Sozialgericht Hildesheim
Beschl. v. 29.07.2009, Az.: S 51 P 41/09 ER

Formelle Rechtswidrigkeit des an den Träger eines Pflegeheims durch eine Krankenkasse ergangenen Bescheids wegen mangelnder Anhörung; Anforderungen an die Bestimmtheit eines Maßnahmebescheids gem. § 33 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X)

Bibliographie

Gericht
SG Hildesheim
Datum
29.07.2009
Aktenzeichen
S 51 P 41/09 ER
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2009, 37589
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGHILDE:2009:0729.S51P41.09ER.0A

Fundstelle

  • PflR 2010, 35-40

In dem Rechtsstreit
...
hat das Sozialgericht Hildesheim - 51. Kammer -
am 29. Juli 2009
durch
die Vorsitzende, Richterin I.,
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage vom 9. Juli 2009 gegen den Bescheid der Antragsgegner vom 22. Juni 2009 wird angeordnet.

  2. 2.

    Die Antragsgegner tragen die Kosten des Rechtsstreits.

  3. 3.

    Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I.

Die Antragstellerin ist Trägerin eines Pflegeheims und begehrt im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage vom 9. Juli 2009 gegen einen Maßnahmebescheid der Antragsgegner nach einer erfolgten Qualitätsprüfung.

2

Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) führte im Auftrag der Antragsgegner am 28. April 2009 im Pflegeheim der Antragstellerin eine Qualitätsprüfung durch. Die Prüfung durch den MDK erfolgte unter anderem in der Weise, dass fünf Versicherte in dem Pflegeheim aufgesucht wurden und die dortige Pflegesituation untersucht wurde. Der MDK stellte - wie aus der Anlage zum Prüfbericht ersichtlich - zum Teil Mängel insofern fest, als bei einem bestehenden Dekubitus eine systematische Einschätzung des vorhandenen Risikos einem Versicherten durch Mitarbeiter des Pflegeheims nicht nachvollzogen werden konnte. Bei einem anderen Versicherten wurden z.B. Mängel bei dem Umgang mit der Gefahr der Mangelernährung festgestellt. So wurde eine Planung der Gewichtskontrollen nicht nachvollziehbar dargelegt, es ergab sich insbesondere keine nachvollziehbare Dokumentation der unternommenen Maßnahmen bei einem erfolgten Gewichtsverlust. Bei einem anderen Versicherten wurden Mängel bei dem sachgerechten Umgang mit der Kontrakturgefahr festgestellt. So wurden teilweise nach der vorhandenen Dokumentation die Fähigkeiten bzw. Probleme des Versicherten nicht erkannt und keine geeigneten Ziele bzw. erforderliche Maßnahmen geplant, um mit der Kontrakturgefahr umzugehen. Durch den MDK wurde in diesem Zusammenhang über die Möglichkeit einer Krankengymnastik beraten. Wegen der weiteren Einzelheiten im Hinblick auf die festgestellten Qualitätsmängel bei den einzelnen Versicherten wird auf den Prüfbericht vom 11. Mai 2009 verwiesen. Der MDK fasste die Ergebnisse der erfolgten Qualitätsprüfung in der Weise zusammen, dass ein kurzfristiger Handlungsbedarf sowie ein mittelfristiger Handlungsbedarf festgestellt wurden. In den Handlungsbedarfen wurden abstrakt einzelne Maßnahmen, z.B. zu einem sachgerechten Umgang bei einem vorliegenden Dekubitus, zu einem sachgerechten Umgang bei Inkontinenz oder zu einem sachgerechten Umgang bei einem Sturzrisiko zusammengefasst. Wegen der festgestellten Handlungsbedarfe wird auf die Rubrik "empfohlene Maßnahmen" unter dem Punkt 19. im Prüfbericht verwiesen.

3

Mit Schreiben vom 13. Mai 2009 übersandte der MDK den Prüfbericht an die Antragstellerin und teilte "im Auftrag der Verbände der gesetzlichen Pflegekassen in Niedersachsen" mit, dass die Antragstellerin nach Zustellung dieses Schreibens die Möglichkeit habe, im Rahmen der Anhörung bis zum 3. Juni 2009 schriftlich bei einer bestimmten Mitarbeiterin des MDK eine Stellungnahme zu dem Prüfbericht abzugeben. Nach einer Stellungnahme der Antragstellerin bzw. dem Fristablauf sei das Beteiligungsverfahren für den MDK vorerst abgeschlossen, so dass die Antragstellerin im folgenden eine Nachricht der Verbände der gesetzlichen Pflegekassen erhalte. Der Prüfbericht mit der eingeräumten Möglichkeit zur Stellungnahme wurde auch dem Sozialhilfeträger und der Trägervereinigung der Antragstellerin übersandt. Eine Stellungnahme erfolgte nicht.

