Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 15.11.2005, Az.: 11 A 1421/05

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
15.11.2005
Aktenzeichen
11 A 1421/05
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2005, 43261
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGOLDBG:2005:1115.11A1421.05.0A

Amtlicher Leitsatz

Die örtliche Zuständigkeit für die Entscheidung über die Befristung der Wirkungen der Ausweisung beurteilt sich nach § 100 Abs. 1 Nds. SOG. Hält sich der Ausländer noch im Ausland auf, ist grds. die Ausländerbehörde zuständig, die die Ausweisungsverfügung erlassen hat. Etwas anderes gilt, wenn auf Grund der Umstände zweifelsfrei davon auszugehen ist, dass sich der Ausländer nach der Wiedereinreise nicht wieder in deren Gebiet begeben wird.

Halten sich alle in Betracht kommenden Behörden für örtlich unzuständig, müssen ihre Aufsichtsbehörden eine Entscheidung hierüber herbeiführen.

Tenor:

  1. Das Verfahren war in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen, da die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben.

    Die Kosten waren nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes (§ 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO) dem Beklagten aufzuerlegen, weil er für die Entscheidung über die Befristung der Wirkungen der Ausweisung der Klägerin nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG (Bescheid vom 10. März 2005) örtlich nicht zuständig gewesen ist.

Gründe

1

Nach der Rechtsprechung des Nds. Oberverwaltungsgerichts beurteilt sich die örtliche Zuständigkeit bei einer Ausweisung als Maßnahme der Gefahrenabwehr nach der gegenüber § 3 VwVfG spezielleren Regelung des § 100 Nds. SOG (vgl. etwa Beschlüsse vom 5. Oktober 1998 - 11 M 4532/98 - und 24. August 1995 - 11 L 1047/95 -). Hieraus ist abzuleiten, dass - wovon auch der Beklagte ausgeht - die Vorschrift gleichfalls für die daran anknüpfende Entscheidung über die Befristung der Wirkungen der Ausweisung Anwendung findet.

2

Nach § 100 Abs. 1 Satz 2 Nds. SOG ist die Behörde, in deren Bezirk die zu schützenden Interessen verletzt oder gefährdet sind, örtlich zuständig. Dies muss bei der Entscheidung über die Befristung der Wirkungen einer Ausweisung nicht stets die Behörde sein, die die Ausweisung verfügt hat. Es handelt sich bei der Befristungsentscheidung um einen weiteren selbständigen Verwaltungsakt, so dass zwischenzeitliche Änderungen, die die örtliche Zuständigkeit berühren, nicht außer Betracht bleiben können. Dies bestätigt § 72 Abs. 3 AufenthG, wonach in solchen Fällen lediglich das Einvernehmen der Behörde, welche die Ausweisung erlassen hat, erforderlich ist.

3

Eine Gefährdung der Interessen im Sinne des § 100 Abs. 1 Satz 2 Nds. SOG findet dort statt, wo bei prognostischer Betrachtung im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung die Gefahr weiterer Verstöße gegen die öffentliche Sicherheit, also hier gegen aufenthaltsrechtliche Bestimmungen besteht. Dies wird, sofern keine anderen Anhaltspunkte bestehen, grds. der Ort sein, in welchem die Ausweisung verfügt worden ist. Hier bestehen indes besondere Umstände, die einen erneuten Aufenthalt der Klägerin im Bezirk des Beklagten ausgeschlossen erscheinen lassen.

4

Die Klägerin hat sich vom 24. Dezember 1999 bis 30. Januar 2000 zur Ausübung der Prostitution im Gebiet des Beklagten aufgehalten und ist dann freiwillig ausgereist. Seither ist sie dorthin nicht zurückgekehrt. Die Klägerin begründet ihren Befristungsantrag im Wesentlichen damit, dass sie mit ihrem im Kreis Segeberg wohnenden Ehemann, welcher die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, zusammenzuleben beabsichtigt. Dies wird besonders durch den Umstand unterstrichen, dass die Klägerin am 21. Januar 2005 beim Kreis Segeberg einen ausdrücklichen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen gestellt hat. In diesem ist als vorgesehener Aufenthaltsort der Wohnsitz des Ehemannes angegeben. Zu diesem Zeitpunkt hat die Klägerin ganz offensichtlich dort auch gelebt. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Klägerin sich wieder in das Gebiet des Beklagten begeben könnte, erscheint dem Gericht daher als so gering, dass sie außer Betracht zu bleiben hat.

5

Eine sichere Konkretisierung des zukünftigen Aufenthalts des ausgewiesenen Ausländers ergibt sich nicht stets erst - wie der Beklagte unter Hinweis auf Nr. 71.8.2 der Vorläufigen Nds. VV zum AufenthG vom 31. März 2005 annimmt - mit der förmlichen Stellung eines Visumsantrages. Vielmehr können hierfür auch andere ähnlich eindeutige Gesichtspunkte - wie hier die oben angeführten - bedeutsam sein. In diese Richtung scheint auch Nr. 71.8.3 der Vorläufigen Nds. VV zum AufenthG zu gehen, wonach in dem speziellen Fall der Beantragung (irgend-)eines Aufenthaltstitels aus familiären Gründen, die Behörde, welche (künftig) die Zustimmung zu einem Visum zu erteilen hat, die Entscheidung nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG zu treffen hat.

6

Eine örtliche Zuständigkeit des Beklagten ergab sich auch nicht aus § 100 Abs. 1 Satz 3 Nds. SOG.

7

Da sich der Kreis Segeberg für nicht örtlich zuständig gehalten hat, hätten die Aufsichtsbehörden in Anlehnung an § 3 Abs. 2 Sätze 3 und 4 VwVfG, § 1 Abs. 1 Nds. VwVfG, § 31 Abs. 2 Sätze 3 und 4 LVwG SH eine Entscheidung hierüber herbeiführen müssen.