Vergabekammer Hannover
Beschl. v. 06.09.2002, Az.: 26045 - VgK 11/2002
Nachprüfungsantrag eines nicht in allen Teilen den Bedingungen der Ausschreibung entsprechenden Angebots; Ausschluss eines Angebots wegen einer nach Ablauf der Angebotsfrist vorgenommenen Fabrikatsänderung bei WC-Becken; Dadurch bedingte Überschreitung der Verhandlungsmöglichkeiten einer Vergabestelle und Verletzung der Rechte der Mitbietenden
Bibliographie
- Gericht
- VK Hannover
- Datum
- 06.09.2002
- Aktenzeichen
- 26045 - VgK 11/2002
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2002, 29470
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 9 Nr.1 VOB/A
- § 21 Nr.1 Abs.2 VOB/A
- § 24 Nr. 3 VOB/A
- § 97 Abs. 7 GWB
Verfahrensgegenstand
Vergabe der Sanitärtechnischen Anlagen - Los H3 - für den Neubau xxx - Vergabe-Nr.: xxx -
Im Nachprüfungsverfahren
hat die Vergabekammer bei der Oberfinanzdirektion Hannover
durch
den Vorsitzenden Wesemann,
die hauptamtliche Beisitzerin Stolte und
dem ehrenamtlichen Beisitzer Espel,
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Der Nachprüfungsantrag wird abgewiesen.
- 2.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
- 3.
Die Kosten werden auf xxx EUR festgesetzt.
- 4.
Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Beigeladenen war notwendig. Die Antragstellerin wird verpflichtet, der Beigeladenen die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, wenn die Beigeladene dies beantragt.
Gründe
I. Sachverhalt
1.
Für den Neubau xxx wurde die Haustechnik, aufgeteilt in die Lose: Zentrale Wärmeversorgung - Los H 1, Heizungstechnische Anlagen - Los H 2, Sanitärtechnische Anlagen - Los H 3, Raumlufttechnische Anlagen - Los H 4 und Dämmarbeiten - Los H 5, zusammen in einem Offenen Verfahren EU-weit am 29.03.2002 ausgeschrieben. Zum Eröffnungstermin am 16.05.2002 gingen für das verfahrensgegenständliche Los H 3 15 Angebote ein. Die Angebotsprüfung und -wertung erfolgte durch den Ag unter Hinzuziehung der Ingenieurgesellschaft xxx, Hannover. Die Ingenieurgesellschaft hat in ihrem Prüfbericht vom 16.07.2002 vorgeschlagen, der Bg den Auftrag zum Preis von xxx EUR (brutto) zu erteilen. Der Ag ist diesem Vorschlag gefolgt; nach seinem Vergabevermerk - EFB-Verg 6 - vom 06.08.2002 soll der Zuschlag auf das Hauptangebot der Bg erteilt werden, weil es das wirtschaftlichste im Hinblick auf den Preis sei. Die Unterrichtung der Bieter nach § 13 VgV erfolgte mit Informations- und Absageschreiben - EFB (B) Info/ -Abs. EG - vom 29.07.2002. Ein Vertrag mit der Bg ist noch nicht geschlossen worden.
Nach Auffassung des Ag, vgl. handschriftlichen Zusatz des Projektleiters vom 25.07.2002 auf Seite 11 des vorgenannten Prüfberichts vom 16.07.2002, kann das Angebot der ASt gemäß VOB/A § 25 Nr.1 Abs.1 b) i.V.m. § 21 Nr.1 Abs.2 nicht gewertet werden, da es unzulässige Änderungen an den Verdingungsunterlagen enthält, z.B. Veränderungen der Zahlungsbedingungen zum Nachteil des Landes (Verweis auf Anschreiben der ASt). Mit dem Informations- und Absageschreiben vom 29.07.2002 teilt der Ag der ASt entsprechend mit, dass ihr Angebot ausgeschlossen würde, weil es unzulässige Änderungen an den Verdingungsunterlagen enthielte.
2.