4

Am 22. Juni 2009 erließen die Antragsgegner gegenüber der Antragstellerin einen Bescheid. In diesem Bescheid wurde bestimmt, dass einzelne Maßnahmen durch die Antragstellerin bis zum 3. August 2009, andere bis zum 22. Dezember 2009 umzusetzen seien. Als vorzunehmende Maßnahmen wurden wörtlich die im Prüfbericht des MDK festgestellten kurzfristigen bzw. mittelfristigen Handlungsbedarfe übernommen. Grundlage des Bescheides sei der Prüfbericht des MDK vom 11. Mai 2009. Für die Umsetzung der Maßnahme sollte die Antragstellerin entsprechend beigefügte Erklärungen verwenden. Nach den beigefügten Erklärungsvordrucken waren wiederum die kurzfristigen bzw. mittelfristigen Handlungsbedarfe aufgeführt. Die Antragstellerin erklärte nach dem Vordruck, dass die nachfolgend aufgeführten Maßnahmen vollständig, fachgerecht und innerhalb der im Prüfbericht vom 22. Juni 2009 genannten Frist umgesetzt worden seien. Gegen diesen Bescheid erhob die Antragstellerin, vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten, am 9. Juli 2009 Klage beim Sozialgericht Hildesheim.

5

Sie hat ferner am gleichen Tag einen Antrag auf die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass der angefochtene Bescheid rechtswidrig sei, da die Antragstellerin vor Erlass des Maßnahmebescheids nicht ordnungsgemäß angehört worden sei. Insbesondere sei die Anhörung durch den MDK erfolgt. Die Anhörung müsse jedoch durch die Antragsgegner selbst erfolgen, ansonsten würde der Zweck des Anhörungsverfahrens unterlaufen und die Unabhängigkeit des MDK gefährdet. Die Antragsgegner hätten eigene Ermittlungen bzw. Überlegungen unterlassen. Die in dem Bescheid festgelegten Handlungsempfehlungen seien nicht konkret und daher nicht nachvollziehbar. Bestritten wurde auch die nach den Qualitätsprüfungsrichtlinien 2005 erforderliche Qualifikation der Prüferinnen des MDK. Bemängelt wurde weiterhin die Prüfung des dritten Versicherten, da das Elfte Buch Sozialgesetzbuch nur für Versicherte gelte, die in eine Pflegestufe eingestuft seien. Der Verwaltungsakt sei insbesondere auch zu unbestimmt gemäß §33 SGB X. Der Sozialhilfeträger sei bei der Entscheidung nicht eingebunden worden. Der Bescheid sei auch nicht ausreichend begründet im Sinne von §35 SGB X, es seien lediglich die Handlungsbedarfe aufgelistet. Außerdem sei eine Ermessensausübung im Rahmen des Bescheides erforderlich, die nicht erfolgt sei. Der Bescheid sei auch nur durch einen Mitarbeiter des Antragsgegners zu 1. unterschrieben worden war, die Antragsgegner müssten aber vielmehr bei einem Maßnahmebescheid gemeinsam handeln. Eine inhaltliche Abstimmung ergäbe sich nicht aus den Verwaltungsvorgängen.

6

Die Antragstellerin beantragt schriftsätzlich,

die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage vom 9. Juli 2009 gegen den Bescheid der Antragsgegner vom 22. Juni 2009 anzuordnen.

7

Der Antragsgegner zu 1. beantragt schriftsätzlich,

den Antrag abzulehnen.

8

Die Antragsgegner zu 2. bis 6. haben keinen Antrag gestellt.

