Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 11.11.2005, Az.: 3 A 2978/04
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 11.11.2005
- Aktenzeichen
- 3 A 2978/04
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2005, 43253
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGOLDBG:2005:1111.3A2978.04.0A
Amtlicher Leitsatz
Über den Antrag auf Ablehnung des Einzelrichters entscheidet nicht der zur Vertretung berufene Berichterstatter als Einzelrichter, sondern die Kammer, der der Abgelehnte angehört.
Tenor:
Das Ablehnungsgesuch des Klägers gegen den Richter am Verwaltungsgericht H. wird zurückgewiesen.
Gründe
Das nach § 54 VwGO zu beurteilende Ablehnungsgesuch des Klägers vom 3. November 2005 gegen den Richter am Verwaltungsgericht H., über das die Kammer entscheidet, bleibt ohne Erfolg.
Über den Antrag auf Ablehnung des nach (gemäß § 6 VwGO ergangenen) Übertragungsbeschluss der Kammer vom 18. Oktober 2005 tätig gewordenen Einzelrichters entscheidet nicht der zur Vertretung berufene Berichterstatter als Einzelrichter, sondern nach § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 45 Abs. 1 ZPO die Kammer, der der Abgelehnte angehört. § 45 Abs. 1 ZPO bestimmt, dass über das Ablehnungsgesuch "das Gericht" entscheidet. Gemäß § 5 Abs. 3 VwGO handelt es sich dabei um die Kammer in der Zusammensetzung mit drei Berufsrichtern. Dies Ergebnis entspricht der weitreichenden Bedeutung der Entscheidung über den Ablehnungsantrag für die Gewährleistung des gesetzlichen Richters nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Eine Frage dieser Tragweite soll durch die Kammer als Kollegium und nicht durch den ansonsten zur Vertretung berufenen Kammerkollegen als Einzelrichter entschieden werden (vgl. u.a.: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 7. Dezember 1995 - A 12 S 81/95 -, VBlBW 1996, 97; VGH Hessen, Beschluss vom 27. Februar 1996 - 13 ZU 1851/95 -, NVwZ 1997, 311; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 6. August 1999 - 23 A 58/98.A -, DVBl. 1999, 1671; VG Oldenburg, Beschluss vom 23. Oktober 2000 - 13 A 3678/00 -am Ende, Vnb).
Das nach § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 44 ZPO zulässige Ablehnungsgesuch ist nicht begründet.
Nach § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 42 Abs. 1 ZPO kann ein Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Die Besorgnis der Befangenheit ist gegeben, wenn Gründe vorliegen, die geeignet sind, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen, § 42 Abs. 2 ZPO. Hierfür ist nicht entscheidend, ob der Richter tatsächlich befangen ist oder sich für befangen hält. Genauso wenig genügt es, wenn ein Prozessbeteiligter ihn aus seiner Sicht für befangen hält. Es kommt vielmehr darauf an, ob ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln - dies ist der Fall, wenn ein Beteiligter die auf objektiv feststellbaren Tatsachen beruhende, subjektiv vernünftigerweise mögliche Besorgnis hat, der Richter werde in der Sache nicht unparteiisch, unvoreingenommen oder unbefangen entscheiden, wobei bei der Beurteilung dessen der Standpunkt des ablehnenden Beteiligten einzunehmen ist, jedoch aus der Sicht eines besonnenen und verständigen Prozessbeteiligten (vgl. m.w.N.: VG Sigmaringen, Beschluss vom 15. Januar 2003 - A 9 K 11009/01 -,über juris; VG Oldenburg, Beschluss vom 23. Oktober 2000 - 13 A 3678/00 -, und Beschluss vom 8. Oktober 2002 - 2 A 2035/02 -, jeweils Vnb).
Gemessen daran kann der Schluss auf die Besorgnis der Befangenheit des Richters am Verwaltungsgericht H. nicht gezogen werden. Insbesondere liegt eine etwaige unsachliche Einstellung des Richters im Hinblick auf den Verfahrensausgang nicht vor.
Der Kläger stützt sein Ablehnungsgesuch maßgeblich darauf, der Richter am Verwaltungsgericht H. sei "zu diesem Verfahren bereits einmal in einem einstweiligen Anordnungsverfahren tätig" gewesen und habe dort "einen Vergleich ..., den die Stadt Oldenburg nicht einzuhalten gedenkt", vorgeschlagen. Weiter macht er Ausführungen, die sich auf die Sache selber beziehen (er habe tatsächlich einen Widerspruch gegen eine ablehnende Entscheidung der Beklagten eingelegt, dem abgelehnten Richter sei "allerdings bekannt, das die Stadt Oldenburg Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe seit der Umstellung auf monatliche Auszahlungen am Monatsende durch das Arbeitsamt, bereits am Monatsanfang anrechnete", er habe "im September 2002 Widerspruch gegen die Kürzung der Sozialhilfe eingelegt").
