Vergabekammer Hannover
Beschl. v. 13.08.2002, Az.: VgK - 09/2002

Ausschluss eines Angebotes bei Mehrdeutigkeit einer Fabrikatsangabe

Bibliographie

Gericht
VK Hannover
Datum
13.08.2002
Aktenzeichen
VgK - 09/2002
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2002, 29467
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

In dem Nachprüfungsverfahren
hat die Vergabekammer bei der Oberfinanzdirektion Hannover
auf Grund der mündlichen Verhandlung am 02. August 2002
beschlossen:

Tenor:

Der Nachprüfungsantrag vom 23. Juli 2002 ist zulässig aber nicht begründet.

Die Kosten des Verfahrens gehen zu Lasten der Antragstellerin.

Tatbestand

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I.

Die Antragstellerin hat im Rahmen eines EU-Offenen Verfahrens nach den Bestimmungen der VOB Teil A Abschn. 2 (EG-Baukoordinierungsrichtlinie) für den Neubau einer Mensa in der xxx ein Angebot für die Lieferung und Montage küchentechnischer Anlagen abgegeben. Ausschreibende Stelle und Auftraggeber war das Staatliche Baumanagement (SB) xxx. In den Vergabeunterlagen hatte der Auftraggeber als Nachprüfungsstelle (gem. § 104 GWB) die Vergabekammer bei der Oberfinanzdirektion Hannover angegeben.

2

Der Eröffnungstermin für diese Ausschreibung fand am 17. Mai 2002 im SB xxx statt. Aus der Verdingungsniederschrift geht hervor, dass die Antragstellerin nach den verlesenen Angebotssummen an sechster Stelle gelegen hat.

3

Die Angebotsprüfung und -wertung wurde vom Antragsgegner durchgeführt und hatte zum Ergebnis, dass das Angebot der Beigeladenen das wirtschaftlichste nach den Bestimmungen der VOB Teil A § 25 war. Mit Schreiben vom 16. Juli 2002 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin gemäß § 13 VergabeverordnungVgV mit, dass ihr Angebot nicht berücksichtigt werden soll und sie beabsichtige, den Zuschlag am 30. Juli 2002 auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen.

4

Die Antragstellerin hat mit Schreiben vom 23. Juli 2002 bei der Vergabestelle die Rüge erhoben und mit gleichem Datum den Nachprüfungsantrag mit Schreiben bei der Vergabekammer gestellt. Die vergebende Stelle hat der Rüge nicht abgeholfen. Der Antrag wurde der vergebenden Stelle am 25. Juli 2002 zugestellt. Der Auftrag war bis dahin nicht vergeben worden.

Entscheidungsgründe

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II.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig aber nicht begründet.

6

Die Antragstellerin hat im Ergebnis ihre Rügeobliegenheit erfüllt. Sie hat, nachdem sie unter dem 18. Juli 2002 von ihrer Nichtberücksichtigung erfahren hat, bereits am 23. Juli 2002, mithin unverzüglich, die Vorgehensweise beim Antragsgegner gerügt. Am selben Tag hat die Antragstellerin den Antrag auf Nachprüfung bei der Vergabekammer gestellt. Problematisch ist dieses Vorgehen insoweit als die vergebende Stelle die Möglichkeit haben soll, der Beschwerde abzuhelfen. Dadurch, dass die Kammer am 25. Juli 2002 den Antrag dem Antragsgegner zugestellt hat, hatte der Antragsgegner Gelegenheit sich bis dahin im Rahmen der Prüfung der offensichtlichen Zulässigkeit und Begründetheit nach § 110 Abs. 2 GWB zur Abhilfe zu erklären. In einem Telefonat mit der Geschäftsstelle der Vergabekammer vom 24. Juli 2002 hat der Antragsgegner erklärt, dass er dem Antrag keine Chancen einräumt. Daraus folgert die Kammer, dass der Antragsgegner nicht abhelfen wollte. Der Einräumung einer Abhilfefrist bedurfte es daher nicht.

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Die Fünfwochenfrist des § 113 Abs. 1 GWB endet damit am 28. August 2002.

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Der Antrag ist allerdings nicht begründet.

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Die Antragstellerin begehrt, dass die Angebote komplett neu zu bewerten sind, weil sie nicht den Ausschreibungsbedingungen entsprechen würden. Dahinter steht die Erwartung, dass das Angebot der Antragstellerin die Ausschreibungsbedingungen erfüllt und damit in die Nähe des Auftrages kommt. Die Kammer sieht darin die Vorgabe des § 107 Abs. 2 GWB als erfüllt an.