9

Der Antragsgegner zu 1. hat ausgeführt, dass der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz unbegründet sei, da keine besondere Eilbedürftigkeit vorliege. Insbesondere sei die Antragstellerin nicht in ihrer Existenz gefährdet. Hinsichtlich der Unterschrift unter dem Bescheid verweist die Antragsgegnerin zu 1. auf die erfolgte Beauftragung zur Bescheiderteilung des entsprechenden Mitarbeiters vom 3. Juni 2005, die er als Anlage vorgelegt hat. Darin erteilen die Antragsgegner zu 1. und 6. jeweils bestimmten Mitarbeitern der jeweiligen Antragsgegner die "Beauftragung zur Bescheiderteilung im Rahmen des §115 Abs. 2 SGB XI". Im Text ist weiter ausgeführt, dass die nachfolgenden Personen mit Wirkung zum 1. Juli 2005 bevollmächtigt würden, die sich aus §115 Abs. 2 Satz 1 SGB XI ergebenden Verpflichtungen der Verbände der gesetzlichen Pflegekassen im Auftrag aller Beteiligten durchzuführen und insbesondere zur Unterzeichnung der erforderlichen Bescheide legitimiert seien. Hinsichtlich von der Antragstellerin bemängelten Art der Anhörung verweist der Antragsgegner zu 1. auf einen Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 1. Dezember 2006, Az: S 29 P 74/06 ER. In diesem Beschluss wurde der dort streitgegenständliche Bescheid unter der Berücksichtigung eines Anhörungsschreibens des MDK als formell rechtmäßig angesehen, da aus dieser Verfahrensweise keine Nachteile für die Antragstellerin ersichtlich seien.

10

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakten der Antragsgegner Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.

11

II.

Der Antrag ist zulässig.

12

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist gemäß §86 a Abs. 2 Nr. 4 SGB II i.V.m. §86 b Abs. 1 Nr. 1 SGG statthaft. Bei dem Bescheid der Antragsgegner vom 22. Juni 2009 handelt es sich nach der Vorschrift des§115 Abs. 2 SGB XI um einen Verwaltungsakt ("Bescheid"). Ein Vorverfahren ist gemäß §115 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. §73 Abs. 2 SGB XI nicht vorgesehen. Ferner hat die am 9. Juli 2009 durch die Antragstellerin erhobene Klage nach diesen Vorschriften auch keine aufschiebende Wirkung. Das Sozialgericht Hildesheim ist ferner gemäß §57 Abs. 1 SGG örtlich zuständig. Auch ein Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz im Sinne des §86 b SGG ist zu bejahen. Insbesondere kann die Antragstellerin nicht darauf verwiesen werden, weitere Sanktionen abzuwarten. Die Antragsgegner haben bereits auf eine mögliche Kündigung hingewiesen. Eine Klage gegen die Kündigung des Versorgungsvertrages hätte keine aufschiebende Wirkung, so dass ein Verweis auf das Abwarten der Kündigung nicht zumutbar erscheint.

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Der Antrag ist auch begründet. Der Bescheid der Antragsgegner vom 22. Juni 2009 wird nach der im einstweiligen Rechtsschutz vorzunehmenden summarischen Prüfung aller Voraussicht nach als rechtswidrig aufzuheben sein.

14

Im Rahmen des §86 b Abs. 1 Nr. 1 SGG hat das Gericht im Einzelfall eine Interessenabwägung vorzunehmen zwischen dem Interesse des Antragstellers, einstweiligen von der belastenden Wirkung des streitigen Verwaltungsaktes verschont zu bleiben und dem besonderen Interesse der die Verfügung erlassenen Verwaltung bzw. dem im Gesetz zum Ausdruck gekommenen besonderen Vollzugsinteresse, wie es vorliegend in §73 Abs. 2 SGB geregelt ist. Denn mit der zuletzt genannten Vorschrift wird die grundsätzliche Wertung des Gesetzgebers deutlich, dass bei einem Maßnahmebescheid im Sinne von §115 Abs. 2 SGB XI die dort festgelegten Maßnahmen grundsätzlich mit sofortiger Wirkung umgesetzt werden sollen. Im Rahmen dieser vorzunehmenden Interessenabwägung sind wesentlich die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen, weil an der Vollziehung offensichtlich rechtswidriger Verwaltungsakte kein - auch kein gesetzlich angeordnetes - öffentliches Interesse bestehen kann. Umgekehrt besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Vollziehung eines offensichtlich rechtmäßigen Verwaltungsaktes. Erst wenn die Erfolgsaussichten in dieser Weise nicht abschätzbar sind, so hat eine allgemeine Interessenabwägung hinsichtlich der Folgen für die jeweiligen Beteiligten bei der Aufrechterhaltung der gesetzlich angeordneten sofortigen Vollziehung zu erfolgen (vgl. dazu: Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 24. Juli 2006, Az.: L 12 AL 124/06 ER, Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage 2008, §86 b, Rn. 12 ff.).

