Vergabekammer Hannover
Beschl. v. 05.07.2002, Az.: VgK 3/02
Wertung eines Angebotes als Hauptangebot, sofern eine andere Art der Ausführung angeboten wird als im Leistungsverzeichnis beschrieben wird; Möglichkeit der Wertung eines Angebotes, sofern es nicht richtig bezeichnet wurde
Bibliographie
- Gericht
- VK Hannover
- Datum
- 05.07.2002
- Aktenzeichen
- VgK 3/02
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2002, 29465
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 21 Nr. 2 VOB/A
- § 21 Nr. 3 S. 2 VOB/A
- § 25 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A
- § 25 Nr. 4, 5 VOB/A
Verfahrensgegenstand
Neubau einer Mensa
Ausschreibung und Vergabe der Metalltüren und Trennwände für Großküchen
Vergabe-Nr.: xxx
In dem Nachprüfungsverfahren
hat die Vergabekammer bei der Oberfinanzdirektion Hannover
auf Grund der mündlichen Verhandlung
am 26. Juni 2002
folgenden Beschluss gefasst:
Tenor:
- 1.
Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin vom 04. April 2002 ist zulässig und begründet.
- 2.
Der Zuschlag ist auf das Angebot der Antragstellerin zu erteilen.
- 3.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.
Tatbestand
Die Antragstellerin hat im Rahmen eines EU-Offenen Verfahrens nach den Bestimmungen der VOB Teil A Abschn. 2 (EG-Baukoordinierungsrichtlinie) für den Neubau einer Mensa ein Angebot für den Einbau von Metalltüren und Trennwänden für die Großküche abgegeben. Ausschreibende Stelle und Auftraggeber war das Staatliche Baumanagement (SB) xxx. In den Vergabeunterlagen hatte der Auftraggeber als Nachprüfungsstelle (gem. § 104 GWB) die Vergabekammer bei der Oberfinanzdirektion Hannover angegeben.
Der Eröffnungstermin für diese Ausschreibung fand am 12. März 2002 im SB xxx statt. Aus der Verdingungsniederschrift geht hervor, dass die Antragstellerin nach den verlesenen Angebotssummen an zweiter Stelle gelegen hat.
Die Angebotsprüfung und -wertung wurde vom Antragsgegner durchgeführt und hatte zum Ergebnis, dass das Angebot der Beigeladenen das wirtschaftlichste nach § 25 VOB/A war. Mit Schreiben vom 15. März 2002 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin gemäss § 13 Vergabeverordnung (VgV) mit, dass ihr Angebot nicht berücksichtigt werden soll und er beabsichtige, den Zuschlag am 15. April 2002 auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen.
Die Antragstellerin hat mit Schreiben vom 04. April 2002 die Rüge bei der vorgesetzten Dienststelle der vergebenden Stelle erhoben. Die vergebende Stelle hat der Rüge nicht abgeholfen. Die Antragstellerin hat den Antrag -gleich lautend mit ihrem Schreiben vom 04. April 2002- am 15. Mai 2002 bei der Vergabekammer erhoben. Der Antrag wurde der vergebenden Stelle am 16. Mai 2002 zugestellt. Der Auftrag war bis dahin nicht vergeben worden.
Entscheidungsgründe
Die Antragstellerin hat im Anschreiben zu ihrem Angebot vom 11. März 2002 darauf hingewiesen, dass sie die Positionen 1.2.41 und 1.2.42 beschriebenen Drehflügeltüren als zweiflügelige Türen angeboten habe, da die ausgeschriebenen Breiten einflügelig nicht mit den geforderten Zulassungsnachweisen lieferbar seien.
Auf Nachfrage des Antragsgegners bei der Beigeladenen wurde versichert, dem LV entsprechende Nachweise für einflügelige Türen liefern zu können.
Die dann von ihr zur Aufklärung des Angebotsinhalts eingereichten Nachweise bestehen aus Unterlagen ihres Händlers Teckentrup. Diese Unterlagen beschreiben einflügelige feuerbeständige Stahlschiebetore T 90-1 , Fabrikat "Teckentrup E". Diese angebotenen Tore entsprechen jedoch nicht den Anforderungen der Leistungsbeschreibung, nach der eindeutig Drehflügeltüren anzubieten waren. Wegen dieser Abweichung hätte der Antragsgegner das Angebot der Beigeladenen hinsichtlich der Abweichung von der ausgeschriebenen technischen Spezifikation nach § 21 Nr.2 i.V.m. § 25 Nr.4 VOB/A prüfen müssen.