10

Sie ist jedoch nicht in ihren Rechten verletzt, weil die Abweichung im Angebot der Beigeladenen zum Text des Leistungsverzeichnisses entweder ein gleichwertiges Nebenangebot ist oder im Rahmen der Angebotsaufklärung nach § 24 geklärt wurde.

11

Nach dem Vortrag der Antragstellerin würden die von der Beigeladenen angebotenen Rohrdurchführungen mit Brandschutzeinsätzen in verschiedenen Durchmessern der Pos. 3.2.10 bis 3.2.120 den Ausschreibungsbedingungen nicht entsprechen. Die Beigeladene hat nach dem ausführlichen Beschrieb der Deckenrohrdurchführungen die Zeile "Fabrikat:............................" handschriftlich mit dem Namen "Inotec" versehen. Auf die erste Nachfrage des Antragsgegners vom 10. Juni 2002 nach dem Zulassungsbescheid für die Deckenrohrdurchführungen erklärte die Beigeladene unter dem 19. Juni 2002, dass die angebotenen Rohrdurchführungen von oben und unten verschlossen und mit feuerhemmenden Materialien abgedichtet werden können, sie jedoch keine brandschutztechnische Zulassung hätten. Im Auftragsfalle würde das ausgeschriebene Fabrikat zu den Angebotspreisen geliefert.

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Auf weitere Nachfrage vom 25. Juni 2002 erklärte die Beigeladene am 27. Juni 2002, dass sie die Rohrdurchführungen gemäß dem Leistungsverzeichnis zu den Einheitspreisen liefern würde. Die Vergabekammer des Bundes hat in ihrer Entscheidung VK 2- 48/01- Laborgebäude- Vergaberecht 3/ 2002 Seite 261 ff zutreffend einen Fall entschieden, in dem Preisangaben im zu wertenden Angebot mehrdeutig formuliert waren. Im Ergebnis sind Angebote, deren Preisangaben sich nicht aus dem Angebot für den Empfänger ohne Rückfrage eindeutig erschließen, auszuschließen.

13

Fraglich ist, ob Gleiches auch für Fabrikatsangaben gilt. Im vorliegenden Fall stimmten für einen fachkundigen Empfänger die Angaben des Leistungsverzeichnisses zu Pos. 3.2.10 und die dort genannte Fabrikatsangabe nicht übereinander. Der Beigeladene hat die Beschreibung nicht verändert; folglich schuldet er grundsätzlich die Leistung, wie sie beschrieben ist. Die Ausnahme kommt nur dann zum Tragen wenn ein Produktname eingesetzt und dann auch ohne Aufklärung beauftragt wird, denn dann gilt das bezeichnete Produkt als vereinbart. Diese Ausnahme kommt nur als Hilfskonstruktion im Rahmen der Vertragsauslegung zum Tragen. Sie kann nicht auf die Wertung eines Angebotes übertragen werden.

14

Die Grenzen in der Wertung werden durch § 21 Nr.1 Satz 4 i.V.m. § 24 Nr. 1 Abs. 1 und Nr. 3 VOB/A bestimmt. Wonach Änderungen des Bieters an seinen Eintragungen zweifelsfrei sein müssen und der Angebotsinhalt nur in geringem Umfang unter anderem wegen des Angebotes selbst und der geplanten Art der Durchführung aufgeklärt werden darf. Die Grenze findet sich in § 24 Nr. 3 VOB/A, indem andere Verhandlungen, besonders über Änderung der Angebote oder Preise unstatthaft sind.

15

Nach Überzeugung der Kammer stellt die Erklärung des Bieters, er werde den Beschrieb der Position erfüllen, keine Verhandlung im Sinn eines Forderns und Nachgebens bzw. keine Änderung des Angebotes dar, denn die Qualität des Ausgeschriebenen bietet bzw. schuldet er sowieso. Der Beigeladene hat nicht mit dem Antragsgegner verhandelt. Er hat lediglich klargestellt, dass er unabhängig vom bezeichneten Produkt so wie ausgeschrieben leisten wird. Wenn im vorliegenden Fall in der vorgenannten Erklärung eine Änderung des Angebotes vorliegt, dann darin, dass der Beigeladene gewissermaßen zum Ausgeschriebenen zurückkehrt, also das bietet was der Beschrieb vorgibt. Unstatthaft wäre dagegen die Änderung, die zu einem gegenüber dem Leistungsverzeichnis veränderten Leistungsumfang führen würde. Soweit beispielsweise die vergebende Stelle eine Qualitätsminderung akzeptiert, ist die Grenze des § 24 Nr. 3 VOB/A erreicht.

16

Die Leistung Deckenrohrdurchführungen haben ein Volumen von netto ca. xxx bis xxx EUR und nehmen daher bei einem Gesamtvolumen von netto ca. xxx bis xxx EUR eher untergeordnete Bedeutung ein.