15

Nach den oben dargelegten Grundsätzen führt die vorzunehmende summarische Prüfung zu dem Ergebnis, dass im Hauptsachverfahren aller Voraussicht nach gute Erfolgsaussichten bestehen dürften. Es ergeben sich mehrere Anhaltspunkte für die Rechtswidrigkeit des Bescheides.

16

Keine formellen Bedenken im Hinblick auf den Bescheid bestehen zunächst insofern, als der Bescheid nur durch einen Mitarbeiter des Antragsgegners zu 1. verfasst und unterschrieben wurde. Entgegen der Formulierung des Antragsgegner dürfte es sich hier nicht um eine Beauftragung im Sinne des §88 SGB X gehandelt haben, sondern um eine Bevollmächtigung des entsprechenden jeweiligen Mitarbeiters, einen entsprechenden für die Antragsgegner zu erlassen und zu unterschreiben. Dagegen bestehen zumindest dann keine Bedenken, wenn aus dem Bescheid ersichtlich wird, dass die Entscheidung nicht allein durch den Mitarbeiter, sondern durch alle Landesverbände getroffen wurde. Aus dem Kopf des Bescheides ergibt sich, dass es sich um einen Bescheid der Verbände der gesetzlichen Krankenkassen in Niedersachsen, handelt für die Landesverbände für die Pflegekassen handelt. Hieraus ergibt sich, dass die Entscheidung durch den zuständigen Entscheidungsträger getroffen wurde.