Damit bringt der Kläger allerdings Tatsachen, die bei vernünftiger Betrachtung und Würdigung die Befürchtung wecken könnten, der Einzelrichter sei nicht unvoreingenommen, nicht vor. Vielmehr bringt er tatsächliche Angaben vor, die sich inhaltlich mit dem seinen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschluss des abgelehnten Einzelrichters vom 7. September 2005 auseinandersetzen. Insoweit konsequent führt das Ablehnungsgesuch am Ende auch aus, dass der Kläger die "Nichtbewilligung der Prozesskostenhilfe ... ebenfalls für rechtswidrig" erachte - in diesem Teil des Ablehnungsgesuchs könnte allenfalls das Rechtsmittel der Beschwerde gegen den bezeichneten Beschluss zu sehen sein, indessen jedoch nicht ein Tatsachenvortrag, der auf eine unsachliche Einstellung des Richters am Verwaltungsgericht H. gegenüber den Beteiligten, insbesondere dem Kläger, im Hinblick auf den Verfahrensausgang schließen lassen könnte. Anzeichen dafür fehlen hier. Der abgelehnte Richter am Verwaltungsgericht H. hat sich mit seiner dienstlichen Äußerung zum Ablehnungsgesuch des Klägers vom 6. November 2005 auch dahin geäußert, sich selber nicht für befangen zu halten und "der Begründung des Klägers auch nichts entnehmenzu können, was auf eine Befangenheit hindeuten könnte".
Die Kammer hält seine Einschätzung für zutreffend.
Soweit der Kläger auf Übersendung der zitierten dienstlichen Äußerung hin mit Schriftsatz vom 9. November 2005 (und der dortigen Anlage) ergänzend Stellung nimmt und insoweit anklingen lässt, aus seiner Sicht müsse der abgelehnte Richter als befangen gelten, trägt er wiederum zur Begründung lediglich (und nach obigen Ausführungen der Kammer: unzureichend) Aspekte in der Auseinandersetzung mit der Streitsache selber vor, die seines Erachtens zum Erfolg der Klage führen müssten und jedenfalls eine positive Entscheidung über sein Gesuch auf Gewährung von Prozesskostenhilfe hätten erwarten lassen. Tatsächliche Anhaltspunkte im obigen Sinne treten indes nicht zu Tage. Insbesondere hält die Kammer zu den Ausführungen des Klägers fest, dass die Besorgnis der Befangenheit nicht mit einer in einer gerichtlichen Entscheidung geäußerten Rechtsauffassung zu begründen ist, unabhängig davon, ob es sich um die Entscheidung eines Einzelrichters oder eines Kollegialgerichts handelt, was selbst dann nicht möglich ist, wenn andere mit der Sache befasste Richter diese Rechtsauffassung als fehlerhaft ansehen könnten; nur in den Fällen subjektiv zurechenbarer Willkür mag insoweit anderes gelten, wofür aber konkrete Anhaltspunkte vorliegen müssten (BVerwG, Beschluss vom 3. April 1997 - 6 AV 1/97 -, Buchholz 310 § 54 VwGO Nr. 55). Konkrete Anhaltspunkte im letztgenannten Sinn hat der Kläger nicht benannt und liegen auch nicht vor.
Schließlich lässt sich eine rechtlich begründete Besorgnis der Befangenheit auch nicht aus dem Umstand herleiten, dass der abgelehnte Richter bereits im Verfahren 3 B 653/03 in einem vom Kläger (dort als Antragsteller in einem Eilverfahren) geführten Rechtsstreit tätig geworden ist und am 11. März 2003 als Berichterstatter einen Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage durchgeführt hat. Die Mitwirkung eines Richters in einem Verfahren hindert nicht an seiner Mitwirkung an einem anderen Verfahren mit denselben Beteiligten und entspricht zudem den Regeln des Sachzusammenhangs, wie diese in Geschäftsverteilungsplänen niedergelegt sind. Soweit er im älteren Verfahren einen Vergleichsvorschlag gemacht haben sollte, entspräche dies nur seiner Aufgabe, auch auf eine unstreitige Erledigung hinzuwirken, vgl. §§ 87 Abs. 1 Nr. 1, 106 VwGO. Anhaltspunkte, die die Besorgnis der Befangenheit begründen könnten, lägen damit hingegen nicht vor.
Aus insoweit ist das Gesuch unbegründet.
Das gilt selbst dann, soweit die Kammer zugunsten des Klägers anhand des Akteninhaltes über die Gründe des Ablehnungsgesuchs und der ergänzenden Stellungnahme des Klägers hinausgehend würdigt, dass der abgelehnte Einzelrichter mit seiner Verfügung vom 1. November 2005 beim Kläger anfragt, ob er weiterhin an der Klage festhalte - sie werde "nämlich aller Voraussicht nach aus den Gründen des Ihnen wahrscheinlich bekannten Prozesskostenhilfebeschlusses abzuweisen sein. In dem Urteil würde im wesentlichen auf diesen Beschluss Bezug genommen werden. Im Falle einer jetzigen Klagerücknahme könnte der Termin noch aufgehoben werden" (vgl. Bl. 51 der Gerichtsakte). Auch insoweit fehlen Anzeichen, die auf eine unsachliche Einstellung schließen lassen könnten. Vielmehr zeigt die zitierte Verfügung lediglich die Auffassung des mit der Sache befassten Einzelrichters zu den Erfolgsaussichten der Klage, wie sie sich in dem zu diesem Zeitpunkt bereits ergangenen Prozesskostenhilfebeschluss widerspiegeln. Doch lässt diese Hinweis-Verfügung nicht etwa den Schluss auf eine bereits vorher gefasste und völlig unabänderliche Einschätzung zu.