Mit Schreiben vom 01.08.2002 - Eingang bei der Vergabekammer am 05.08.2002 - bittet die ASt um Nachprüfung der vom Ag behaupteten Verstöße gegen die Vergabebestimmungen, welche letztlich zum Ausschluss ihres Angebotes geführt hätten. Eine Kopie des Informations- und Absageschreiben vom 29.07.2002 ist beigefügt worden. Der Vorsitzende der VgK weist in einem Telefonat am 05.08.2000 die ASt auf ihre Rügepflicht gegenüber dem Ag hin. Die ASt zieht damit diesen Antrag zurück und rügt mit Schreiben vom 05.08.2002 beim Ag die vorgesehene Vergabe des Auftrags, bittet um Überprüfung der Vorgehensweise und Mitteilung über das Ergebnis bis zum 06.08.2002, 17.00 Uhr. Nachdem der Ag dieser Aufforderung nicht nachgekommen ist und keine weitere Information über die Angebotsprüfung und -wertung sowie seine Entscheidung über die Zuschlagserteilung gegeben hat, hat die ASt mit Schreiben vom 07.08.2002 bei der Vergabekammer der OFD Hannover um Nachprüfung der behaupteten Verstöße gegen die Vergabebestimmungen gebeten. Die Vergabekammer hat den Antrag mit Schreiben vom 09.08.2002 dem Ag zugestellt. Die Bg ist nach Vorlage der Vergabeakten mit Schreiben vom 14.08.2002 beigeladen worden. Die Verfahrensbeteiligten hatten Gelegenheit zur Akteneinsicht. Die mündliche Verhandlung fand am 29.08.2002 statt.
Mit Schreiben vom 20.08.2002 an die Vergabekammer nimmt die ASt nach Akteneinsicht eingehend Stellung und begründet damit ihren Antrag im Einzelnen. Im Wesentlichen führt sie aus, dass
zur Angebotsabgabe aus Gewohnheit ein allgemein übliches Begleitschreiben beigelegt worden sei. Dies würde bereits seit Jahrzehnten so praktiziert und hätte bis dato noch nicht zum Ausschluss ihrer Offerten geführt. Es sei selbstverständlich, dass nur die vom Auftraggeber vorgelegten Vertragsbedingungen bei der Abwicklung des zu vergebenden Auftrages Gültigkeit besäßen. Falls dennoch Zweifel an dem Zustandekommen einer ordentlichen Geschäftsbedingung bestünden, hätte ein kleiner Hinweis genügt, um dieses Missverständnis auszuräumen. Der Ordnung halber würde dieses Schreiben hiermit zurück gezogen und für nichtig erklärt.
die Vorwürfe zur Offenlegung der Kalkulation vollkommen unverständlich seien. Mit Beginn der Prüfung sei der Ingenieurgesellschaft eindeutig zu verstehen gegeben worden, dass die ASt jederzeit zur Offenlegung der Kalkulation zur Verfügung stehe. Für die ASt sei die Notwendigkeit zur Offenlegung der Kalkulation keinesfalls erkennbar gewesen, da die von der Ingenieurgesellschaft angegebene Differenz in Höhe von 2,33 % zum nächsten Bieter wohl kaum Rückschlüsse auf eine ungenügende Kalkulation zuließen. Auch die preisliche Gesamtdifferenz sei innerhalb der marktüblichen Kalkulationsgrenzen angesiedelt.
die Aussagen hinsichtlich der technischen Anforderungen an die angebotenen Ventile fachtechnisch absolut unbegründet seien. Die Angabe zu der gewünschten PTFE-Dichtung könne nicht als Qualitätsbezeichnung für eine vollständige Rotgussarmatur stehen. Im LV hieße es hierzu eindeutig "Gehäuse aus Rotguss"; dieser Aufforderung sei nachgekommen worden. Die ablehnende Haltung gegenüber der angebotenen EPDM-Dichtung sei nicht nachvollziehbar, zumal in einer anderen Position (Pos. 31.42.2180) diese Dichtung sogar Bestandteil der planerischen Vorgaben gewesen seien. Die Aussagen des Planers seien daher nicht eindeutig. Die angebotenen EPDM-Dichtungen seien als qualitativ hochwertiger anzusehen, der Hersteller beabsichtige aus diesem Grund in Zukunft alle Ventile mit diesem Dichtungsmaterial auszustatten. Der vom Planer angeführte Aspekt der Wartung an den Ventilen sei weit hergeholt und als absolut falsch anzusehen, da es sich bei den Ventilen um wartungsfreie Anlagenteile handele. Die ASt verweist hierzu auf die beigefügten Herstellerangaben.
die Vorwürfe hinsichtlich ihrer Eignung seien vollkommen unverständlich. Zur Entkräftung der negativen Beurteilung der Eignung durch die Ingenieurgesellschaft verweist die ASt u.a. auf die in Kopie beigefügten Schreiben der xxx vom 21.08.2002, der xxx vom 21.08.2002 und der xxx vom 22.08.2002. Von der xxx und der xxx wird die Eignung der ASt nicht in Frage gestellt. Die Planungsgruppe VA teilt mit, dass sie bisher keinerlei Projekte mit der ASt durchgeführt habe und somit keine Aussage über deren Leistungsfähigkeit tätigen könne.