17

Bedenken bestehen gegen die Rechtmäßigkeit des Bescheides, weil im Rahmen des Verfahrens des §115 b SGB XI keine ordnungsgemäße Anhörung der Antragstellerin durch die Antragsgegner erfolgte. Vielmehr hat lediglich der MDK mit Schreiben vom 13. Mai 2009 Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem übersandten Prüfbericht gegeben. In dem Schreiben ist ausdrücklich vermerkt, dass die Antragstellerin Gelegenheit zur Stellungnahme gegenüber dem MDK hat, nicht aber gegenüber den Antragsgegnern. Weiterhin ist in dem Schreiben vermerkt, dass nach der Stellungnahme die Antragstellerin sodann "Nachricht" von den Antragsgegnern erhalten. Eine Stellungnahme seitens der Antragstellerin gegenüber dem MDK bzw. gegenüber den Antragsgegnern ist tatsächlich nicht erfolgt. Die hier erfolgte Vorgehensweise widerspricht nach summarischer Prüfung dem in §115 Abs. 2 SGB XI verfolgten Zweck der Anhörung des Trägers der Pflegeinrichtung. Die auf diese Weise erfolgte Anhörung durch den MDK dürfte dagegen nicht den Bescheid schon rechtswidrig gemäß §24 SGB X machen. Gemäß §24 SGB X ist, bevor ein Verwaltungsakte erlassen wird, der in die Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich für die Entscheidung erheblicher Tatsachen zu äußern. Die Anhörung kann gemäߧ41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X bis zur letzten Tatsacheninstanz nachgeholt werden. §115 Abs. 2 SGB XI schreibt jedoch neben §24 SGB X nochmals gesondert eine Anhörung vor Erlass des Maßnahmebescheides durch die Landesverbände der Pflegekassen vor. Daraus kann geschlossen werden, dass der Gesetzgeber einen besonderen Wert auf die Anhörung und die dadurch erfolgende Beteiligung des Trägers der Pflegeeinrichtung am Verfahren gelegt hat. Dies erscheint aufgrund des weggefallenen Vorverfahrens und der fehlenden aufschiebenden Wirkung der klage auch sinnvoll. Eine ordnungsgemäße Anhörung hätte z.B. noch dann denkbar sein können, wenn zwar der MDK Gelegenheit zur Stellungnahme gibt, eine Stellungnahme jedoch gegenüber den Antragsgegnern erfolgt ist und auch erfolgen kann. Tatsächlich ist jedoch keine Stellungnahme durch die Antragsstellerin gegenüber den Antragsgegnern erfolgt. In dem Schreiben des MDK wurde weiterhin ausdrücklich um Stellungnahme gegenüber einem Mitarbeiter des MDK gebeten. Weiterhin ist in dem Schreiben auch vermerkt, dass nach Fristablauf bzw. nach Eingang der Stellungnahme der betreffenden sodann unmittelbar "Nachricht" durch die Antragsgegner erhält. Aus diesem Schreiben ergeben sich genügend Anhaltspunkte dafür, dass nicht nur die Initiative zur Gewährung der Stellungnahme durch den MDK erfolgt, sondern auch, dass eine eigentliche Auswertung durch die Antragsgegner nicht mehr stattfindet. Insbesondere ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der MDK die Stellungnahme z.B. an die Antragsgegner weiterleitet und diese dann vor dem unmittelbaren Erlass eines Bescheides die etwaige Stellungnahme noch eigenständig würdigen. Diese Verfahrensweise dürfte dem Zweck der in §115 Abs. 2 SGB XI gesondert angeordneten Anhörung nicht mehr genügen. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Anhörung nicht nur im Hinblick auf die erfolgte Qualitätsprüfung erfolgen soll. Im vorliegenden Fall ist auch entscheidend, dass die Anhörung gerade im Hinblick auf den beabsichtigten Bescheid vorgeschrieben ist. Der Betroffene soll nicht nur zu den festgestellten Mängeln Stellung nehmen können, sondern auch zu den von Landesverbänden in Betracht gezogenen Maßnahmen. Die nicht erfolgte Anhörung dürfte auch nicht im Sinne des §41 SGB X nachholbar sein, da es sich hier nicht um eine Anhörung gemäß §24 SGB X handelt. Insofern kommt eine Heilung nach dieser Vorschrift, z.B. durch das hier durchgeführte Antragsverfahren, nicht in Betracht. Eine Heilung wäre allenfalls denkbar, wenn der Zweck der Anhörung im Rahmen des Qualitätsprüfungsverfahrens, nämlich die Beteiligung der Antragstellerin, noch erreicht werden könnte. Dies ist im Hinblick auf den bereits erlassenen Maßnahmebescheid jedoch nicht mehr der Fall, so dass der Maßnahmebescheid ohne ordnungsgemäße Anhörung ergangen ist. Den Antragsgegnern steht es frei, eine Beratung durch den MDK auch im Anhörungsverfahren in Anspruch zu nehmen, das Anhörungsverfahren jedoch völlig aus der Hand zu geben, ist nicht mehr vom Gesetzeszweck gedeckt.

