Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 23.11.2005, Az.: 6 A 1845/04

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
23.11.2005
Aktenzeichen
6 A 1845/04
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 43272
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGOLDBG:2005:1123.6A1845.04.0A

Amtlicher Leitsatz

Ein wegen einer anlagebedingten Durchblutungsstörung eines Herzkranzgefäßes eingetretener Herzinfarkt während des Dienstsports ist nicht als Dienstunfall bzw. Dienstunfallfolge anzuerkennen.

Tenor:

  1. Aus dem Entscheidungstext

Tatbestand

1

Der am .......... geborene Kläger steht als Polizeikommissar im Dienste des Landes Niedersachsen. Er begehrt die Anerkennung von Dienstunfallfolgen.

2

Am 3. Juni 2003 erlitt der Kläger während des Dienstsports einen Herzinfarkt. In seiner Unfallanzeige vom 5. Juni 2003 führte er aus, er habe mit mehreren Kollegen Fußball gespielt. Ihm sei schwindlig geworden und starke Schmerzen in der Brust seien hinzu gekommen. Er habe sofort einen Arzt aufgesucht, der ihn in die Klinik in ....... eingewiesen habe.

3

In einer Bescheinigung der ........ vom 26. Juni 2003 wird als Diagnose angeführt:

4

"Akuter transmuraler Hinterwandinfarkt am 03. 06. 03 (CK max.328/37 U/l) bei subtotaler RCA-Stenose PTCA und Stent der RCA am 03. 06. 03 PTCA des Ramus iventrukularis dexter am 03. 06. 03

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Risikofaktoren: Hyperlipoproteinämie, Hypertonus , Nikotinabusus, Adipositas"

6

Der Medizinaldirektor Dr. ...... kreuzte auf einem entsprechenden Vordruck auf die Frage: "Handelt es sich um eine Gelegenheitsursache gem. Nr. 19 der Erläuterungen zu § 31 BeamtVG", von den vorgedruckten Antworten die Alternative "Ja" an. In seiner Stellungnahme vom 22. September 2003 führte er aus, der ursächliche Zusammenhang zwischen Unfall und Verletzung sei aus ärztlicher Sicht erwiesen. In der erbetenen ergänzenden Stellungnahme vom 7. November 2003 führte er u. a. aus, dass es sich nach dem ihm vorliegenden Bericht der ........ vom 26. Juni 2003 um einen akuten transmuralen Hinterwandinfarkt bei subtotaler RCA-Stenose gehandelt habe. Dies bedeute, dass es sich um einen akuten Hinterwandinfarkt aufgrund der Belastung beim Dienstsport gehandelt habe, dass jedoch anlagebedingte Durchblutungsstörungen der Herzkranzgefäße vorgelegen hätten, die diesen letztendlich ausgelöst hätten. Es hätten zusätzliche Risikofaktoren wie hohe Blutfettwerte, hoher Blutdruck sowie Nikotinabusus und Übergewicht vorgelegen. Der Herzinfarkt hätte auch bei jeder anderen Belastung auftreten können, die der Alltag mit sich bringe. Ausgelöst worden sei er jedoch durch die Belastung beim Dienstsport. Es hätten anlagebedingte Störungen vorgelegen, die einen Herzinfarkt auch bei ähnlich gelagerten Belastungen im privaten Bereich ausgelöst hätten. Seiner Einschätzung nach habe es sich eher um eine Gelegenheitsursache gehandelt.

7

Mit Bescheid vom 24. November 2003 führte die Bezirksregierung ...... aus, dass der Herzinfarkt nicht als Folge eines Dienstunfalls anerkannt werden könne, weil es sich um eine Gelegenheitsursache gehandelt habe. Zur Begründung bezog sie sich im Wesentlichen auf die Stellungnahme von Herrn Dr. ...... vom 7. November 2003.

8

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 23. Dezember 2003 Widerspruch ein, zu dessen Begründung er in der Folgezeit u. a. ausführte, es habe sich nicht um eine Gelegenheitsursache gehandelt. Dr. ....... sei sich offensichtlich nicht sicher gewesen. Er habe in seiner Stellungnahme vom 22. September 2003 ausgeführt, dass der ursächliche Zusammenhang zwischen dem Dienstsport und dem Herzinfarkt aus ärztlicher Sicht erwiesen sei. Die Behauptung, der Herzinfarkt habe auch bei jeder anderen Belastung auftreten können, sei durch nichts belegt. In dem ärztlichen Bericht der ....... vom 26. Juni 2003 werde kein Vorschaden konkret erwähnt. Es würden lediglich Risikofaktoren angeführt. Das Vorhandensein von Risikofaktoren rechtfertige jedoch nicht die Annahme einer Gelegenheitsursache. Bekannt sei, dass Risikofaktoren nicht zwingend zu einer Erkrankung führen müssten. Die Risikofaktoren seien auch nicht relevant gewesen. Die Untersuchungen beim Polizeiarzt hätten nicht dazu geführt, dass Behandlungsmaßnahmen eingeleitet worden seien. Der Kläger sei vom Grundsatz her körperlich fit gewesen. Der Sport sei die wesentliche Bedingung für den Herzinfarkt gewesen. Unerheblich sei, ob der Herzinfarkt auch bei einem völlig gesunden Menschen bei gleicher sportlicher Betätigung eingetreten wäre.