Die ASt geht davon aus, die Vorwürfe des Ag lückenlos entkräftet zu haben und beantragt
ihr den Auftrag zu erteilen.
3.
Der Ag hat keine schriftliche Stellungnahme zu dem Nachprüfungsantrag abgegeben. Er bezieht sich in der mündlichen Verhandlung auf seinen Vergabevermerk und den Prüfbericht der Ingenieurgesellschaft vom 16.07.2002. Danach soll das Angebot der ASt in erster Linie wegen der auf der Rückseite des Anschreibens zum Angebot vom 15.05.2002 abgedruckten "Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Bauverträge" nach VOB/A §§ 25 Nr.1 Abs.1 b) i.V.m. 21 Nr.1 Abs.2 ausgeschlossen werden. Diese Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthielten unzulässige Änderungen an den Verdingungsunterlagen, z.B. Veränderung der Zahlungsbedingungen zum Nachteil des Landes Niedersachsen. Wegen der Kürze der Binde- und Zuschlagsfrist sei die Angebotsprüfung und -wertung durch den Ag und die Ingenieurgesellschaft parallel durchgeführt worden, so dass trotz des vorgenannten Ausschlussgrundes von der Ingenieurgesellschaft auch noch eine weiter gehende Prüfung, insbesondere hinsichtlich der Gleichwertigkeit der angebotenen Produkte sowie der Kalkulationsansätze und der Eignung des Bieters, durchgeführt worden sei. Letztlich seien jedoch die Feststellung der Ingenieurgesellschaft zu diesen Punkten nachrangig zu betrachten, da bereits der vorgenannte Ausschlussgrund hinsichtlich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausreichend gewesen sei. Darum seien von ihm die Angaben der Ingenieurgesellschaft, z.B. zur Eignung, Gleichwertigkeit der Produkte und fehlende Angaben zur Kalkulation, nicht weiter überprüft worden.
Die Ag beantragt
die Zurückweisung des Nachprüfungsantrags.
4.
Die Bg trägt mit Schriftsatz vom 28.08.2002 im wesentlichen vor, dass
den Anforderungen nach § 108 Abs.2 GWB nicht Genüge getan worden sei; es fehle die Begründung des Nachprüfungsantrags.
die ASt in erster Linie zu Recht ausgeschlossen worden sei, weil sie unzulässige Änderungen an den Verdingungsunterlagen vorgenommen habe. Dies räume sie mit Schriftsatz vom 20.08.2002 auch ein. Das besagte Begleitschreiben trage am Fuß den Aufdruck "Es gelten unsere umseitigen Lieferungs- und Zahlungsbedingungen". Auf der Rückseite seien die Lieferungs- und Zahlungsbedingungen der ASt abgedruckt. Diese wichen von den Regelungen der VOB/B in einer für die Vergabestelle nicht zumutbaren Weise ab; es gelte insbesondere für Abschnitte IV - Zahlungen, VI - vereinbarter Eigentumsvorbehalt und VII - Abnahme u. Gefahrenübergang. Der Ausschluss der ASt sei bereits aus diesem Grund gerechtfertigt. Die Erklärung der ASt in ihrem Schreiben vom 20.08.2002 hinsichtlich der Zurückziehung dieser Allgemeinen Geschäftsbedingungen könne nicht gehört werden. Unzulässige Änderungen an den Verdingungsunterlagen fordern nach § 25 Nr.1 Abs.1 b) i.V.m. § 21 Nr.1 Abs.2 VOB/A einen Ausschluss des Angebotes. Eine Rückgängigmachung von Änderungen nach dem Eröffnungstermin verstoße gegen § 24 Nr.3 VOB/A und dürfe daher bei der Angebotswertung nicht berücksichtigt werden. Dies ergäbe sich unter anderem daraus, dass der Wettbewerb mit der Eröffnung des ersten Angebotes im Eröffnungstermin abgeschlossen sei und sein Ergebnis nicht mehr verändert werden dürfe. Auch eine Wertung des Angebotes der ASt als Nebenangebot käme nur in Betracht, wenn die Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Auftraggeber akzeptabel seien und nicht unzulässigerweise von der VOB/B abwichen.