18

Weiterhin ergeben sich Bedenken im Hinblick auf die Bestimmtheit des Maßnahmebescheides gemäß §33 Abs. 1 SGB X. Danach muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Die Bestimmtheit des Verwaltungsaktes bezieht sich nicht auf seine Begründung, sondern lediglich auf den Verfügungssatz. Der Verfügungssatz des hier zu prüfenden Bescheides sind die durch die Antragsgegner getroffenen Maßnahmen. Als "Maßnahmen" haben die Antragsgegner hier die im Prüfbericht des MDK festgestellten kurzfristigen bzw. mittelfristigen Handlungsbedarfe wörtlich übernommen. Ob diese festgestellten Handlungsbedarfe als getroffene Maßnahmen hinreichend bestimmt sind, ist zweifelhaft. Aus der Festlegung der Handlungsbedarfe dürften sich zwar die Feststellung von Qualitätsmängeln im Sinne von §115 Abs. 2 SGB XI ergeben, für eine hinreichende Bestimmtheit als von der Antragstellerin zu treffenden "Maßnahmen" im Sinne dieser Vorschrift reichen die Formulierungen jedoch nicht aus. Die in dem Verfügungssatz des Bescheides getroffene Handlungsanweisung ist nicht eindeutig und daher nicht in dem Sinne erfüllbar, dass unzweifelhaft beurteilt werden kann, wann der Verwaltungsakte als umgesetzt gelten kann. Für den Empfänger des Bescheides ist nicht ohne weiteres klar, was von ihm erwartet wird. Insbesondere ist zu beachten, dass eine Unterscheidung zwischen den zutreffenden Maßnahmen im Sinne des §115 Abs. 2 SGB XI und der Feststellung von Qualitätsmängeln vorzunehmen ist. Um die Maßnahmen hinreichend bestimmt zu machen, wäre es erforderlich gewesen, konkrete Handlungsmaßnahmen für die Antragstellerin festzulegen. An einer Bestimmtheit fehlt es zumindest dann, wenn unabhängig von der Bezugnahme auf die einzelnen Versicherten z.B. abstrakt gefordert wird, dass die Antragstellerin "eine systematische Dekubituserkennung" oder aber bei "dem sachgerechten Umgang bei Einschränkung in der selbständigen Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme" die "Planung geeigneter Ziele und erforderlicher Maßnahmen" gefordert wird. Die Beispiele könnten fortgesetzt werden. Hier wird nicht deutlich, welche Änderungen die Antragstellerin konkret vorzunehmen hat, um dem Maßnahmebescheid zu genügen. Die Handlungsanweisungen werden noch unbestimmter dadurch, dass bei den einzelnen Handlungsbedarfen lediglich mehrere Beispiele für mögliche und jeweils alternative Maßnahmen aufgeführt sind, die der Antragsstellerin unabhängig von der konkreten mangelhaften Situation eine Wahl zu lassen scheinen. Dies verträgt sich nicht mit der in §33 Abs. 1 SGB X zu fordernden Bestimmtheit. Auch dass die Antragstellerin evtl. herausfinden kann, was zu tun ist, wenn sie den Prüfbericht heranzieht und sich an die während der Prüfung erfolgten Beratungsgepräche erinnert, reicht nicht, um den Bescheid bestimmt zu machen. Der Verweis auf den Prüfbericht mag dem Begründungserfordernis genügen, die Bestimmtheit des Bescheides muss sich jedoch im Wesentlichen aus diesem selbst ergeben. Zwar ist es der Antragstellerin zumutbar, eine gewisse gedankliche Eigenleistung bei der Interpretation der zu treffenden Maßnahmen zu erbringen. Sinn und Zweck der Vorschrift des §33 Abs. 1 SGB X sind jedoch dann nicht mehr erfüllt, wenn die Antragstellerin sich lediglich auf mündlich erfolgte Beratungsgespräche und auf einen umfassenden Prüfbericht beziehen muss, um sodann in einem zweiten Schritt erst selbständig herauszufinden, wie die abstrakten Handlungsbedarfe im konkreten Einzelfall umzusetzen sein könnten. Eine Änderung ergibt sich auch nicht daraus, dass sich die Antragsgegner bei der Beurteilung, ob der Bescheid umgesetzt wurde, zunächst damit begnügen, die Erklärung der Antragsstellerin ausreichen zu lassen, sie habe alle Handlungsbedarfe erfüllt. Aufgrund der angekündigten Wiederholungsprüfung ist davon auszugehen, dass unabhängig von der Abgabe der Erklärung eine Kündigung droht, wenn weiterhin Mängel festgestellt werden. Auch die Handlungsbedarfe nur in der Form als Verfügungssatz zu interpretieren, dass in diesen Bereichen Mängel festgestellt wurden, die abzustellen sind, dürfte die Formulierung des Bescheides im Rahmen des Bestimmtheitserfordernisses nicht mehr hergeben.

19

Bedenken im Hinblick auf die getroffenen Maßnahmen ergeben sich auch aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der aus dem Rechtsstaatsprinzip folgt. Nach diesem Grundsatz muss jeder Verwaltungsakt, der in die Rechte des Adressaten eingreift, geeignet, erforderlich sowie angemessen sein. Geeignet ist ein Maßnahmebescheid im Sinne von §115 Abs. 2 SGB XI dann, wenn die dort getroffenen Maßnahmen geeignet sind, die festgestellten Qualitätsmängel zu beseitigen, bzw. wenn zumindest die Möglichkeit besteht, dass durch die Maßnahmen die Mängel beseitigt oder verringert werden. Die Geeignetheit der hier lediglich abstrakten, ohne konkret auf einzelne Pflegesituationen eingehenden Formulierungen kann bezweifelt werden. Die Handlungsbedarfe sind so formuliert, dass allgemeine Forderungen gestellt werden, welche Qualitätsmängel abzustellen sind, es erfolgen jedoch nur vereinzelt, beispielhaft aufgeführt, Empfehlungen, wie das Abstellen der Mängel erfolgen könnte. Bei einigen Handlungsbedarfen wird sich von selbst ergeben, wie die Qualitätsmängel abgestellt werden können, z.B. bei der geforderten Beschreibung der Befindlichkeit des Versicherten bei Diabetes mellitus. Bei der Beschreibung anderer Handlungsbedarfe ergeben sich jedoch Zweifel an der Festlegung der Maßnahmen (z.B. "sachgerechter Einsatz von Hilfsmitteln"). Hier wird nicht deutlich, was z.B. sachgerecht, oder auch was z.B. die "Auswertung von Nachweisen mit erforderlicher Anpassung" im Einzelfall bedeuten könnte. Eine fehlende Geeignetheit des Maßnahmebescheides, die Mängel zu beseitigen, ergibt sich auch aus der Beifügung des Erklärungsvordrucks, den die Antragsstellerin unterschreiben soll. Die festgestellten Mängel werden nicht allein durch eine pauschale Zusicherung beseitigt.

