Vergabekammer Hannover
Beschl. v. 05.07.2002, Az.: VgK 4/02

Wertung von Wahlpositionen; Möglichkeit der Wertung eines unvollständigen Hauptangebotes

Bibliographie

Gericht
VK Hannover
Datum
05.07.2002
Aktenzeichen
VgK 4/02
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2002, 29466
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgegenstand

Ausschreibung und Vergabe der Lieferung und Montage von zwei Aufzugsanlagen
Vergabe-Nr.: xxxxxx

In dem Nachprüfungsverfahren
hat die Vergabekammer bei der Oberfinanzdirektion Hannover
auf Grund der mündlichen Verhandlung
am 03. Juli 2002
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Der Nachprüfungsantrag vom 24. Mai 2002 ist zulässig und begründet.

  2. 2.

    Dem Antragsgegner wird aufgegeben eine erneute Wertung unter dem Ausschluss des Angebotes der Beigeladenen vorzunehmen.

  3. 3.

    Die Kosten des Verfahrens gehen zu Lasten des Antragsgegners.

Tatbestand

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I. Tatbestand

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Die Antragstellerin hat im Rahmen eines EU-Offenen Verfahrens nach den Bestimmungen der VOB Teil A Abschn. 2 (EG-Baukoordinierungsrichtlinie) für den Neubau des xxx ein Angebot für die Lieferung und die Montage von zwei Aufzugsanlagen abgegeben. Ausschreibende Stelle und Auftraggeber war das Staatliche Baumanagement (SB) xxx. In den Vergabeunterlagen hatte der Auftraggeber als Nachprüfungsstelle (gem. § 104 GWB) die Vergabekammer bei der Oberfinanzdirektion Hannover angegeben.

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Der Eröffnungstermin für diese Ausschreibung fand am 30. April 2002 im SB xxx statt. Aus der Verdingungsniederschrift geht hervor, dass die Antragstellerin nach den verlesenen Angebotssummen an erster Stelle gelegen hat.

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Die Angebotsprüfung und -wertung wurde vom Antragsgegner durchgeführt und hatte zum Ergebnis, dass das Angebot der Beigeladenen das wirtschaftlichste nach den Bestimmungen der VOB Teil A § 25 war. Mit Schreiben vom 13. Mai 2002 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin gemäß § 13 Vergabeverordnung (VgV) mit, dass ihr Angebot nicht berücksichtigt werden soll und er beabsichtige, den Zuschlag am 28.05.2002 auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen.

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Die Antragstellerin hat mit Schreiben vom 14. Mai 2002 bei der Vergabestelle die Rüge erhoben. Die vergebende Stelle hat der Rüge nicht abgeholfen. Die Antragstellerin hat den Nachprüfungsantrag mit Schreiben vom 24. Mai 2002 bei der Vergabekammer gestellt. Der Antrag wurde der vergebenden Stelle am 27. Mai 2002 zugestellt.

Entscheidungsgründe

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II. Entscheidungsgründe

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Der Antragstellerin wurde vom Antragsgegner mit Schreiben vom 13. Mai 2002 mitgeteilt, dass er sich nach wirtschaftlicher Prüfung der Angebote entschieden habe, den zweiten Aufzug nicht als Hydraulikaufzug, sondern als Seilaufzug ohne Maschinenraum entsprechend Alternativposition 1.3.30 auszuführen. Diese Variante stelle die kostengünstigste Lösung dar.

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Mit der Pos. 1.3.20 war als (Grund-) Position ein Hydraulikaufzug mit unten liegendem Maschinenraum anzubieten. Alternativ zu dieser Position war mit der Wahlposition 1.3.30 anstatt des Hydraulikaufzuges ein Seilaufzug ohne Aufzugsmaschinenraum anzubieten.

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Die Wertung von Wahlpositionen ist bereits im Grundsatz problematisch. Regelmäßig sind die Grundpositionen zur Wertung heranzuziehen. Sie ergeben die Bieterreihenfolge. Der Auftraggeber hat jedoch das Recht die Wahlposition zu beauftragen. Damit kann nicht nur die Auftragssumme wesentlich von der Wertungssumme abweichen, sondern auch die "Bieterreihenfolge" nunmehr der ursprünglichen Wertungsreihenfolge nicht mehr entsprechen. Um der damit möglichen Manipulation nicht Tür und Tor zu öffnen, muss die Ausschreibung von Wahlpositionen Ausnahme bleiben oder, wie von der Literatur gefordert, nur untergeordnete Positionen betreffen. Im vorliegenden Fall hat sie nach Überzeugung der Kammer jedoch ihren Sinn. In das Bauwerk hätten beide Alternativen eingebaut werden können. Eine Manipulationsmöglichkeit ergibt sich daher nicht.

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Vielmehr hat die Überprüfung des Vergabeverfahrens durch die Vergabekammer ergeben, dass das Angebot der Beigeladenen unvollständig ist. Die Beigeladene hat die Leistungen der (Grund-) Position 1 .3. 20 nicht angeboten. An Stelle des EP hat sie in das LV "kein Angebot" eingetragen. Das unvollständige Hauptangebot der Beigeladenen kann nicht gewertet werden, weil die Grundposition im Gegensatz zu Alternativpositionen- unbedingt in die Wertung einbezogen werden muss.

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Die Beigeladene hat auch kein Nebenangebot abgegeben, das berücksichtigt werden könnte. An Form und Kennzeichnung von Nebenangeboten und Änderungsvorschlägen werden nach den Bestimmungen der VOB/A § 21 Nr. 3 und den Bewerbungsbedingungen - EVM (B) BwB/E - Nr. 4 besondere Anforderungen gestellt, damit diese für den Verhandlungsleiter im Eröffnungstermin sicher zu erkennen sind. Im vorliegenden Fall hat die Beigeladene diese Vorgaben offensichtlich nicht eingehalten. Somit hat die Beigeladene gravierend gegen Formvorschriften verstoßen, die für Nebenangebote gelten.

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Das Angebot der Beigeladenen kann deshalb weder als Hauptangebot noch als Nebenangebot gewertet werden.

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Dem Antragsgegner wird aufgegeben, eine erneute Wertung unter dem Ausschluss des Angebotes der Beigeladenen vorzunehmen.

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III. Kosten Die Kostentragungspflicht fällt auf den Antragsgegner, der jedoch nach § 2 Abs.1 Nr.2 Nds. Verwaltungskostengesetz (NVerwKostG) von der Gebühr befreit ist.

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Der Vorschuss in Höhe von xxx EUR ist zurück zu zahlen.

16

Die Antragstellerin hat mit ihrem Antrag Erfolg, so dass ihr die zur zweckensprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu ersetzen sind.

17

Der Streitwert wird nach § 12a Gerichtskostengesetz (GKG) auf 5 % der Auftragsumme von xxx EUR auf xxx EUR festgesetzt.

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IV. Rechtsbehelf Die Beigeladene wurde darauf hingewiesen, dass gegen diesen Beschluss gem. §§ 116, 117 GWB beim Oberlandesgericht Celle die sofortige Beschwerde zulässig ist.

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Der Vertreter der Beigeladenen hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass die Beigeladene darauf verzichtet, Beschwerde gegen den Beschluss einzulegen.

Wesemann
Engling
Spennes