Nach den Feststellungen der Vergabekammer hat die Beigeladene eine Leistung angeboten, die von der vorgesehenen technischen Spezifikation (Schiebetür statt Drehtür) deutlich abweicht. Die Beigeladene hat eine andere Türausführung angeboten. Die Abweichung übersteigt bei weitem die oben genannte Abweichung von der ausgeschriebenen technischen Spezifikation. Eine Schiebetür erfüllt die geforderten Merkmale wie der dreiseitig umlaufende Falz, die Montage an einer Eckzarge und die Befestigung an dreiteiligen Bändern sowie der übrigen unter Beschlägen aufgeführten Merkmale nicht. Der Text des Leistungsverzeichnisses lässt nur eine Ausführung als Drehtür zu.
Das Angebot der Beigeladenen kann mithin nicht als Hauptangebot gewertet werden.
Angebote, die wie im vorliegenden Fall eine andere Art der Ausführung anbieten, sind als Nebenangebote nach § 25 Nr.5 VOB/A zu werten, es sei denn, sie werden von der vergebenden Stelle durch entsprechenden Hinweis ausgeschlossen. Auch wenn sie wie im vorliegenden Fall ausdrücklich zugelassen sind, sind sie nur zu werten, wenn sie die Formalien des § 21 Nr.3 VOB/A erfüllen. Die Beigeladene hat ihr Nebenangebot nicht so eindeutig bezeichnet, wie es nach § 21 Nr. 3 Satz 2 VOB/A sowie in den Verdingungsunterlagen (Angebotsschreiben EVM (B) Ang) erforderlich ist. Wegen dieses gravierenden formalen Verstoßes kann das Angebot der Beigeladenen nicht gewertet werden.
Das in der Verhandlung von der Beigeladenen mündlich vorgetragene Angebot, auch Drehtüren mit noch zu beschaffenden Einzelzulassungen zum angeboten Einheitspreis liefern können, ist zurückzuweisen, weil die noch zu beschaffenden Einzelzulassungen für die vergebende Stelle ein unkalkulierbares Risiko darstellen. Im Übrigen besteht die Vermutung, dass der Angebotspreis durch die nicht unerheblichen Kosten der Einzelprüfung unangemessen niedrig im Sinn des § 25 Nr.3 Abs1 VOB/A ist und der Zuschlag darauf nicht erteilt werden darf.
Der Zuschlag ist auf das Angebot der Antragstellerin zu erteilen.
Die Antragstellerin bietet zwar auch keine der geforderten einflügligen Drehtüren an, sondern nach Hinweis im Anschreiben zum Angebot zweiflüglige Drehtüren. Diese Türen erfüllen die formalen und der materiellen Voraussetzungen einer Abweichung von der geforderten technischen Spezifikation des § 21 Nr.2 VOB/A. Eine zweiflüglige Drehtür ist nach Überzeugung der Kammer hinsichtlich des geforderten Schutzniveaus in Bezug auf die Sicherheit, Gesundheit und Gebrauchstauglichkeit einer einflügligen Drehtür gleichwertig. Die Abweichung war deutlich bezeichnet. Das Angebot der Antragstellerin ist geeignet und nach der Nachrechnung das zweitmindestfordernde, so dass darauf der Zuschlag zu erteilen ist.
Kosten
Die Kostentragungspflicht fällt auf den Antragsgegner, der jedoch nach § 2 Abs.1 Nr.2 Nds. Verwaltungskostengesetz (NVerwkostG) von der Gebühr befreit ist.
Der Vorschuss in Höhe von xxx EUR ist zurück zu zahlen.
Die Antragstellerin hat mit ihrem Antrag Erfolg, so dass ihr die zur zweckensprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu ersetzen sind.
Streitwertbeschluss:
Der Streitwert wird nach § 12a Gerichtskostengesetz (GKG) auf 5 % der Auftragsumme zu xxx EUR festgesetzt.