17

Die Vorgehensweise des Antragsgegners, die Erklärung der Beigeladenen zu akzeptieren, ist auch hinsichtlich des sog. Vergabegrundrechts aus § 97 Abs. 2 GWB (Gebot der Gleichbehandlung) nicht zu beanstanden. Die Beigeladene wird nicht besser gestellt als die Antragstellerin, sondern von der Beigeladenen wird die gleiche Leistung wie von der Antragstellerin gefordert.

18

Die Kammer betrachtet das Vorgehen nicht als unfair, weil die Wettbewerber bei nunmehr gleicher Leistung in den Wettbewerb gehen.

19

Die Antragstellerin rügt ebenfalls, dass die Beigeladene eine Erklärung wie oben auch zu den Bodenablaufrinnen der Pos. 3.1.20 bis 3.1.100 abgeben hat, die ebenfalls gewertet wurde. Die bezeichneten Positionen haben eine Volumen von netto xxx bis xxx EUR und nehmen auch in Verbindung mit den Deckenrohrdurchführungen eine untergeordnete Bedeutung ein.

20

Im Übrigen hat der Antragsgegner die Erklärung akzeptiert. Die Kammer vermag daran wie vor stehend keine Fehler festzustellen.

21

Kein Fehler des Vergabeverfahrens -hier der Wertung- stellt die auf Anforderung abgegebene Erklärung der Beigeladenen dar, die Möbel in der Hygieneausführung H2 zu liefern. Im Gegensatz zur oben behandelten Produktbezeichnung, ist die Erklärung nach H2 zu liefern eine Zusicherung des in den technischen Vorbemerkungen (Seite 3) des Leistungsverzeichnis Geforderten. Die Kammer kann auch hier keinen Fehler entdecken.

22

Die Antragstellerin erklärte ferner, dass sie bei zwei weiteren Positionen (Kaffeemaschine und Spülmaschine) produktbedingte Abweichungen festgestellt habe. Nach Vortrag der Antragsgegnerin sind die Abweichungen als Nebenangebote gewertet worden. Die Beigeladene bietet nicht den bei der Kaffeemaschine ausgeschriebenen keramischen Warmhaltebehälter, sondern einen aus Edelstahl und bei der Spülmaschine eine kleinere Besteckspur als ausgeschrieben an.

23

Die Beigeladene bzw. der Antragsgegner konnten hinreichend darlegen, dass das geforderte Schutzniveau in Bezug auf Sicherheit, Gesundheit und Gebrauchstauglichkeit eingehalten wird. Bei der Kaffeemaschine bestehen lediglich geringe Geschmacksunterschiede infolge des anderen Materials des Warmhaltebehälters. Wobei der Geschmack des Kaffees nach wie vor durch den eingesetzten Kaffee bestimmt wird. Die angebotene Besteckspur unterscheidet sich nur um wenige Zentimeter von der ausgeschriebenen und ist nach überzeugender Darlegung der Beigeladenen und dem Antragsgegner ohne Belang. Die Beigeladene hat allerdings die Abweichungen nicht ausdrücklich bezeichnet. Unter den Fachleuten, die sich mit Küchenplanungen beschäftigen, haben die Fabrikatsangaben hinreichend Aussagekraft darüber, welche Leistungsmerkmale das jeweilige Gerät besitzt. So hat sich der Antragsgegner bei der Abfassung des Leistungstextes an bestimmten Produktblättern orientiert. Der Antragsgegner hat nach eigener Darstellung die Abweichung ohne Schwierigkeiten erkannt und bewertet. Nach Überzeugung der Kammer bedurfte es im vorliegenden Fall keines Hinweises seitens des Beigeladenen.

24

Die Vergabekammer beanstandet deshalb die Wertung dieser Positionen als Nebenangebot nicht.

25

Die Kammer folgt der von der Beigeladenen und dem Antragsgegner abgegebenen Erklärung, dass das Angebot der Beigeladenen trotz der Preisdifferenz von mehr als 10% insgesamt auskömmlich ist.

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III.

Kosten

27

Die Kostentragungspflicht fällt auf die Antragsstellerin.

28

IV.

Rechtsbehelf

29

Die Antragstellerin wurde darauf hingewiesen, dass gegen diesen Beschluss gem. §§ 116, 117 GWB beim Oberlandesgericht Celle die sofortige Beschwerde zulässig ist.

Streitwertbeschluss:

Der Streitwert wird nach § 12a Gerichtskostengesetz (GKG) auf 5 % der Auftragsumme zu xxx EUR festgesetzt.

Wesemann
Engling
Rüdiger