9

In seiner zu der Widerspruchsbegründung angeforderten Stellungnahme führte der Medizinalrat Dr. ...... u.a. aus, nach den vorliegenden Untersuchungsergebnissen bezüglich der betriebsmedizinischen Überwachung nach den berufsgenossenschaftlichen Grundsätzen vom 3. März 2003 habe der Kläger an einem erheblichen Bluthochdruck (175/105) sowie an einem erheblichen Übergewicht (110 kg bei einer Körpergröße von 1,86 m) gelitten. Anlässlich der betriebsmedizinischen Untersuchung sei der Kläger auf diese Umstände hingewiesen worden. Er sei dringend aufgefordert worden, seinen Hausarzt aufzusuchen, um seinen Blutdruck regulieren zu lassen und sein Übergewicht zu bekämpfen. Die vorliegenden Befunde zeigten ein erhebliches Risikopotential für einen Herzinfarkt. Wiederholt werden müsse die Untersuchung der ........ bezüglich der Verengung eines Herzkranzgefässes, wobei von einer hochgradigen Abgangsstenose eines Herzkranzgefässes gesprochen werde. Mit dem eingetretenen Körperschaden sei in naher Zukunft ohnehin zu rechnen gewesen. Die sportliche Betätigung habe deshalb lediglich eine Gelegenheitsursache dargestellt.

10

Mit Widerspruchsbescheid vom 13. April 2004 wies die Bezirksregierung ...... den Widerspruch des Klägers zurück und bezog sich zur Begründung im Wesentlichen auf die Stellungnahme des Herrn Dr. ...... vom 8. März 2004. Es habe sich um eine Gelegenheitsursache gehandelt.

11

Der Kläger hat am 3. Mai 2004 Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren. Ergänzend weist er darauf hin, dass selbst dann, wenn der Sport lediglich eine Gelegenheitsursache gewesen sein sollte, dennoch von einem Dienstunfall auszugehen sei. Es sei nämlich durchaus wahrscheinlich, dass der Herzinfarkt auf seine berufliche Belastung zurück zu führen sei. Er werde bei Verkehrskontrollen sowie bei Unfällen auf der Autobahn eingesetzt und sei im Schichtdienst tätig. Diese Arbeit sei sehr belastend.

12

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides der Bezirksregierung ..... vom 24. November 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. April 2004 zu verpflichten, das Ereignis vom 3. Juni 2003 als Dienstunfall und den erlittenen Herzinfarkt als dessen Folge anzuerkennen.

13

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

14

Zur Entgegnung bezieht sie sich im Wesentlichen auf die Ausführungen in dem Widerspruchsbescheid vom 13. April 2004.

15

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

16

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Bescheid vom 24. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. April 2004 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch darauf, dass das Ereignis vom 3. Juni 2003 als Dienstunfall und der erlittene Herzinfarkt als dessen Folge anerkannt wird.

17

Ein Dienstunfall ist gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 Beamtenversorgungsgesetz - BeamtVG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. März 1999 (BGBl. I S. 322, 847, 2033), zuletzt geändert durch Art. 8 des Gesetzes zur Umbenennung des Bundesgrenzschutzes in Bundespolizei vom 21. Juni 2005 (BGBl. I S. 1818), ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist. Wird ein Beamter durch einen Dienstunfall verletzt, so wird ihm gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG Unfallfürsorge gewährt. Diese umfasst gemäß § 30 Abs. 2 Nr. 2 BeamtVG das Heilverfahren und damit gemäß § 33 Abs. 1 BeamtVG insbesondere die notwendige ärztliche Behandlung, die notwendige Versorgung mit Arznei- und anderen Hilfsmitteln und die notwendige Pflege. Die Unfallfürsorge bezieht sich auf sämtliche Körperschäden, die durch den Dienstunfall verursacht worden sind.