20

Zweifel bestehen auch im Hinblick auf das ausgeübte Ermessen der Antragstellerin im Hinblick auf die getroffenen Maßnahmen. Zur Frage, ob §115 Abs. 2 SGB XI überhaupt ein Ermessen einräumt, finden sich - soweit ersichtlich - in Rechtsprechung und Literatur bislang keine Stellungnahmen. §115 Abs. 2 SGB XI räumt nach Auffassung der Kammer jedenfalls kein Entschließungsermessen in der Weise ein, dass es im Ermessen der Antragstellerin steht, ob ein Maßnahmebescheid zu erlassen ist. §115 Abs. 2 SGB XI schreibt vor, dass die Landesverbände der Pflegekassen "entscheiden", welche Maßnahmen zu treffen sind. Diese Formulierung spricht nicht für ein Ermessen hinsichtlich des "Obs" einer Entscheidung. Eine gebundene Entscheidung ergibt sich nach dem Wortlaut auch im Hinblick auf die Feststellung vorhandener Qualitätsmängel und die Fristsetzung zur Beseitigung. Ein Ermessen ergibt sich aber aus der Formulierung, dass die Landesverbände der Pflegekassen darüber entscheiden, welche Maßnahmen zu treffen sind. Insofern räumt der Gesetzgeber den Landesverbänden der Pflegekassen zumindest ein sogenanntes Auswahlermessen dahingehend ein, als die Pflegekassen selbständig entscheiden können, welche Maßnahmen sie treffen möchten. Der Gesetzgeber macht keinerlei Vorgaben. Auch hier bestehen Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegner im Hinblick auf die Auswahl ihrer Maßnahmen keinerlei eigene Ermessungserwägungen angestellt haben. Vielmehr haben die Antragsgegner die Handlungsbedarfe aus dem Prüfbericht des MDK wortgleich übernommen. Eine Begründung für die Auswahl der getroffenen Maßnahmen oder Anhaltspunkte, dass die Antragsgegner sich ihres Auswahlermessens bewusst waren, findet sich im Bescheid nicht.

21

Aus den oben dargelegten Mängeln des Bescheides ergab sich nach summarischer Prüfung bereits die Rechtswidrigkeit und entsprechend die Erfolgsaussichten in der Hauptsache. Die Interessenabwägung führte daher zu der Entscheidung, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.

22

Die Kostenentscheidung folgte aus §197 a SGG i.V.m. §154 Abs. 1 VwGO.

23

Die Streitwertfestsetzung folgt aus §197 a SGG i.V.m. §63 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Die Festsetzung des Streitwertes erfolgt nach billigem Ermessen, wobei insbesondere die Bedeutung der Sache für den Antragsteller zu berücksichtigen ist. Dabei entspricht die Bedeutung der Sache in der Regel dem wirtschaftlichen Interesse des Antragstellers an der erstreben Entscheidung und ihren Auswirkungen. Fehlen Anhaltspunkte für eine Schätzung, sind nach §52 Abs. 2 GKG 5.000,00 Euro anzusetzen. Mangels eines bezifferten Antrages und mangels Anhaltpunkte für eine Schätzung war hier der Streitwert daher mit 5.000,00 Euro anzusetzen.

24

Rechtsmittelbelehrung

25

Gegen diesen Beschluss findet die Beschwerde zum Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen statt (§172 SGG).

26

...