49,- EUR anmieten dürfen; er habe nicht den erstbesten Unfalltarif wählen dürfen, sondern einen günstigen Tarif.

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Die Beklagten haben keine konkreten Tatsachen dargelegt, aus denen sich die Unwirtschaftlichkeit der Abrechnung und damit ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht ergibt. Vielmehr entspricht die Abrechnung der

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Mietwagenkosten noch dem Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 249 Abs. 2 S. 1 n.F. BGB, Grundanliegen dieser Vorschrift ist, dass dem Geschädigten bei - wie hier - voller Haftung des Schädigers ein möglichst vollständiger Schadensausgleich zukommen soll (BGH, NZV 03, 372, 373). Allerdings ist der Geschädigte gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Bei der Prüfung, ob sich der Aufwand zur Schadensbehebung in vernünftigen Grenzen hält, ist eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen. Dabei ist Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten zu nehmen, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten (BGH, a.a.O.). Kann der Geschädigte mühelos eine ohne weiteres zugängliche günstigere und gleichwertige Art der Schadensbehebung wählen, so muss er sich auf diese verweisen lassen. Die Schadensbehebung in eigener Regie (§ 249 Abs. 2 S. 1 n.F. BGB) verpflichtet ihn indes in der Regel nicht dazu, erhebliche eigene Initiative zu entfalten, etwa besondere Erkundigungen einzuziehen oder Preisangebote einzuholen (BGH, a.a.O.). Bei dem Autohaus Schiermeier handelt es sich, wie gerichtsbekannt ist, um einen seit Jahrzehnten am Ort ansässigen Opel-Vertragshändler mit angeschlossener Kraftfahrzeugwerkstatt. Wenn der Kläger dort, wie er unwidersprochen vorgetragen hat, Stammkunde ist und Inspektionen und Reparaturen seines Opel-Fahrzeugs hat durchführen lassen, so kann nicht beanstandet werden, wenn er vorzugsweise auf Mietwagenangebote des ihm vertrauten Autohauses zurückgreift (vgl. OLG Düsseldorf, NZV 00, 366, 368). Jedenfalls unter solchen Umständen braucht der Geschädigte weder Konkurrenzangebote einzuholen noch sich nach alternativen Tarifen zu erkundigen. Anders kann es liegen, wenn der Geschädigte mit den Gepflogenheiten auf dem Mietwagenmarkt und damit vertraut ist, dass Autovermieter eine Vielzahl unterschiedlicher Tarife anbieten. Dafür besteht hier aber kein Anhaltspunkt; die Beklagten haben einen solchen auch nicht aufgezeigt. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Mietwagensätze des Autohauses Schiermeier außerhalb des Üblichen liegen und das für den Kläger ohne weiteres erkennbar war. Die vom Kläger vorgelegten Unterlagen über Tarife anderer Mietwagenanbieter in Osnabrück und Umgebung (Bi. 47 - 53 d.A.) ergeben, was den Unfall-Ersatzwagen-Tarif anlangt, gleiche Preise; insoweit besteht auch kein Streit.

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Wird dem Geschädigten von dem ihm vertrauten Autohaus die Anmietung zum Unfall-Ersatzwagen-Tarif angeboten, so ist er in der Annahme schutzwürdig, dieser Tarif sei auf seine konkrete Situation und seine speziellen Bedürfnisse nach einem Verkehrsunfall besonders zugeschnitten und für ihn ohne eigenes finanzielles Risiko (OLG Düsseldorf, a.a.O. 367, 368). Er muss deswegen weder das preisgünstigste Mietwagenunternehmen ausfindig machen noch sonst nach günstigeren Sondertarifen suchen, zumal einem Geschädigten die Vielzahl verschiedener Tarife und deren Unterschiede zu dem ihm als für seine Verhältnisse passend angebotenen Unfall-Ersatzwagen-Tarif im Allgemeinen nicht bekannt sind (BGH, NJW 96, 1958, 1959). Deshalb verstößt der Geschädigte im Regelfall -. wie hier - nicht gegen seine Schadensminderungspflicht, wenn er das Ersatzfahrzeug zu einem Unfall-Ersatzwagen-Tarif anmietet (BGH, a.a.O.; ausdrücklich bestätigt in BGH, NZV 03, 372, 373; NJW 99, 279, 280, 282; ebenso OLG Düsseldorf, NZV 00, 366, 367; Geigel/Rixecker, Der Haftpflichtprozess, 24. Aufl. 2004, Kap. 3 RN 75; a.M. Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Aufl. 2004, § 249 RN 31). Ausnahmen hiervon gelten etwa, wenn besonders hohe Kosten zu erwarten sind öder eine Urlaubsreise bevorsteht (vgl. Rixecker, a.a.O. RN 76). Vorliegend ist für einen Ausnahmefall nichts ersichtlich.

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Unterlässt es ein Autovermieter vertragswidrig, den Geschädigten auf günstigere Tarife hinzuweisen, die der Geschädigte etwa dann in Anspruch nehmen kann, wenn er im Voraus bezahlt oder Ersatzansprüche zur Sicherheit abtritt, so kann sich der Haftpflichtversicherer des Schädigers Ersatzansprüche des Geschädigten gegen den Autovermieter abtreten lassen (BGH, NJW 96, 1958, 1959; NJW 96, 1965, 1966; Rixecker, a.a.O. RN 77).

9

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf entsprechender Anwendung des § 708 Nr. 10 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO), weil die Rechtslage durch die angeführten Entscheidungen des BGH hinreichend geklärt ist.

Streitwertbeschluss:

Streitwert des Berufungsverfahrens: 259,- EUR

Dr. Krämer