die ASt nicht, wie mit der Leistungsbeschreibung gefordert, WC's mit geschlossenem Spülrand angeboten habe (Verweis auf Prüfvermerk Ingenieurgesellschaft vom 16.07.2002 zu Nr. 2.3.1.2, Seite 6, 3.Abs.). Erst nach Eröffnung habe die ASt - mit Schreiben vom 10.06.2002 - WC's mit geschlossenem Spülrand angeboten. Dieses Angebot dürfe nicht mehr gewertet werden, weil es nach der Submission erfolgt sei. Es sei darauf hinzuweisen, dass es sich um 600 WC's zu einem Einzelpreis von rd. xxx EUR handele, so dass sich für diese Position ein Betrag von rd. xxx EUR ergäbe. Dieser sei nicht unerheblich. Die Vergabestelle habe diese Position daher zu Unrecht zu Gunsten der ASt gewertet, was ausdrücklich gerügt würde.
Die Bg beantragt:
- 1.
den Nachprüfungsantrag vom 07.08.2002 als unzulässig, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.
- 2.
Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes für notwendig zu erklären.
5.
Die Verfahrensbeteiligten hatten Gelegenheit ihre Standpunkte in der mündlichen Verhandlung am 29.08.2002 zu erläutern. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Vergabeakten, die eingereichten Schriftsätze und die Verfahrensakte verwiesen.
II. Begründung
1.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.
a)
Es handelt sich um einen öffentlichen Auftrag des Landes Niedersachsen, vertreten durch den Ag. Dieses ist öffentlicher Auftraggeber gemäß § 98 Nr.1 GWB.
Die Gesamtbaumaßnahme "Neubau xxx" überschreitet den Schwellenwert von 5 Mio. EUR nach § 2 Nr.4 VgV. Der Gesamtwert der Baumaßnahme ist mit rd. 67,7 Mio. EUR (netto) veranschlagt. Der Auftragswert für das streitgegenständliche Fachlos H 3 - Sanitärtechnische Anlagen - beträgt rd. 2,3 Mio. EUR (netto) und liegt damit über dem Schwellenwert von 1 Mio. EUR nach § 2 Nr.7 VgV. Die Leistungen wurden im Offenen Verfahren - Nr.2002/S 63-048976 - am 29.03.2003 im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft nach VOB/A Abschn. 2 ausgeschrieben.
b)
Die Rüge der ASt vom 05.08.2002 beim Ag erfolgte unverzüglich gemäß § 107 Abs.3 Satz 1 GWB.
c)
Die ASt ist antragsbefugt, weil sie ihr Interesse an einem Auftrag durch die rechtzeitige Abgabe eines Angebotes in diesem Offenen Verfahren bekundet hat. Das Angebot der ASt war nach der rechnerischen Prüfung das preisgünstigste, somit bestand eine konkrete Chance auf Zuschlagserteilung. Sie hat ausreichend geltend gemacht, dass sie durch den angekündigte Ausschluss dieses Angebotes in ihren Rechten verletzt wird und ihr dadurch ein Schaden droht. Die erforderliche Begründung nach § 108 Abs.2 GWB konnte im vorliegenden Fall zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht umfassend ausfallen, da der ASt nur die spärlichen Informationen aus dem Informations- und Absageschreiben vom 29.07.2002 vorlagen und der Ag auch nach der Rüge vom 05.08.2002 keine weiteren Informationen über die Angebotsprüfung und -wertung sowie den Ausschlussgrund an sie gegeben hat. Mithin konnte die ASt erst nach Akteneinsicht eine umfassende Sachverhaltsdarstellung und Begründung abgeben.
2.