18

Nach ständiger Rechtsprechung sind ursächlich im Sinne des Dienstunfallrechts nur solche Bedingungen im naturwissenschaftlichen-philosophischen (natürlich-logischen) Sinn, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg nach natürlicher Betrachtungsweise an dessen Eintritt mitgewirkt haben. Keine Ursache im Rechtssinn sind sogenannte Gelegenheitsursachen, d.h. Ursachen, bei denen zwischen dem eingetretenen Schaden und dem Dienst eine rein zufällige Beziehung besteht, wenn also etwa die krankhafte Veranlagung oder das anlagebedingte Leiden so leicht ansprechbar waren, dass es zur Auslösung akuter Erscheinungen keiner besonderen, in ihrer Eigenart unersetzlichen Einwirkungen bedurfte, sondern auch ein anderes, alltäglich vorkommendes Ereignis zum selben Erfolg geführt hätte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. März 2004 - 2 B 54.03 -, Buchholz 239.1 § 31 Nr. 13 BeamtVG m.w.N.). Der im Dienstunfallrecht maßgebende Ursachenbegriff soll zu einer dem Schutzbereich der Dienstunfallfürsorge entsprechenden sachgerechten Risikoverteilung führen. Der Dienstherr soll nur die spezifischen Gefahren der Beamtentätigkeit tragen und mit den auf sie zurückzuführenden Unfallursachen belastet werden. Dem Beamten sollen dagegen diejenigen Risiken verbleiben, die sich aus anderen als dienstlichen Gründen, insbesondere aus persönlichen Anlagen, Gesundheitsschäden und Abnutzungserscheinungen ergeben (BVerwG, Beschluss vom 8. März 2004, a.a.O. m.w.N.).

19

Im Dienstunfallrecht gelten die allgemeinen Beweisgrundsätze. Für das Vorliegen eines Dienstunfalls ist grundsätzlich der volle Beweis zu erbringen. Wenn sich die anspruchsbegründenden Voraussetzungen nicht klären lassen, trägt der Beamte die materielle Beweislast. Der auch in diesem Bereich anwendbare Beweis des ersten Anscheins kommt bei typischen Geschehensabläufen in Betracht, und zwar in Fällen, in denen ein gewisser Tatbestand nach der allgemeinen Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache hinweist und infolgedessen wegen des typischen Charakters des Geschehens die konkreten Umstände des Einzelfalles für die tatsächliche Beurteilung ohne Bedeutung sind. Sind keine Tatsachen erwiesen, welche die Möglichkeit eines von dem typischen Geschehensablauf abweichenden Geschehens dartun, so bedarf es für den Ursachenzusammenhang keines weiteren Beweises (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. März 1997 - 2 B 127.96 -, juris; BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 1981 - 2 C 17.81 -, Buchholz 232 § 46 Nr. 3 = NJW 1982, 1893 [BVerwG 22.10.1981 - BVerwG 2 C 17.81]).

20

Vor diesem Hintergrund ist die Kammer davon überzeugt , dass der Herzinfarkt, den der Kläger erlitten hat, in einer rein zufälligen Beziehung zum Dienst stand. Deshalb hat es sich nicht um einen Dienstunfall i.S.d. § 31 BeamtVG gehandelt bzw. ist der erlittene Herzinfarkt nicht Folge eines Dienstunfalls. Denn der Dienstsport war hierfür nicht ursächlich im Sinne des Dienstunfallrechts. Die Kammer sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und verweist auf die zutreffenden Ausführungen in dem Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung ..... vom 13. April 2004. Der Kläger hat im gerichtlichen Verfahren keinerlei Umstände vorgetragen, die eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten. Die Beklagte stellt insbesondere zutreffend darauf ab, dass der Herzinfarkt aufgrund der Belastung beim Dienstsport eingetreten ist, jedoch ausweislich des Berichts der ........ vom 26. Juni 2003 anlagebedingte Durchblutungsstörungen der Herzkranzgefässe vorgelegen haben, die den Herzinfarkt letztlich ausgelöst haben. Die Kammer sieht keinen Anlass, an den Ausführungen des Herrn Dr. ...... vom 7. November 2003 zu zweifeln, nach denen wegen der anlagebedingten Störungen der Herzinfarkt auch bei ähnlich gelagerten Belastungen im privaten Bereich aufgetreten wäre.

21

Soweit der Kläger ausführt, der Herzinfarkt sei auf seine berufliche Belastung zurückzuführen, verhilft das der Klage schon deshalb nicht zum Erfolg, weil es sich hierbei lediglich um eine bloße Vermutung des Klägers handelt.