Der Nachprüfungsantrag ist unbegründet, weil das Angebot der ASt nicht in allen Teilen den Bedingungen der Ausschreibung entspricht. Im Angebot vom 15.05.2002 waren von der ASt bei den Positionen 31.42.2610, 31.42.2620, 31.42.2630, 32.42.1680, 33.42.1760, 34.42.1950 und 35.42.2900 Tiefspülklosetts aus Sanitärporzellan der Fabrikate/Typen: "V+B Classic", "V+B Omnia", "V+B Taja Classic" oder nur "V+B" angeboten worden. Mit Schreiben vom 10.06.2002 (Fax vom 17.06.2002) teilt sie dem Ag mit, dass sie auf Grund eines Übertragungsfehlers die falschen Fabrikate in das Angebot eingetragen habe, richtigerweise müsse es lauten: "Fabrikat: Duravid Modell Dune" bzw. "Fabrikat. Duravid Modell Architec". Die angegebenen Preise behielten ihre Gültigkeit und blieben unberührt. In der Leistungsbeschreibung war in allen vorgenannten Positionen WC-Becken mit geschlossenem Spülrand gefordert. Die zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe angebotenen Fabrikate des Herstellers "V+B" erfüllen unstreitig diese Anforderung nicht. Erst die mit Schreiben vom 10.06.2002 genannten Fabrikate entsprechen in vollem Umfang der Leistungsbeschreibung. Nach den Ausführungen des Ag in der mündlichen Verhandlung müssen die WC-Becken aus Sicherheitsgründen in der Justizvollzugsanstalt einen geschlossenen Spülrand aufweisen, so dass es sich hier auch nicht um ein untergeordnetes Merkmal dieser Bauteile handelt. Diese Leistungen haben nach den vorliegenden Angebotspreisen einen Wert von insgesamt rd. xx.000,00 EUR (netto); von daher können diese Leistungen auch nicht als geringfügig oder untergeordnet eingestuft werden. Veränderungen des Angebots nach Ablauf der Angebotsfrist sind nach § 24 Nr.3 VOB/A grundsätzlich unstatthaft, außer wenn sie bei Nebenangeboten, Änderungsvorschlägen oder Angeboten auf Grund eines Leistungsprogramms nötig sind, um unumgängliche technische Änderungen geringen Umfangs und sich daraus ergebende Änderung der Preise zu vereinbaren. Da es sich im vorliegenden Fall um das Hauptangebot auf der Grundlage einer Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeichnis handelt, war hier eine Änderung der Fabrikate nach Angebotsabgabe nicht mehr zulässig - so auch Ingenstau/Korbion, 14. Aufl., A § 24 Rdn.9 i.V.m. Rdn.19 und 20 sowie BayObLG, Beschluss vom 28.12.1999 - Verg 7/99. Auch eine Einstufung des v.g. Schreibens der ASt von 10.06.2002 als Irrtumsanfechtung nach § 119 BGB hätte, wenn diese als wirksam anerkannt würde - was hier aus den v.g. Gründen nicht weiter untersucht werden braucht -, zum Ausschluss des Angebots führen müssen (Richtlinien des Vergabehandbuches zu § 25 VOB/A Nr.5.2).
Der vom Ag angeführte Ausschlussgrund, Allgemeine Geschäftsbedingungen für Bauleistungen der ASt auf der Rückseite ihres Anschreibens zum Angebot vom 15.05.2002, greift in diesem Fall nicht. Das in Rede stehende Anschreiben enthält keine Bestandteile/Informationen, die auf das Angebot wirken. Es ist nach Aufmachung und Inhalt ein reines Übersendungsschreiben. Das Angebot selbst ist das von der ASt zum Eröffnungstermin abgegebene Einheitliche Verdingungsmuster - EVM (B) Ang, 213 mit den darin aufgeführten und beigefügten Anlagen. Unter Nr. 1.6 dieses EVM's hätte die ASt die Möglichkeit gehabt, eigene Geschäftsbedingungen mit zum Vertragsbestandteil zu erklären, hiervon ist jedoch kein Gebrauch gemacht worden. Aus diesen Gründen sind die Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Bauverträge, die auf der Rückseite des Übersendungsschreibens abgedruckt sind, nicht als Änderung an den Verdingungsunterlagen im Sinne von § 21 Nr.1 Abs.2 VOB/A zu betrachten.
Die Beschreibung der Ventile im Leistungsverzeichnis entspricht teilweise nicht den Bestimmungen des § 9 Nr.1 VOB/A. Hinsichtlich der geforderten Materialien fehlt es an der erforderlichen Eindeutigkeit. Nach den Ausführungen des Ag bei der mündlichen Verhandlung sollten überwiegend Ventile angeboten werden, die im Wesentlichen aus Rotguss bestehen. Nach der Leistungsbeschreibung, z.B. Pos. 31.42.2010, wurden aber nur "Gehäuse aus Rotguss" gefordert. Wie sich aus der Erörterung bei der mündlichen Verhandlung ergab, konnte letztlich nur aus der Art des Dichtungsmaterials "PTFE" ein Rückschluss darauf gezogen werden, dass nicht nur das Gehäuse, sondern auch das Oberteil, der Kegel und die Spindel aus Rotguss bestehen sollten. Diese Anforderung erfüllt nach Auffassung des Ag das von der Firma Kemper hergestellte Ventil mit der Bezeichnung "Figur 173". Dieses Ventil besteht komplett aus Rotguss, allerdings ist nur die Kegeldichtung aus dem geforderten Material "PTFE", die Spindeldichtung besteht nach dem Typenblatt des Herstellers aus dem Material "EPDM". In der Leistungsbeschreibung war für die Dichtung - ohne weitere Differenzierung in Kegel- und Spindeldichtung - das Material "PTFE" gefordert. Die meisten von der ASt angebotenen Ventile haben ein Gehäuse aus Rotguss, jedoch sind die übrigen Bauteile aus Messing und die Dichtungen aus "EPDM", was von ihr als gleichwertig angesehen wird. Die unzureichende Leistungsbeschreibung muss sich der Ag anlasten, er kann sie demzufolge nicht zum Nachteil eines Bieters ausgelegt. Somit kann hieraus keine Begründung für eine Nichtberücksichtigung des Angebotes der ASt abgeleitet werden.
Die ASt hat ihre Bereitschaft zur Offenlegung ihrer Kalkulationsansätze gegenüber der Ingenieurgesellschaft ausreichend verdeutlicht. Die von ihr auf Anforderung während der Angebotswertung nachgereichten Kalkulationsdaten entsprachen nach Inhalt und Umfang dem, was von der Ingenieurgesellschaft auch von der Bg nachgefordert und akzeptiert worden ist.
Die negative Beurteilung der Eignung durch die Ingenieurgesellschaft xxx hat die ASt durch die Vorlage von Schriftsätzen und der Erläuterung in der mündlichen Verhandlung widerlegt.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das Angebot der ASt letztlich wegen der nach Ablauf der Angebotsfrist vorgenommenen Fabrikatsänderung bei den WC-Becken für den Zuschlag nicht in Betracht kommt. Zu werten war das bei der Verdingungsverhandlung am 16.05.2002 vorgelegte Angebot. Die hierin genannten Fabrikate für die vorgenannten Sanitärobjekte entsprechen unstreitig nicht den Anforderungen der Leistungsbeschreibung. Es handelt sich auch nicht um völlig untergeordnete Positionen. Die akzeptierte nachträgliche Änderung der Fabrikate geht über die Verhandlungsmöglichkeiten einer Vergabestelle nach § 24 Nr. 3 VOB/A hinaus. Damit liegt hier ein Verstoß gegen die Vergabebestimmungen vor und eine Verletzung der Rechte der anderen Bieter im Sinne von § 97 Abs. 7 GWB.
III. Kosten
Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 128 GWB. Die DM-Angaben in § 128 GWB für die von der Vergabekammer festzusetzenden Gebühren werden nach Art. 7 Nr. 5 des 9. EURO-Einführungsgesetzes vom 10.11.2001 (BGBl. 58/2001 vom 14.11.2001, S. 2992 ff.) im Verhältnis 2:1 ersetzt. Die Gebührenermittlung erfolgte anhand der Gebührentabelle des Bundeskartellamtes vom 28.12.2001. Grundlage ist die Angebotssumme der ASt in Höhe von xxx EUR (brutto). Die Gebühr wird danach auf xxx EUR festgesetzt. Sie schließt einen durchschnittlichen sachlichen personellen Aufwand ein.
Die Bg hat die Zurückweisung des Nachprüfungsantrags beantragt sowie schriftlich und mündliche vorgetragen. Darum entspricht es der Billigkeit, der unterliegenden ASt auch die zur zweckmäßigen Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Bg aufzuerlegen (§ 162 Abs. 3 VwGo-in entsprechender Anwendung). In Anbetracht der schwierigen Sach- und Rechtslage war die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten der Bg notwendig.
Die Ag wird aufgefordert, den Betrag in Höhe von xxx EUR, der über die bereits geleistete Vorauszahlung in Höhe von xxx EUR hinausgeht, unter Angabe des Kassenzeichens "VgK 11/2002 - Bau 133" auf das auf Seite 1 angegebene Konto der Oberfinanzdirektion Hannover zu überweisen.
IV. Rechtsbehelf
Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 116 Abs.1 GWB sofortige Beschwerde zulässig. Sie ist gemäß § 117 Abs.1 GWB binnen einer Notfrist von 2 Wochen, die mit der Zustellung dieser Entscheidung beginnt, beim Oberlandesgericht Celle, Schloßplatz 2, 29221 Celle, schriftlich einzulegen. Die sofortige Beschwerde ist nach § 117 Abs. 2 GWB zugleich mit ihrer Einlegung zu begründen.
Stolte
Espel